Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich lasse nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, für den sich im Ältestenrat eine Mehrheit abzeichnete. Wer diesem Thema zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Grünen, die Koalitionsfraktionen, der fraktionslose Kollege und die Piraten. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei der Fraktion Die Linke. Somit rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 a auf. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt,
eine Verbindung mit der dringlichen Beschlussempfehlung zum Nachtragshaushalt herzustellen, sodass ich diese zweite Lesung als Tagesordnungspunkt 3 b aufrufen werde. Die anderen Anträge für die Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Entschuldigung von einem Senatsmitglied für die heutige Sitzung: Der Regierende Bürgermeister ist von 14.00 bis 15.20 Uhr und ab 18.30 Uhr abwesend. Der Grund ab 14.00 Uhr ist der Empfang des Staatspräsidenten der Republik Finnland und ab 18.30 Uhr die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung anlässlich des 74. Jahrestages der Novemberpogrome von 1938.
Bevor ich die erste Frage aufrufe, schlage ich vor, die Fragen Nr. 2 und Nr. 4, die sich beide auf die Sanierung der Staatsoper beziehen, zu verbinden. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat die Frau Abgeordnete Ülker Radziwill von der SPD-Fraktion mit der Frage über
1. Welche Angebote hält der Senat in der kalten Jahreszeit für wohnungslose Menschen tagsüber und nachts bereit, und betrachtet der Senat das Angebot angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre als ausreichend?
2. Wie viele wohnungslose Menschen gibt es in Berlin, und auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien ermittelt der Senat den Hilfebedarf?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Radziwill! Im Namen des Senats beantworte ich Ihre Mündliche Anfrage wie folgt: Zu 1: Die Kältehilfe ist ein zusätzliches Notprogramm der Berliner Bezirke für Menschen, die auf der Straße leben und die Regelversorgung nicht in Anspruch nehmen. Seit 1989 werden in der Winterzeit von Anfang November bis Ende März zusätzliche Notschlafplätze und Tagesaufenthalte im Land Berlin zur Verfügung gestellt. Rund 70 freie Träger und Kirchengemeinden bieten auch in diesem Jahr in der Winterzeit wieder Notschlafplätze in Notübernachtungen und in Nachtcafés sowie tagsüber Möglichkeiten zum Aufenthalt in Treffpunkten, Wärmestuben und Suppenküchen an. Diese Unterkunfts- und Aufenthaltsmöglichkeiten sollen verhindern, dass Menschen aufgrund der kalten Witterung gesundheitlichen Schaden erleiden oder im schlimmsten Fall erfrieren.
Das Ergebnis der bisherigen Rückmeldungen über die Anzahl der vorhandenen Notschlafplätze möchte ich Ihnen auch gern nennen: Das Angebot umfasst durchschnittlich 415 Plätze in Notübernachtungseinrichtungen und Nachtcafés. Die endgültige Angebotskapazität wird erst Ende November 2012 vorliegen. Es stehen noch Meldungen an das Kältehilfetelefon aus. Die Angebotsübersicht steht, wie jedes Jahr, bereits seit dem 1. Januar 2011 unter der Internetseite www.kaeltehilfeberlin.de zur Verfügung und wird laufend aktualisiert. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage in den letzten drei Jahren sind kontinuierlich zusätzliche Notschlafplätze geschaffen worden. Der Senat schafft derzeit die Voraussetzungen, um bis zu 500 Notschlafplätze zu finanzieren. Weiterhin fahren in der Kälteperiode nunmehr drei Kältebusse: zwei, die auch so heißen, nämlich die der Stadtmission, und ein dritter des Deutschen Roten Kreuzes. Die Kältebusse werden nach Bedarf eingesetzt und befördern, sofern gewünscht, Betroffene in Notübernachtungseinrichtungen mit freier Kapazität. Berlin ist also auf den kommenden Winter vorbereitet.
