Herr Kollege Dregger! Wie empfinden Sie es denn, dass der oberste Dienstherr des Landes Berlin, der Herr Regierende Bürgermeister, an dieser Debatte nicht teilnimmt?
Ja, das zeigt sein Interesse an diesen Vorgängen, und ich muss gestehen, es ist schon vorhin bei der Schießstanddebatte aufgefallen, dass der Herr Regierende Bürgermeister daran nicht teilgenommen hat. Auch dort ging es um die Fürsorgepflicht für die Bediensteten unseres Landes. Ich verurteile das ausdrücklich.
Herrn Kirchner ist eine Stelle angeboten worden, die aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Regelungen gar nicht zugesagt werden darf, sondern die ausgeschrieben werden muss – eine Stelle, für die in dem Nachtragshaushalt, den wir heute beschlossen haben – oder genauer: den Sie heute beschlossen haben –, keine Vorsorge getroffen worden ist. Spüren Sie nicht auch, dass dieses Vorgehen ein fatales Signal aussendet, dass nämlich Probleme dadurch gelöst werden, dass Stellen, die keiner braucht, nach Gutsherrenart aus Steuermitteln finanziert
Deshalb möchte ich Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, eindringlich bitten, Ihre Haltung zu dem vorliegenden Missbilligungsantrag sorgfältig zu überdenken. Wir fordern Sie auf, den unmenschlichen und unwürdigen Umgang von Frau Senatorin Günther mit Herrn Kirchner zu missbilligen. Wir bedauern, dass eine geheime Abstimmung zu unserem Antrag nicht möglich ist. Wir beantragen aber die namentliche Abstimmung über unseren Missbilligungsantrag. Bitte stimmen Sie ihm zu! – Herzlichen Dank!
[Frank-Christian Hansel (AfD): Hört, hört! – Heiko Melzer (CDU): Das nennt man Rückendeckung, Frau Günther! – Weitere Zurufe]
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Gäste! Der von der CDU-Fraktion eingebrachte Antrag und die dort aufgeführte Begründung zeigen, was in Berlin grundsätzlich schiefläuft. Er macht auch deutlich, dass irgendeine Lösung der Verkehrsprobleme unserer Stadt von diesem Senat nicht mehr zu erwarten ist. Wir wissen, dass in der freien Wirtschaft bisweilen mit Mitarbeitern so umgegangen wird, wie es jetzt Frau Günther mit ihrem Staatssekretär praktiziert hat. Wer schwer erkrankt und aus der Sicht knallharter Arbeitgeber zu einer Bürde geworden ist, muss in manchen Unternehmen gehen. Allerdings erhebt dieser Senat ja gerade den Anspruch, ein soziales Herz zu haben. Aber offenbar gilt das nur für Dritte. Von Unternehmen, die Aufträge für das Land Berlin erledigen sollen, wird vorbildliches Sozialverhalten erwartet, andernfalls droht Auftragsentzug. Aber selbst waltet und schaltet man nach Gutsherrenart – Hauptsache, der Laden läuft.
Aus Sicht der AfD-Fraktion liegt der Fehler aber nicht allein bei der Senatorin. Es geht auch, aber nicht nur um einen Fall Günther, sondern um mehr. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass eigentlich der Staatssekretär Jens-Holger Kirchner der Berliner Verkehrssenator hätte werden sollen. Aber leider ist er ein weißer, wohl auch noch heterosexueller Mann. Nach den Quotengesetzen der Grünen musste aber eine Frau her.
Die fand man dann nach längerem Suchen außerhalb der eigenen Partei mit Frau Günther. Herr Kirchner, der eigentlich erste Wahl war, musste sich mit dem Posten des Staatssekretärs zufriedengeben. Wen wundert es dann, dass es von Anfang an in diesem Verkehrssenat hakte? Nichts ging und geht so richtig zusammen. Die Senatorin hat es geschafft, alle gegen sich aufzubringen: die Radfahrer wie die Autofahrer, die Fußgänger und die Nutzer des ÖPNV.
