Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

Sie müssen sich immer vor Augen halten, dass eine Besetzung auf dem Räumungsweg zu beenden der erste Schritt ist. Danach zieht die Polizei ab, und Sie müssen das Haus selbstständig sichern. Ein Theater ist nicht irgendein Haus mit einem Eingang, wo man einen davorstellt, und dann ist das Gebäude gesichert. Deswegen sind nachhaltige und kommunikative Lösungen immer sinnvoller – wie gesagt, diese Einschätzung teilen wir mit der Polizei komplett – als eine Räumung. Ich habe aber auch gesagt: Wenn der einzige Weg ist, diese Besetzung zu beenden und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Arbeit am Haus wieder zu ermöglichen, der ist, mit der Polizei ins Haus zu gehen und die Besetzerinnen und Besetzer zum Verlassen des Hauses aufzufordern, dann werden wir das auch machen, und das haben wir bis jetzt gemacht.

(Bürgermeister Dr. Klaus Lederer)

[Heiko Melzer (CDU): Hätten Sie denn die Teilbesetzung akzeptiert? – Das war die Frage!]

Wissen Sie, ich habe Ihnen gesagt: Am Wochenende existierten in dem Haus Situationen, wo Gefahr für Leib und Leben bestand, wo Paniksituationen hätten passieren können, mit allen Konsequenzen. Ich weiß ganz genau, was Sie heute mit mir gemacht hätten, wenn eine solche Situation eingetreten wäre. Ich halte verantwortliches politisches Handeln in einem solchen Fall nur für gegeben, wenn man alles tut, um dieser Gefährdung für höhere Rechtsgüter etwas entgegen zu setzen. Wenn Sie nur mit den Säbeln klirren können und meinen, dass Sie damit dieses politische Problem lösen, dann sind Sie völlig schief gewickelt. Das ist verantwortungslos.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Heiko Melzer (CDU): Ich will einfach nur, dass die Frage beantwortet wird!]

Die nächste gesetzte Frage kommt von Herrn Dr. Altug von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Berlin hat heute bei der Agrarministerkonferenz in Lüneburg zusammen mit SchleswigHolstein, Niedersachsen und Hessen einen Antrag zum EU-Zulassungsverfahren von Glyphosat gestellt. Ich möchte vom Senat wissen: Wie wird sich Berlin dazu verhalten? – Danke schön!

[Sven Rissmann (CDU): Das sind die wichtigen Themen dieser Stadt!]

Herr Senator Dr. Behrendt, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Altug! Zum Hintergrund: Wir haben gerade wieder eine Diskussion um Glyphosat, denn die kurzfristige Verlängerung dieses Wirkstoffs, es ist ein Herbizid zur Unkrautbekämpfung, läuft im Dezember 2017, also noch in diesem Jahr aus. Die EU-Kommission hat mitgeteilt, dass sie eine weitere Verlängerung nur dann – um zehn Jahre geht es – machen wird, wenn eine Mehrheit der Mitgliedstaaten das mitträgt. Von daher laufen momentan in allen Mitgliedsländern entsprechende Abfragen und Diskussionen. Frankreich hat sich vor wenigen Tagen dazu entschieden, dass sie aufgrund der Gefahren das nicht mittragen werden. In Italien gibt es ähnliche Diskussionen.

Zur Agrarministerkonferenz haben die Länder SchleswigHolstein, Berlin, Hessen und Niedersachsen einen Antrag in dieser Richtung gestellt, dass wegen der durchaus offenen Frage, ob Glyphosat Krebs erregt oder nicht, aus Gründen des Vorsorgeprinzips davon abzusehen ist, die Verlängerung der Zulassung auszusprechen. Diese Skepsis, die uns dazu bewegt hat, ist noch gestärkt worden durch die Medienberichterstattung der letzten Tage: dass nämlich das Bundesinstitut für Risikobewertung, das die Entscheidung für die Bundesregierung vorbereitet, in seiner Stellungnahme seitenweise aus dem Antrag von Monsanto abgeschrieben hat. Das ist ein bemerkenswerter Umstand. Das Vertrauen in dieses Bundesinstitut gerät hier in Gefahr, und auch die Frage der Unabhängigkeit stellt sich. Nicht zuletzt deswegen, wegen der ungeklärten Gesundheitsgefahr durch die massenhafte Verwendung – Glyphosat wird in der gesamten Europäischen Union eingesetzt, auch im Lande Berlin – und der offenen Frage, ob es krebserregend ist oder nicht, halten wir es für richtig, aus Gründen der Vorsorge und des Schutzes der Europäerinnen und Europäer, der Deutschen und auch der Berlinerinnen und Berliner auf den Einsatz von Glyphosat so lange zu verzichten, bis wissenschaftlich geklärt ist, ob tatsächlich eine Gefahr gegeben ist oder nicht.

