Herr Kohlmeier! Ich finde es ja sehr interessant, die Genese des Grünen-Antrags von Ihnen vorgelesen zu bekommen. Aber: Sind Sie jetzt für oder gegen die Einführung von Open-Source-Software in der Berliner Verwaltung?
Die Frage, ob ich für oder gegen den Einsatz bin, ist unabhängig von dem vorliegenden Antrag zu betrachten. Das steht zumindest in dem Antrag nicht drin, lieber Kollege Delius!
Selbstverständlich, lieber Kollege, weiß ich, was ich will. Ich will mich aber jetzt nicht weiter mit Ihnen auseinandersetzen, Herr Morlang!
Der Antrag dient doch bloß einem Ziel: Die Kollegen von den Grünen haben vor 14 Tagen ein großartiges Pressegespräch mit dem Thema „Zukunftsorientierte IT-Strategie für das Land Berlin mit Open-Source-Software“ gemacht. Dort kündigte der Kollege Birk als ihr zuständiger Abgeordneter an: Mit einem konzeptionellen Antrag wird die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen praktikablen Weg der Umstellung der Verwaltung auf Open-SourceSoftware vorschlagen. Das haben Sie dann offensichtlich gemacht. Nachdem es 2008 schon nicht gefunkt hat, wird es möglicherweise auch in dieser Legislaturperiode nichts werden mit dem, was Sie hier vorgeschlagen haben, mit dem Kompetenzzentrum. Das Kompetenzzentrum, das Sie hier fordern, ist ein reines Etikett.
Deshalb freue ich mich auf die Ausschussberatungen und darf dann nochmals in die Unterlagen schauen, welches Schicksal dem Antrag von vor fünf Jahren zuteil wurde. Dort ist der Antrag abgelehnt worden, sowohl in dem zuständigen Ausschuss Verwaltungsreform, Kommunikation und Informationstechnologie als auch im Hauptausschuss. Ich wage, die Prognose aufzustellen, dass das gleiche Schicksal dem Antrag auch in dieser Legislaturperiode drohen wird, wenn nicht substanzielle Verbesserungen kommen. – Herzlichen Dank!
Herr Kohlmeier! Der Ursprungsantrag von uns umfasste zehn Punkte. Der neue Antrag umfasst 22 Punkte.
Die will ich jetzt nicht alle vorlesen, aber es kann wohl nicht sein, dass nur drei neue Aspekte dabei sind. Das werden Sie mir wohl glauben.
Aber ich möchte noch mal auf eine Lächerlichkeit hinweisen. Sie sagen hier: Ausgerechnet im Sicherheitsbereich haben Sie Bedenken bezüglich Open-SourceSoftware. Es ist die Verwaltung, die uns immer stolz darauf hinweist, dass sie gerade im Sicherheitsbereich Open-Source-Software benutzt, weil es da natürlich standardmäßig heute schon häufig der Fall ist. Deswegen verweisen Sie in Ihrem eigenen Parteitagsbeschluss auch darauf: Auch unter Sicherheitsaspekten sind OpenSource-Produkte, die auf vielfach geprüften offenem Quelltext basieren, den proprietären mitunter überlegen. – Ja, Ihre Partei ist einfach immer klüger als Sie hier in der Abgeordnetenhausfraktion!
Wir fragen uns: Wann wird endlich mal das, was in diesem wirklich klugen Antrag steht, umgesetzt? Ich kann Ihnen da wirklich nur ein Kompliment machen. Da steht auch ganz viel zur Medienbildung drin, was wir gern umgesetzt hätten – Runder Tisch für Medienbildung; wurde gerade vom Staatssekretär Rackles abgelehnt.
Das ist alles hier drin. Sollen Sie alles machen. Aber dann machen Sie es auch! Vor allem, wo die CDU in Oppositionszeiten auch dafür war, verstehen wir jetzt nicht, warum wir nicht einen Allparteienkonsens hinkriegen,
den wir übrigens schon mal hatten. 2004 hat schon mal das Abgeordnetenhaus beschlossen, wir sollen auf OpenSource-Software wechseln. Wer hat es verhindert? – Nur die SPD. Es lag nicht an der Linken. Da war ich Zeuge.
Lieber Kollege Birk! Im Internet gibt es mit Hashtag „#diespdwars“ das Entsprechende, warum es die SPD immer gewesen ist, insbesondere deshalb, warum heute noch Winter ist.
