Protokoll der Sitzung vom 05.06.2014

Vielen Dank! – Jetzt Frau Kittler für die Fraktion Die Linke – bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kurze Antwort an Frau Bentele: Ich kann Ihnen sagen, dass in Marzahn-Hellersdorf sofort nach Bekanntwerden 49 Eltern ihre Kinder mit der Begründung, dass es ihnen zu teuer ist, abgemeldet haben. Weitere haben ohne Begründung abgemeldet. Wie sich das in den anderen Bezirken entwickelt hat, bin ich gerade dabei, herauszubekommen. Das ist relativ schwierig.

An den Anfang meiner weiteren Ausführungen möchte ich ein Zitat stellen:

Die Beitragsfreiheit für Mittagessen an Schulen und Kindertagesstätten soll für alle Kinder schnellstmöglich eingeführt werden.

Das wurde auf dem Landesparteitag der SPD vom 21. Juni 2008 beschlossen. Ich rufe die SPD-Fraktion auf, dafür endlich wieder etwas zu tun!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Gemeinsam haben wir unter Rot-Rot eine Subventionierung für das Schulessen für alle Hortkinder beschlossen und durchgesetzt, sodass alle ein warmes Mittagessen für 23 Euro im Monat erhalten konnten. Im Zuge der Qualitätsverbesserung des Essens hat die Koalition in diesem Jahr gegen unseren Widerstand auf 37 Euro wieder hochgesetzt. Die Folge ist, dass die Schülerinnen und Schüler sofort vom Essen abgemeldet wurden – wie ich es eben schon gesagt habe. Wie es zum nächsten Schuljahr wird, bleibt abzuwarten. Gering verdienende Eltern – Herr Delius hat das schon erläutert – können sich das vor allem bei mehreren Kindern nicht mehr leisten.

Der viel genannte Härtefallfonds greift hier nicht. Dazu sagt nämlich das Gesetz, dass er nur vorübergehend in

(Hildegard Bentele)

Anspruch genommen werden kann. Wie viele Mittel hier bereits ausgereicht wurden, wissen wir auch nicht. Auch über die Inanspruchnahme von Zuschüssen aus dem BuTPaket haben wir noch keine neuen Informationen.

Herr Özışık! Dass Schülerinnen und Schüler selbstständig entscheiden sollten, was sie denn essen, und lernen sollten, selbstständig mit Geld umzugehen, setzt doch wohl erst einmal voraus, dass sie überhaupt Geld haben!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielleicht beschäftigen Sie sich einmal mit dem Klientel. Es ist außerdem nicht vertretbar, dass die Hälfte aller Grundschulkinder, weil sie eben nicht ganztags in die Schule gehen und zum Teil auch nicht gehen dürfen, weil die Eltern arbeitslos sind, kein subventioniertes Essen erhalten. Das gilt eben ganz genau so für Grundschulkinder am Gymnasium, wenn es denn grundständig ist. Weshalb erhalten eigentlich Studierende ein subventioniertes Essen und Oberschülerinnen und Oberschüler nicht? Diese Gerechtigkeitslücke ist doch nicht erklärbar.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ein gesundes Mittagessen, das kostenfrei oder zumindest subventioniert ist, sollte eine Förderung des Kindeswohls darstellen und entspricht laut Artikel 72 Grundgesetz der öffentlichen Fürsorge. Das würde auch jede demütigende Bittstellerposition beseitigen.

Ein gesundes Mittagessen, das haben wir hier schon sehr oft gesagt, gehört für uns Linke zum Bildungsangebot. Deshalb wird Die Linke ihre Zielstellung, dass alle Schülerinnen und Schüler kostenlos ein Mittagessen bekommen sollen, auch nicht aufgeben. Eine gesunde Ernährungsweise eingebunden in den Lernalltag fördert den Bildungserfolg. Das zeigen mit ihren Ergebnissen skandinavische Länder, wo alle Kinder und Jugendliche ein kostenfreies Essen mit hohen Qualitätsstandards aus regionalen Produkten, verbunden mit Ernährungsbildung, erhalten. Was dort möglich ist, muss auch hier möglich werden. Dass da natürlich auch der Bund gefordert ist, das ist klar. Aber da können Sie sich ja auch gleich wieder an ihre Fraktionen im Bundestag wenden. Wenn wir uns hier endlich darauf verständigen könnten, dass ein gesundes Schulessen zu einem guten Bildungsangebot gehört und dass auch unabhängig vom sozialen Status jedes Kind Zugang dazu haben muss, dann wären wir einen Schritt weiter.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Eigentlich müssen wir das ja auch nur noch der CDU erklären, denn die SPD ist ja – laut Parteitagsbeschluss – ohnehin der gleichen Meinung.

