Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von der AfD: Das ist eine Besetzung! – Holger Krestel (FDP): Die werden schon flüchten, wenn die Polizei kommt!]

Wir haben im Folgenden mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksbühne – das war keine homogene Gruppe – gemeinsam mit der Intendanz und denjenigen, die wir erreichen konnten, dafür gesorgt, dass im Haus so etwas wie eine informelle Sicherheitspartnerschaft entsteht, um die Zugänge zu begrenzen. Am Sonnabend haben die Besetzerinnen und Besetzer noch aufgerufen: Kommt alle her, es ist tolle Party! Sie haben gesagt, sie rechnen mit 6 000 Leuten. Wir haben Ihnen klargemacht, dass die Lage, wenn 6 000 Leute ins Haus kommen, vollends außer Kontrolle gerät und die Gefahren für Leib und Leben dann ganz massiv werden. Wir haben dann über die Clubcommission auf die Partyveranstalter im Haus eingewirkt, die Zugänge zu begrenzen. Und es ist uns dann gelungen, dafür zu sorgen, dass über den ganzen Sonnabend bis Montagfrüh nicht mehr als 500 Leute in dieses Haus kamen und die Besetzerinnen und Besetzer ihren Aufruf, dort hinzukommen selbst abgeblasen haben.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mit uns gemeinsam bis Montag permanent dafür gesorgt, einerseits Gefahrenquellen zu minimieren und geordnete Abläufe im Haus sicherzustellen, andererseits den Besetzerinnen und Besetzern aber immer wieder deutlich gemacht, dass sie die Besetzung nicht akzeptieren und dass sie erwarten, dass die Besetzung beendet wird. Ich habe es eben schon gesagt: Wir haben seit Freitagabend mit der Polizei und den Sicherheitsbehörden engen Kontakt gehabt und Informationen ausgetauscht.

[Holger Krestel (FDP): Sie haben wohl einen Hang zur Selbstironie!]

Es war zwischen unterschiedlichen Rechtsgütern abzuwägen. Eine Räumung des Gebäudes wäre abgesehen davon, dass die entsprechenden Einsatzkräfte hätten verfügbar sein müssen, mit massiven Gefahren verbunden. Aus unserer Sicht war eine Eskalation unverantwortbar.

Zu dieser Entscheidung stehen wir. Wir haben Sicherheits-, Brandschutz- und Fluchtanforderungen im Haus lösen müssen. Und das war das Zentrale. So konnte eine schwierigere Gefahrensituation beherrschbar gemacht und eine Situation vermieden werden, die katastrophale Folgen hätte haben können.

Wir haben es am Sonntag dann auch geschafft, mit dem Partyveranstalter im Haus zu verabreden, dass dort ab Montag die Partys eingestellt werden. Von dem Zeitpunkt

(Bürgermeister Dr. Klaus Lederer)

an war der Rote Salon nicht mehr als Partyraum genutzt worden.

[Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Wir haben vom Beginn des Wochenendes an mit der Intendanz und mit der Polizei beraten.

[Zurufe]

Ich will Ihnen mal was sagen, meine Damen und Herren.

Kleinen Moment, Herr Lederer! Das Parlament stellt eine Frage an den Senat. Der Senat sollte die Möglichkeit haben, sie zu beantworten. Sie müssen ja mit der Antwort nicht zufrieden sein, aber erst einmal zuhören. Es gibt die Möglichkeit der Nachfrage.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Man sollte Respekt haben!]

Herr Lederer!

