Protokoll der Sitzung vom 18.04.2013

Diesen innovativen Ansatz OER müssen wir im Ausschuss weiter diskutieren. Alle Fraktionen und der Senat scheinen daran interessiert zu sein. Mein Fraktionskollege Sven Kohlmeier hat bereits bei der Diskussion über die Schultrojaner OER als Alternative ins Spiel gebracht und vorgeschlagen. Durch den Einsatz von OER könnte der Austausch von Lerninhalten z. B. zur Vorbereitung eines Unterrichts wesentlich vereinfacht werden.

Zum Ende: Um diese Änderung der Berliner Bildungskultur zu entwickeln, benötigen wir aber eine breite Beteiligung von mehreren Akteuren an dieser Diskussion.

Sie alle sind betroffen, und es ist sinnvoll, dass alle zusammen über die Einführung dieses Konzepts diskutieren. Nur so werden wir wahrscheinlich ein gutes Ergebnis bekommen, von dem alle Berliner Bildungsinteressierte profitieren können, also keine Einführung von oben herab. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der CDU und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Özışık! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Birk das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Piratenfraktion zu Open Educational Resources ist die konstruktive Antwort auf die abstruse Forderung der Schulbuchverlage nach einem Schultrojaner und die Debatte, die wir darüber führen mussten, um diesen Unsinn zu stoppen. Insofern begrüßen wir den Antrag der Piraten und können die Aufforderung an den Senat, hier Konzepte zu prüfen und uns dazu einen Bericht vorzulegen, nur unterstreichen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die Bildungspolitik und die Spitze der Bildungsverwaltung in Berlin müssen sich endlich offensiv mit der Tatsache auseinandersetzen, dass das klassische Schulbuch mit den gedruckten Begleitmaterialien für das Lehrpersonal als vornehmliches Mittel zur Vermittlung von Lerninhalten ausgedient hat. Im digitalen Zeitalter und angesichts der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Medien ist das Internet längst zu einem ganz wichtigen Ort zur Entwicklung, zur Veröffentlichung und zum Austausch von Lehr- und Lerninhalten geworden. Wenn ich mich hier so umschaue, wie wir alle so arbeiten, mit unseren Mobiles, Tablets und Laptops, und uns dabei ständig online befinden, dann frage ich mich: Warum sollten Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer das anders machen?

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die Whiteboards in den Schulen, wenn sie denn mal vorhanden sind, bespielen sich auch nicht von alleine.

Die Schulbuchverlage wollen allerdings weiter das Heft in der Hand behalten und stellen sich allenfalls digitale Begleitmaterialien zu ihren Büchern vor. Das kann zwar auch hilfreich sein, der Markt der Möglichkeiten geht aber heute weit darüber hinaus. Tatsächlich ist das digitale Angebot für Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und auch Eltern inzwischen kaum noch überschaubar. Jede Menge Portale und Lernplattformen tun

sich auf und bieten Informationen und Lehr- und Lernmaterialien an. Es gibt Netzwerke zum Selbstbestücken dieser Portale und Lernplattformen. Leider gibt es da auch einige verheißungsvolle Angebote, die mangels Pflege und nachhaltiger Konzeption nicht das bieten, was ihre Hülle verspricht. Leider sind auch oft kommerzielle Interessen vorrangig im Spiel.

Es gibt eine große Unsicherheit der Nutzerinnen und Nutzer: Was darf ich in ein solches Portal einstellen? Was darf ich mir herunterladen, ohne Gefahr zu laufen, Urheberrechte zu verletzen? Hier ist es an der Zeit, endlich Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Open Educational Resources schlägt hier den Bogen der Open-Source- und Open-Data-Debatte zum Thema Bildung und hat deswegen unsere Sympathie.

Es gibt auch in Berlin ein paar tolle Pflänzchen, die zum Beispiel im Rahmen des „eEducation Masterplans“ gefördert wurden. So hatten wir beim letzten Bildungskongress der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Medienworkshop Karin Ernst von LIFE e.V. zu Gast, die das Projekt „eXplorarium“ vorstellte. Hier sind unter Verwendung der Open-Source-Plattform Moodle viele Kursangebote entstanden, bei denen sich Kinder und Jugendliche eigenständig im Team mit Hilfe von digitalen Medien Themen erarbeiten und bearbeiten können. Diese Angebote stehen nun kostenfrei zur Weiterverwendung und Weiterentwicklung online zur Verfügung.

