Wie öffentlich bekannt und auch im vorliegenden Bericht enthalten, haben uns zunehmend Hilferufe von Berufsschülerinnen und Berufsschülern erreicht, die über Monate auf die Bearbeitung ihrer BAföG-Anträge im Amt Charlottenburg-Wilmersdorf warten mussten, ohne ein Überbrückungsgeld zu bekommen, die nicht mehr wussten, wovon sie leben sollten, und die damit vom Abbruch ihrer Ausbildung bedroht waren.
Den Weg der Petition fanden dabei nur Einzelne von Tausenden. Diesen Einzelnen wurde in der Regel geholfen, indem ihre Anträge durch unsere Nachfrage im BAföG-Amt vorgezogen wurden, was das Problem an sich ja aber wohl nicht löste. Als uns angekündigt wurde, dass selbst das aufgrund der Personalsituation nicht mehr möglich ist, bin ich parlamentarisch aktiv geworden. Ein Ergebnis dessen ist der uns heute vorliegende Antrag „Rechtzeitige BAföG-Auszahlung zur Existenzsicherung sofort durchsetzen!“ von der Linksfraktion. Obwohl Herr Dr. Nevermann die von uns hier geforderten Veränderungen als notwendig und die von uns auch im Wissenschaftsausschuss genannten Ursachen als zutreffend bestätigte, will die Koalition dem Antrag heute nicht zustimmen. Wir werden dann zum Ende des Jahres wieder das gleiche Problem haben, und das ist unglaublich.
Sehr bewegende Einzelschicksale haben uns auch von Eltern erreicht, deren Kindern eine besondere Förderung verwehrt wird, obwohl sie Behinderungen haben, die auch von Psychologen und Ärzten bestätigt werden, und meist schon dramatische Erlebnisse in ihrem Leben verkraften mussten. Hier haben wir nicht bei allen helfen können, und in einigen Fällen habe ich die Befürchtung, dass dies durch die Kosten bestimmt war. Besonders auffällig finde ich hier eine aus meiner Sicht nicht ausreichende Unterstützung für Kinder mit Autismus. Es sollte
uns allen ein Anliegen sein, gerade im Hinblick auf die Durchsetzung der inklusiven Bildung hier ein Sparen auf Kosten von Schwachen nicht zuzulassen.
Massenpetitionen oder Sammelpetitionen spiegeln die Meinung oder den Willen vieler Berlinerinnen und Berliner wider. Das waren im kulturellen Bereich z. B. die Sorge um den Erhalt des Zuckermuseums oder die Massenpetition gegen eine zentrale Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld oder im Bereich der Wissenschaft die Petition der UdK-Studierenden als Reaktion auf die Baumert-Vorschläge für ein neues Lehrerbildungsgesetz, wo wir jetzt auf eine Stellungnahme des Wissenschaftsausschusses warten. Eine Ausschussunterstützung haben wir uns auch zur Massenpetition zum automatischen Absenken der Busse der BVG eingeholt. Da die Ergebnisse der Untersuchung der BVG ja nun wohl vorliegen und die sogenannte Testphase beendet ist, hoffe ich, dass das Parlament nun im Interesse der Petenten tätig wird.
Zum Abschluss noch Folgendes: Wenn wir Petitionen als partizipative Verfahren ernst nehmen, bei denen die Bürgerin oder der Bürger eigene Themen auf die Agenda der Politik setzen können, und wenn wir diese Bürgerteilhabe wollen, dann sollten wir auch über ein moderneres Petitionsrecht nachdenken. Das beginnt schon damit, wie alle Abgeordneten über Inhalt und Verfahren von bzw. mit Petitionen informiert werden. Die Linksfraktion macht das Angebot, gemeinsam über die Möglichkeit öffentlicher Petitionen zu diskutieren und ebenso über öffentliche Anhörungen, die an ein Quorum gebunden sind.
Um auch die Öffentlichkeit über Petitionen zu informieren, sollten wir auch darüber nachdenken, wie und in welchem Umfang wir Petitionen – natürlich auch zum Teil anonymisiert – öffentlich machen können. Die Linksfraktion wird dazu fundierte Vorschläge unterbreiten.
