Dann sage ich noch einmal ganz deutlich: Einen Beschluss des Abgeordnetenhauses, der sich über das Urteil des Landesverwaltungsgerichts hinwegsetzt, halte ich gegenüber den Berlinerinnen und Berliner auch nicht für vermittelbar. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie fänden Sie es, wenn Sie auf der Straße von der Polizei angehalten würden, und der Beamte würde Ihnen sagen: „Sie fahren ein Auto und können damit in der Ortschaft viel schneller fahren als erlaubt. Unsere statistischen Modellrechnungen zeigen auf, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass Sie heute schon zu schnell gefahren sind oder dies künftig noch tun werden, und deswegen sprechen wir Ihnen jetzt ein Fahrverbot aus!“?
Sie würden sich nicht nur wundern, sondern Sie würden garantiert auch dagegen vorgehen, und zwar mit dem Argument, dass die Behauptung des Beamten ja nicht der Realität entspricht. Denn niemand hat die Geschwindigkeit gemessen; es gibt nur eine modellhafte Wahrscheinlichkeit.
Dieselbe Situation haben wir in den 117 Straßenabschnitten, an denen laut Verwaltungsgericht Berlin nun diese Fahrverbote zu prüfen sind. Wir haben diese absurde Situation, dass Fahrverbote an Straßen verhängt werden sollen, an denen überhaupt keine Messstationen sind. Die dort angeblich vorzufindenden Werte beruhen allein auf den Modellrechnungen, die noch dazu nur alle fünf Jahre erstellt werden – zuletzt 2015, also vor drei Jahren – und dementsprechend alles andere als aktuell sind.
Besonders interessant ist an dieser Stelle, dass die NOxEmissionen des Kfz-Verkehrs in Berlin seit 1989 immer niedriger werden – das geht aus den senatseigenen Zahlen im Umweltatlas hervor. So haben wir tatsächlich einen Rückgang der NOx-Emissionen von 20 000 Tonnen 1989 auf 7 000 Tonnen, Tendenz weiter rückläufig. Das bedeutet konkret: Wir haben einen Rückgang von 65 Prozent in 26 Jahren, also heute nur noch etwa ein Drittel dessen, was vor knapp 30 Jahren noch in der Luft zu finden war.
Die Berliner Luft ist so sauber wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und in dieser Situation heißt es nun: 117 Straßenabschnitte sollen aufgrund von Modellrechnungen
gesperrt werden. – Erklären Sie das einmal dem Bürger auf der Straße! Erklären Sie einmal dem Hertha-Fan, dass das Spiel seiner Mannschaft nur noch als Modellrechnung stattfindet und die Ergebnisse modellhaft aufgrund der Annahme berechnet werden, was die Mannschaft theoretisch leisten könnte unter Berücksichtigung von ebenso modellhaft errechnetem Wind und Wetter und der statistischen Häufigkeit einer Grippewelle!
Eine völlig absurde Vorstellung, genauso wie das Eingangsbeispiel! Der Antrag der FDP geht daher aus unserer Sicht in die richtige Richtung, nur die Schlussfolgerungen sind die falschen. Die FDP fordert, künftig an all diesen 117 Straßenabschnitten Messstationen aufzustellen, um den Nachweis der Luftbelastung zu erbringen. Wir sagen: Nein, keine weiteren Messstellen! Und da, wo keine Messstellen sind, kann und darf auch kein Fahrverbot existieren!
Nur aufgrund von Modellrechnungen darf dies nicht passieren, und wo wir gerade bei Modellrechnungen sind – Herr Buchholz hat es vorhin schon angesprochen: Die Autohersteller, die ihre Diesel mit falschen Abgaswerten auf die Straße gebracht haben, taten dies auch anhand von Modellrechnungen. Und genau das ist es doch, was jetzt kritisiert wird! Da heißt es jetzt auch zu Recht: Es muss im Realbetrieb gemessen werden und nicht mehr nur berechnet!
Wir stimmen daher zwar zu, dass künftig die Werte der Berliner Luft tatsächlich gemessen statt errechnet werden müssen. Wir stimmen jedoch nicht zu, dass deswegen künftig noch mehr Messstellen eingerichtet werden sollen. Im Ganzen lehnen wir den Antrag der FDP daher ab.
Aus unserer Sicht wäre es die selbstverständliche Pflicht der Verkehrssenatorin gewesen, sofort gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts in Berufung zu gehen – so, wie es andere Städte getan haben, in denen verantwortungsbewusste Menschen an den richtigen Stellen sitzen; Menschen, die im Sinne der gesamten Stadtgesellschaft Entscheidungen treffen und nicht ihren privaten ideologischen Krieg gegen die eigenen Bürger führen.
Es liegt aber nicht im Interesse unserer Senatorin, auch nur irgendetwas zu tun, was im Sinne der Berliner Autofahrer ist. – Sie, Frau Günther, sind Berlins größtes Verkehrshindernis, der größte Bremsklotz der Stadt!
