Protokoll der Sitzung vom 07.11.2013

(Senator Mario Czaja)

[Martin Delius (PIRATEN): Nie Kaffee getrunken, Herr Senator?]

Deswegen habe ich auch eine deutliche Antwort dazu gegeben.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank!

Wir kommen jetzt zur Frage Nr. 3 der Kollegin Sabine Bangert von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über

Jüdischen Friedhof in Berlin-Mitte vor Pilgerstätte für Nazis bewahren

Bitte schön, Frau Kollegin!

[Unruhe]

Ansonsten würde ich doch bitten, dass ein bisschen mehr Ruhe einkehrt, liebe Kolleginnen und Kollegen! – Danke schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie gedenkt der Senat damit umzugehen, dass sich die Grabstelle von Gestapo-Chef Heinrich Müller auf dem Jüdischen Friedhof in Mitte befindet, und welche weiteren solcher Fälle sind dem Senat bekannt?

2. Wie schätzt der Senat die Gefahr ein, dass der Jüdische Friedhof in der Großen Hamburger Straße als Pilgerstätte für Menschen mit rechtsextremem Gedankengut instrumentalisiert wird, und was unternimmt er dagegen?

Vielen Dank!

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Herr Senator Müller, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Bangert! Zu Ihrer ersten Frage: Auf dem Jüdischen Friedhof Große Hamburger Straße wurden von Mai bis Dezember 1945 Opfer der Endkämpfe um Berlin in Sammelgräbern bestattet. Darunter befinden sich neben Zivilisten auch Wehrmachtsangehörige, Angehörige der Polizei sowie weiterer militärähnlicher Dienste. Auch Gräber dieser Personengruppen haben nach dem Bundesgräbergesetz – das ist das Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft – ein

Dauerruherecht inne. Eine Bestattung von Heinrich Müller auf dem Jüdischen Friedhof in der Großen Hamburger Straße ist offenbar wahrscheinlich, aber es ist eben auch schwer nachweisbar.

In Vorbereitung zur Wiederherrichtung des alten Jüdischen Friedhofs im Jahr 2008 hat der Senat mit der Jüdischen Gemeinde zahlreiche Gespräche geführt, um den Belangen der jüdischen Religion einerseits und der Möglichkeit des Vollzugs des Gräbergesetzes andererseits Rechnung zu tragen. Es wurde sich darauf verständigt, keine oberirdische Kennzeichnung der Gräber vorzunehmen. Abgesehen von der aktuellen Diskussion bezüglich Heinrich Müllers sind dem Senat keine Fälle von Bestattung hochrangiger Nationalsozialisten auf jüdischen Friedhöfen in Berlin oder Mutmaßungen darüber bekannt.

Zu Ihrer zweiten Frage, die ich auch in Abstimmung mit der Innenverwaltung beantworten kann: Dem Senat liegen derzeit keine aktuellen Erkenntnisse dazu vor, dass der Jüdische Friedhof in der Großen Hamburger Straße zu einer Pilgerstätte für Rechtsextremisten wird. Die aktuelle Entwicklung wird aber selbstverständlich weiter beobachtet.

Vielen Dank! – Wünschen Sie eine Nachfrage zu stellen? – Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Senator Müller! Angesichts der Tatsache, dass der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, den Umstand – der jetzt als gesichert gilt, nachgewiesen durch den Historiker Tuchel –, dass wirklich der GestapoChef, Heinrich Müller, dort begraben ist, als „geschmacklose Ungeheuerlichkeit“ bezeichnet hat, wodurch das Andenken der Opfer mit Füßen getreten wird, halten Sie da ihre Maßnahmen für adäquat?

Herr Senator, bitte schön!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Bangert! Ich kann diese Äußerungen nachvollziehen, und ich kann verstehen, dass für die Menschen die Situation schwer erträglich ist, dass so ein Nazi-Verbrecher möglicherweise wirklich auf dem Jüdischen Friedhof beerdigt ist. Auf der anderen Seite gibt es auch vonseiten der Jüdischen Gemeinde keine konkreten Forderungen an den Senat, weil alle Beteiligten wissen, wie schwierig es ist, mit dieser Situation umzugehen, und dass es dort keine einfachen und schnellen Lösungen gibt. Auch der Historiker Tuchel, den Sie eben erwähnt haben, sagt, dass diese

(Senator Mario Czaja)

Situation praktisch nicht aufzulösen ist, weil man keine einzelnen Toten fände, wenn man graben würde. Insofern kann ich die Reaktion verstehen, aber einfache Lösungen wird es nicht geben.

Vielen Dank!