Doch der Prozess dahinter kostet natürlich Geld. Wir müssen lernen, dass Lehr- und Lernmittelfreiheit heute bedeuten kann, auch diese modernen digitalen Lernplattformen zu finanzieren. Wie das nicht nur im BestPractice-Beispiel, sondern auch in der Fläche im Regelalltag funktionieren kann, wäre eine wunderbare Fragestellung auch für den runden Tisch Medienbildung gewesen. Diesen runden Tisch hat die gesamte Berliner Medienbildungsszene nach dem Vorbild aus anderen Bundesländern im letzten Jahr ins Leben gerufen. Er wird von allen Oppositionsfraktionen unterstützt. Auch die SPD hat auf ihrem Parteitagsbeschluss vom 9. Juni, den ich letztes Mal schon zitiert habe, als es um Open Source ging, einen solchen Tisch für Medienbildung unter Federführung des Senats gefordert.

Nur der Senat selbst hält das für überflüssig und ist auch nicht bereit, diesen zu unterstützen, zumindest nicht aus dem Haus der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, wie Staatssekretär Rackles sehr unwirsch auf die Fragen von uns und den Piraten im Bildungsausschuss erklärt hat. Dieses tat er auch noch mit der Begründung, dafür gäbe es in der Bildungsverwaltung keine Leute. Ich kann Ihnen nur dringend empfehlen, Frau Scheeres, den motivierten Leuten in Ihrer Verwaltung zu diesem Thema den Rücken zu stärken, statt sie durch solche Aussagen zu demotivieren.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Wenn Sie von der Koalition nicht zum Runden Tisch Medienbildung kommen, tragen wir diese Themen alle in den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. Auch schön. Hauptsache, Sie beschäftigen sich endlich damit.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die Kultusministerkonferenz hat mit einem durchaus beachtenswerten Papier zur Medienbildung im letzten Jahr den Ländern auch einen klaren Arbeitsauftrag erteilt, sich mit Chancen und Risiken von digitaler Medienbildung auseinanderzusetzen. Das sollten wir zum Thema Open Education Resources machen. Ich bin gespannt auf die Debatte im Ausschuss.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Herzlichen Dank! – Für die Fraktion erteile ich jetzt dem Kollegen Roman Simon das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion weiß, dass ich mich bei einem solchen Antrag zunächst einmal kritisch zur Überschrift äußern werde. Die Antragsteller teilen uns in der Begründung mit, dass die drei von ihnen gewählten englischen Worte von der UNESCO und der OECD geprägt worden sind. Das sind internationale Organisationen, bei denen es sich offenbar der Übersetzungsdienst leicht gemacht und gesagt hat, deutsch sprechende Mitglieder werden auch mit einem Anglizismus zufrieden sein.

Ich bin nicht ganz so einfach zufrieden zu stellen. Wir Politiker sollten uns verständlich ausdrücken. Das beinhaltet, die Sprache zu benutzen, die die meisten Berlinerinnen und Berliner sprechen.

[Beifall bei der CDU – Özcan Mutlu (GRÜNE): Englisch! – Wolfgang Brauer (LINKE): Dänisch!]

Das mag den Piraten nicht so sehr am Herzen liegen.

Kollege Simon! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Delius?

Ja, sehr gern !

Bitte schön!

Wären Sie denn mit dem Begriff offene Lehrmaterialien zufrieden?

Sehr einverstanden!

Sehr gut! Dann haben wir das schon geklärt.

Dann kann ich mit meiner Rede fortfahren und den 5 Prozent, die die Piraten offenbar als Zielmarke ins Auge genommen haben, sagen, dass es uns als Volkspartei am Herzen liegt, möglichst alle Berlinerinnen und Berliner mit verständlichen Aussagen zu erreichen. Sie werden sicher nachvollziehen können, dass ich andere Worte verwende, gern die von Herrn Delius eben Genannten.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Moderne Großstadtvolkspartei!]

Für frei zugängliche Lehr- und Lernmaterialien könnte sprechen, dass eine Senkung von Kosten für Lernende und Lehrende eintreten kann. Die Anschaffung von Büchern fällt weg. Sie haben aber selbst in Ihrem einführenden Beitrag, Herr Delius, gesagt, dass ein hoher Prozentsatz von Lernenden von den Kosten befreit ist. Für diese könnten die Kosten steigen, wenn sie eine entsprechende Internetnutzung haben. Sie haben zurzeit keine Kosten für Bücher. Wenn sie das Internet stärker nutzen, fallen dort Kosten an. Ich will nur sagen, dass es nicht für alle eine Entlastung bei diesem Thema geben wird. Wir sollten dies also auch differenziert sehen.

