Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

Geradezu!

(Frank Jahnke)

Versuchen Sie es mal!

Die Frage wird sie schon schaffen.

[Heiterkeit bei der AfD]

Für gewöhnlich kann ich sprechen. – Ich wollte Sie fragen, ob Sie der Meinung sind, ob der Anblick eines Kopftuches im Straßenbild andere Menschen dazu zwingt, zum Islam zu konvertieren.

[Beifall bei der SPD]

Ganz herzlichen Dank für die Frage! Sie sind für Ihre Frage verantwortlich, und ich bin für meine Antworten verantwortlich, und ich rede über das Kuppelkreuz, das auf die Kuppel gehört. – Herzlichen Dank!

[Torsten Schneider (SPD): Das war sehr souverän, Herr Kollege! Das war sarkastisch gemeint!]

Nein, das Berliner Stadtschloss war über die Jahrhunderte seines Werdens hin das Produkt preußischen Herrschaftswillens und preußisch definierter Architektur und Kunstmeisterschaft. Sehen wir mal hinsichtlich der Meisterschaft über den eingestürzten Münzturm hinweg! Da gibt es nichts zu relativieren und zeitgeistig einzuordnen, wie es die CDU macht. Das Berliner Stadtschloss war das Schloss preußischer Herrscher, und unsere demokratische Republik hat sich dieses Schloss selbstbewusst neu angeeignet, und das ist auch gut so.

[Beifall bei der AfD]

Die Union verkennt die Rechtfertigung und den Sinn der beschlossenen und genehmigten historischen Rekonstruktion, wenn sie ihren Antrag mit dem Satz schließt: Auf die Kuppel gehört ein Kreuz. – Nein, auf die Kuppel gehört eben nicht ein Kreuz. Auf die Kuppel gehört das Kreuz, und zwar das Kreuz als Bestandteil der gesamten Fassadenrekonstruktion.

[Beifall bei der AfD]

Mit ihrem Antrag scheint die Union der Kritik der Linken recht geben zu wollen, dass das Kreuz an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang als christliches Auftrumpfen missverstanden werden soll. Aber genau dieser Bedeutungszusammenhang verbietet sich, wenn man Bundestagsbeschluss und Baugenehmigung ernst nimmt. In beiden kommt das Kuppelkreuz nicht vor. Das muss es auch gar nicht, weil keines der Hunderte von Fassadenelementen tabellarisch erwähnt wird. Gewollt und genehmigt ist die historische Rekonstruktion der Schlosshülle. Das wird auch genauso kommen und wenig Rück

sicht darauf nehmen, ob der eine oder andere sich innen mehr Preußen und außen mehr Palast der Republik gewünscht hätte. Deshalb sollten alle Seiten das Kreuz auf der hohen Kuppel religionspolitisch niedriger hängen.

Die AfD-Fraktion wird sich deshalb dem Antrag der CDU-Fraktion nicht anschließen können. So, wie wir uns durch das Schlossgespenst der Linken nicht aufschrecken lassen, lassen wir uns auch von der durchsichtigen Anbiederei der Union nicht vereinnahmen. Mit unserer Enthaltung unterstreichen wir, worum es ausschließlich und auch völlig ohne Unionsantrag geht: Das Kreuz gehört auf die Kuppel, das Kreuz kommt auf die Kuppel, und das ist gut so. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Kittler das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein markiges „Wenn schon, denn schon“ eröffnet den Antrag und provoziert bei mir sofort die Frage: Wenn nicht, dann nicht? – Ist der Bau des Humboldt-Forums von einem Kreuz abhängig, das mit 5 Metern Höhe erst einmal die Leitkultur klar macht – bevor man das Haus betritt selbstverständlich und die Kulturen Asien, Afrikas, Nord- und Südamerikas und des pazifischen Raums betrachten kann?

[Ah! von der AfD – Zuruf von der AfD: Mir kommen die Tränen! – Weitere Zurufe von der AfD]

Sie offensichtlich nicht. – Ich meine: nein! Die vollständige Rekonstruktion der Kuppel mit Kreuz war in den Kostenberechnungen von maximal 590 Millionen Euro ursprünglich gar nicht enthalten.

[Holger Krestel (FDP): Stimmt ja nicht!]

Im Humboldt-Forum mit einer Kopie weiter Teile der barocken Fassade des 17. und 18. Jahrhunderts des Berliner Schlosses und der erst 1854 aufgesetzten Kuppel – mit Kreuz – wird sich nämlich gar keine Kapelle mehr befinden, die ein Kreuz begründen würde. Es soll ein Haus für alle werden, in dem der Dialog mit allen Kulturen und Religionen geführt werden soll. Da ist schon die Frage: Das unter dem Kreuz? Damit Leitkultur und Leitreligion noch einmal klargestellt werden, auch für Atheisten und Atheistinnen, Juden,

[Holger Krestel (FDP): Das ist jetzt schon so ein bisschen christophob, oder?]

