Protokoll der Sitzung vom 22.11.2012

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 21. November 2012 Drucksache 17/0663

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0639

„Kulturbrauerei“ für Berlin erhalten

Ich habe den Antrag vorab dem Hauptausschuss überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen.

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Eine Beratung wird nicht mehr gewünscht. Der Überweisung hatten Sie bereits eingangs zugestimmt. Der Hauptausschuss empfiehlt einstimmig bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen die Annahme in neuer Fassung. Wer dem Antrag in neuer Fassung im Wortlaut der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses Drucksache 17/0663 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU und die Linksfraktion. Gegenstimmen? – Ich sehe eine Gegenstimme bei den Piraten. Enthaltungen? – Das sind die Grünen.

[Heiko Herberg (PIRATEN): Wir sind alle dafür!]

Ich stelle für das Protokoll nachträglich fest, dass die Piratenfraktion geschlossen dafür stimmt. Ich habe keine Gegenstimmen gesehen; Enthaltung bei den Grünen. Danke schön! Dann haben wir dem so zugestimmt.

Ich komme zur

lfd. Nr. 28:

Neue soziale Wohnraumförderung als Baustein einer sozialen Wohnungspolitik für Berlin

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0640

Eine Beratung wird nicht mehr gewünscht. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das höre ich nicht.

Tagesordnungspunkt 29 steht auf der Konsensliste. Die lfd. Nr. 30 war die Priorität der Piratenfraktion unter Tagesordnungspunkt 4.3.

Ich komme zu

lfd. Nr. 31:

a) Sinnvolle Ansätze weiterführen – Wohnungen für Flüchtlinge aus den Beständen der Berlinovo/BIH bereitstellen

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0647

b) Privatwohnungen statt Lager – Kooperationsvertrag „Wohnungen für Flüchtlinge“ erfüllen und nachverhandeln!

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0648

Die antragstellende Fraktion möchte die Anträge heute vertagen. – Widerspruch höre ich hierzu nicht.

Ich komme zu

lfd. Nr. 32:

Musicboard offen und vielfältig gestalten – effiziente Strukturen für das Musicboard von Anfang an

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0649

Sofern es gewünscht wird, können Reden nun zu Protokoll gegeben werden, wie verabredet worden ist.

Wir begrüßen, dass der Senat sich endlich mit dem Wunsch der Berliner Kreativszene nach einer zentralen Vernetzungsstelle auseinandergesetzt hat und nun mit der Einrichtung des Musicboards den hier tätigen Akteurinnen und Akteuren die Unterstützung anbietet, die die Szene schon seit vielen Jahren fordert. Ja, so lautet zumindest die ursprüngliche Absichtserklärung zur Einrichtung des Musicboards. Aber das kürzlich vom Senat vorgestellte Konzept für das Musicboard sieht da doch etwas anders aus.

Leider hat der Senat mit dem vorliegenden Konzept die Chance verpasst, die Nöte der Musik- und Clubszene anzugehen. Damit das Musicboard wirklich zeitgenössische Musik, Pop- und Rockmusik, aber auch die Berliner Club- und Subkultur ebenso erfolgreich wie glaubwürdig fördern kann, muss sich eben diese Vielfalt auch in der institutionellen Form des Musicboards wiederfinden. Die Gründung einer Musicboard GmbH, die vornehmlich auf die Vermarktung der Stadt ausgerichtet ist und sich dafür das Mäntelchen der Popkultur überwirft, reicht dafür nicht.

Es muss gewährleistet sein, das sich möglichst viele der in der Szene Aktiven im Musicboard wiederfinden und einbringen können. Das ist bisher mit dem Senatskonzept zum Musicboard nicht erkennbar: Der Senat benennt einen Musikbeauftragten, und der erwähnte Beirat des Musicboards wird lapidar von dem bei der Senatskanzlei verorteten Musikbeauftragten berufen. Was dieser Beirat dann eigentlich wirklich darf, ist auch nicht ganz klar. Bei der Anhörung zum Musicboard im Medienausschuss sagte Herr Böhning sinngemäß dazu: Akteure, die sich aus der Sicht des Senats positiv in den Prozess eingebracht haben, kommen in den Beirat. – Da gab es verständlicherweise einiges Stirnrunzeln unter den eingeladenen Fachleuten.