Wir haben seit Montag ununterbrochen mit der Berliner Polizei und mit der Intendanz und auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Besetzerinnen und Besetzern gesprochen. Wir haben gemeinsam Lageeinschätzungen vorgenommen zu der Frage, wie wir diese Besetzung möglichst schnell auf friedlichem Wege beenden können. Wir haben dann am Dienstagvormittag eine Verhandlungskommission benannt unter der Leitung des Intendanten Chris Dercon, der mit den Besetzerinnen und Besetzern in Gespräche eingetreten ist. Das Angebot bestand darin, dass sie ihre Aktionen auf den Grünen Salon und den Pavillon beschränken und im Übrigen die Volksbühne freimachen, sodass dort der Probebetrieb stattfinden kann. Dieses Angebot haben wir auch presseöffentlich gemacht. Wir haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu gewonnen, und wir haben dann am Mittwochvormittag eine Personalversammlung gehabt, die auf Wunsch beider Seiten, nämlich der Besetzerinnen und Besetzer und des Personals der Volksbühne, stattgefunden hat. Dort haben die Besetzerinnen und Besetzer den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch mal erklärt, dass sie ihre Verträge nicht kündigen werden, dass sie gerne mit ihnen zusammenarbeiten wollen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben den Besetzerinnen und Besetzern deutlich gesagt, dass sie mit ihnen nicht bereit sind zusammenzuarbeiten, sondern dass sie die Beendigung der Besetzung erwarten.

Wir haben dann gestern Abend mit den Besetzerinnen und Besetzern erneut diskutiert. Wir haben erneut deutlich gemacht, dass wir die dauerhafte Besetzung der Volksbühne nicht akzeptieren werden. Auch gestern

Abend wurde wieder nachdrücklich die Beendigung der Besetzung nahegelegt.

[Holger Krestel (FDP): Wollen Sie jetzt bis 19 Uhr durchreden?]

Meinen Sie es ernst, dass Sie Informationen darüber haben wollen, wie diese Prozesse abgelaufen sind? Gehörte nicht Ihre Partei zu denjenigen, die die ganze Zeit behauptet haben, die Kulturverwaltung würde nicht handeln?

[Holger Krestel (FDP): Sie nutzen das hier aus! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Halt die Klappe!]

Entschuldigung! Sie haben nicht das Wort! – Herr Senator, setzen Sie fort!

Wir haben gestern Abend den Besetzerinnen und Besetzern gesagt, dass wir von ihnen erwarten, dass sie das Angebot annehmen. Die Besetzerinnen und Besetzer haben das Angebot nicht angenommen. Vor diesem Hintergrund haben wir jetzt einen Polizeieinsatz ausgelöst, der gerade stattfindet. Dieser Polizeieinsatz ist seit 9.30 Uhr im Gange mit dem Ziel, dass die Polizei und die Intendanz den Besetzerinnen und Besetzern das freiwillige Verlassen der Volksbühne unter Verzicht auf Strafverfolgung ermöglichen.

[Lachen von Kay Nerstheimer (fraktionslos)]

Dieses Angebot können sie annehmen, oder es wird Strafantrag gestellt, und es wird die Volksbühne geräumt.

Aus unserer Sicht und aus Sicht der Polizei ist die Verhandlungslösung immer die bessere, denn so ein komplexer Organismus wie ein Theatergebäude lässt sich nur unter größten Schwierigkeiten dauerhaft sichern. Das heißt, Sie müssen sich immer die Frage stellen: Was kommt eigentlich nach der Räumung?

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Die Polizei macht das nicht, mein lieber Herr von der AfD. Ich will Ihnen sagen: Eine Partei, von deren Landtagsabgeordneten Worte zu hören sind wie: Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression, sondern ein Akt der Verzweiflung gegen Beschlüsse von oben –, lasse ich mir mein Rechtsstaatsverständnis nicht erklären, und die müssen mir nichts von rechtsfreien Räumen erklären.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Ich stelle abschließend fest, dass wir von Anfang an eine enge Kooperation, einen Abgleich der Einschätzung mit

(Bürgermeister Dr. Klaus Lederer)

der Polizei hatten mit dem gemeinsamen Ziel, den Konflikt ohne Räumung zu lösen.

[Zuruf von der AfD: Bla, bla!]

Die Polizei hat uns bestärkt, so zu handeln und nichts unversucht zu lassen, um das zu ermöglichen. Wir haben gestern Abend erfahren, dass die Besetzerinnen und Besetzer die Absicht haben, die Besetzung noch Wochen fortzusetzen. Daraufhin haben wir so gehandelt, wie ich es Ihnen eben mitgeteilt habe.

Frau Kittler! Wünschen Sie, eine Nachfrage zu stellen?