Zu dem Antrag selbst, lieber Kollege Birk! Der würde höchstwahrscheinlich auch nicht besser werden, wenn Sie ihn in fünf Jahren mit 44 Punkten einreichen und die ebenfalls abschreiben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Hinweis von Herrn Kohlmeier, was den Antrag der Grünen aus dem Jahr 2008 betrifft, muss ich nicht mehr viel sagen. Dazu hat Herr Birk etwas gesagt. Aber vor dem Hintergrund, Herr Kohlmeier, dass Sie jetzt wieder gesagt haben, dass jetzt erst mal wieder ein Gutachten abgewartet werden soll, bis man wieder irgendwelche Entscheidungen treffen kann, sage ich Ihnen, dass dieses Abgeordnetenhaus bereits im Dezember 2005 – rot-rote Zeiten – den Senat in einem Auflagenbeschluss aufforderte, einen Zeit- und Maßnahmenplan zum umfassenden Einsatz von Open-Source-Software vorzulegen und auf die Einhaltung offener Standards zu achten. Das ist sieben Jahre her, und jetzt kommen Sie wieder mit einem Gutachten.
Hintergrund für diesen Beschluss war die Erkenntnis, dass beim Einsatz von IT-Technik in der Berliner Verwaltung mit einer Open-Source-Strategie grundlegende Ziele wie Wirtschaftlichkeit, Effizienzsteigerung, Herstellerunabhängigkeit und Standardisierung erreicht werden können. Umso mehr – auch in der Linie des Kollegen Kohlmeier – überraschte die Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage meines Kollegen Klaus Lederer vom April 2012 – also im Dezember 2005 der Beschluss und im April 2012 folgende Antwort:
Die IT-Bestands- und Planungsübersicht der Senatsverwaltung für Inneres und Sport liefert keine Informationen, auf welcher Basis die einzelnen ITFachverfahren realisiert wurden, insofern kann auch kein prozentuales Verhältnis von OpenSource-Fachanwendungen zu proprietären Fachanwendungen angegeben werden.
Das heißt ja wohl übersetzt: Der Senat hat in einer entscheidenden strategischen Frage über den Einsatz von IT-Software in der Berliner Verwaltung keine komplette Übersicht. Da fragt man sich natürlich, vor welchem Hintergrund der Senat seine Entscheidung trifft. Denn aus der schon erwähnten Antwort auf die Kleine Anfrage von Klaus Lederer geht auch hervor, dass der Senat zur Vereinheitlichung der unterschiedlichen IT-Systeme und IT-Lösungen ein Gesamtkonzept für die Planung, Finanzierung, Einführung und Nutzung von IT-Systemen und IT-Lösungen bis zum Haushalt 2014/15 vorlegen will. Im Rahmen dieses Konzeptes soll auch ein standardisierter IT-Arbeitsplatz für die Verwaltung angeboten werden. 2005, 2014 – Donnerwetter, doch schon, möchte man sagen!
Bereits im Jahre 2008 teilte das ITDZ, der IT-Dienstleister für das Land Berlin, in einer Pressemitteilung mit, dass nach einer eingehenden Pilotphase mit Praxistest der Berliner Verwaltung zukünftig Open-Source-Arbeitsplätze angeboten werden. Also 2008 war die Pilotphase abgeschlossen!
Kein kompletter Überblick des Senats über den Einsatz von Open-Source-Software in der Verwaltung und eine vom Senat vor der Haushaltsberatung angekündigte Weichenstellung zum Einsatz von IT-Systemen und Lösungen sind unter anderem zwei Punkte, die mit dem Antrag der Grünen aufgegriffen werden. Und so gesehen, Herr Kohlmeier, ist es richtig, dass der Senat aufgefordert wird, endlich eine vollständige und detaillierte Übersicht über den Einsatz von Open-Source-Software vorzulegen. Und so ist es auch richtig, dass der Senat aufgefordert wird, ein Gutachten in Auftrag zu geben, inwieweit es rechtlich möglich ist, Open-Source-Software bei der öffentlichen Auftragsvergabe den Vorrang zu geben. Rechtzeitig vor Beginn der Beratung für den Landeshaushalt 2014/2015 wird zu Recht mit dem konzeptionellen Antrag auf die notwendige Umstellung und den stärkeren Einsatz von Open-Source-Software hingewiesen.
Jetzt komme ich wieder zurück auf das Jahr 2006. Da war im „Splitter“, den IT-Nachrichten der Berliner Verwaltung, Ausgabe Nr. 1 2007, nachzulesen, dass das Fraunhofer Institut eine Studie veröffentlicht hatte. Es wurden 115 öffentliche Verwaltungen nach ihren Einschätzungen zum Einsatz quellenoffener Software befragt. 70 Prozent der befragten öffentlichen Einrichtungen gingen von teilweise erheblichen Kostensenkungen durch den Einsatz von Open-Source-Software aus. 2006 war das!
