Protokoll der Sitzung vom 05.06.2014

Opfer einer Straftat werden, nicht wissen, was davon aufgezeichnet wird, und sich nicht bei der Polizei bzw. bei der BVG melden. Dass man das Problem dadurch lösen könnte, dass man viel mehr Personal anstellt und auf die Bahnsteige stellt, ist ein ganz anderes Thema.

Ich bitte meine Nachredner darum, aus diesem Antrag nicht zu konstruieren, die Piraten fänden auf einmal Kameraüberwachung toll. Nein, es geht uns darum, die Menschen darauf hinzuweisen, was im öffentlichen Raum passiert. Überwachung ist ein Thema, das, jetzt könnte ich sagen, aktueller denn je ist, aber, wie gesagt, die Worte für den Überwachungswahnsinn fehlen.

Dass Sie im Innenausschuss noch nicht mal dieser Minimalforderung folgen konnten: Macht’s doch wenigstens auf Englisch. Und macht doch wenigstens Piktogramme, die auch von Leuten verstanden werden, die möglicherweise kein Deutsch und kein Englisch können! –, dass dann gesagt wird: So ein lustiges gelbes Auge, das versteht doch jeder, das ist doch das internationale Kennzeichen für Kameraüberwachung! – Da wusste ich 2008 in der Volksrepublik China, in der Shanghaier U-Bahn besser Bescheid, wer da wen wie überwacht. Es ist schade, dass wir noch nicht einmal das hinkriegen, was die Chinesen hinbekommen!

Sie lehnen es ab. Ich bin auf die Debatte gespannt. Vielleicht können Sie sich doch noch einen Ruck geben und dem Antrag zustimmen. Wir würden uns freuen.

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Lauer! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Langenbrinck. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es gerade gehört, die Piraten wollen, dass an öffentlichen Orten, die von Videokameras überwacht werden, neue Hinweisschilder angebracht werden mit der Information, ob eine Liveüberwachung oder eine Aufzeichnung durchgeführt wird und wie lange und von wem diese Daten gespeichert werden, und das Ganze auch noch mehrsprachig. Nehmen wir das Beispiel BVG! Jeder weiß, dass es Videoüberwachung gibt,

[Uwe Doering (LINKE): Nein, die Ausländer nicht!]

darauf wird in den Bahnhöfen, Zügen, Trams und auch Bussen hingewiesen.

Ich habe mir die Sicherheitszentrale der BVG Ende letzten Jahres einmal angesehen. Da sitzt keine Hundert

schaft, die sich aus Spaß an der Freude einzelnen Leuten mit einer Videokamera an die Fersen heftet,

[Benedikt Lux (GRÜNE): Was haben Sie gegen Hundertschaften? Misstrauen gegen die Polizei?]

sondern da sitzen einige wenige BVG-Mitarbeiter, die allein im letzten Jahr 100 000 Notrufe über die Notrufsäulen bearbeiten mussten. Und während nur sie allein Zugriff auf Videokameras haben, hat der eine Polizist, der an einem separaten Katzentisch sitzt, nur dann Einsicht in die Überwachung, wenn er von einer aktuellen Straftat erfährt.

Es geht vor allem darum, alles für die Sicherheit der Fahrgäste zu tun. Immerhin fahren pro Jahr eine halbe Milliarde Leute mit der BVG. Wir Sozialdemokraten nehmen die Sicherheit ernst. Deshalb hat die BVG die Zahl ihrer Sicherheitsmitarbeiter erhöht. Deshalb wurden die Doppelstreifen von BVG und Polizei wieder eingeführt. Deshalb gibt es in allen U-Bahnhöfen, in allen U-Bahnen und auch in einem Großteil der Busse und Trams Videokameras.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lauer?

Nein, danke, Herr Lauer hat heute schon lange genug geredet. Jetzt sind mal andere dran. – Deshalb werden die Kameras Stück für Stück weiter ausgebaut und modernisiert. Deshalb werden jetzt besonders kriminalitätsbelastete U-Bahnhöfe wie der Kotti, der Alex und der Zoo von BVG und Polizei gemeinsam unter Wahrung des Datenschutzes live überwacht, um schneller eingreifen zu können. Darauf wird im Übrigen schon auf neuen Infoschildern hingewiesen.