Es wird für viele aber auch eine Erhöhung der Flexibilität geben. Natürlich ist es so, dass ich mit einem Buch an die Dinge gebunden bin, die dort in dem Buch stehen. Eine Datenbank oder das Internet werden dort sehr viel flexibler sein. Für solche frei zugängliche Lehr- und Lernmaterialien könnte auch sprechen, dass die Lernenden stärker bei der Gestaltung der Lehrmedien einbezogen werden können. Die Piraten führen in der Begründung aber zu Recht an, dass es auch Dinge gibt, die dagegen sprechen könnten, die problematisch sind und behandelt werden müssen. Wir werden sie gern entsprechend im Bildungsausschuss diskutieren.

Dazu zählen die urheberrechtlichen Aspekte, die von Ihnen auch ganz klar so bezeichnet werden. Es ist die Frage, wie eine Kontrollinstanz ausgestaltet wird. Wer überprüft und verändert die Dateien und Texte? Wer, welche Institution, welche Akteure, nehmen Einfluss? Ich darf darauf hinweisen, dass von den 20 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland 15 kostenlose Unterrichtsmaterialien anbieten. Dieses Angebot der Wirtschaftsunternehmen ist nicht nur professionell, sondern auch wer

bend. Das müssen wir bei der Konzeption der ganzen Sache auch im Auge haben.

Es besteht das Risiko, dass auch politische Interessengruppen versuchen, Einfluss zu nehmen. Beispielhaft sei genannt, dass die Verfälschung der Geschichte durch rechts- oder linksextreme Gruppen angestrebt werden kann. Schließlich ist eine der zentralen Fragen, wie teuer eine Kontrollinstanz ist und wie man diese finanziert.

Mein Fazit: Ob die Idee so gut ist, eine unbestimmte Anzahl von Modellen und Konzepten durch den Senat in nicht einmal zwei Monaten prüfen zu lassen, bezweifele ich. Daher ist es richtig, diesen Antrag zunächst in den drei Ausschüssen für Wissenschaft, für digitale Verwaltung und für Bildung weiter zu diskutieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Kollege Simon! – Das Wort für eine Kurzintervention hat jetzt der Kollege Delius. – Bitte schön!

Ich möchte nur ganz kurz meine Aussage gerade rücken: Auch Lehrmittelbefreite kosten Geld, wenn sie Schulbücher haben sollen. Es dient nur den einzelnen Kindern und nicht den Geschwistern, Neffen und Nichten, weil diese nicht weitergegeben werden dürfen und die Kosten für die öffentlichen Haushalte gelten. Das ist so. Das große Motto heißt aber nicht Kosten. Das große Motto heißt Teilhabe. Es heißt Teilhabe daran, wie wir lernen, wann wir lernen, worüber wir uns informieren und wie wir das mit welchen Materialen und welchen Plattformen wir erreichen wollen.

Teilhabe wird nicht durch Schulbuchverlage gefördert. Das ist auch nicht in deren Interesse. Sie möchten einen möglichst festen Kundenstamm haben. Sie möchten feste Gewinnmargen haben und dies schon gar nicht durch Unternehmen gewährleisten, die den Schulen freundlicherweise Unterrichtsmaterialien kostenlos zur Verfügung stellen, wie beispielsweise jüngst die Bertelsmanngruppe von sich reden machte, die personenbezogene Daten aufgenommen und an der Tür geklingelt hat.

Ich freue mich, dass Sie dem Ansinnen offen gegenüberstehen. Ich glaube, entgegen Ihrer Aussage, dass der Senat sehr wohl in zwei Monaten erste Handlungsempfehlungen und eine grobe Einschätzung geben kann, so, wie es auch der Kollege von der SPD ausgeführt hat. Ich gehe davon aus, dass dann der zweite Schritt folgt und Pilotphasen und Partizipation mit gesellschaftlichen Akteuren folgen. Ich möchte gern wirklich Sie, Ihre Fraktion und die Koalitionsfraktion, dazu aufrufen, dass wir vor der Sommerpause und vor den Haushaltsberatungen

schon eine erste Einschätzung haben, um damit auch weiter umgehen zu können. Es ist nicht so, als könnten wir uns noch bis zum Ende der Legislaturperiode Zeit mit diesem Thema lassen. Der Schuh drückt an der Stelle tatsächlich.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Delius! – Ich habe erfahren, dass Herr Kollege Simon nicht erwidern will, sodass ich jetzt Frau Kollegin Kittler für die Fraktion Die Linke aufrufe und ihr das Wort erteile. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die erste Antragsdebatte, die ich hier im Plenum mitgemacht habe, war die zum Schultrojanervertragsentwurf. Letzteren konnten wir zum Glück verhindern, allerdings nicht, dass dem ohnehin schon sehr gut verdienenden Schulbuchverlagsoligopol trotz weiter bestehendem Digitalisierungsverbots zusätzlich noch eine halbe Million Euro zugeschoben wurde, damit es die Finger von den Schulrechnern lässt.