Ich möchte mich aber auch noch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Büros bedanken und ausdrücklich auch beim Ausschussvorsitzenden, Herrn Kugler. – Danke!
Vielen Dank, Frau Kittler! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Graf. – Bitte sehr!
Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Damen und Herren! Als Erstes auch von mir der Dank an das Petitionsbüro. Ich wüsste nicht, was wir ohne diese Mitarbeiter dort machen sollten. Der Petitionsausschuss ist mein Lieblingsausschuss. Entschuldigung an die Kollegen aus dem Bildungsausschuss, aber das ist einfach so! Dies liegt vor allem daran, dass hier wirklich reale Politik passiert. Wir haben hier echte Menschen mit echten Problemen und Menschen, die uns Verbesserungsvorschläge für uns hier in Berlin zukommen lassen. Die eingehenden Petitionen sind eine Spiegelbild dessen, was die Berliner Bürgerinnen und Bürger wirklich bewegt. Hier werden uns Probleme aufgezeigt, und wir haben die Möglichkeit, darauf zu reagieren und daraus zu lernen. Dies kann in kleineren Punkten wie z. B. fehlender Straßenbeleuchtung oder wenig Parkplätzen liegen, aber auch in Anliegen, die die Existenz betreffen wie z. B. die Bearbeitung von Wohngeldanträgen oder der Anträge zum Elterngeld. Auch in sehr schwierigen Situationen für Familien – wenn z. B. der Petent Schwierigkeiten mit dem Jugendamt hat –, wendet man sich an den Petitionsausschuss.
Hierzu habe ich ein Beispiel für Sie mitgebracht. Kurz am Rande dazu: Im Petitionsausschuss haben alle Abgeordneten gesagt, welche Themen sie bearbeiten. Ich mache Jugend und Familie, Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie Datenschutz. – Im vergangenen Jahr wurde eine seit Längerem laufende Angelegenheit abgeschlossen. Dabei hatte sich eine Petentin an uns gewandt, die für ihre Enkeltochter das Sorgerecht übernommen hatte. Ihre Tochter war alkoholabhängig – auch während der Schwangerschaft –, und daraufhin war deren Mädchen sowohl körperlich als auch geistig behindert zur Welt gekommen. Kurze Zeit später ist die Mutter verstorben. Die Großmutter hat sich in der Folge vollkommen um das Kind gekümmert. Das Kind benötigte natürlich auch eine gesonderte Betreuung. Sie hat sich rührend um das Kind gekümmert, und dadurch war eine Besserung der Entwicklung auf jeden Fall ersichtlich, was auch die Kinderärzte und der kinder- und jugendpsychiatrische Dienst bestätigten. Trotzdem lehnte das Jugendamt einen rückwirkenden finanziellen Ausgleich ab, obwohl der erweiterte Förderbedarf ersichtlich war.
Die Petentin wandte sich nun an den Petitionsausschuss und bat ihn um Hilfe, da sie das Geld benötigte. Vom Jugendamt kam allerdings nur der Vorwurf, dass sie sich einen finanziellen Vorteil verschaffen wolle und nicht arbeiten müsse, weil sie sich um ihr Kind kümmere – und aus diesem Grund sehe man das nicht ein. Dieser Vorwurf war aber hinfällig, weil die Petentin zu dem betreffenden Zeitpunkt bereits als erwerbsunfähig gemeldet war. Der Petitionsausschuss konnte hier schlussendlich helfen. Er forderte noch mal die Akten an, wertete diese aus, prüfte sie erneut und veranlasste auch eine Prüfung beim Jugendamt. Daraufhin hat die zuständige Stadträtin
eine Ausgleichszahlung in Höhe von 20 000 Euro bewilligt, und damit konnte der Petentin geholfen werden.