[Hildegard Bentele (CDU): Warum haben Sie das nicht mit der SPD gemacht?]

Das Ziel eines kostenfreien Mittagessens an allen Schulen können wir in Berlin sicherlich nur schrittweise erreichen. Aber wir müssen endlich damit anfangen! Deshalb werbe ich für die Unterstützung dieses Antrages.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf der Tribüne ganz herzlich eine Delegation von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern aus Tschechien und der Slowakei begrüßen, die im Rahmen eines Deutschlandseminars Nordrhein-Westfalen und Berlin besuchen. – Herzlich willkommen im Abgeordnetenhaus von Berlin!

[Allgemeiner Beifall]

Tagesordnungspunkt 16 steht auf der Konsensliste.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 17:

Viel Lärm um nichts? Berlin braucht einen echten Lärmaktionsplan

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1679

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Kollege Moritz, Sie haben das Wort!

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Lärm macht krank. Dieses Thema haben wir hier schon öfter debattiert. Zuletzt haben uns Mediziner die gesundheitlichen Folgen von Lärm im Verkehrs- und im Gesundheitsausschuss bei der Anhörung zur Volksinitiative für ein Nachtflugverbot deutlich vor Augen geführt.

Nach der Umgebungslärmrichtlinie ist Berlin verpflichtet, einen Lärmaktionsplan aufzustellen und alle fünf Jahre zu aktualisieren.

[Daniel Buchholz (SPD): Wir tun das auch!]

Aktuell geht es also um den Entwurf des Lärmaktionsplans 2013 bis 2018, der im Frühjahr 2014 öffentlich ausgelegen hat. Abgesehen davon, dass die Aktualisierung dem Zeitplan lange hinterherhinkt, müssen wir feststellen, dass dieser Lärmaktionsplan seinen Namen nicht verdient. Der Lärmaktionsplan 2008 hatte noch eine Vielzahl von Kurz-, Mittel- und Langfristmaßnahmen benannt und für die dort enthaltenen Konzeptgebiete und

(Regina Kittler)

Strecken waren detaillierte Umsetzungsstrategien und sogar Kostenschätzungen enthalten. All das lässt der neue Aktionsplan vermissen. Er ist deutlich unkonkreter als seine Vorgänger. Es kann nicht sein, dass die unzureichende Umsetzung des Lärmaktionsplans 2008 dazu führt, dass der neue Plan gleich so unkonkret bleibt, dass die Maßnahmen nicht einmal mehr richtig evaluiert werden können. Es besteht also dringender Handlungsbedarf, indem Konkretisierungen vorgenommen werden. Diese fordern wir in unserem Antrag.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Es ist sehr erfreulich, dass schon Anfang 2013 eine Onlinebeteiligung „Leises Berlin“ zur Vorbereitung des Lärmaktionsplans durchgeführt worden ist. Aber was folgt aus dieser Bürgerbeteiligung? Dort war zum Beispiel die Belastung durch Fluglärm ein großes, wenn nicht das größte Thema. Was ist die Antwort des vorliegenden Plans? Er verweist auf den Planfeststellungsbeschluss des BER und auf die lärmfachliche Bewertung des Umweltbundesamts zu den Flugrouten. Erwähnt wird auch, dass das UBA Optimierungsbedarf bei den Flugrouten sieht. Erwähnt wird allerdings nicht, dass das UBA ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr gefordert hat. Nichts wird gesagt zur Situation von Tegel, nichts zu den Handlungsmöglichkeiten des Landes Berlin. Der rotschwarze Senat lehnt ja bekanntermaßen jede weitere Entlastung der Flughafenanwohner ab. Was nutzt dann Bürgerbeteiligung, wenn der rot-schwarze Senat doch nur dort etwas tut, wo er es ohnehin vorhatte, und an anderer Stelle bewusst nicht handelt.