Sollte in der Kältehilfeperiode dennoch in Bezug auf die Kapazität nachgesteuert werden müssen, wird dies zwischen den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und dem Senat, vertreten durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, und den Bezirken in bewährter Weise abgestimmt und organisiert. Ein Controlling über die Inanspruchnahme beziehungsweise Auslastung der Angebote erfolgt laufend.
Zu Ihrer zweiten Frage, die mit dem Thema Kältehilfe nicht direkt in Verbindung steht, sondern den Bogen zum
Hilfesystem für Wohnungslose schlägt: Die zwölf Berliner Bezirke haben im Jahr 2011 ca. 5 000 Personen ordnungsbehördlich gemäß ASOG untergebracht. Zusätzlich erhielten 4 959 Personen Maßnahmen gemäß § 67 ff. SGB XII. Der Stichtag für die Daten ist der 31. Dezember 2011. Bei diesen Menschen erheben die Bezirksämter in jedem Einzelfall nach pflichtgemäßen Ermessen den individuellen Hilfebedarf und leiten mit dem Leistungsberechtigten zusammen die erforderlichen Maßnahmen ein.
Wie Sie, glaube ich, wissen, ist es schwer, über Menschen, die auf der Straße leben, valide Daten zu erheben, denn die niedrigschwelligen Angebote der Wohnungslosenhilfe im Integrierten Sozialprogramm – ISP – können zu einem hohen Anteil anonym genutzt werden, was konzeptionell beabsichtigt und mit den Trägern so vereinbart ist. Dies führt aber dazu, dass selbst eine Stichtagserhebung Mehrfachzählungen von Nutzerinnen und Nutzern beinhalten würde, da ein nicht zu beziffernder Teil von ihnen an einem Tag mehrere Angebote aufsucht: Notübernachtungen, Beratungsstellen, ambulante medizinische Versorgung oder die Bahnhofsdienste. Dieser gewünschte Effekt der Nutzung mehrerer Angebote im Hilfesystem ist beabsichtigt, um den wohnungslosen Menschen den Weg zur materiellen Sicherung und weiterführenden unterstützenden Hilfen zur Reintegration in die Gesellschaft zu ebnen. Der Personenkreis, der sich ohne Wohnraum unversorgt auf der Straße aufhält, ist demnach nicht valide zu ermitteln. Statistisch können nur die Personen erfasst werden, die bei den zuständigen Behörden namentlich als wohnungslos bekannt sind. Die habe ich Ihnen eingangs mit der Beantwortung der zweiten Frage genannt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Senator! – Frau Kollegin Radziwill, eine Nachfrage? – Dann haben Sie das Wort – bitte schön!
Vielen Dank für die Antworten! – Ich möchte noch gern wissen, wie die wohnungslosen Menschen die Angebote, die in der Stadt verteilt liegen, erreichen können, denn für viele ist es nicht einfach, den ÖPNV zu nutzen, weil sie das Geld dafür nicht haben.
Das ist eine berechtigte Frage. – Zunächst haben Wohnungslose trotzdem das Anrecht, Leistungen nach dem SGB II in Anspruch zu nehmen, wenn sie unter 65 Jahre
alt sind, wenn sie über 65 Jahre alt sind, Angebote nach dem SGB XII. Wenn sie also in den Bezirken diese Leistungen in Anspruch nehmen, beinhaltet dies auch, dass sie das Fahrgeld haben, um dies zu tun. Das ist unabhängig davon, ob sie einen festen Wohnsitz haben oder nicht. Sie sind trotzdem in einem Bezirk, in dem, in dem sie zuletzt wohnhaft waren, bei den Sozialämtern bekannt, und könnten diese Angebote in Anspruch nehmen. Das tun leider nicht alle, wie wir wissen, weil sie die öffentlichen Ämter scheuen, und weil es häufig auch Gründe gibt, weshalb sie auf der Straße leben. Deswegen versuchen die Anbieter in den Beratungsangeboten, beispielsweise im medizinischen Dienst, darauf hinzuweisen, dass sie trotzdem Anspruch nach SGB II oder SGB XII haben.