Es ist für mich immer wieder schön zu sehen, wie der Petitionsausschuss Bürgerinnen und Bürgern in Berlin helfen kann. Dennoch gibt es Anliegen, bei denen der Petitionsausschuss nicht weiterhelfen kann. Dies ist z. B. der Fall, wenn sich Bürger an uns wenden, weil sie explizit Gesetze geändert haben möchten. Hier sehe ich die Verantwortung zum einen bei uns, dass wir diese Gedanken aufgreifen und eigene Anträge formulieren, wie das Frau Kittler z. B. gemacht hat. Ich weiß, dass das andere Kollege auch tun – ich z. B. auch. Zum Thema Elterngeld werden Sie dann nachher noch etwas sehen. Zum anderen wünsche ich mir aber auch, dass wir das Petitionsgesetz umändern und Petitionen eine Möglichkeit verschaffen, hier gehört zu werden, ohne dass eine bestimmte Partei das erst ermöglichen muss. Damit können wir die Kompetenzen der Petition stärken und eine Stärkung der Demokratie und der Bürgerbeteiligung ermöglichen. – Vielen Dank!
Ich möchte mich ebenfalls im Namen des Hauses bei allen Mitgliedern des Petitionsausschusses und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Arbeit dort erst ermöglichen, bedanken für das, was sie zum Wohle der vielen Berlinerinnen und Berliner tun, die sich mit Eingaben, Beschwerden, Sorgen und Nöten an den Petitionsausschuss und damit letztendlich auch an uns alle als ihr Parlament wenden. – Vielen, vielen Dank!
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Delius. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Werte Kolleginnen und Kollegen! Jedes dritte Schulkind in Berlin hat Anspruch auf Lernmittelbefreiung. Das heißt, jedes dritte Schulkind in Berlin ist leider zu arm, um sich Schulbücher selbst leisten zu können. Großfamilien und Alleinerziehende ohne Lernmittelbefreiung tragen jährlich hohe Kosten für Bücher und Materialien für die Schule, die sie sich oft selbst nicht aussuchen dürfen. Lehrerinnen und Lehrer begeben sich auf einen rechtlichen Drahtseilakt, wenn sie aus Schulbüchern kopieren oder Kopien verteilen wollen. Sie sind darauf angewiesen, selbst Arbeitsmaterialien zu entwickeln, weil das Angebot der Schulbuchverlage entweder nicht für den individuellen Unterricht geeignet ist, die didaktische Qualität zu schlecht oder es schlicht zu teuer ist.
Berlin verhandelt zusammen mit anderen Ländern im Rahmen der Kultusministerkonferenz regelmäßig über Verträge mit den Schulbuchverlagen, damit überhaupt Materialien – urheberrechtlich geschützt nach § 52 Urheberrechtsgesetz – kopiert werden dürfen. Die Länder geben als Schulträger sehr viel Geld aus, um die Versorgung mit Lehrmaterialien an unseren Schulen sicherzustellen. Das finden wir gut, wir glauben aber, und das zeigt unser Antrag, dass wir das Geld besser ausgeben können – passender, direkter und sozialer. Offene Lehrmittel oder – wie richtig vorgelesen – Open Educational Resources, kurz OER, können das leisten. Im internationalen Vergleich ist Deutschland hier Schlusslicht. Wir wollen nicht weniger, als dass Berlin den ersten Schritt hin zu offenen Lehrmaterialien macht und prüft, was machbar ist.
Unser Antrag fordert den Senat auf, Modelle zur Implementation offener Lehrmaterialien auf ihre Machbarkeit zu prüfen und finanzielle Auswirkungen auf den Landeshaushalt zu skizzieren. Wir glauben, dass in anderen Ländern erfolgreiche Modelle für offene Lehrmaterialien auch für Berlin funktionieren, langfristig sozialer und für private und öffentliche Geldbeutel verträglicher sein können.
Mit OER vergrößert sich das Angebot der Unterrichtsmaterialien. Der offene Charakter macht eine freie Adaption, Wiederverwendbarkeit und Vervielfältigung denkbar leicht und entlastet die Lehrkräfte.
