Protokoll der Sitzung vom 03.03.2016

Es wird darum gebeten, dass die Senatorin zitiert wird. – Widerspruch nehme ich nicht wahr. Dann unterbrechen wir so lange.

Ich sehe, die Senatorin ist gleich hier. – Wir setzen fort.

In wenigen Tagen jährt sich der Internationale Frauentag zum 105. Mal. In diesem Jahr richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die besondere Situation von geflüchteten Frauen. Im Jahr 2015 kamen mehr als 54 000 Ge

flüchtete nach Berlin. Ein Drittel dieser Menschen sind Frauen und Mädchen. Dennoch ist die Flüchtlingspolitik auf dem Genderauge blind. In Deutschland sind die Unterbringungsbedingungen, die Aufenthaltsperspektiven und die gesellschaftliche Integration von Geflüchteten überwiegend auf männliche Geflüchtete ausgerichtet, so auch in Berlin.

Geflüchtete Frauen haben es besonders schwer. In jeder vierten Flüchtlingsfamilie aus Syrien kämpft eine Frau allein um ihr Leben und das ihrer Kinder. Viele dieser Frauen fliehen aus den gleichen Gründen wie Männer. Sie suchen Schutz vor politischer Verfolgung, Unterdrückung und vor kriegerischer und religiös begründeter Gewalt. Dazu kommen allerdings weitere Fluchtursachen, von denen Frauen und Mädchen betroffen sind: Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung und sexualisierte Gewalt. Diese Frauen benötigen dringend Hilfe und spezifische Angebote.

Berlin verfügt über eine gut ausgestattete Fraueninfrastruktur. Da arbeiten Expertinnen mit besonderen Erfahrungen und Spezialkenntnissen hochprofessionell. Es liegt in der Tat auf der Hand, die Frauenpolitik in Berlin mit der Flüchtlingspolitik zu vernetzen. Meine Fraktion Die Linke hat während der Haushaltsberatungen eine Aufstockung des Etats der Frauenprojekte um 20 Prozent gefordert.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

10 Prozent sollten zum Ausgleich von Tarifsteigerungen verwendet werden, die anderen 10 Prozent zur Erweiterung der Angebote für geflüchtete Frauen. Unser Antrag wurde natürlich abgelehnt. Allerdings wurden in der Schlusslesung des Haushalts 2016/2017 pauschale Mehrausgaben in Höhe von 12,4 Millionen Euro für 2016 und 10,9 Millionen Euro für 2017 für Integrationsmaßnahmen beschlossen.

Dies haben wir zum Anlass genommen, den Senat aufzufordern, davon 10 Prozent für spezifische Angebote für geflüchtete Frauen zu verwenden. Damit könnte sichergestellt werden, dass in allen Notunterkünften und Flüchtlingsheimen frauenspezifische Belange berücksichtigt werden. Geflüchtete Frauen brauchen Informationen über passgerechte Ausbildungsmöglichkeiten, Qualifizierung und den Berufseinstieg. Frauen- und mädchenspezifische Angebote sind für sie dringend erforderlich und könnten durch diese Mittel finanziert werden.

Die Berliner Frauenprojekte haben das Know-how für Beratung, Qualifizierung und zum Berufseinstieg von Migrantinnen. Das wissen wir. An Ideen und Konzepten mit speziellen Angeboten für geflüchtete Frauen und Mädchen mangelt es nicht, jedoch fehlen die erforderlichen finanziellen und personellen Kapazitäten. Geflüchtete Frauen brauchen eine gesicherte Kinderbetreuung, um Sprachkurse besuchen zu können und sich beruflich

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

weiterzuqualifizieren. Sie brauchen Unterstützung beim Einstieg in die Ausbildung und ins Berufsleben. Das würde vielen geflüchteten Frauen helfen, sich in Berlin selbstständig und selbstbestimmt eine neue Perspektive aufzubauen.