Und alles spricht für den verstärkten Einsatz von OpenSource-Software in der Verwaltung. Erstens: Die Software ist leicht lesbar und verständlich. Zweitens: Die Software darf beliebig oft kopiert, verbreitet und genutzt werden. Das bedeutet: Die Verwaltung ist in jeder Hinsicht unabhängig von der standardisierten und kommerziell ausgerichteten Software, bei der jede Änderung der Software-Version kostenpflichtig ist. Und so ist es richtig, dass mit dem vorgelegten Antrag der Senat aufgefordert wird, bei Kostenvergleichsrechnungen für die Beschaffung von IT-Projekten auch die finanziellen Folgen der Herstellerabhängigkeit zu berücksichtigen.
Ja, der vorletzte Satz! – Mit Blick auf die bevorstehenden Haushaltsberatungen nach den Sommerferien hoffe ich, dass der Antrag der Grünen zügig und zeitnah – ich betone: zügig und zeitnah, Herr Kohlmeier – im Fachaus
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die strategische Ausrichtung des IT-Einsatzes in der Berliner Verwaltung basiert auf den Festlegungen in den Richtlinien der Regierungspolitik vom Januar 2012. Dort sind unter anderem die Einführung eines standardisierten IT-Arbeitsplatzes in der Berliner Verwaltung und die Konsolidierung des dezentralen Serverbetriebs festgeschrieben. In den konkreten Vorgaben, die derzeit umgesetzt werden, sind wesentliche der im Antrag aufgelisteten Themen, insbesondere die Nutzung offener Standards und der gleichberechtigte Einsatz von Open-SourceSoftware, bereits berücksichtigt. Gemäß Leitlinie der Berliner Verwaltung ist zu bestimmen, was funktional an Software gebraucht wird, um bestimmtes Verwaltungshandeln digital zu betreiben. Das heißt, es wird von der Verwaltung ein Kriterien- und Anforderungskatalog erstellt, der darlegt, was an Funktionen gebraucht wird. Dann wird entschieden, womit diese Anforderungen am besten erfüllt werden können. Dies kann eine OpenSource-Software oder es können auch proprietäre Produkte von Microsoft, Oracle oder anderen Herstellern sein. Die Entscheidung darüber, welches Produkt angeschafft wird, wird nicht ideologisch, wie im Antrag der Grünen, gefällt, sondern nach den Fähigkeiten der Software, ungeachtet, ob OSS oder proprietär.
Derzeit sind 99 Prozent der IT-Fachverfahren proprietäre Software, die von Firmen erworben wird, die aus Schutz ihres Betriebsgeheimnisses ihre Quellcodes nicht offenlegen. Diese Software wird erworben und von den beauftragten Firmen auch gepflegt, da dies von der Verwaltung nicht geleistet werden kann und auch nicht muss. Derzeit werden die beiden Softwarearten von der Verwaltung gleichberechtigt betrieben.
Es ist außerdem darauf hinzuweisen, dass vor dem Hintergrund der dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung die im Antrag an diversen Stellen geforderten zentralen Einrichtungen und Zuständigkeiten nicht umsetzbar sind. Ziel der Verwaltung ist die Vereinheitlichung und die Standardisierung von IT-Prozessen unter Wahrung der dezentralen Fach- und Ressourcenverteilung in der Berliner Verwaltung, nicht die erzwungene Zentralisierung verbunden mit der einseitigen Bevorzugung bestimmter Softwarearten. Die Verwaltung betreibt derzeit circa 73 000 IT-Arbeitsplätze im Land Berlin und
muss sicherstellen, dass sie arbeitsfähig bleibt. Sie ist daher interessiert an verlässlichen Vertragsbeziehungen und klaren Verantwortungen für die Software und nicht an komplizierten Zuständigkeiten.
Mit dem Besitz der Quellcodes wäre es zum Beispiel möglich, kleine Veränderungen oder Tools zu programmieren. Daran hat die Verwaltung nur in sehr wenigen Fällen wirkliches Interesse.
Einerseits hat sie im Regelfall nicht die Kapazitäten, um solche Softwareveränderungen selbst zu programmieren, andererseits können solche Veränderungen die Software verkomplizieren und den Pflegeaufwand erhöhen.