Gemeinsam den eigenen Unterricht zu gestalten und selbst Materialien zusammenzustellen, macht Kindern und Lehrern Spaß, ist lehrreich und sollte zu einem modernen pädagogischen Konzept im Unterricht unbedingt dazu gehören. Die Motivation, sich zu beteiligen, kritisch auf Inhalte zu schauen, neugierig zu sein und sich selbst zu informieren, wird ungleich größer mit der Aussicht, dass andere von dem Ergebnis profitieren können, wie bei OER der Fall.
Kinder lernen heute mit dem Internet. Auch unsere Schulen machen sich nach und nach, gemächlich, aber immerhin, auf, das Internet in den Lernalltag einfließen zu lassen. Allerdings reicht der Zugang zum weltweiten Datennetz für einen erfolgreichen und modernen Unterricht allein nicht aus. Eine umfassende Basis für digitale Materialien zur Verfügung zu stellen, ist Aufgabe des Staates. Es nicht zu tun, wäre ein Pflichtversäumnis.
Es braucht eine berlinweite Datenbank für offene Lehrmaterialien, die dem Stand der Technik entspricht und auch multimediale und interaktive Angebote unterstützt. Schulen, Bibliotheken und Freizeiteinrichtungen brauchen Möglichkeiten, selbstständig Inhalte zu erarbeiten oder zu verbessern und diese anderen zur Verfügung zu stellen.
Qualitätssicherung funktioniert dabei über die Nachfrage. Das zeigen Modelle aus dem internationalen Kontext. Unsere Lehrerinnen und Lehrer sind längst auf die Prüfung von Unterrichtsmaterialien geschult. Sie prüfen kritisch, was sie unseren Kindern auftischen. Mit OER hätten sie tatsächlich und direkt zusätzlich die Möglichkeit, an den möglicherweise mangelhaften didaktischen Konzepten und Materialien etwas zu ändern und diese Änderungen und Verbesserungen anderen zukommen zu lassen.
Wir möchten, dass der Senat prüft, rechnet und berichtet. Wir gehen davon aus, dass es eigentlich nichts gegen dieses Anliegen zu sagen gibt und wir noch vor der Sommerpause eine Antwort erhalten können. Gleichzeitig ist uns das Thema so wichtig, dass wir es unbedingt noch vor den Haushaltsberatungen auf die Tagesordnung bringen wollen. Von allein scheint das bei dieser Koalition nicht zu funktionieren. Dafür braucht es dann die Piraten. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Modell der Open Educational Resources ist ein interessantes, innovatives Werkzeug, von dem das Berliner Bildungssystem profitieren kann.
Das Prinzip von offenen digitalen Bildungsressourcen könnte viele Möglichkeiten für Endverbraucher wie Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten eröffnen, denn dadurch haben sie Zugang zu freien Lernmaterialien.
Voraussetzung für die Nutzung eines Lizenzverwaltungsverfahrens, wie es das Modell der OER beinhaltet, ist natürlich das Vorhandensein von geeigneten Informations- und Lerninhalten – Content genannt. Derzeit werden primär die Angebote kommerzieller Anbieter am Markt, z. B. der Lehrmittelverlage, aber auch die kostenpflichtigen und kostenfreien Angebote Dritter aus dem Netz genutzt.
Mehrere Firmen, Bildungs- und Wissenschaftsinstitute prüfen z. B. derzeitig gemeinsam, wie die Erstellung von Content sowie die Prüfung auf seine Eignung zur Initiierung und Verstetigung von Bildungsprozessen im Benehmen mit den übrigen Ländern abgestimmt werden können. Das Modell der OER stellt einen interessanten Ansatz dar, es ist jedoch ein weiter Weg, dass dieses Modell das Angebot kommerzieller Anbieter auf absehbare Zeit vollständig ablösen wird. Dennoch kann der Senat prüfen, wie die Nutzung des OER-Modells in geeigneter Weise in Bildungseinrichtungen des Landes Berlin erprobt und auf seine Zweckmäßigkeit hin bewertet werden kann, denn erst nach einer umfangreichen, gründlichen Evaluation kann über das weitere Vorgehen entschieden werden. Die erforderliche inhaltliche und didaktisch-methodische Qualität sowie der zu beachtende rechtliche Rahmen sind relevante Hintergründe in diesem Zusammenhang.