Protokoll der Sitzung vom 14.04.2016

Ansonsten muss ich mich dem anschließen, dass alles, was hier gesagt wurde, natürlich generell für die neuen Lehrkräfte gilt, die wir in der Stadt brauchen. Denn die Kleinen kommen irgendwann in der Oberstufe an, und das heißt, wir sollten rechtzeitig anfangen, auch dafür wieder neue Lehrkräfte zu gewinnen. Das steht und fällt – und da gebe ich Frau Remlinger völlig recht – mit der Gerechtigkeit in den Lehrerzimmern.

Herr Oberg! Sie haben gerade gesagt, dass Sie sich dann um die bessere Bezahlung kümmern, wenn die Absolventinnen und Absolventen kommen. Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass das im Jahr 2017 der Fall sein wird. Das heißt, Sie haben also noch ein gutes Jahr Zeit, um das vorzubereiten. Bei den Abläufen, die wir hier im Haus kennengelernt haben, würde ich mal langsam damit anfangen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das ist ja wohl ein bisschen merkwürdig.

Das habe ich bereits im Ausschuss gesagt, aber ich sage es hier noch mal auch für das Protokoll: Wir müssen überprüfen, warum an den Hochschulen von denjenigen, die ein Lehramtsstudium aufnehmen, nur 40 Prozent auch mit einem Master im Lehramt abschließen. Die meisten davon – das ist nachgewiesen – gehen schon nach dem Bachelorstudium verloren. Das heißt, wir könnten viel mehr Lehrkräfte in den Schulen aufnehmen, wenn die denn bis zum Schluss durchhalten und nicht woandershin abwandern würden. Ich bitte darum, dass hier noch mal genau nachgeguckt wird, woran das liegt, und diese Ursachen müssen eben abgestellt werden.

Ich habe es auch schon mal im Ausschuss gefragt, aber leider keine Antwort bekommen: Was halten die Senatorin und die Koalition davon, dass man Studierende mit einem Stipendium versieht, verbunden mit dem Angebot, dass sie dieses Stipendium, wenn sie nach dem Studium einen bestimmten Zeitraum im Berliner Schulwesen arbeiten, nicht zurückzahlen müssen, wie sie BAföG zurückzahlen müssen? Ich glaube, dass man darüber auch ganz gezielt Studierende gewinnen könnte, hier Lehrkräfte zu werden.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Schlede das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der hier vorliegende Antrag ist tatsächlich in vielen Dingen überholt, nicht nur zeitlich, sondern von der Wirklichkeit überholt. Ich mache aber keinen Hehl daraus, dass ein Problem gegeben ist, das wir am 1. Februar zu Beginn des zweiten Halbjahres, feststellen mussten, dass in der Grundschule zwar glücklicherweise 350 Positionen besetzt worden sind, von denen aber 144 Studienräte und Studienrätinnen waren sowie 81 Quereinsteiger. Die will ich deswegen nicht diskreditieren, aber sie entsprechen nicht unseren Vorstellungen von der Ausbildung der Grundschullehrer. Wir haben im Lehrkräftebildungsgesetz bekräftigt, die Qualität der Grundschullehrer zu steigern, sie erstens mit der Verpflichtung Deutsch und Mathematik generell und noch mit sonderpädagogischen Qualifikationen auszustatten. So weit sind wir also noch nicht.

Ich will noch einmal ausdrücklich sagen, Quereinsteiger und auch Studienräte in der Grundschule will ich nicht abwerten, aber das Spezifikum eines Studiums für die Grundschule haben sie erst einmal beide nicht. Da müssen wir erst sehen, wie wir damit weiterkommen.

Ich habe mir noch einmal den Lehrkräftebedarf vor Augen geführt, den wir jetzt und in den nächsten Jahren haben. Im Bereich der Grundschule sehe ich für 2015/2016 478 VZÄ, für 2016/17 323, für 2917/18 262 und für 2018/2019 255.

[Regina Kittler (LINKE): Ohne die neue Bevölkerungs- prognose zu beachten!]