Vielen Dank! – Herr Dr. Altug! Haben Sie eine Nachfrage?

Meine Nachfrage ist: Wie schätzt der Senat die Erfolgsaussichten dieses Antrags ein? – Danke!

Herr Senator, bitte!

Das ist keine einfach zu beantwortende Frage. In den bisherigen Vorbereitungen hat sich noch keine Mehrheit abgezeichnet. Es wird aber Thema sein auf der Agrarministerkonferenz, zu der ich gleich fahren werde. Ich werde dort auch noch einmal vortragen, was ich hier gerade vorgetragen habe. Ich habe die Hoffnung, dass das die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern überzeugt und sie sich dieser Linie anschließen. Ob das aber passieren wird oder nicht, kann ich nicht voraussagen. Die Agrarministerkonferenz entscheidet diese Frage ja nicht, sondern die derzeit amtierende Bundesregierung. Da gibt es bisher unterschiedliche Auffassungen in den unterschiedlichen Ressorts. Wie die Bundesregierung dann entscheiden wird, vermag ich nicht vorauszusehen.

(Bürgermeister Dr. Klaus Lederer)

Vielen Dank! – Für eine zweite Nachfrage hat jetzt der Abgeordnete Herr Buchholz das Wort. – Bitte schön!

Danke, Frau Präsidentin! – Erst einmal viel Erfolg, Herr Senator, bei den Gesprächen auf Bundesebene! Ich halte es für sehr wichtig, dass sich Berlin eindeutig gegen krebserregende Unkrautvernichtungsmittel positioniert.

Ist denn gewährleistet, dass Berliner Unternehmen, insbesondere die BSR, die ja in der Vergangenheit glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel verwendet hat, das in Zukunft nicht mehr tun werden?

Herr Senator, bitte!

Danke schön! – Kollege Buchholz! Wie Sie wissen, gehört die BSR nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. Ich werde das aber im Senat thematisieren und werde mich dafür einsetzen, dass entsprechend verfahren wird.

Vielen Dank! – Damit ist diese Frage beantwortet.

Der Nächste Fragesteller ist von der AfD-Fraktion. – Herr Woldeit, bitte! Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich frage den Senat: Wie bewertet der Senat aus sicherheitspolitischer Sicht die gewalttätige Demonstration am Alexanderplatz am vergangenen Sonntag im Nachgang zur Diskussion des Innenausschusses am vergangenen Montag? – Danke!

Für den Senat hat jetzt Senator Geisel das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Woldeit! Am Sonntag fand dort abends die Wahlparty der AfD im Traffic Club in der Alexanderstraße 7 statt. Gegen 19.30/20.00 Uhr kam es zu einer Gegendemonstration gegen diese Wahlparty. Etwa 650 Menschen beteiligten sich an dieser Gegendemonstration und zogen unmittelbar vor das Lokal. 400 weitere Menschen, die sich in der Zwischenzeit zu einer sponta

nen Kundgebung zusammengefunden hatten, um gegen das Wahlergebnis zu protestieren und zu zeigen, was sie davon halten, fanden sich dort ebenfalls ein. Die Polizei hat diese Veranstaltung abgesichert und dafür gesorgt, dass es zu keinen größeren Auseinandersetzungen kam. Im Ergebnis dieser Gegendemonstration gab es insgesamt zehn Strafanzeigen und mehrere folgenlose Flaschenwürfe. Die Veranstaltung war dann gegen 21.30 Uhr beendet.

Gegendemonstrationen und spontane Protestkundgebungen sind vom Versammlungsrecht abgedeckt. Insofern war es kein besonderer Vorfall.

Vielen Dank! – Herr Woldeit, haben Sie eine Nachfrage? – Ja, bitte!

Vielen Dank, Herr Senator! Auch danke dafür, dass Sie noch einmal bestätigt haben, was Sie am Montag im Innenausschuss gesagt haben: dass die Demonstration um 21 Uhr beendet worden sei. Wie erklären Sie sich denn dann, dass Abgeordnete dieses Hauses, in persona Herr Vallendar und ich, nachts um 0.30 Uhr durch Polizeischutz geleitet werden mussten, und weiterhin, dass ich am gestrigen Abend wieder einmal von Linksextremisten zu Hause besucht wurde und die Tür eingetreten wurde? Was gedenken Sie als Innensenator diesem Linksextremismus endlich einmal entgegenzusetzen?