Und deshalb war es auch richtig, dass SPD und CDU die Frist für das Speichern von Videomaterial auf 48 Stunden verlängert haben. Die Polizei fragt immer häufiger Aufzeichnungen bei der BVG an. Straftäter werden immer häufiger mit Hilfe des Videomaterials erkannt. Die Gewaltvorfälle sind in den letzten Jahren gesunken. Auch deshalb akzeptieren die Fahrgäste die Videoüberwachung – wobei klar ist, dass Sicherheit immer ein eigenes Gefühl ist.

Wir alle wissen, dass Videokameras zwar bei der Aufklärung einer Straftat helfen können, aber keine verhindern. Deshalb wollen wir Sozialdemokraten das Sicherheitspersonal bei der BVG weiter erhöhen und uns dafür einsetzen, dass sich die Zusammenarbeit zwischen BVG und Polizei weiter verbessert, indem das Einsatzkommando BVG wieder eingeführt wird. Und wir wollen – das darf man nicht vergessen –, dass die S-Bahn die Verantwortung für ihre Fahrgäste endlich ernst nimmt, durch Bei

(Christopher Lauer)

behaltung des Stationspersonals, durch mehr Sicherheitspersonal und durch flächendeckende Videoüberwachung auf allen Bahnhöfen und in allen Zügen. Was die S-Bahn bis dato abliefert, ist peinlich.

Kurze Rede, langer Sinn – ich komme zum Schluss.

[Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

Mehrsprachige meterhohe Hinweisschilder mit einem Roman zur Videoüberwachung, wie die Piraten es möchten, kann man machen, muss man aber nicht. Für uns Sozialdemokraten hat die weitere Verbesserung der Sicherheit der Fahrgäste Vorrang. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Langenbrinck! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Lux. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Piratenfraktion fordert, dass der Senat Sorge dafür trägt, dass auf Kameraüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen Berlins besser hingewiesen wird. Nun hat der Kollege Langenbrinck von der SPD ausschließlich über Videoüberwachung in der BVG gesprochen und vor allen Dingen die Sicherheitsaspekte betont. Ich möchte lieber auf den hier vorliegenden Antrag eingehen.

Nach § 6b Bundesdatenschutzgesetz – das ist ein Bundesgesetz, da können wir nicht viel machen – ist Videoüberwachung im öffentlichen Raum grundsätzlich zulässig

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

entweder zur Wahrung des Hausrechts oder wenn sie öffentlichen Aufgaben dient. Und da die Preise für Videokameras stark gesunken sind, hat heute schon fast jedes zweite Taxi in Berlin eine Videokamera, um den Straßenraum vor dem Wagen für Versicherungsfälle zu beobachten. Die öffentliche Videoüberwachung hat auch massiv an öffentlichen Gebäuden zugenommen, aber natürlich auch an privat betriebenen Einrichtungen. Die Piraten fragen sich ganz grundsätzlich ernsthaft und seriös, was § 6b Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz vorschreibt, nämlich dass auf jede Videoüberwachung grundsätzlich hinzuweisen ist. Ich möchte hier noch mal festhalten, das wurde in der Debatte nicht erwähnt: Jede Videokamera, auch in Berlin, muss ausgeschildert sein. Es muss mit geeigneten Maßnahmen darauf hingewiesen werden, dass hier beobachtet wird, dass hier eine Videokamera hängt. Daran kann man bewusst Zweifel haben.

Meiner Fraktion, der Grünen-Fraktion, ist es besonders wichtig, dass die Videoüberwachung vor allen Dingen dann eingeschränkt wird, wenn sie zu Unrecht in andere Grundrechte eingreift, wenn sie ausufernd ist, wenn sie, wie im Fall Dussmann an der Friedrichstraße, mehr als 1 Meter in das öffentliche Straßenland hineinragt. Hier hat das Verwaltungsgericht Berlin zu Recht gesagt: Das geht zu weit, das geht weit über den Schutz eurer Rechte hinaus, da muss Videoüberwachung eingegrenzt werden. – Deswegen ist vor allen Dingen ein Punkt wichtig, den die Piraten hier herausgestellt haben, aber den weder Kollege Lauer für die Piraten erwähnt noch Kollege Langenbrinck aufgegriffen haben.

[Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Der letzte Punkt im Piraten-Antrag lautet:

... von wem die Videoaufzeichnung in wessen Auftrag gespeichert wird.