Selbstverständlich sind noch die steigenden Schülerzahlen zu beachten. Das können wir aber noch nicht genau feststellen. Dem entspricht, Frau Kittler, mit Sicherheit nicht die Anzahl der Absolventen der Universitäten. Insofern war es eine erste richtige, auch von uns geforderte Maßnahme, die Anzahl der Studienplätze umgehend zu

(Regina Kittler)

erhöhen. Die Senatsverwaltung für Wissenschaft hat es durch eine Vereinbarung mit der FU und der HU vermocht – das war auch eine unserer Forderungen –, sehr zeitnah, nämlich zum Wintersemester 2016/2017 die Zahl zu verdoppeln. Die FU und die HU werden damit jeweils mit 300 000 Euro in diesem Jahr ausgestattet und dann mit 1,5 Millionen Euro im nächsten Jahr. Insgesamt sind dann bei der FU statt 150 240 Studienplätze und an der HU statt 132 300 Plätze vorhanden. Das ist schon was.

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Sie wissen, dass das nicht reicht! Sie denken zu kurzfristig!]

Nun kommen wir auf die Werbemaßnahmen. Darüber kann man sich trefflich streiten, ob die richtig werbemäßig aufbereitet sind. Ich habe auch gelesen: „Kein Schmarrn! Mit 4 450 Euro“ starten, „Kiez statt Kaff“. Ich weiß nun nicht, wer sich davon angesprochen fühlt, ob es hilft, wenn man aus einem Kaff kommt, oder einem vorgeworfen wird, man komme aus einem Kaff, in einen Kiez zu gehen. „Trend statt Tracht“, das ist doch alles ganz gut und schön. Ich sehe jedenfalls bei der Schulverwaltung ein ausgesprochenes Bemühen, diese Lücke zu füllen. Das lässt sich allerdings nicht nur mit Werbekampagnen machen, da haben Sie recht. Sicherlich wäre auch die bessere Bezahlung wichtig. Da stimme ich aber Herrn Oberg hundertprozentig zu. Das können wir am Ende aber nur machen, wenn wir tatsächlich Absolventen nach dem neuen Lehrkräftebildungsgesetz haben. Davon sind wir noch sehr weit entfernt.

Einen Punkt möchte ich noch darüber hinaus erwähnen: Wir haben beim Lehrkräftebildungsgesetz keine Fortbildungsmöglichkeiten für Grundschullehrer vorgesehen, einen anderen Lehrgang auf Sek I bzw. auf das Gymnasium zu nehmen. Vielleicht müssten wir da noch eine Lücke füllen, denn in der Vergangenheit konnten sich Grundschullehrer durch Fortbildung für die Mittelstufe bis Ende Klasse 10 qualifizieren. Das halte ich auch für die Zukunft nicht für ausgeschlossen. Das sollte zu überlegen sein. Umgekehrt war und ist es ja möglich, dass Studienräte, die bis Klasse 13 unterrichten können, in der Grundschule eingesetzt werden. Warum sollte nicht ein umgekehrter Weg durch Nachqualifizierung und Fortbildung möglich sein?

Ich gehe davon aus, dass wir große Probleme haben, die Zahlen von Absolventen im eigenen Bereich zu bekommen. Da hat aber die Wissenschaftsverwaltung völlig recht, wenn sie sagt, Berlin bietet beispielsweise sehr viel mehr Studienplätze im Bereich der Medizin, als Absolventen später hier beruflich tätig sein können. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für Grundschulstudiengänge aus anderen Bundesländern. Baden-Württemberg und Bayern haben lange über die dort notwendigen Kapazitäten ausgebildet. Wir konnten darauf zurückgreifen. Jetzt ist die Situation eingetreten, dass durch die Entwicklung der Flüchtlingszahlen aus Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern sehr viel weniger Lehrer kommen. Ich finde die Lösung gut, dass man aus Öster

reich Leute anwirbt oder auch aus den Niederlanden, die entsprechend qualifiziert sein können, die doch mindestens die Qualität von Quereinsteigern haben, die wir auch aufnehmen, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen.

[Regina Kittler (LINKE): Bestimmt eine bessere, und ich bin sehr dafür, aber das wird nicht helfen!]

Insofern sehe ich nicht schwarz für die Qualität der Grundschule, aber auf Dauer sicherlich Entwicklungsbedarf für das dort eingesetzte Personal. – Schönen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für eine Kurzintervention hat jetzt Kollege Oberg das Wort.