Muslime, für alle Nicht-Christen und Nicht-Christinnen? Und das, weil Frau Otto dafür zweckgebunden 1 Millionen Euro spendet? Deshalb bestimmt sie jetzt

über einen Bau in der Bundeshauptstadt? Vor dem Hintergrund, dass laut Aussage aus dem Bundestag noch 38 Millionen Euro für die Fassade und auch noch 3,6 Millionen Euro für eine Verankerung eines Kreuzes auf der Kuppel nach unten fehlen, erlaube ich mir die Frage, ob die Sicherung der Mittel für die Fassade nicht den Vorrang haben müsste. – Ich sage: ja.

Dass das Schlosskreuzthema geeignet ist, konservative bis tief reaktionäre Stimmen zu mobilisieren, sehen wir hier im Haus und auch in den sozialen Medien. Übrigens: Die Linke hat diesen Tagesordnungspunkt heute nicht beantragt,

[Oliver Friederici (CDU): Das ist auch gut so!]

auch wenn Sie das hier herbeireden wollen.

Nicht unwichtig ist, dass wir uns hier an einem Ort befinden, an dem ein Schloss stand, das durch einen Weltkrieg zerstört wurde, der von deutschem Boden ausging. Die Zerstörungen in Berlin, besonders in der Stadtmitte waren verheerend.

[Holger Krestel (FDP): Was hat das mit dem Kreuz zu tun?]

Trümmerberge überall, Wohnhäuser, Straßen, Brücken in Trümmern. Darunter ein Schloss, das auch hätte wieder aufgebaut werden können, ja. Aber während der Kulturbund noch darüber diskutierte, verkündete Walter Ulbricht 1950 den Abriss,

[Ah! bei der AfD]

eine Entscheidung, die ich bei allem Wissen um die schwierigen Bedingungen in Berlin, das um den Wiederaufbau der lebensnotwendigsten Infrastruktur kämpfen musste, falsch finde.

Frau Kittler! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchholz von der AfD-Fraktion?

Ach, nein! – 1973 bis 1976 wurde dann am selben Ort der Palast der Republik gebaut. Er war neben dem Sitz für die Volkskammer

[Zuruf von der AfD: SED-Hauptzentrale!]

auch vor allem ein Ort der Kultur für alle.

[Lachen bei der AfD]

Er wurde als solcher von vielen Menschen angenommen. – Von Ihnen offensichtlich nicht.

[Holger Krestel (FDP): Nee! – Zurufe von der AfD]

Ich bitte wieder um etwas Ruhe!

2003 beschloss der Bundestag den Abriss des Palastes der Republik. Auch eine Entscheidung, die ich gerade im Wissen der Probleme um die deutsche Einigung und der Einigung der Deutschen ebenso falsch finde.

Nun noch kurz zur Begründung der CDU. Zum einen meint die CDU, dass das Kreuz, Zitat: neben anderem – ganz selbstverständlich zum Stadtschloss – das ich besser „Humboldt-Forum“ nennen würde – gehören würde. Was meinen Sie denn damit? Meinen Sie, das 2005 vom Künstler Lars Ramberg auf dem Dach installierte Wort „ZWEIFEL“? Oder meinen Sie Symbole anderer Weltreligionen? Was meinen Sie? – Das bleibt unklar. Zum anderen begründet die CDU mit der Behauptung, Deutschland sei kein säkularer Staat, ihren Antrag. Auch diese Behauptung ist falsch. Reden Sie doch einmal mit Volker Kauder. Er sagt nämlich: Deutschland ist ein säkularer Staat. – Ich sage das auch, denn im deutschen Recht steht der Staat über der Religion und der Staat ist von der Kirche als Institution getrennt.

[Georg Pazderski (AfD): Sogar beim Kopftuch!]

Frankreich, das nur noch zu ihrer Weiterbildung, ist übrigens ein laizistischer Staat. Und da liegt wahrscheinlich ihr Irrtum. Gern erfülle ich auch weiter meinen Bildungsauftrag in diesem Parlament. Das können wir gern noch im Ausschuss fortsetzen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Krestel das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Wissen Sie, auf den Bildungsauftrag eines der letzten verbliebenen Mitglieder der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands wird die Mehrheit des Hauses sicher gern verzichten, Frau Kollegin Kittler!

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!