Und daher wiederhole ich heute meine Forderung, die ich bereits am 15. Oktober hier im Plenum gestellt habe: Frau Günther, treten Sie zurück! Machen Sie Platz für jeman
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der Polemik vielleicht wieder zum Sachverhalt zurück: Die FDP fordert in ihrem Antrag, das Luftgütemessnetz auszubauen und allen belasteten Straßenabschnitten Messeinrichtungen zu installieren. Sie behaupten, die Modellrechnungen würden nicht reichen, um Fahrverbote zu rechtfertigen. Dies sei, so behaupten Sie, den betroffenen Berlinerinnen und Berlinern nicht zu vermitteln.
Ich finde es bemerkenswert, dass Sie hier pauschal wissenschaftliche Methoden infrage stellen. Damit begeben Sie sich in sehr zweifelhafte Gesellschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.
Dies wird durch die 39. Bundesemissionsschutzverordnung und weitere EU-Richtlinien geregelt – das sollten Sie sich merken; das ist die Rechtslage. Die muss man, glaube ich, auch einmal berücksichtigen, Herr Schmidt, und nicht, was man gerne möchte! Das können Sie auf der Bundesebene ändern, nicht hier.
Wenn Sie das Urteil des Verwaltungsgerichts aufmerksam gelesen hätten, hätten Sie auch festgestellt, dass das Verwaltungsgericht auch die Methode der Modellrechnung überprüft und schließlich als geeignet beurteilt hat, –
Sofort! – die Luftgüte zu bewerten und somit auch im letzten Schritt die Fahrverbote zu rechtfertigen. Mehr noch: In dem Urteil heißt es, dass die Modellrechnungen die tatsächliche Belastung eher unterschätzen. – Von mir aus können Sie jetzt die Frage stellen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Herr Kollege Moritz! Sie haben eben die Rechtslage geschildert. Was hindert denn aus Ihrer Sicht den Senat daran, mehr zu leisten, als das, was als absolutes Minimum von der Rechtslage gefordert ist? Denn darum geht es, hier zu sagen, man geht darüber hinaus. Was steht dem entgegen, einfach mehr zu machen, aus politischen Gründen natürlich?
Im nächsten Abschnitt meiner Rede komme ich dazu. Diese 16 Messstationen des BLUME-Netzwerkes sind nicht das einzige, was Berlin misst. Das ist aber die Voraussetzung zur Beurteilung nach der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung. Es gibt auch noch ein RUBISMessnetz, in dem mit weiteren 29 Messeinrichtungen, auch mit den von Ihnen geforderten Passivsammlern, die NO2-Belastung gemessen und ausgewertet wird. Diese befinden sich an Hauptverkehrsstraßen. Also, Berlin macht mehr.
Wenn Sie ernsthaft an dem Problem interessiert wären, hätten Sie zum Beispiel in Ihrem Änderungsantrag zum Nachtragshaushalt schon einmal Geld für diese zusätzlichen Messungen einstellen können, die Sie haben wollten. Das haben Sie auch bei dem normalen Doppelhaushalt nicht gefordert. Damals hatten Sie nicht einmal irgendeine Frage dazu. Es gibt aber genau zu dem Punkt und zu der Messung einen Bericht. Darin wird eben auf die 39. Bundesimmissionsschutzverordnung hingewiesen. Dort heißt es: Damit ist die Datenlage in Berlin auch im bundesweiten Vergleich besonders gut, dass die Einrichtung zusätzlicher dauerhaft zu betreibender Messstationen gemäß 39. Bundesimmissionsschutzverordnung keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn verspricht und deswegen nicht vorgesehen ist. – Damit ist Ihr Antrag doch schon erledigt.
Im Übrigen hat die Senatsverwaltung schon signalisiert, dass alle Messstellen gern überprüft werden können, von mir auch alle EU-weit. Von mir aus können wir im Ausschuss darüber diskutieren, ob wir noch an mehr Straßen mit Passivsammlern messen. Aber auch auf die Intervalle und auf den jährlichen Bericht ist hier auch schon hingewiesen worden. Wenn es aber Ihre Intention ist, damit die drohenden Fahrverbote zu verhindern oder infrage zu stellen, dann geht der Schuss mit Sicherheit nach hinten los. Dann bekommen wir gegebenenfalls zusätzliche Fahrverbote in der Innenstadt.
Aber vielleicht vollständigkeitshalber dazu, warum wir über Fahrverbote diskutieren: Es geht um Gesundheits
schutz. Die Ursache liegt darin, dass diese Diesel-Pkws in der Praxis sehr viel mehr NO2 ausstoßen, als nach den entsprechenden Abgasnormen überhaupt zulässig wäre. Dagegen müssen wir vorgehen und nicht gegen Messmethoden oder Modellrechnungen. Sollten Sie noch konstruktive Vorschläge haben, können Sie die gern ab Januar vorbringen. Dann wird das Beteiligungsverfahren zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans beginnen. Dann können Sie Ihre Vorschläge einbringen. – Danke schön!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht – dann verfahren wir so.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 22. November 2018 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 5. Dezember 2018 Drucksache 18/1541