Ich rufe auf die Frage Nr. 4 des Kollegen Dr. Klaus Lederer von der Linksfraktion über

Senkung der Wasser- und Abwasserpreise: Wann handelt der Senat endlich?

Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wann wird der Senat dem Abgeordnetenhaus zur dauerhaften Wasserpreissenkung ab 2014 – wie Frau Senatorin Yzer in der jüngsten Plenarsitzung angekündigt hat – die notwendigen Rechtsänderungen der Kalkulationsgrundlagen für die BWB-Tarife zur Beratung und Beschlussfassung vorlegen, und welche konkreten Pläne verfolgt der Senat hier, auch mit Blick auf die Abwasserpreise?

2. Trifft es zu, dass hierbei auch angestrebt wird, die Kalkulationsrechtsgrundlagen vom privatrechtlichen Preisrecht in das öffentlich-rechtliche Gebührenrecht zu überführen, um die Preisgestaltung der BWB dauerhaft der kartellrechtlichen Kontrolle zu entziehen, die sich bislang nur auf privatrechtliche Preise erstreckt?

Vielen Dank! – Es antwortet Frau Senatorin Yzer. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Lederer! Wie ich Ihnen bereits in der letzten Plenarsitzung erläutert habe, ist es Ziel des Senats, die Berlinerinnen und Berliner bei den Wasserpreisen zu entlasten und deshalb die Tarife auf ein vertretbares Niveau abzusenken. Dieses Ziel wird unabhängig von der Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamtes verfolgt.

Das Verfahren zur Tariffestsetzung ist im Berliner Betriebe-Gesetz geregelt. Wie Sie wissen, gibt es unterschiedliche Optionen einer Tarifsenkung, auch solche, die ohne eine Änderung der Rechtsgrundlagen für die Kalkulation auskommen. Zu nennen ist hier beispielsweise das

Effizienzsteigerungsprogramm „Neo“, das Möglichkeiten der Tarifsenkung eröffnet, ohne dass es hierzu einer Änderung der Kalkulationsgrundlagen bedürfte. Ebenso ist über bilanzielle Maßnahmen zu reden, die der Vorstand bereits in Form von Vorschlägen unterbreitet, mit denen sich aber der Aufsichtsrat zu befassen hat. Darüber hinaus gibt es Möglichkeiten nach dem Betriebe-Gesetz, die ebenfalls, ohne dass es einer Änderung der Kalkulationsgrundlagen durch rechtliche gesetzliche Änderungen bedürfte, erfolgen könnten.

Aber, und auch darauf will ich hier noch einmal hinweisen, alle Entscheidungen über die Wassertarife bewegen sich in einem Spannungsfeld. Die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung und damit natürlich auch die Frage der Gewinnabführung an den Landeshaushalt spielen ebenso eine Rolle wie die Frage der Gewinnabführung an die RVB, und natürlich geht es auch darum, die Berliner Wasserbetriebe als starkes Unternehmen in eine gute Zukunft zu führen. Deshalb müssen bei allen Entscheidungen zur Tarifgestaltung diese Aspekte im Auge behalten werden. Deshalb wird auch die Frage des Handlungsspielraums davon abhängen, welche Möglichkeiten das Parlament im Rahmen der Haushaltsberatungen im Hinblick auf Möglichkeiten des Gewinnverzichts sieht und welche Möglichkeiten darüber hinaus bestehen mit Blick auf die RVB, die den Rückerwerb von RWE- und Veolia-Anteilen im Rahmen der Annuität zu bedienen haben wird.

Zu Ihrer Frage 2, Herr Lederer, darf ich Ihnen mitteilen, dass das Berliner Betriebe-Gesetz hier geändert werden müsste. Aktuell gibt es hierzu noch keine Initiative. Vielmehr werden die Vor- und Nachteile einer Umstellung zwischen den Berliner Wasserbetrieben und der fachlich zuständigen Senatsverwaltung für Wirtschaft erörtert. Das Ergebnis kann ohnehin, wenn eine Rechtsänderung angestrebt werden sollte, erst nach Abschluss des Veolia-Rückerwerbs zu Gesetzesänderungen führen.

Vielen Dank! – Herr Kollege Lederer! Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön, dann bekommen Sie das Wort!