[Regina Kittler (LINKE): Jetzt sind wir ja gespannt!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schlede! Sie haben sich eben der Forderung angeschlossen, die von anderer Seite schon zu hören war, die ich vorhin auch aufgegriffen habe, dass wir diejenigen, die nach dem neuen Lehrkräftebildungsgesetz Grundschullehramt studiert haben, obwohl sie gar kein Amt einnehmen werden, es sind Angestellte, besser bezahlen und sie ebenso bezahlen, wie alle anderen Lehrerinnen und Lehrer auch.

In diesem Zusammenhang würde ich gern auf folgendes Problem hinweisen. Weil auch vorhin von anderer Seite das Thema Ungerechtigkeit in den Klassenzimmern,

[Regina Kittler (LINKE): Lehrerzimmern!]

in den Lehrerzimmern – Klassenzimmer auch, weil es manchmal Doppelsteckungen gibt – angesprochen wurde: Das Problem der ungleichen Bezahlung wird durch diese richtige Maßnahme aber zusätzlich verschärft. Das muss man vorher wissen und darf es hinterher nicht beklagen. Wenn wir nämlich die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer haben, die nach dem neuen Lehrkräftebildungsgesetz ausgebildet wurden und 4 900 Euro im Monat verdienen, haben Sie dort Kolleginnen und Kollegen sitzen, die in den Vorjahren eingestellt wurden und nur 4 400 Euro verdienen. Sie haben zudem Kolleginnen und Kollegen dort sitzen, die zu einer Zeit eingestellt wurden, als verbeamtet wurde. Die Forderung der GEW, die von manchen hier im Raum schon geteilt wurde oder zumindest mit manchem rhetorischen Blumenstrauß umkränzt wurde, dass alle das gleiche Geld bekommen sollten, lässt sich damit natürlich in keiner Weise sicherstellen.

[Regina Kittler (LINKE): Warum nicht?]

(Stefan Schlede)

Deshalb sollte man sich, wenn man darüber nachdenkt, wie man diese Bezahlung angleicht, die Frage stellen, für wen das gelten soll,

[Regina Kittler (LINKE): Na, für alle!]

wie das gelten soll und wie man das geschickterweise macht. So einfach, wie sich das hier mancher vorstellt, ist das nicht.

[Regina Kittler (LINKE): Wenn sie die gleiche Arbeit machen!]

Es ist weder einfach zu sagen, wir nehmen diejenigen, die neu ausgebildet sind, weil wir dann die beschriebene Ungerechtigkeit haben. Es geht auch nicht zu sagen: Wir nehmen alle. Diejenigen, die wir heute haben, erfüllen zum Teil sehr ungleiche Voraussetzungen. Es gibt eine Menge, die heute schon nach A 13 bezahlt werden. Wenn Sie also wollen, dass die Bezahlung verbessert wird und Sie gleichzeitig neue Ungerechtigkeiten vermeiden wollen, kann ich Sie, Herr Schlede, damit beziehe ich mich noch einmal auf Sie, nur herzlich einladen, mit uns zusammen die notwendige Zeit zu nehmen, die richtige Lösung dafür zu finden. So einfach, wie es sich mancher hier machen will, wird es sicherlich nicht gehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Stefanie Remlinger (GRÜNE): Und jetzt Herr Schlede noch einmal! Die Opposition müsste intervenieren! Herr Schlede, fragen Sie doch mal Herrn Oberg!]

Danke schön! – Dann hat Herr Schlede noch einmal die Möglichkeit zu erwidern.

Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Oberg! Ich gehe mit Sicherheit nicht davon aus, dass das so einfach sein wird, diese standardisierte Gerechtigkeit in den Berliner Lehrerzimmern einzuführen. Ich möchte Ihr Beispiel noch an einem Punkt ergänzen. Wenn ich heute sechs Deutschlehrer an einem Gymnasium sehe – ich kann das einmal vergleichen –, habe ich den Noch-Beamten, den in Berlin Verbeamteten, den Angestellten, den Beamten, der aus Brandenburg kommt nach einer Übergangszeit, den Beamten aus Bayern und Baden-Württemberg. Sie werden alle für gleiche Leistung unterschiedlich bezahlt. Da haben wir noch auf lange Sicht sehr unterschiedliche Gegebenheiten.