Wir haben uns Gedanken zur Arbeitsweise des Musicboards gemacht und machen der rot-schwarzen Koalition einen konstruktiven Vorschlag. Dieser ist mit vielen Akteurinnen und Akteuren aus der Szene abgestimmt. Um eine breite Legitimation des Musicboards zu erreichen, fordern wir Grüne, dass der angekündigte Beirat für das Musicboard in einem öffentlichen Verfahren von einer

möglichst großen Zahl von Interessierten aus den verschiedenen Sparten der Popkultur, der freien Musik und der Clubkultur befristet gewählt wird. Nur die Szene selber kann das richtige Leitungsteam aus sich heraus wählen. Innovationszyklen sind kurz in dieser Sparte. Außenstehende, branchenfremde Manager oder in der Verwaltung positionierte Akteure können da nicht schnell und adäquat agieren. Weiter empfehlen wir, dass nicht der Senat in Form einer oder eines Musikbeauftragten von oben über die Erarbeitung des konkreten Konzepts für das Musicboard entscheidet, sondern der gewählte Beirat. Eine solche Form der direkten demokratischen Selbstorganisation sind Sie der Stadtgesellschaft und der eigenständigen Kreativszene unserer Stadt schuldig.

An Ihren schöngeistigen Vorschlägen für ein Musicboard ist auffällig, dass Sie die Förderung der Popkultur und der Musik- und Clubszene anscheinend immer noch nicht als ein Querschnittsthema begreifen. Sie ist eben nicht nur Kultur- oder Wirtschaftspolitik, sondern muss auch stadtentwicklungspolitisch bearbeitet werden. Angesichts der rasanten Entwicklung der Mieten, des hohen Investorendrucks und des dramatischen Schwunds an Freiräumen in dieser Stadt sollte die Einbeziehung der entsprechenden Ressorts jedoch die Grundlage jedes Handelns sein, wenn man über die Förderung der Berliner Kreativen nachdenkt. Wir Grüne fordern deshalb, dass neben einer Vertretung der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung sowie Kultur auch eine für Stadtentwicklung und Umwelt dem Beirat beisitzt.

Mit einer rein wirtschaftsorientierten Vermarktung der Berliner Clubkultur werden Sie nicht die Freiräume und subkulturellen Experimentierfelder sichern oder bewahren können, die Sie jetzt für das Berliner Standortmarketing im Rahmen des Musicboards vereinnahmen wollen. Die Förderung von ein paar Elfenbeinturmprojekten wird keine Garantie dafür sein, dass Berlin hip und cool bleibt. Es braucht vor allem gute Rahmenbedingungen für die Kreativen, die eben nicht in den bekannten Marktlogiken funktionieren. Nur wenn Berlin bezahlbar, offen und experimentell bleibt, werden auch die Kreativen bleiben.

Es ist daher dringend notwendig, dass in den Zielsetzungen für das Musicboard die Erhaltung und Schaffung von Freiräumen für die Berliner Club- und Subkultur festgeschrieben werden und dass im Zuge dieser Zielsetzungen der Beirat des Musicboards in die Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik einbezogen wird. Unter der Kooperation mit den kultur-, stadtentwicklungs- und wirtschaftspolitischen Bezirks- und Landesverwaltungen soll der Beirat zudem ein Konzept erarbeiten, das mögliche Lösungen bei Nutzungs- und Lärmkonflikten bietet und die Verwaltungen nicht nur für das Thema sensibilisiert, sondern auch gemeinsame Verhandlungsrunden einberuft. So kann das Musicboard bereits vorhandene, natürlich gewachsene Strukturen fördern und stabilisieren. Und das muss das Musicboard auch, sonst läuft es ins

Leere oder schadet der Szene sogar. Das kann doch nicht im Sinne Berlins sein.