Das war jetzt ein klares Jein zu im Grunde allem. Sie haben sich letztens großen Beifall in der CDU-Fraktion abgeholt und das Vermögensgeschäft ist auch auf die heutige Sitzung verschoben worden, weil Sie gesagt haben: Hier wird noch einmal richtig etwas passieren. – Wird im Haushalt etwas eingestellt, das die Tarifkundinnen und -kunden sowie das Unternehmen entlastet, denn die Haushaltsberatungen laufen, und gibt es von Ihnen einen Vorschlag, die gesetzliche Kalkulationsgrundlage zu ändern? Denn die Spielräume für Preissenkungen sind zwar da, aber nicht so groß. Wenn Sie ernsthaft wollen, dass die Wasserpreise sinken – gerade die CDU-Fraktion

(Bürgermeister Michael Müller)

stellt das der Stadtgesellschaft permanent in Aussicht –, müssen Sie die Gesetze ändern. Wird da noch etwas zu erwarten sein, werden wir im Haushalt etwas finden? – Bisher steht nichts drin!

Das war eine Nachfrage. – Bitte schön, Frau Senatorin!

Herr Abgeordneter! Die Haushaltsberatungen laufen, und wir befassen uns selbstverständlich auch mit der Frage, welche Gewinnabführungen in den nächsten Jahren von den Berliner Wasserbetrieben zu erwarten sind. Sie wissen, dass es hier mit Blick auf die Kartellamtsverfügung bereits Überlegungen gibt, in vergleichbarer Größenordnung eine Tarifabsenkung herbeizuführen. Dies müsste im Rahmen der Haushaltsberatungen noch berücksichtigt werden. Weiterer Handlungsspielraum muss dort in gleicher Weise erörtert werden. Ich habe mir erlaubt, die möglichen Optionen aufzuzeigen. Welche Entscheidungen dann im Rahmen der Haushaltsberatungen gefasst werden, obliegt den Abgeordneten dieses Hauses. Wie Sie wissen, bin ich selbst nicht Abgeordnete.

Herr Kollege Buchholz zur zweiten Nachfrage – bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Wir sind uns einig, dass die bisher unter Vorbehalt stehende Preissenkung dauerhaft verbindlich kommen soll. Sie haben jetzt einen weiteren Optionsraum aufgemacht, und dazu meine Nachfrage: Sind Sie auch meiner Meinung, dass es nicht nur unter haushälterischen Gesichtspunkten zu betrachten ist, ob eine Wasserpreissenkung über die 60 Millionen Euro hinaus vertretbar ist, sondern auch, wie man ein landeseigenes Unternehmen – und das werden die Wasserbetriebe ab heute Abend wieder sein – nachhaltig aufstellt im Sinne von nachhaltiger Unternehmenspolitik für das Land, für die Berlinerinnen und Berliner, die dort Kunden sind, und auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Dann kann man natürlich nicht einfach an Stellschrauben wie Preisen drehen, ohne sich über alle Auswirkungen klar zu sein. Haben Sie da eine Abschätzung als Wirtschaftsverwaltung durchgeführt?

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Dafür gibt es dann ja „Neo“! Super, Daniel Buchholz, klasse! – Weiter Zurufe von der LINKEN]

Frau Senatorin!

Herr Abgeordneter! Ich kann nur noch einmal betonen: Alle Möglichkeiten, die zu einer Tarifabsenkung führen, müssen geprüft werden. Und die Zielsetzung muss sein in dem von mir aufgezeigten Spannungsfeld, das in der Tat besteht aus der Frage Auswirkungen auf den Haushalt des Landes Berlin, Auswirkungen auf die RVB, Auswirkungen auf das Unternehmen. Und hier unterstreiche ich nochmals: Es muss ein Unternehmen sein, das wir stark als Landesunternehmen der Daseinsvorsorge in die Zukunft führen können. Die Berücksichtigung der Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, also des Unternehmens – darf ich Ihnen nur versichern –, hat immer einen hohen Stellenwert und ihn im Übrigen auch bei allen bisher initiierten Maßnahmen gehabt. Gerade auch beim Effizienzsteigerungsprogramm „Neo“ sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfassend involviert worden, weil es wichtig ist, bei Veränderungsprozessen in einem Unternehmen diese mitzunehmen und ihnen aufzuzeigen, warum ein solches Effizienzsteigerungsprogramm gerade im Interesse der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens notwendig ist.

Ich nenne jetzt noch einen weiteren Aspekt in diesem Spannungsfeld: Das Parlament wird sich ja heute mit dem Rückerwerb des Veolia-Anteils befassen, und natürlich haben auch die Bürgerinnen und Bürger Erwartungen an ein Unternehmen, das zu 100 Prozent in kommunaler Hand ist. Sie haben die Erwartung, dass Entlastungen, die ja seit Monaten im Kontext der Wasserpreisdiskussion diskutiert wurden, auch bei ihnen ankommen und dass sie sagen können: Der Rückerwerb, die Rekommunalisierung hat sich auch für Verbraucherinnen und Verbraucher gelohnt.

[Beifall bei der CDU]