Hier haben die Piraten einen elementaren Punkt des Rechtschutzes beantragt, der richtig und wichtig ist, nämlich dass die Leute wissen, gegen wen sie sich zu wenden haben, wenn sie sich zu Unrecht beobachtet fühlen. Ich finde, das ist ein ganz ernst zu nehmender Punkt. Da uns Grünen dieser Punkt so wichtig ist, werden wir dem Antrag insgesamt zustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Lux! – Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Juhnke. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Videoüberwachung ist ein Grundrechtseingriff. Deshalb gibt es auch hochrangige rechtliche Regelungen, die diesen Eingriff gesetzlich normieren. Wir haben schon das Bundesdatenschutzgesetz erwähnt. Wir haben das Berliner Datenschutzgesetz. Es gibt auch im ASOG dazu bestimmte Fassungen. Da ist auch einheitlich geregelt, dass der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle kenntlich zu machen sind. Jeder bleibt natürlich aufgefordert zu überprüfen, ob das überall so erfolgt.

Jetzt schlagen die Piraten vor, hier noch einen Hinweis zu geben über die Frage Echtzeitbeobachtung oder automatisierte Aufzeichnung. Ich frage: Wem sollte das nützen? Und wird es tatsächlich das Verhalten von Bürgern ändern, wenn sie das wissen? – Ich glaube, das wird nicht dazu führen, dass Passanten jetzt Videoüberwachungszonen wählen, wo Echtzeitbeobachtung stattfindet, oder diese meiden. Ich glaube, das ist Unsinn. Wir werden eher denjenigen in die Hände spielen, die potenzielle Täter sind, die sich dann vielleicht bei der einen oder

(Joschka Langenbrinck)

anderen Sache weniger bedroht fühlen. Ob das in der Realität tatsächlich so ist, sei dahingestellt. Aber daraus wird deutlich, dass wir an einer solchen Regelung kein Interesse haben können.

Die Speicherungsdauer ist vom Gesetz in Berlin sowieso mit 48 Stunden vorgeschrieben. Die verantwortliche Stelle muss auch gekennzeichnet werden. Das ist auch rechtlich vorgeschrieben. Insofern ist der Antrag überflüssig. Wir haben zwar nicht im Antrag, aber in der Begründung den Hinweis auf mehrsprachige Abfassung des Umstands der Videoüberwachung. Ich glaube, das sollte jedem selbst überlassen sein, ob er sich an ein internationales Publikum wendet oder nicht. Aus dem Umstand, wo die Überwachung stattfindet, wird im Regelfall klar, in wessen Auftrag das erfolgt. Deshalb sollten wir uns hier keine unübersehbare bürokratische Regelung an den Hals holen. Wir werden diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Juhnke! – Für die Linksfraktion hat nun der Herr Abgeordnete Taş das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Menschen, die nach Berlin kommen, Menschen, die nicht in Berlin leben, sollen in unterschiedlichen Sprachen an öffentlichen Stellen über Kameraüberwachung nicht informiert werden. Auf den Hinweisschildern gibt es anscheinend nicht genug Platz für unterschiedliche Sprachen. Das ist anscheinend das, was die SPD unter Interkulturalität in dieser Stadt versteht.

Die Hinweispflicht bei der Videoüberwachung für das Land Berlin erstreckte sich lediglich, wenn dieser Antrag beschlossen würde, auf die eigenen öffentlichen Gebäude, Unternehmen oder Verkehrsmittel. Gegen eine erweiterte Hinweispflicht für die öffentlichen Einrichtungen des Landes Berlin spricht somit sicherlich nichts, Herr Lux. Die im Antrag der Piraten intendierten Schilder gibt es schließlich auch schon anderenorts, etwa in Dresden. Wenn das also im CDU-regierten Bundesland Sachsen tatsächlich möglich ist, warum nicht auch in der Hauptstadt?

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ich hatte es auch bereits in der 12. Sitzung des Plenums gesagt, ich wiederhole mich: Der Intention des Antrags stehen wir grundsätzlich offen gegenüber. Aber auch das wiederhole ich heute gerne noch einmal: Der Antrag behandelt nicht das Problem, vor dem wir als Linke mit bürgerrechtlichem Anspruch stehen. Durch den Antrag

wird die Transparenz zwar erhöht, der massive Grundrechtsangriff durch Videoüberwachung aber nicht gemindert. Die Linke steht einer Videoüberwachung grundsätzlich kritisch gegenüber.

[Beifall bei der LINKEN]

Nennen wir das Kind doch beim Namen: mehr Kameras, mehr Überwachung, weniger Bürgerrechte. Wir finden, dass Videoüberwachung im öffentlichen Raum nicht erforderlich ist, und wenn überhaupt, dann nur in sehr engen Grenzen sinnvoll sein kann.

[Beifall bei der LINKEN]