Die Berliner Club-, Musik- und Veranstaltungsszene ist ein wichtiger Bestandteil einer vielfältigen, anziehenden und offenen Atmosphäre Berlins. Nach dem Fall der Mauer nutzten viele junge und kreative Menschen in unserer Stadt die Freiräume und Nischen, um sich auszuprobieren, um Lebenskultur, soziale Bindekraft und neue Trends zu schaffen. Dafür ist Berlin heute weltbekannt. Viele kommen hierher, um das zu erleben. Aber auch für viele Berlinerinnen und Berliner macht diese Szene unsere Stadt lebenswert und spannend.

In der Berliner Politik wird diese Kultur oft nur als touristischer oder Wirtschaftsfaktor wahrgenommen. Berlin profitiert ohne große Investitionen von diesem Wirtschaftszweig. Und in der Tat hat sich die Wirtschaftsverwaltung des Themas schon vor langer Zeit angenommen und hier eine Reihe positiver Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Das reicht aber nicht. Denn inzwischen drohen – bei zunehmender sozialer Spaltung und Verdrängung, innerstädtischer Flächenkommerzialisierung und Aufwertung – die für eine solche Kreativszene erforderlichen Freiräume verloren zu gehen. Clubs werden geschlossen, ich nenne hier beispielhaft nur den Knaack-Klub, das ICON oder den Klub der Republik. Andere haben mit manifesten Problemen zu kämpfen. Dabei ist es nicht nur die GEMA-Tarifreform, die ihnen zu schaffen macht. Club- und Konzertveranstalter sind durch Lärmbeschwerden, naherückende Wohnbebauung, unsichere Miet- und Pachtsituationen gefährdet. Kurzfristige wirtschaftliche Belastungen erzeugen existenzielle Sorgen. Neue Flächen und Räume sind schwer zu erschließen. Aber nicht nur große Konzernunternehmen brauchen Sicherheit, sondern auch kleine und mittlere Konzert- und Cluborganisatorinnen und -organisatoren. Viele von ihnen wollen den Anspruch aufrechterhalten, nicht nur Wirtschaft und Kommerz zu betreiben, sondern betonen gerade auch die soziokulturelle Dimension von kreativer Musik- und Kulturszene. Wenn Berlin nicht proaktiv tätig wird, um diese Freiräume zu sichern, wenn Politik und Verwaltung nicht Aktivitäten zur Unterstützung der Szene ergreifen, dann wird genau der Nährboden vernichtet, der zur Entwicklung dieser kreativen Szene geführt hat.

Das Musicboard war zunächst eine Marketingveranstaltung des Senats. 1 Million Euro ohne Plan, ein „Chefsache!“-Bekenntnis von Senatskanzleichef Böhning – das ist schon eine dolle Sache. Für nichts wird im Haushalt mal so eine Summe bereitgestellt, ohne dass es überhaupt ein Konzept, einen Plan gibt. Und, offen gestanden, auch die heute verhandelte Vorlage – zur Kenntnisnahme – lässt noch eine ganze Reihe von Fragen offen.

