Protokoll der Sitzung vom 18.09.2014

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst mal freue ich mich über diese neue Form der Transparenz, dass jetzt Koalitionsverhandlungen öffentlich im Parlament geführt werden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das ist eine interessante Neuerung. Vielleicht kriegen wir demnächst auch Senatsvorbesprechungen im Livestream übertragen.

[Heiterkeit bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Aber jetzt zum Ernst! Ich habe das in der letzten Debatte schon gesagt: Das Grundproblem besteht darin, dass hier eine politische Differenz zwischen den Koalitionsparteien in das Verfahren verlagert worden ist. Es gab keine klare Entscheidung bei der CDU: Bin ich dafür oder dagegen? – bzw. wahrscheinlich dagegen, aber Sie haben gesagt: Das klären wir im Verfahren. – und: Berlin-Energie wird es sowieso nicht schaffen, also brauchen wir uns mit den Sozialdemokraten nicht anzulegen.

Jetzt stellen Sie fest: Die Vergabeentscheidung ist anders ausgegangen, als Sie es vorausgesehen oder gehofft haben. Und jetzt sind Sie wieder dabei, am Verfahren herumzudiskutieren, anstatt klar zu sagen, Sie wollen es, oder Sie wollen es nicht.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN]

In der Debatte habe ich eine Differenz mit dem Kollegen Nußbaum, wenn er sagt, dass das Parlament sich jetzt mit der Frage: Wollen wir das Gaswerk, oder wollen wir es nicht? – befassen kann. Normalerweise entscheidet man doch, bevor man sich bewirbt, ob man das will oder nicht. Das ist doch die Voraussetzung für eine Bewerbung.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Alles andere ist doch politischer Irrsinn.

Deshalb sind wir jetzt in dieser Schwierigkeit. Alle rechtlichen Themen, die hier angesprochen wurden, sind, nachdem das Verfahren dieses Stadium erreicht hat und nachdem die Vergabeentscheidung gefallen ist, keine parlamentarische Angelegenheit mehr. Die rechtlichen Fragen hätte man so lange diskutieren können, wie man im Verfahren war und noch keine Vergabeentscheidung getroffen worden war. Man hätte sagen können, man drehe das Verfahren zurück auf den Stand des zweiten Verfahrensbriefes oder Ähnliches. Jetzt kann man gar nichts mehr zurückdrehen. Die Vergabeentscheidung ist vonseiten der Vergabestelle gefallen. Die politische Diskussion hätte man früher führen müssen. Jetzt findet die rechtliche Prüfung an anderer Stelle statt. Das ist die Realität.

Ich kann mir vorstellen, dass Sie weiterhin mit Herrn Stroedter reden. Ich rede auch mit Herrn Garmer freundlich und nett, trotzdem haben wir zu dem Thema unterschiedliche Positionen. Dass Sie es möglicherweise schaffen, das Thema nicht im Parlament zu entscheiden, sondern bis zur fünften Instanz aufzuschieben, traue ich Ihnen auch zu. ich sage nur: Es bringt die Stadt nicht voran, es bringt auch die Koalition nicht voran, es macht nur deutlich – ich sage es noch mal –: Hier sitzt zusammen, was nicht zusammengehört.

[Beifall bei der LINKEN]

(Heiko Melzer)

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Hauptausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt und auch an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (Patientenmobilitätsrichtlinienumsetzungsgesetz – PatMobRLUG)

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1788

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten und Medien empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5:

Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1795

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. Von nun an stehen den Fraktionen für alle weiteren Beratungen die Kontingente der Gesamtredezeit gem. § 64 Abs. 1 Satz 1 unserer Geschäftsordnung zu. Zunächst ist der Senat um eine Begründung der Gesetzesvorlage gebeten worden. Für den heute erkrankten und auch entschuldigten Innensenator erteile ich jetzt der Senatorin Yzer das Wort. – Bitte sehr, Frau Senatorin!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir der Polizei die Befugnisse einräumen, die zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen gebraucht werden. Wir wollen die Berliner Polizei noch besser ausstatten und ihr vor allen Dingen die Rechtsgrundlagen geben, um Gefah

ren durch grenzüberschreitende und organisierte Kriminalität besser begegnen zu können.

Im Einzelnen ist hier vorgesehen, eine Rechtsgrundlage für Amtshandlungen der Berliner Polizei bei Auslandseinsätzen zu schaffen und umgekehrt den Einsatz ausländischer Polizeikräfte im Land Berlin zu ermöglichen. Es gibt zahlreiche von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossene bi- und multilaterale Verträge und europäische Rechtsakte zur polizeilichen Zusammenarbeit. Hier soll auch in Berlin die Rechtsgrundlage zur Umsetzung dieser Regelungen getroffen werden. Da geht es zum Beispiel um den Einsatz gemischter Streifen mit Berliner und ausländischen Polizisten, der ermöglicht werden soll. Dabei gilt selbstverständlich, dass die im Land Berlin tätig werdenden ausländischen Polizeikräfte stets den Weisungen des Polizeipräsidenten in Berlin unterliegen werden.