Darüber hinaus versuchen wir, die Angebote, die es für die Wohnungslosenhilfe und die Notübernachtungen gibt, auf die Berliner Bezirke zu verteilen. Wir wissen, in welchen Bezirken besonders viele Wohnungslose leben, und in welchen sehr wenige. Aus diesem Grund ist man in den letzten Jahren dazu übergegangen – die Angebote könnten in einzelnen Bezirken vielleicht ausgedehnt werden, aber der Bedarf ist dafür gar nicht vorhanden –, mit den Trägern und Anbietern, die die Wohnungslosen kennen, darauf zu achten, dass die Angebote dort sind, wo es nötig ist. Es ist so, dass die beiden Kältebusse und der Wärmebus des Deutschen Roten Kreuzes diese Personen in der Notsituation abholen. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen die Orte, an denen sich Wohnungslose aufhalten – insbesondere in der kalten Jahres. Sie fahren diese Standorte gezielt an, um diese Menschen zu erreichen und ihnen dann immer noch eine letzte Möglichkeit in der Nacht zu geben. Bis morgens um 4 Uhr sind die Kältebusse unterwegs, um die Personen einzusammeln, um sie in der Notsituation dann auch in Notunterkünfte zu bringen.
Vielen Dank! – Für eine weitere Nachfrage hat der Kollege Beck von den Grünen das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Senator! Seit über zehn Jahren gab es in der Obdachlosenarbeit keine Weiterentwicklung und Anpassung an die Realität. Wann erhalten wir endlich wieder einen Rahmenplan und Leitlinien zur Wohnungslosenarbeit?
Manche Bälle legen Sie ja direkt vor das Tor. – Ja, das ist in den letzten zehn Jahren so nicht geschehen. Es gibt aber ein sehr vernünftiges Gutachten zur Lösung der Wohnungslosigkeitsprobleme in Berlin und zur Situation des Angebots. Wenn Sie dieses Gutachten kennen, wissen Sie, dass es auch auf viele Probleme eingeht, die angesprochen und gelöst werden müssen, beispielsweise die psychologische Betreuung von Wohnungslosen, für die die Koalition gemeinsame Anträge formuliert hat, um dieses Angebot zum Beispiel für wohnungslose Frauen zu verbessern. Wir arbeiten daran, dieses Papier fortzuschreiben, und werden das mit Ihnen auch im Fachausschuss diskutieren.
Zu der Frage bezüglich der Notunterkünfte, die Frau Radziwill gestellt hat, gehört diese Nachfrage aber nicht, denn dieser Part der Notunterkünfte hat sich in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt und verbessert, und das Angebot des Landes ist genau so ausgeweitet worden wie dankenswerterweise die Angebote der Bezirke.
Dann kommen wir jetzt zu den Mündlichen Anfragen Nr. 2 und 4, zuerst der Anfrage des Kollegen Stefan Evers von der CDU-Fraktion
1. Welche Gründe haben zur Trennung vom bisherigen Projektsteuerer für die Sanierung der Staatsoper geführt, und ist mit Verzögerungen oder Mehrkosten aufgrund dieser Entscheidung zu rechnen?
2. Wie ist der Stand der Neuausschreibung der Leistungen, und in welcher Weise wird der Leistungskatalog im Vergleich zur Auftragsvergabe an die Firma Drees & Sommer verändert?
Vielen Dank! – Dann kommen wir zur Anfrage Nr. 4 des Kollegen Wolfgang Brauer von der Fraktion Die Linke
1. Welche sachlichen Gründe stehen hinter der Entscheidung des Senates, sich vom Projektsteuerer der Staatsopernsanierung zu trennen?
2. Welche zeitlichen Verzögerungen hat die jetzt notwendig gewordene Neuausschreibung dieser Aufgabe zur Folge, und wer trägt die dann zu erwartenden Mehrkosten?