[Beifall bei der LINKEN]

Der Senat ist hier in einer Gesamtverantwortung, würde ich sagen, natürlich insbesondere die Frauensenatorin, weil das auch ihr Ressort betrifft, was die Integration von geflüchteten Frauen anbelangt. Geflüchtete Frauen leben in einer besonderen Situation, und sie brauchen insbesondere spezifische Angebote. Unser Antrag wird heute in den Frauen- und Haushaltsausschuss überwiesen, und dort werden wir die Möglichkeit haben, uns noch mal ausführlich über diese Problematik und Lösungen zu verständigen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Vielen Dank, Frau Sommer! – Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Dr. Czyborra das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion Die Linke spricht hier ein Thema an, das wir nun in diesem Haus beileibe nicht zum ersten Mal ansprechen – so viel zum Thema, wir wären irgendwo blind. Wir haben es im zuständigen Ausschuss schon mehrfach angesprochen, in Auseinandersetzungen auch mit der Bundesagentur für Arbeit, immer wenn wir das Thema Arbeitsmarktintegration hatten. Ja, wir haben hier eine Aufgabe, nämlich die Arbeitsmarktintegration auch für geflüchtete Frauen sicherzustellen sowie Chancengleichheit und einen gleichen Zugang herzustellen.

Wir haben dabei ein paar Hürden zu überwinden, für die wir spezifische Instrumente finden müssen. Da sehen wir auch, dass bislang Sprachkurse, aber auch Angebote für die Arbeitsmarktintegration überwiegend von Männern wahrgenommen werden. Wir wissen, unsere sozialen Sicherungssysteme sind so gestrickt, dass eine Erwerbstätigkeit von Frauen gewünscht und auch für die Alterssicherung und ein selbstbestimmtes Leben notwendig ist. Für dieses Konzept, das wir in unserer Gesellschaft leben, haben wir einiges an Werbung zu machen und einiges zu tun.

Was ich nicht ganz verstehe, ist das Zahlenspiel, das uns in diesem Antrag vorgelegt wird, die 10 Prozent. Wir haben im Augenblick in dem angesprochenen Haushaltstitel 2 Millionen Euro für Arbeitsmarktintegration. Wenn wir jetzt nach den allgemeinen Grundsätzen des GenderBudgeting vorgehen, wäre das, was wir spezifisch für

Frauen aufwenden müssten, deutlich mehr als die von der Linken geforderte Summe.

[Steffen Zillich (LINKE): Machen Sie einen Änderungsantrag!]

Wir müssen die Arbeitsmarktintegration von Frauen nicht nur im Bereich der Frauenprojekte, sondern insgesamt auf den Weg bringen. Dass wir dabei eine Menge Kompetenzen in den Frauenprojekten, die jetzt schon arbeiten, haben, nutzen und ausbauen müssen, ist hier, glaube ich, überhaupt kein Dissens. Wir müssen die Strukturen, die wir schon haben, bestmöglich nutzen, wenn wir weiterkommen wollen. Wir müssen die Erfahrungen aus der Integrationsarbeit, die diese Frauenprojekte haben, einbeziehen. Wir müssen von ihnen lernen und mit ihnen reden, wie wir Hürden überwinden können. Wie das im Einzelnen zu bewerkstelligen ist, in welchen Projekten, an welchen Stellen die Stellschrauben gedreht werden, welche Vorhaben schon auf den Weg gebracht worden sind, werden wir in der Ausschussberatung umfänglich hören. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Dr. Czyborra! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Kofbinger. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Ich freue mich immer, wenn ich nach Frau Dr. Czyborra reden kann. Das erspart mir eine Kurzintervention und Ihnen allen drei Minuten Lebenszeit. Ich kann gleich anknüpfen: Ich freue mich sehr, dass Sie die Notwendigkeit einer finanziellen Ausstattung hier erst einmal anerkannt haben. So habe ich das gesehen. Wenn sie im Zuge des Gender-Budgetings sogar darüber hinausgehen wollen, haben Sie uns sofort an Ihrer Seite. Ich freue mich sehr auf den Änderungsantrag, den diese Aussage zeitigen wird. Ich bin mir einigermaßen sicher, dass wir den einstimmig annehmen werden. Es sollte kein Problem sein, Ihren Wunsch zu erfüllen.