Darüber hinaus soll hier eine spezialgesetzliche Grundlage für das sogenannte Kfz-Kennzeichen-Scanning geschaffen werden. Damit soll bei gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, wenn eine Person oder ein Fahrzeug zur Fahndung ausgeschrieben ist, unmittelbar das Scanning ermöglicht werden können.

Einen weiteren Punkt des vorliegenden Gesetzentwurfs möchte ich hier nennen: Wir wollen eine Verlängerung der maximalen Festhaltedauer beim Unterbindungsgewahrsam auf vier Tage. Es hat sich bei polizeilichen Großlagen gezeigt, dass es Fälle gibt, in denen die derzeit maximal zulässige Festhaltedauer von 48 Stunden nicht ausreicht, um zu verhindern, dass Täter wieder freigelassen werden und erneut erhebliche Straftaten begehen. Mit der Festhaltedauer von vier Tagen, die nunmehr angestrebt wird, wird in Berlin im Übrigen im Vergleich zu anderen Bundesländern weiterhin ein sehr begrenzter Zeitraum für den Unterbindungsgewahrsam vorgesehen, und außerdem steht er natürlich immer unter der Voraussetzung der richterlichen Entscheidung.

Ein vorletzter Punkt, den ich hier ansprechen möchte, ist, dass sichergestellte Sachen künftig eingezogen werden können. Hier haben wir bislang eine gesetzliche Regelungslücke, die geschlossen werden soll, beispielsweise bei Bargeld, das bei einer Person aufgefunden wird, der der Handel mit Betäubungsmitteln vorgeworfen wird. Dieses Bargeld wird dann beschlagnahmt und steht nicht für erneute illegale Geschäfte zur Verfügung. Hiermit werden wir einen wesentlichen weiteren Schritt zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität machen.

Ein letzter Punkt, der im ASOG neu geregelt werden soll: Es ist eine Ergänzung erforderlich, damit künftig auch Wasser- und Luftfahrzeuge sowie Container zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben werden können.

Insgesamt geht es darum, rechtssichere Ermächtigungsgrundlagen für das polizeiliche Handeln zu schaffen, damit die Berliner Polizei bei der Erfüllung ihres Sicherheitsauftrags gestärkt wird und die Möglichkeiten internationaler Zusammenarbeit, die dringend ausgebaut werden müssen, auf einer sicheren Rechtsgrundlage ausgebaut werden.

Vielen Dank, Frau Senatorin! – In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und es redet Herr Kollege Lux. – Herr Lux! Ich erteile Ihnen das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Liebe Frau Yzer! Vielen Dank, dass Sie die 16. Änderung des Polizeigesetzes hier eingebracht haben. Das war sehr ordentlich. Ich weiß nicht, ob mir das Lob zusteht. Ich finde es toll, wie Sie hier in Berlin angekommen sind und jetzt auch schon den Innensenator vertreten, dem ich von dieser Stelle aus gute Genesung wünschen möchte.

Ihr Vortrag ermöglicht es mir auch, differenziert darauf eingehen zu können, was gut und was schlecht an dieser Reform ist. Ich möchte erst mal die Gemeinsamkeiten, die wir Grünen unterstützen, hervorstreichen. Das sind nicht viele. Das Betretungsverbot bei häuslicher Gewalt für Aggressoren in der Opferwohnung ist eine gute Sache. Diese rechtliche Klarstellung im ASOG zu regeln, ist wichtig und gut. Immer mehr Menschen wenden sich bei häuslicher Gewalt an die Polizei. Das soll auch so bleiben, und jetzt kriegt sie im Gefahrenabwehrrecht auch die Möglichkeit, für die Wohnung des Opfers ein Betretungsverbot auszusprechen. Das unterstützen wir.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Auch die Beschlagnahmung von Vermögen, das vielleicht für weitere Straftaten eingesetzt werden soll, ist grundsätzlich eine gute Möglichkeit, um Gefahren abzuwehren. Gleichwohl muss man hier berücksichtigen, dass in der Regel im Vorfeld ein Strafurteil gefallen sein wird und hier die Staatsanwaltschaft schon einmal entscheidet, ob das Vermögen freizugeben ist. Ich persönlich halte sehr viel davon, dass die Polizei konsequenterweise dieser Entscheidung folgt, aber wenn es im Einzelfall eine andere Einschätzung gibt, dann ist es auch hier richtig, etwa bei Drogendelikten oder organisierter Kriminalität, eine Möglichkeit für die Polizei zu schaffen, Vermögen einzuziehen.

Ansonsten muss man sich überlegen, ob es bei der Änderung des Polizeigesetzes einen tatsächlichen Sicherheitsgewinn gibt und ob dieser erhoffte Gewinn in einem Verhältnis zu einem Preis steht, der immerhin die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes

betrifft. Steht das in einem Verhältnis? Hier möchte ich mit dem Kfz-Kennzeichen-Screening anfangen. Hier ist zu beachten, dass alle Autofahrerinnen und Autofahrer in Berlin oder die, die durch Berlin fahren, betroffen sein können, ähnlich wie bei der Funkzellenabfrage. Es gibt einen unbestimmten Kreis an Personen, deren Daten erhoben werden können und die dann gescreent werden. Dann wird gefahndet und abgestimmt. Natürlich scheint die Regelung, die Sie hier vorschlagen, vom Bundesverfassungsgericht so abgedeckt zu sein, aber ob sie auch politisch sinnvoll ist, ob sie effektiv ist, ob sie wirklich gegen Kriminalität wirkt, wird sich zeigen. Deswegen werden wir hier auf jeden Fall eine starke Evaluation einfordern und halten es auch für begründungsbedürftiger, als es im Gesetzentwurf vorgetragen wurde.