Herr Geisel, bitte!

Herr Woldeit! Ich habe hier schon mehrfach erklärt, dass politischer Extremismus vom Senat ganz ausdrücklich missbilligt wird,

[Karsten Woldeit (AfD): Auch von dort drüben?]

sowohl in der linken als auch in der rechten Motivation. Es ist sehr eindeutig, dass wir dagegen energisch vorgehen. Gewalt kann niemals ein Argument im politischen Meinungsaustausch sein.

Ich bin so erzogen worden, dass meine Mutter mir immer gesagt hat: Wer austeilt, muss auch einstecken können. – Vielleicht sollten Sie das auch einmal berücksichtigen, wenn Sie sich in eine politische – –

[Marcel Luthe (FDP): Der Innensenator rechtfertigt Gewalt! Schämen Sie sich! – Herbert Mohr (AfD): Da wurden Türen eingetreten! – Thorsten Weiß (AfD): Sie rechtfertigen Gewalt! – Weitere Zurufe von der AfD und der FDP]

Nein, Gewalttätigkeiten habe ich ausdrücklich in meiner Antwort ausgeschlossen. Das habe ich anfangs gesagt. Dass es aber politische Auseinandersetzungen gibt und dass es möglich sein muss, seine Meinung öffentlich darzustellen, ist vom Versammlungsrecht eindeutig gedeckt.

[Beifall bei der SPD – Stefan Franz Kerker (AfD): Diese Verharmlosung ist eine Unverschämtheit! – Herbert Mohr (AfD): Sie sind dafür, dass Türen eingetreten werden! Das ist erbärmlich! – Weitere Zurufe von der AfD und der FDP: Das ist hanebüchen!]

Wer zur Zuspitzung dieser politischen Diskussion hier im Lande beigetragen hat, und das haben Sie in einer Art und Weise getan, dass Sie sich nicht wundern sollten, dass es jetzt zu Gegenprotesten kommt und dass die Spaltung der Gesellschaft gerade von Ihnen vorangetrieben worden ist, das wollte ich noch einmal deutlich formulieren, um auch klar zu sagen: Wundern Sie sich bitte nicht, wenn es Gegenproteste gibt! Ich unterstütze diese Gegenproteste ganz ausdrücklich – Gewalttätigkeiten verurteile ich.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von AfD – Zuruf von Marcel Luthe (FDP) – Zuruf von der CDU: Pfui!]

Vielen Dank, Herr Senator! – Herr Krestel! Sie haben Ihre Zwischenfrage zurückgezogen? – Dann hat jetzt Frau Dr. Brinker noch die Möglichkeit der Nachfrage.

Vielen Dank! – Eine Nachfrage, Herr Geisel: Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass Sie sagen, dass Abgeordnete der AfD schon irgendwann irgendwo einmal eine Tür eingetreten haben? Habe ich auch richtig verstanden, dass Sie Gewaltandrohungen gegen Abgeordnete und Mitglieder tolerieren?

[Ülker Radziwill (SPD): Das hat er nicht gesagt!]

Ich selbst war auch auf dieser Wahlparty. Ich hatte eine Stunde lang Schwierigkeiten, diese Party zu verlassen – nach 21.30 Uhr wohlgemerkt –, weil ich persönlich auch mit Gewalt bedroht worden bin, und ich habe definitiv noch nie in meinem Leben Gewalt ausgeübt.

[Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

Herr Senator, bitte!

Nein, das habe ich nicht gesagt. Bitte lesen Sie das im Protokoll nach!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Herbert Mohr (AfD): Wer austeilt, muss auch einstecken können! Das haben Sie gesagt! – Stefan Franz Kerker (AfD): Unverschämtheit!]

Damit hat jetzt die Fraktion der FDP die Möglichkeit der Fragestellung. – Herr Swyter, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bezirksamt FriedrichshainKreuzberg hat eine Broschüre auf Kosten des Steuerzahlers veröffentlicht und eine Postkartenaktion eingeleitet, mit der zum Boykott von Unternehmen aufgerufen wird, die Werbung mit vermeintlich sexistischen Motiven verbreiten. Wie bewertet der Senat diese Aktion vor dem Hintergrund, dass vom Deutschen Werberat schon jetzt sexistische Werbung geahndet wird?

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Mein Gott! Gehen Sie in die BVV, wenn Sie Friedrichshain-Kreuzberger Themen interessieren!]