Doch auch in der eigenen Behörde geht sie offenbar rigoros vor. So konnte man kürzlich im „Tagesspiegel“ über sie lesen – und ich zitiere –:
Der Personalverschleiß ist jedenfalls enorm: Ein Staatssekretär, ein Sprecher, ein Fahrer, zwei Büroleiterinnen, fünf Sekretärinnen – alle weg, Fortsetzung folgt, die nächsten sind schon reif für den Abflug.
Wenn der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, sagt, dass Berlin nicht zum funktionierenden Teil der Republik gehört, dann meint er auch die Verkehrspolitik des Senats.
87 Prozent der über 3 000 Teilnehmer einer Umfrage der „Morgenpost“ teilen Herrn Palmers Auffassung. Wer am Hauptbahnhof oder Flughafen Tegel ankommt oder den Berliner Stadtring erreicht, erfährt umgehend am eigenen Leib, dass die Verkehrsprobleme unserer Stadt kilometerweit von einer Lösung entfernt sind. Das haben Frau Günther und bei aller menschlich gebotenen Rücksicht auf seine Krankheit auch ihr Staatssekretär Kirchner gemeinsam politisch zu verantworten.
Ich bezweifle ernsthaft, dass der eiligst aus dem Hut gezogene Nachfolger für den abgeschobenen Staatssekretär Kirchner etwas daran ändern wird. Statt eines ausgewiesenen Verkehrsexperten, den die Stadt dringend bräuchte, bekommt Berlin nun einen von außerhalb der Stadt angeworbenen Biologen, der sich bisher mit Verbraucherschutz und Ernährungsfragen beschäftigt hat. Ich frage Sie: Was qualifiziert ihn, die im wahrsten Sinne des Wortes verfahrenen Verkehrsprobleme von Berlin zu lösen?
Wir können nach den jüngsten Nachrichten davon ausgehen, dass manches von dem vielen, was im grünen Senat für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz vernehmlich knirscht, im persönlichen Missklang zwischen der von außen aufgrund der Frauenquote geholten Senatorin und
Sollte die Entscheidung der Senatorin auch damit zu tun haben, dass sie endlich Herrin im eigenen Haus sein wollte? War die Krankheit vielleicht der willkommene Anlass, die Nummer zwei – den wirklichen Experten, der eigentlich die Nummer eins hätten sein sollen – loszuwerden? – Das alles ist vielleicht unter Beachtung des besonderen Biotops, das die Berliner Grünen darstellen, irgendwie nachvollziehbar.
Quotenregelungen sind unsinnig und im heutigen Deutschland und Berlin auch unnötig. Wir haben in Berlin genügend hochqualifizierte Frauen und Männer, die an leitender Stelle in unserer Stadt Verantwortung für den Verkehr übernehmen können, ohne auf jegliche Art von Diskriminierung per Gesetz oder Parteisatzung angewiesen zu sein. Freilich sind die meisten davon nicht Mitglied der Grünen. Quotenregelungen – das zeigt sich einmal mehr – führen zu Fehlbesetzungen, Reibungsverlusten und Ressentiments. Sie produzieren unerfreuliche und unanständige Situationen wie den vorliegenden Fall. Die AfD-Fraktion schließt sich dem Antrag der CDUFraktion auf Missbilligung der Senatorin Günther an. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank! – Die Linksfraktion verzichtet ebenfalls auf Ihre Rederunde. Das Wort hat der Kollege Czaja für die FDP-Fraktion – bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als Freie Demokraten schließen uns natürlich auch zuallererst – Herr Kollege Dregger, Sie haben es angesprochen – den Wünschen für eine vollständige Genesung an. Das ist das Entscheidende, um das es heute eigentlich gehen müsste: die Genesung von Herrn Kirchner.