Der nächste Punkt, die Auslandseinsätze: Auch hier finden wir es richtig, wenn sich die Polizeien austauschen, wenn man von anderen Ländern lernt und Berliner Polizisten in andere Länder fahren, um zu schauen, wie dort die Lagen bei organisierter Kriminalität etc. sind. Aber die Regelung, die Sie vorschlagen, geht sehr weit. Sie ermöglicht im Prinzip, dass ausländische Polizei hier und Berliner Polizei im Ausland bei jedem Einsatz hoheitlich tätig werden kann, auch Zwangsmittel anwenden kann, und ich bin nicht davon überzeugt, dass wir hier Tür und Tor öffnen sollten, dass Polizei aus anderen Ländern hier herkommen und auch Zwangsmittel einsetzen kann, vom Schlagstockeinsatz über Pfefferspray oder auch eine Schusswaffe gebrauchen kann. Hier sollte man grundsätzlich einen Riegel vorhalten und die Innenverwaltung nicht dazu ermächtigen, sämtliche Polizisten anderer Länder nach Berlin einzuladen.

Der verlängerte Gewahrsam, auf den Sie abgestellt haben, zeigt allerdings auch, dass der Gesetzentwurf vielleicht ein Zugeständnis an die Unionsfraktion war, die auf der Law-and-Order-Seite etwas bieten muss. Das ist völliger Quatsch, den Sie hier unternehmen. Dazu reicht ein Blick in die Begründung zum verlängerten Gewahrsam. Hier führen Sie aus, dass Sie jetzt nicht mehr nur die Menschen in der Stadt, wenn sie irgendwie gefährlich sind, zwei Tage in Gewahrsam nehmen wollen, sondern vier Tage. Warum wollen Sie das? – So steht es auch in der Gesetzesbegründung: Die Neuregelung sei unerlässlich, um die bevorstehende Begehung von Straftaten, insbesondere im Umfeld von länger andauernden Großlagen wie beim 1. Mai oder Staatsbesuchen zu verhindern. Da fragt man sich schon, ob die jetzt vier Tage statt zuvor nur einen oder nur einen halben Tag dauern. Dann führen Sie weiter aus: Bei Versammlungen, sportliche Großveranstaltungen – und hier kommt es – wie dem Kirchentag oder bei Fußballspielen müssten Sie diese Leute dann vier Tage in Gewahrsam nehmen. Da fragt man sich doch als aufmerksamer Leser: Bei welchem Kirchentag wollen Sie in Zukunft Störer davon abhalten, dorthin zu gehen, und sie vier Tage in Gewahrsam nehmen? Hier wäre es doch einmal interessant gewesen, von einem Fall

(Senatorin Cornelia Yzer)

zu hören, bei dem man mögliche Störer vier Tage in Gewahrsam nimmt. Das können Sie hier nicht liefern. Die Polizei hat auch ein Interesse daran, gar nicht so sehr lange auf Störer aufzupassen und diese nicht für vier Tage in Gewahrsam zu nehmen. Die Polizei soll draußen unterwegs sein. Sie fehlt auf den Straßen dieser Stadt. Dass sie nun vier Tage auf Störer aufpassen soll, lässt sich wirklich nicht begründen. Im Gegenteil: Jede dritte Ingewahrsamnahme in den letzten Jahren war sogar rechtswidrig. Hier sollten die Alarmglocken schrillen, und man sollte sich als rechtsstaatsorientierte Fraktion fragen, ob man diesen Gewahrsam überhaupt braucht bzw. ob es nicht ausreicht, diesen nur zwei Tage zu haben. So sieht es auch die Polizeivizepräsidentin, und meine Fraktion findet, zu Recht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich komme zum Schluss und möchte Ihnen meine Einschätzung nicht verheimlichen. Ich freue mich auf die weitere Ausschussberatung, es scheint aber so, als legt die Koalition hier ein Sicherheitsgesetz vor, das Berlin nicht sicherer machen wird. Ich bitte insbesondere die beteiligten Koalitionsfraktionen, dieses Gesetz dahin gehend zu ändern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion jetzt Kollege Zimmermann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier als Vorlage zur Beschlussfassung eine sehr maßvolle Anpassung des Berliner Polizeirechts zur Beratung. Mit dieser Vorlage greifen wir tatsächliche Entwicklungen auf, die, wenn wir sie nicht beachten würden, dazu führen würden, dass wir unsere Pflichten verletzen. Wir müssen gucken, welche Probleme in den Sachverhaltsbearbeitungen aufgetreten sind, und als Gesetzgeber gegebenenfalls reagieren, und das tun wir hiermit.