Ich gehe jetzt auf das ein, was Frau Sommer gesagt hat: Die besondere Situation geflüchteter Frauen bedarf mehrfacher Besprechung. Wir hatten heute Morgen schon das Thema der Unterbringung. Damit fängt es eigentlich an. Wir haben gemerkt, dass Sozialsenator Czaja, der zur Unterbringung antworten muss, gar nicht genau verstanden hat, was es heißt, eine Unterkunft für Frauen zur Verfügung zu stellen, die einen besonderen Schutz genießen, damit sie vor Gewalt, z. B. Gewalt von Männern, geschützt sind. Da hat er gesagt: Das beste Beispiel ist das Rathaus Friedenau, denn da sind queere Flüchtlinge, Frauen, die allein oder mit Kindern reisen, und Familien

(Evrim Sommer)

untergebracht. Das ist das Schutzkonzept. – Da liegt ein riesiges Missverständnis vor. Wir glauben, dass Frauen ohne Männer untergebracht werden müssen, auch wenn es Familienmänner sind. Wir haben einen Dissens, was bei der Unterbringung von Frauen zu tun ist.

Wir haben verschiedene Arbeitsmarktinstrumente, über die ich mich gerade noch einmal mit meiner Arbeitsmarktpolitikerin unterhalten habe. Sie sagt: Das Instrumentarium ist natürlich da. Das BA hat bedarfsgerecht, ohne Begrenzung finanziert. Da kann man ganz viel Geld rausnehmen. Es wird nur nicht abgerufen. – Warum wird es nicht abgerufen? – Weil es kein Konzept gibt. Frauen werden hier gar nicht als Personengruppe wahrgenommen, die sich eventuell auf den Weg in das Berufsleben machen will, um sich ihren Bedarf selbst zu erarbeiten. Das ist ein großes Problem. Dafür brauchen wir die Ressourcen. Dazu hat Frau Sommer etwas sehr Interessantes gesagt. Das hätte ich so gar nicht gedacht. Sie sagte, wir hätten eine gut ausgebaute Fraueninfrastruktur. Das glaube ich nicht. Wir haben eine sehr breit angelegte Fraueninfrastruktur. Es gibt viele Menschen, insbesondere Frauen, die sich damit beschäftigen, aber sie sind leider unterausgestattet. Daran müssen wir jetzt arbeiten. Dabei bitte ich Sie um Ihre Unterstützung, auch um die der Piraten. Die Ressourcen reichen nicht aus. Das ist bereits jetzt der Fall, und sie werden noch weniger ausreichen, wenn wir die Ressourcen auch noch auf die Flüchtlingsfrauen ausweiten müssen. Das kann gar nicht funktionieren. Deshalb brauchen wir verschiedene Möglichkeiten in verschiedenen Bereichen. Dafür haben wir eine Senatorin, die all diese Bereiche – Arbeit, Integration und Frauen – in ihrem Ressort vereinigt. Trotzdem kriegt sie es nicht hin, das zusammenzupacken und das Geld dafür zu besorgen. Es ist ein Skandal, dass diese Frau es nicht hinbekommt. Jetzt ist schon alles in einem Ressort, jetzt muss sie sich schon nicht mit den Kollegen herumstreiten, jetzt könnte sie auf Geld, das vorhanden ist – das wird uns immer wieder gesagt –, zugreifen, aber sie tut es nicht. Das ist ein Skandal.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Simon Kowalewski (PIRATEN)]

Daran müssen wir arbeiten, Frau Sommer. Sie sind da sicher an meiner Seite. Ich bitte Sie: Schauen Sie in andere Städte. In Frankfurt hat es auch geklappt. Es ist doch nicht alles schlecht, was aus einem schwarz-grün regierten Bundesland kommt. Dort hat man bereits vor einiger Zeit – ich glaube, es war Mitte Dezember – das Programm „Ankommen – Weiterkommen“ aufgesetzt. Dort werden Flüchtlingsfrauen zusammen mit anderen Frauen, die einen Migrationshintergrund haben, in Kurse gebracht, damit sie sich – auch in deutscher Sprache – unterhalten können. Das ist eine Integrationsleistung. Die Flüchtlingsfrauen lernen noch Deutsch, die anderen können es bereits. Sie haben einen Migrationshintergrund, Das kann etwas Verbindendes sein. Es ist Verständnis füreinander da. Man hat festgestellt, dass die ganz wunderbar und sehr erfolgreich miteinander arbeiten. Ich bitte

die Senatorin, die es nie gebacken kriegt, darum, einmal nach Frankfurt zu gucken und sich zu überlegen, ob das nicht auch etwas für uns wäre.