Bei der Straße ist das ähnlich. Zwar ist erfreulich, dass die meisten Kurzfristmaßnahmen des alten Plans umgesetzt wurden, aber bei den Mittel- und Langfristmaßnahmen ist der Senat in den Ansätzen steckengeblieben, wie er selbst einschätzt.

[Andreas Otto (GRÜNE): Das sieht man ja!]

Wenn ich mir den Umgang mit der Konzeptstrecke aus meinem Bezirk, aus Treptow-Köpenick, der Baumschulenstraße, vor Augen führe, muss ich befürchten, dass die Betroffenen noch Jahrzehnte auf eine Besserung warten müssen, weil man sich nicht entschließen kann, die im alten Plan vorgesehenen sogenannten straßenräumlichen Maßnahmen – sprich: Fahrradstreifen, Mittelinseln und ganztägliche Geschwindigkeitsbegrenzungen – einzuführen. Nein! Diese Maßnahmen sollen zurückgestellt werden, bis eine parallele Straße, die Süd-OstVerbindung, vollständig fertiggestellt ist. Das wird Jahrzehnte dauern. Aber durch den ersten Bauabschnitt der SOV, der jetzt läuft, wird mehr Verkehr in die Baumschulenstraße fließen und damit dort mehr Lärm entstehen. Das kann nicht sein. Hier muss endlich gehandelt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Der neue Lärmaktionsplan braucht eine deutliche Auflistung der vorgesehenen Kurz-, Mittel- und Langfristmaß

nahmen, dazu eine Prioritätensetzung und eine entsprechende Kostenschätzung. Der Lärmaktionsplan ist bisher vollkommen unterfinanziert. Eine der wenigen Maßnahmen, für die Gelder bereitstehen, ist das Schallschutzfensterprogramm an Hauptstraßen. Allerdings sollte dem aktiven Lärmschutz der Vorrang eingeräumt werden, denn Schallschutzfenster bringen nur etwas, wenn die Fenster geschlossen bleiben, und auch, wenn man auf die Straße tritt, ist es mit dem Lärmschutz vorbei. Es kann daher nur das letzte Mittel der Wahl sein.

Ich bitte Sie, unserer Forderung zur Überarbeitung des Lärmaktionsplans zuzustimmen, damit endlich deutliche Fortschritte bei der Lärmbekämpfung erzielt werden können. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN) und Katrin Lompscher (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion jetzt Herr Kollege Buchholz. – Bitte schön!

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Aber bitte nicht so laut!]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Keine Angst! Ich habe mich mit Material bewaffnet, und ich muss nicht schreien, um das rüberzubringen, Herr Kollege Albers! Ich habe Ihnen die Lärmminderungsplanung für Berlin 2008 mitgebracht. Vorne ist noch das Foto der Kollegin Lompscher drin, die damals Umweltsenatorin war. Genau – Sie haben es beschrieben, Herr Kollege Moritz –, im Augenblick ist die Senatsverwaltung dabei – unter der Führung des Senators, Herrn Müller –, die Lärmaktionsplanung für das Land Berlin neu aufzusetzen. Wiederum für einen Aktionszeitraum von fünf Jahren. Dazu sind wir auch gesetzlich verpflichtet. Ich darf aber anfügen: Nicht alle Länder und vor allem nicht alle Kommunen und Städte in Deutschland machen das so vorbildlich wie das Land Berlin. Das ist tatsächlich so. Wir können uns als Land Berlin wirklich schon mal auf die Schulter klopfen, dass wir so etwas tun, dass wir das nicht unwesentlich aufarbeiten und klären, wo es Lärmquellen in der Stadt gibt, wo wie viele Leute – und zwar auch Hundertausende – von Lärm am Tag und in der Nacht betroffen sind und wie wir dagegen vorgehen. Ich finde, das ist auch mal einen Applaus wert, dass das Land Berlin hier im Vergleich zu vielen anderen Ländern und Städten in Deutschland vorbildlich arbeitet.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Andreas Gram (CDU) und Monika Thamm (CDU) – (Harald Moritz) Oh! von den GRÜNEN und der LINKEN – Wolfgang Brauer (LINKE): Das war Ihr Fanclub!]

Danke schön!