Aber ich wollte noch einen Gedanken erwähnen: Wenn es mit der Gerechtigkeit allein am Geld läge, dann würden wir irgendwann eine Lösung finden. Es gibt aber eine uralte Diskussion in der Berliner Schule, in anderen Ländern wird das anders gemacht, nicht Bundesländern, aber beispielsweise in Österreich, dass man fachorientiert unterschiedlich dotiert wird. Denn es ist ein himmelwei

ter Unterschied, ob ich beispielsweise Deutsch und Englisch unterrichte mit einer Fülle von Korrekturen, mit Vor- und Nacharbeit, oder ob ich sehr viel nach- und vorarbeitsärmere Fächer unterrichte. Das haben wir schon vor Jahren überlegt, und da würden wir dann wirklich Gerechtigkeit reinbringen. Aber davon sind wir weit entfernt. Und ich wette, auch in der nächsten Legislaturperiode wird dieses Problem nicht gelöst werden.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Herr Kollege Delius!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Oberg! Sie haben recht. Das ist ein Problem, das sich vor allem mit dem Spruch „Politik in langen Linien, die dann nicht funktioniert“ umschreiben lässt. Herr Schlede hat es gesagt. Er war überrascht Anfang Februar, dass die Grundschullehrkräfte fehlen. Ich nicht. Ich glaube, wer sich mit dem Thema spätestens seit dem Lehrer- und Lehrerinnenbildungsgesetz, der Reform beschäftigt hat, konnte davon ausgehen, dass genau das, was wir jetzt diskutieren, passiert, und das ist ein paar Jahre her. Da standen dann 1 000 Lehrkräfte drin, die ausgebildet werden sollten, explizit nicht für die Grundschule, sondern allgemein. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass zumindest ich, aber sicherlich auch andere Kollegen im Ausschuss gefragt haben: Wie soll das denn gehen? Wo soll denn das Geld herkommen? Wie sollen die Universitäten das machen, was Sie in das Gesetz und in die Vorgaben schreiben? Darauf wusste niemand eine Antwort. Da kam dann: Autonomie der Hochschulen. Ja, aber wenn man Autonomie der Hochschulen fordert und Zielvorgaben macht, dann muss man auch dafür sorgen, dass die Hochschulen das umsetzen können. Das ist nicht passiert.

Insofern wundere ich mich überhaupt nicht, dass wir jetzt das Problem haben und darüber diskutieren müssen, im Übrigen ähnlich wie bei den Bürgerämtern. Egal, wie gut – der Antrag ist gut – die Anträge sind, bekommen wir das jetzt nicht gelöst. Das müssen wir einsehen. Wir bekommen das jetzt zur Zufriedenheit aller nicht gelöst. Wir bekommen vielleicht Notlösungen hin und gucken, dass es für die Zukunft und mittelfristig besser wird, wenn die neuen Kontingente kommen, aber jetzt bekommen wir das Problem, die prekäre Situation mit den notwendigen Einstellungen in der Grundschule im Lehramt nicht so einfach gelöst. Insofern kann es darum nicht gehen, sondern es geht jetzt darum: Was sind die richtigen mittel- und langfristigen Ziele? – und da machen die Grünen sehr gute Vorschläge.

Ich weiß auch nicht, warum man sich über die Werbekampagnen streiten sollte, was die Leute hier getan

(Lars Oberg)

haben. Offensichtlich sind sich doch alle einig, dass das eine gute Idee ist. Das Einzige, was die Grünen möchten, ist, das Ganze zu erweitern, nämlich auf Berlin und spezifisch auf das Lehramt bezogen. Das ist doch eine schöne Sache. Das ist doch nur vernünftig, einen guten Vorschlag, eine gute Initiative der Senatorin oder des Senats zu erweitern auf das, was dann noch fehlt.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Mit welchem Spruch, Herr Schlede, das mit den Käffern finde ich auch nicht so richtig passend. Ich komme aus Brandenburg, aus einem 430-Einwohnerdorf. Das hätte mich auch nicht überzeugt.

[Regina Kittler (LINKE): Currywurst statt Käse!]