Der Antrag ist richtig und wichtig. Vielleicht packen wir noch ein bisschen Fleisch an den Knochen und machen ihn an bestimmten Punkten noch etwas genauer, denn es geht nicht nur um das Geld, sondern auch um die Konzepte. Ich glaube, dass wir ein paar sehr gute Ideen haben. Die sollten wir vielleicht noch mal in einem Änderungsantrag zusammenfassen. Das ist mein Angebot an Sie. Ich hoffe, wir kommen da ins Geschäft. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kofbinger! – Für die CDU-Fraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Vogel. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frauen auf der Flucht sind in einer völlig anderen Situation als Männer in der gleichen Lage. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind weniger als ein Drittel der Neuankömmlinge weiblich – aus den unterschiedlichsten Gründen, die wir hier jetzt nicht beleuchten müssen. Geflohene Frauen können sich selten sicher fühlen, weder auf der Flucht noch in den Unterkünften. Frauen, die alleine geflüchtet sind, und auch solche, die mit ihren Familien hier sind, haben oftmals Gewalt erfahren und wurden Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung. Berlin verfügt schon jetzt über ein gutes Unterstützungs- und Beratungsangebot auch für Flüchtlingsfrauen. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen fördert ein breites Spektrum von Frauenprojekten, die selbstverständlich auch Flüchtlingsfrauen offenstehen. Eine Vielzahl von Initiativen und Projekten setzt sich in Berlin in jeder Weise für geflüchtete Frauen ein und unterstützt sie.

Wenn Sie nun in Ihrem Antrag fordern, dass der Senat spezifische Angebote für geflüchtete Frauen entwickeln soll, erfinden Sie damit nichts Neues. Ich zitierte aus dem Zehn-Punkte-Programm der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen zur Arbeitsmarktintegration Geflüchteter in Berlin. Punkt 5 „Erfolgreich zum Berufsabschluss“ lautet:

Wir möchten insbesondere geflüchtete Frauen auf ihrem Weg zu einem Berufsabschluss unterstützen …. Hierfür werden wir weitere spezielle Angebote entwickeln – immer unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse geflüchteter Frauen. … Frauenspezifische Hürden im Zugang zum Arbeitsmarkt werden wir auch für geflüchtete Frauen konsequent abbauen.

(Anja Kofbinger)

Der Senat strebt grundsätzlich eine frühzeitige Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt an. Dafür verstärkt er die Anstrengungen, die der Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung dienlich sind, so zum Beispiel auch die Öffnung der bestehenden Regelangebote. Nicht nur, aber auch für Frauen gibt es z. B. das Projekt „bridge“, das Geflüchtete auf dem Weg ins Arbeitsleben unterstützt und die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit sowie Berufsorientierung und Qualifizierungsmaßnahmen organisiert. „ARRIVO Berlin“ ist eine Ausbildungs- und Berufsinitiative zur Integration von geflüchteten Menschen in den Berliner Arbeitsmarkt in Anlehnung an berufliche Vorkenntnisse, Kompetenzen und Fähigkeiten. Mobile Bildungsberaterinnen sind beispielsweise bei den Vereinen „Marie“ und „TIO“ tätig und arbeiten eng mit den bereits bestehenden Angeboten für Frauen zusammen.

Der notwendige Ansatz muss aber auch an einer anderen Stelle erfolgen, damit bestehende Angebote überhaupt wahrgenommen und da wirksam werden, wo sie es sollen. Nicht wenige Frauen, die als Flüchtlinge bei uns ankommen, stammen aus Ländern, in denen sie nicht gleichberechtigt sind, nicht erwerbstätig sein durften und ausschließlich für das Wohl der Familie zuständig waren. Dieses Rollenverständnis ändert sich auch nicht durch ihre Ankunft bei uns. Zu allen noch so gut gemeinten Angeboten, die den Zugang zu Bildung, Ausbildung und Arbeit erleichtern sollen, kommt also zuallererst die Aufgabe, die Frauen in den bestehenden Strukturen abzuholen und dann für Berufs- und Bildungsmöglichkeiten zu interessieren und zu qualifizieren. – Wir beantragen die Überweisung des Antrags an die zuständigen Ausschüsse. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Vogel! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Kowalewski. – Bitte!

Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch wegen des Asylverhinderungspakets II werden wir in Zukunft wieder verstärkt mit alleine fliehenden Frauen, teils mit Kindern, teils ohne, zu tun haben. Natürlich ist die Flucht durch das Europa der neuen Stacheldrahtzäune für alle Menschen eine Tortur. Wir sehen es gerade wieder in den Medien – ein Spießrutenlauf durch Kälte und Tränengasschwaden, den wir ihnen ohne Not aufbürden. Frauen bzw. gerade Frauen mit Kindern leiden allerdings besonders darunter, wegen der patriarchalen Vorstellungen in den Ländern, aus denen sie fliehen, aber auch aufgrund des strukturellen Sexismus, der ihnen auf dem Weg und am Ziel begegnet. Frauen, die es alleine oder mit anderen schaffen, ihr bisheriges Leben hinter sich zu

lassen, den beschwerlichen und gefährlichen Weg anzutreten und das vermeintlich sichere Berlin zu erreichen, haben schon allein deswegen unsere besondere Unterstützung verdient, sich eine sichere und vor allem selbstbestimmte Existenz aufzubauen.

Die Berliner Fraueninfrastruktur, darüber haben wir hier schon viel geredet, wurde seit Jahrzehnten an einer sehr kurzen Leine gehalten. Das sehen wir selbstverständlich genauso wie Kollegin Kofbinger; während der Haushaltsberatungen haben wir das deutlich gemacht. Die Frauenhäuser klagen beispielsweise seit Jahren über zu wenig Mittel. Schon im Jahr 2014 konnten 827 hilfesuchende Frauen nicht untergebracht werden, was der Senat und die Koalition nicht als Grund ansahen, sie besser auszustatten. Deswegen ist es völlig klar, dass sich die dortigen Mitarbeiterinnen – und seien sie noch so qualifiziert – jetzt nicht auch noch nebenbei um Frauen aus den prinzipienbedingt sehr gewaltgeneigten Massenlagern kümmern können. Sie sind damit schutzlos.

Für Projekte der Ausbildungs-, Arbeits- und Selbstständigkeitsförderung gilt dasselbe – eine deutliche Aufstockung der Mittel ist hier vonnöten. Der Antrag fordert 10 Prozent der pauschalen Mehrausgaben. Das ist eher noch tiefgegriffen, denn es geht auch um die Einsparung von Kosten. Jede Frau, die einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeit findet oder sich selbstständig machen kann, die sich sozialversichern und eine eigene Wohnung beziehen kann, verursacht weniger Kosten für die öffentliche Hand. Es handelt sich demnach um eine nachhaltige Investition. Da das bereits in den vorherigen Reden angedeutet wurde, möchte ich noch auf einen wichtigen Punkt zu sprechen kommen.

Während staatliche Strukturen bislang dabei versagt haben, ausreichende Schutzräume für Frauen und queere Menschen zu schaffen – gerade für solche mit Fluchterfahrung –, haben autonome Projekte diese Lücke gefüllt, auch in den Häusern in der Rigaer Straße, auch auf Wagenplätzen wie dem radikal queeren „Kanal“ in Neukölln. Diese wichtigen Einrichtungen sind akut bedroht, und zwar nicht durch Mittelknappheit – sie erhalten ohnehin keine öffentlichen Mittel –, sondern durch die Gentrifizierung der Stadt und die Versuche, missliebige Projekte einfach dadurch loszuwerden, dass ihre Flächen für den Bau weiterer Massenlager angeboten werden, sodass diejenigen, die sich für ihren Erhalt einsetzen, absurderweise als Asylgegnerinnen und -gegner diffamiert werden können. Deswegen müssen wir bei der Sicherung spezifischer Angebote zur Integration und Partizipation auch ein bisschen Flexibilität wagen und wichtige Projekte auch außerhalb der üblichen Strukturen stärken und erhalten, statt sie zu bekämpfen und dem sogenannten freien Markt preiszugeben. Ich bin sehr auf die Anhörung zu diesem Antrag in einer Woche gespannt. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

(Katrin Vogel)

Vielen Dank, Herr Kowalewski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.