[Beifall bei der FDP und der AfD – Torsten Schneider (SPD): Dann können Sie Ihre Rede jetzt beenden!]
Aber es ist auch notwendig, die Causa Kirchner einmal als einen traurigen Höhepunkt dieser Koalition ins Visier zu nehmen. Es ist doch bezeichnend, dass niemand von der Sozialdemokratie und der Linksfraktion hier vorne das Wort ergreift, wo die Grünen immer jeden Schwach
Was ist denn los in Ihrer Koalition, dass Sie nicht mehr geschlossen hinter Frau Günther stehen? Was ist denn passiert, dass Sie Frau Günther nicht mehr das Vertrauen aussprechen, indem Sie das zumindest mit einem Redebeitrag dokumentieren? – Ich frage Sie: Fühlen Sie etwa auch wie Herr Otto, der sich in Pankow bemüht und engagiert hat zu hinterfragen, was da passiert ist, wieso es zu den Entscheidungen kam und ob es richtig ist, jemanden, der in solch eine gesundheitliche Lage gekommen ist, am Ende des Tages das Misstrauen auszusprechen und eine Kultur des Misstrauens am Ende des Tages auch noch mit Entlassung zu dokumentieren?
Herr Otto! Was wird das mit Ihnen machen, wenn Sie jetzt bei der Missbilligung nicht diesem Antrag zustimmen?
Wie fühlt sich das eigentlich an für Sie, diejenigen, die bei den Grünen am Ende des Tages gesagt haben: Das ist von größter Moral für uns, das ist von großer Wichtigkeit? – Sie haben nachher die Gelegenheit. Sie hätten im Übrigen auch die Gelegenheit zu einer persönlichen Erklärung hier an dieser Stelle, wenn Sie am Ende des Tages das missbilligen, was Frau Günther hier gemacht hat.
Hier findet gerade zeitversetzt eine Debatte statt, die Sie am Anfang der Koalition nicht ausgetragen haben, die die Grünen vor allen Dingen am Anfang dieser Koalitionsbildung innerhalb ihrer eigenen Reihen nicht geschafft haben auszutragen. Wir mussten lange darauf warten, bis Sie eine Umweltexpertin – Frau Günther – als Verkehrssenatorin präsentiert haben. Wir mussten lange darauf warten, weil Sie es nicht geschafft haben, im Rahmen Ihrer eigenen Flügelarithmetik zu Ende zu telefonieren in den eigenen Reihen. Deshalb haben wir doch heute das verkehrspolitische Problem in der Stadt und am Endes des Tages eine Klimaexpertin, die noch dazu dafür gesorgt hat, dass wir eine frostige Stimmung in der Koalition haben.
Es ist durchaus bekannt – und das weiß hier auch jeder –, dass das Verhältnis zwischen Ihnen, Frau Senatorin Günther, und Ihrem Staatssekretär Kirchner durchaus durchgängig belastet war. Dass Sie zwar Senatorin waren, aber Herr Kirchner die Politik gemacht hat, ist so ähnlich wie mit Herrn Holm und Frau Senatorin Lompscher, nur da hat man wenigstens die Konsequenzen gezogen; Frau Lompscher sitzt immer noch hier. Eigentlich müssten Frau Lompscher und Frau Günther am Ende des Tages Verantwortung für Personalpolitik übernehmen. Ich glaube, dass Sie an dieser Stelle diesem Parlament erklären müssen, wieso Sie –
Politik und Moral trennen. Wieso trennen Sie Politik und Moral? Wieso haben Sie nicht den Anstand, in der heutigen Debatte das Wort zu ergreifen? – Sie haben sich ausschließlich über die Presse geäußert, aber Sie haben nicht ein Mal heute in der Debatte vorgehabt, das Wort zu ergreifen, nehme ich an; ansonsten würden Sie wahrscheinlich hier als Nächstes stehen und sich erklären. Sie müssen sich erklären, und zwar deshalb, weil Sie eine Vorbildfunktion haben.