Ich möchte wissen, wie der Senat den auch in diesem Haus anstehenden Vorwurf – das wird schon in den Anträgen hier heute deutlich – bewertet, geltendes Recht nicht durchgesetzt und vor allem Kumpanei mit Hausbesetzern ausgeübt zu haben?

[Holger Krestel (FDP): Stimmt ja!]

Herr Senator Lederer!

Sehr geehrter Frau Kittler! Diesen Vorwurf kann nur erheben, wer Spaß am Zündeln hat oder Räumungsbefehle für die einzige Form politischen Handelns hält. Wir haben seit Freitag alles daran gesetzt, um eine Lösung dieses politischen Konflikts durch Gespräche und Verhandlungen zu ermöglichen. Ich halte das auch nach wie vor für die einzig richtige besonnene und rationale Strategie, mit diesem Konflikt umzugehen. Umso bedauerlicher ist es für mich, dass es dazu nicht gekommen ist, trotz aller Bemühungen. Die Volksbühne ist ein öffentliches Theater, es wird mit öffentlichen Mitteln finanziert, es ist zweckbestimmt, und es steht nicht leer, sondern dort arbeiten Menschen. Das ist ein extrem störanfälliger und sensibler Organismus, wie der Präsident des Bühnenvereins Ulrich Khuon gestern im „Kulturradio“ gesagt hat. Deshalb ist eine Konfliktlösung nur unter der Bedingung möglich, dass die Räume der Volksbühne für den Probebetrieb geöffnet werden, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort arbeiten können, und diesem Ziel habe ich mich von Anfang an verpflichtet gesehen. Ich habe mich entsprechend öffentlich geäußert.

Dann geht die zweite Nachfrage an Herrn Dr. Juhnke von der CDU-Fraktion. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Senator! Ich darf noch mal explizit nachfragen. Habe ich es richtig verstanden, wenn die Besetzer auf Ihr Angebot, ihnen den Grünen Salon und den Pavillon zur Verfügung zu stellen, eingegangen wären, dann hätten Sie akzeptiert, dass eine Teilbesetzung des Hauses mehr oder minder dauerhaft dort erfolgt wäre?

[Carola Bluhm (LINKE): Das war das Angebot von Herrn Dercon!]

Herr Senator Lederer!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Juhnke! Das Angebot ist ein Angebot der Volksbühne und ihrer Belegschaft gewesen, um den Konflikt möglichst schnell – –

[Heiko Melzer (CDU): Wir haben auch eine Kulturverwaltung!]

Ja, wir haben dieses Angebot unterstützt, und dazu stehe ich auch. Das habe ich eben schon gesagt. Sie hätten zuhören müssen, statt dazwischen zu krähen.

Unerhörtes Benehmen! – Weitere Zurufe von der CDU]

Ich denke, das können Sie dann auch gleich im Ältestenrat ansprechen.

Wenn man den Versuch unternimmt, einen Konflikt auf dem Kompromisswege, ohne Polizeieinsatz zu lösen, dann macht man ein Angebot. Dieses Angebot hat die Intendanz, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wir den Besetzerinnen und Besetzern gemacht, und die Polizei hat uns darin bestärkt, dieses Angebot zu machen.

Sie müssen sich immer vor Augen halten, dass eine Besetzung auf dem Räumungsweg zu beenden der erste Schritt ist. Danach zieht die Polizei ab, und Sie müssen das Haus selbstständig sichern. Ein Theater ist nicht irgendein Haus mit einem Eingang, wo man einen davorstellt, und dann ist das Gebäude gesichert. Deswegen sind nachhaltige und kommunikative Lösungen immer sinnvoller – wie gesagt, diese Einschätzung teilen wir mit der Polizei komplett – als eine Räumung. Ich habe aber auch gesagt: Wenn der einzige Weg ist, diese Besetzung zu beenden und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Arbeit am Haus wieder zu ermöglichen, der ist, mit der Polizei ins Haus zu gehen und die Besetzerinnen und Besetzer zum Verlassen des Hauses aufzufordern, dann werden wir das auch machen, und das haben wir bis jetzt gemacht.