Der Dringlichkeit hatten Sie eingangs bereits zugestimmt. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke, und zwar die Kollegin Möller. – Bitte schön!
Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Was gibt es Neues zum Jugendfördergesetz? – Dass derzeit eine Lenkungsgruppe gebildet wird, die bis zum Januar 2018 Ergebnisse vorlegen wird und eine breite Beteiligung garantieren soll, dass unserem Antrag am 14. Juni im Hauptausschuss zugestimmt wurde, was gut und wichtig ist, denn kostenlos wird das Ganze im Ergebnis nicht zu haben sein. Neu ist auch, dass wir über das Erklären der Notwendigkeit eines neuen Gesetzes und des Beschreibens der desaströsen Rahmenbedingungen in der Kinder- und Jugendfreizeitarbeit hinaus sind und nun endlich zur inhaltlichen Arbeit kommen können.
Das ist auch dringend notwendig, schließlich soll das Gesetz Ende 2018 fertig sein, was auch bedeutet, dass bereits im kommenden Doppelhaushalt Vorsorge für die notwendigen Kosten getroffen werden muss. Wir machen es nicht wie andere, die gerne mal mit einer spontanen Idee durch die Hintertür kommen und sich bei der Finanzierung vordrängeln.
Dieses Projekt hat Gewicht im Koalitionsvertrag und Nachdruck durch diesen parlamentarischen Auftrag. Wir haben uns natürlich schon Gedanken gemacht, was un
serer Meinung nach zentral mit dem Gesetz oder der Rechtsverordnung geklärt werden sollte. Zuallererst muss zukünftig das Finanzierungssystem der Aufgabe folgen und nicht mehr der bezirklichen Kassenlage. Es ist notwendig, dass die allgemeine Kinder- und Jugendarbeit innerhalb der Systematik Jugendhilfe eine Eigenständigkeit bekommt und auch als Pflichtaufgabe angesehen wird. Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche haben auch im Bundes-SGB VIII einen eigenständigen Abschnitt und rangieren systematisch deutlich vor den intervenierenden Leistungen der Jugendhilfe, denn: Mittelfristig steigert dies die Erfolgsaussichten sowohl der Hilfen zu Erziehung als auch des Kinderschutzes.
Wir wollen zukünftig Angebote in allen Bezirken und Sozialraum gleichermaßen und gemessen an der tatsächlichen Zahl der jungen Menschen in der Stadt. Die Bezirke müssen dies verpflichtend gewährleisten und adäquat finanziert werden auf der Grundlage bezirklicher Jugendförderpläne, eines Landesjugendförderplans und einheitlicher Qualitätsstandards. Das zuletzt 2012 aktualisierte Qualitätshandbuch, das die Anforderungen für Sachmittel und an Personal beschreibt und nirgendwo umgesetzt wird, kann eine gute Grundlage dafür sein. Und weil es ja in diesem Bereich immer ganz stark um die Wirksamkeit geht, wobei es sich mir immer nicht erschließt, warum man den gesellschaftlichen Nutzen von Abenteuerspielplätzen beweisen muss, sollte es auch hier wieder in allen Bezirken eine Fachsteuerung geben, die jährlich die Jugendarbeit evaluiert.
Ganz zentral ist natürlich: Die tarifgerechte Bezahlung der Beschäftigten sowie die entsprechende Tarifanpassung und ihre Weitergabe müssen als Standard formuliert sein. Wie in allen Sozial- und Erziehungsberufen steigen auch hier die Anforderungen. Es wird nicht einfacher, gute Leute zu finden und zu halten in einem anspruchsvollen Beruf, dessen Kernarbeitszeit familienunfreundlich in den Arbeitsstunden und an den Wochenenden liegt. Auch qualifizierte Jugendarbeit gibt es nicht zum Taschengeldtarif. In anderen Bereichen geht es ja auch. Ich freue mich auf den Referentenentwurf. – Danke!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anfang April, genauer am 6. April, also vor nicht einmal drei Monaten, haben wir hier im Plenum des Berliner Abgeordnetenhauses über Ihren Antrag „Ein Jugendfördergesetz für Berlin“ diskutiert.
Schon in dieser Debatte habe ich darauf hingewiesen, dass ich skeptisch bin, dass uns die Ausschussberatung Ihres Antrags im Vorfeld der Beratung Ihres zu erwartenden Gesetzentwurfs wirklich weiterbringt. Der Zusammenhang ist eben wichtig. Und tatsächlich haben Sie uns, die CDU-Fraktion, auch im Ausschuss nicht vom Sinn Ihres Antrages überzeugen können. Mehrfach wies ich darauf hin, dass Sie lediglich Teile des Koalitionsvertrags in Antragsform gegossen haben. Zusätzlich erlaube ich mir den Hinweis, dass der Senat auch in seinen Richtlinien zur Regierungspolitik festgelegt hat, einen Entwurf für ein Jugendfördergesetz ins Abgeordnetenhaus einzubringen.
Sehr geehrter Kollege Simon! Sie sagten gerade, das sei unser Antrag und dass nur wir allein den gestellt hätten. Ihnen ist schon bekannt, daran haben Sie vielleicht auch teilgenommen, dass seit über zehn Jahren über ein Jugendfördergesetz diskutiert wird und dass sozusagen breit von der ganzen Stadtgesellschaft, mindestens von der Jugendhilfelandschaft die Forderung besteht, endlich auch ein Jugendfördergesetz zu schaffen?
Frau Burkert-Eulitz! Von der ganzen Stadtgesellschaft wird diese Forderung sicherlich nicht erhoben. Ich bin allerdings bei Ihnen bei Ihrer Analyse, dass die große Mehrzahl der in der Jugendhilfe Tätigen ein solches Gesetz fordert. Das ist so, ja. Ich und die CDU-Fraktion halten einen Antrag, sich selbst aufzufordern, an einem Gesetz zu arbeiten, an dem man schon arbeitet, für überflüssig, Frau Burkert-Eulitz. Das ist das, was ich hier heute mitteilen möchte,
wiederholt mitteilen möchte nach der Plenardebatte Anfang April. Zwischenzeitlich hat nämlich die Senatsverwaltung für Jugend damit begonnen, eine Lenkungsgruppe zur Erarbeitung eines Jugendfördergesetzes einzurichten. Gestern war auf der Tagesordnung des Landesjugendhilfeausschusses die Benennung eines Mitgliedes und eines stellvertretenden Mitglieds für den Landesjugendhilfeausschuss in dieser Lenkungsgruppe.
Alles in allem: Dieser Antrag ist ein Schaufensterantrag. Sie als Koalition und der Senat arbeiten ohnehin am Entwurf eines Jugendfördergesetzes. Ich kann im Übrigen auch verstehen, dass Sie diesen Antrag heute mit Dringlichkeit hier einbringen, sonst ist ja der Entwurf des Gesetzes im Parlament, bevor Sie Ihren Antrag beschlossen haben. Das ginge ja nun gar nicht.
Da braucht es Ihren Antrag nicht, um sich selbst zu bestätigen und aufzufordern, etwas zu tun, was der Senat ohnehin tut. Die CDU-Fraktion wird einem solchen Schaufensterantrag daher nicht zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Simon! Ich kann Sie beruhigen: Das Gesetz wird keinesfalls hier im Abgeordnetenhaus sein, bevor wir über unseren Antrag abgestimmt haben, weil wir die Bezirke und alle Beteiligten sehr ernst nehmen und gespannt sind auf den Aushandlungsprozess, den das Gesetz mit sich bringen wird.
Es wird Zeit für ein Jugendfördergesetz. Viele Argumente wurden bereits erörtert. Frau Möller hat die Lenkungsgruppe bereits erwähnt. Wir wissen alle, dass in den Jugendeinrichtungen in unseren Bezirken ein unverzichtbarer Beitrag zur Bildung, zur Integration und zur Demokratieförderung geleistet wird. Hier wachsen Menschen heran, die sich einmischen, die unsere Demokratie so dringend braucht. Das ist das junge Blut, das wir hier brauchen; wir brauchen nicht die AfD.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Da gibt es keinen jungen Mann!]
Aber es gibt inzwischen, und das muss man auch attestieren, wenn wir uns den Bezirken umgucken, jede Menge Sozialräume, in denen diese Einrichtungen fehlen, in denen Kinder und Jugendliche auf der Straße sind, von ihren Eltern auf die Straße geschickt werden, weil sie zuhause zum Teil auch in beengten Verhältnissen wohnen. Das wird besonders schlimm für die Kinder, wenn sie kein Geld haben, ins Kino zu gehen oder sich andere Angebote zu leisten. Da braucht es dringend Jugendeinrichtungen.
Herr Simon! Sie sehen die Notwendigkeit nicht, das mag sein. Das ist interessant. Die bisherigen Regelungen des Berliner Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Ju
gendhilfegesetzes zeigen, das wissen wir, das haben wir hier ausführlich erörtert, dass die 10 Prozent der Mittel, die eigentlich für die Jugendarbeit in der Jugendhilfe bereitgestellt werden sollten, nicht ankommen. Es bedarf dringend einer neuen Fördersystematik, um die Jugendarbeit auf Landes- wie auf Bezirksebene bedarfsgerecht zu finanzieren. Wir brauchen hier eine Fixierung der Standards, keine weitere Abwärtsspirale bei der Finanzierung der Angebote durch die Bezirke. Und wir brauchen auch dringend Jugendförderpläne in den Bezirken und auch auf Landesebene. Das beinhaltet neben den Finanzen das Gesetz auch.
Ich freue mich auf diesen Aushandlungsprozess mit den Bezirken, der spannend wird. Wir müssen die Eigenarten der Bezirke berücksichtigen. Rot-Rot-Grün zeigt hier, dass uns die Kinder- und Jugendarbeit am Herzen liegt. Das ist ein ambitioniertes Unterfangen, aber ich denke, dass wir hier ein richtiges Signal setzen. Deshalb bitte ich, dass da auch alle mitmachen und alle den Antrag unterstützen. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin etwas verwundert, dass wir den Antrag jetzt hier erneut beraten,
denn die Abstimmungsergebnisse in den Ausschüssen haben ja gezeigt, dass alle Parteien bis auf die CDU dem Vorhaben durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen, auch wenn sich meine Partei aus gutem Grund eine gewisse Skepsis vorbehält. Dazu kommt noch, dass die Ausschussberatungen zu keinen neuen Erkenntnissen geführt haben, außer dass uns die Regierungskoalition jetzt gerade mitgeteilt hat, dass eine Lenkungsgruppe eingerichtet wurde. Den Antrag hätte man dementsprechend auch ohne Beratung sofort zur Abstimmung stellen können, aber offensichtlich möchte die Regierungskoalition die Gelegenheit noch einmal nutzen, um sich selbst zu beweihräuchern, wobei es noch gar nichts zu beweihräuchern gibt, denn es liegt uns ja noch gar kein Gesetz vor.
Ich darf dementsprechend erneut festhalten, dass wir einem Berliner Jugendförderungsgesetz durchaus auf
geschlossen gegenüberstehen, die Frau Senatorin aber natürlich jetzt in der Pflicht steht, entsprechende Ergebnisse zu liefern. Frau Scheeres hatte schließlich seit 2011 Zeit, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen und hat dies ganz klar versäumt. Wir rechnen dementsprechend mit einer zügigen Ausarbeitung und Vorlage des Gesetzes, um dann hoffentlich bald den eigentlichen Referentenentwurf beraten zu können.
Eine gewisse Skepsis behalten wir uns vor, weil erstens ein gesundes Misstrauen bei rot-rot-grünen Gesetzesvorhaben grundsätzlich vernünftig ist
und zweitens dieses Gesetz bekanntlich ein Lieblingsprojekt der Linken ist und wir uns deshalb ganz genau ansehen werden, was der Senat unter dem scheinbar unbedenklichen Label der Jugendförderung da eigentlich auf den Weg bringen möchte.
Dieses Jugendfördergesetz darf auf jeden Fall keine weitere sozialistische Gießkanne sein, mit der sich der rote Block in diesem Hause über Vereine und Träger sein eigenes Klientel heranzieht, das er dann ganz in seinem Sinne anleiten und indoktrinieren kann. Wir brauchen keine weiteren vom Steuerzahler finanzierten politischen Erziehungsbeauftragten, die unserer Jugend sagen, was vermeintlich richtig und was falsch oder was vermeintlich moralisch und was unmoralisch ist.
Wir wollen, dass sich unsere Jugendlichen frei von jedweder politischer Einflussnahme zu mündigen und guten Staatsbürgern entwickeln können. Wir werden deshalb die Inhalte und Ziele Ihrer Jugendförderungsmaßnahmen kritisch begleiten und hoffen auf einen vernünftigen und annehmbaren Gesetzesentwurf. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Abgeordnete Frau Tomiak das Wort. – Bitte schön!