Die Linke hat kein Problem damit, wenn Mittel bereitgestellt werden, um die Club- und Konzertszene Berlins zu fördern. Im Gegenteil. Vielen hätte in der Vergangenheit eine sehr kleine Summe gereicht, um Lärmschutzmauern für die Erfüllung von Auflagen zu errichten oder manch anderes Problem zeitweise zu überbrücken. Als das SO 36 Probleme hatte, musste die Zivilgesellschaft selbst tätig werden. Insofern meinen wir: Die Erkenntnis, dass die produktive Entwicklung, vor allem auch nicht primär kommerzieller Akteure, nicht dauerhaft ohne Unterstützung des Landes laufen kann, ist ein Fortschritt. Es muss aber mehr geben als eine Leuchtturminstanz. Die Kooperation der Verwaltungen Berlins mit dem Ziel, bestimmte Freiräume und kulturell anspruchsvolle, experimentierfreudige Veranstaltungsorte zu erhalten, ist nötig, sonst wird mittelfristig die Kreativwirtschaft austrocknen. Auch muss sich das Board der Szene offensiv öffnen, damit niemand ausgeschlossen wird, sondern alle Potenziale in seinem Fokus sind. Und letztlich: Nur eine bessere Zusammenarbeit und Abstimmung in der Stadtplanung und Liegenschaftspolitik können dieser Entwicklung wirksam entgegensteuern. Dieser Aspekt ist beim Musicboard bisher völlig ausgeblendet. Auch die konkreten Hilfemaßnahmen, die über das Musicboard laufen könnten, bleiben bislang zu sehr im Nebel. Mit unserem Antrag „Offene Clubkultur stärken, soziokulturelle Vielfalt Berlins erhalten“, Drucksache 17/0429, haben wir Schritte bezeichnet, die aus unserer Sicht nötig sind, um zu einer wirklich nachhaltigen Verbesserung der Situation zu kommen. In der Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss erst gestern haben die Anzuhörenden aus der Szene diese Vorschläge im Wesentlichen als richtigen Weg unterstützt und auch noch weitere Vorschläge gemacht. Es wäre also durchaus denkbar, dass Berlin zu einer Strategie kommt, die die existierenden Probleme ernsthaft aufgreift, statt sie – wie es die Koalition im Wirtschafts- und Kulturausschuss getan hat – einfach wegzureden und auszublenden. Gestern war ja eine vorsichtige Öffnung angedeutet worden von den Kollegen Evers aus der CDU-Fraktion oder Frank Zimmermann von der SPD. Ich hoffe, dass wir da jetzt zu einer fruchtbareren Debatte kommen. In den ersten beiden Ausschussberatungen reichte es ja nur zu einer Ablehnung.

Das Musicboard kann eine gute Rolle spielen im Ensemble durchdachter, nachhaltiger Maßnahmen. Es kann aber auch als Propagandamaßnahme versacken, die die Situation der Konzert-, Musik-, Veranstalter- und Clubszene um keinen Deut verbessert. Welches von beidem eintritt, können wir Linke aus heutiger Sicht noch nicht sagen. Was wir sagen können ist: Es muss mehr „Butter bei die Fische“, als es die vorliegende Mitteilung ausweist. Der vorliegende Grünen-Antrag beinhaltet aus meiner Sicht die richtigen Schritte, um mit dem Musicboard in vernünftiger Weise voranzukommen. Er ist die logische Schlussfolgerung aus den bisherigen Diskussio

nen zur Zukunft von Club- und Konzertkultur und Musicboard in diesem Parlament und seinen Ausschüssen. Wir brauchen eine Stärkung der lokalen Subkultur, keine Schaufensterinstitution. Wir sind wie die grüne Fraktion bereit, an einer Weiterentwicklung der Konzeption für das Musicboard mitzuwirken. Für symbolische Politik allerdings stehen wir nicht zur Verfügung, und die Million wäre in einem solchen Fall Geldverschwendung ersten Ranges. Reden Sie mit den Aktivistinnen und Aktivisten, reden Sie mit dem Parlament – dann kann noch was draus werden.

Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten , Medien und mitberatend an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten vorgeschlagen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 33 steht als vertagt auf der Konsensliste.

Ich komme zu

lfd. Nr. 34:

Gegen Gewalt an Frauen – Bleiberecht für Opfer von Menschenhandel

Antrag der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion Drucksache 17/0653

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Die Linke. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Sommer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 25. November jährt sich der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen.

[Unruhe]

Dieser Tag ist ein wichtiger Tag, denn Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig.