Protokoll der Sitzung vom 07.03.2019

Vielen Dank! – Auch ich denke, dass ein Deckel Vorteile hat. Allerdings muss man sich auch die Gegebenheiten anschauen. Die Fragen gehen um die Kosten, den Zeitverlauf, die Konsequenzen im Rahmen einer Baustelle, die über sehr viele Jahre bestehen würde, und insofern glaube ich, dass wir uns jeden Fall genau anschauen und das Verhältnis Kosten-Nutzen abwägen müssen. Damit haben wir jetzt angefangen, und darüber werden wir in den nächsten Jahren bestimmt auch weiter debattieren.

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Die Runde nach der Stärke der Fraktionen ist damit beendet. Nun können wir die weiteren Meldungen in freiem Zugriff berücksichtigen. Ich werde die Runde mit einem Gongzeichen eröffnen, schon mit dem Ertönen des Gongs haben Sie die Möglichkeit, sich durch Ihre Ruftaste anzumelden. Alle vorher eingegangenen Meldungen werden hier nicht erfasst und bleiben unberücksichtigt.

[Gongzeichen]

Ich gehe jetzt davon aus, dass alle Fragestellerinnen und Fragesteller die Möglichkeit hatten, sich einzudrücken, und habe die Anmeldung beendet. Ich verlese die ersten Fragesteller. Oben steht der Abgeordnete Vallendar, gefolgt von dem Kollegen Walter, der Kollegin JasperWinter, dem Abgeordneten Kerker und dem Abgeordneten Buchholz.

[Ronald Gläser (AfD): Welcher?]

Dann beginnen wir mit Herrn Vallendar.

Ich frage den Senat. In der „FAZ“ hat der Regierende Bürgermeister sich deutlich gegen das Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungsbaugesellschaften ausgesprochen, die Bausenatorin hingegen unterstützt die Initiative. Welche ist nun die Position des Senats in dieser Frage?

Herr Regierender Bürgermeister – bitte schön!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! – Es ist richtig, ich habe meine Position dazu in der „FAZ“ deutlich gemacht. Genauso richtig ist, dass wir uns im Senat einig sind, dass wir alle Instrumente, die uns zur Verfügung stehen – ich habe vorhin dazu schon etwas beim Thema Mietregulie

rung gesagt –, nutzen wollen, um die Mieterinnen und Mieter zu entlasten und eine bessere Wohnungssituation zu schaffen. Und das ist in erster Linie ein Dreiklang aus Bauen, Kaufen und Deckeln. Diese Linie verfolgen wir als Senat auch gemeinsam. Es ist gut, dass wir jedes Jahr in unserer Stadt 15 000 neue Wohnungen haben, und wir wollen unsere Anstrengungen verstärken, dass es auch noch mehr werden. Sie wissen, das ist auch nicht so einfach; die Flächen werden knapper, man braucht die entsprechenden Fachkräfte – aber trotzdem ist das das absolut erste Ziel: mehr neuen Wohnraum schaffen. Das schafft eine Entlastung für die, die noch in unsere Stadt kommen werden, und auch für die Berlinerinnen und Berliner. Erstes Ziel: bauen!

Zweites Ziel: durch einen größeren kommunalen Wohnungsbestand Einflussmöglichkeiten auf die Mietentwicklung zu haben und natürlich auch auf die Belegungsmöglichkeiten, für bestimmte Zielgruppen ein entsprechendes Wohnungsangebot bieten zu können. Deswegen dort, wo es finanziell tragbar ist – auch das ist nicht mehr so einfach, weil die Preisentwicklung ist, wie sie ist –, auch Bestände zu kaufen und sie in städtischen Besitz zu überführen.

Das Dritte ist die Mietregulierung. Alles, was im Zusammenhang mit diesem möglichen Volksbegehren, das ja erst noch starten wird, diskutiert wird, ist etwas, was den Berliner Mieterinnen und Mietern in den nächsten Jahren nicht im Geringsten helfen wird. Insofern ist das auch nicht die Linie des Senats, sondern der Dreiklang, den ich Ihnen gerade beschrieben habe.

Zu einer Nachfrage der Abgeordnete Vallendar – bitte schön!

Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Die im Falle einer Enteignung anfallenden Entschädigungskosten werden von der Stadtentwicklungsverwaltung auf 32 bis 40 Milliarden Euro geschätzt. Wie beurteilt der Senat Rechnungen, denen zufolge von diesem Betrag 200 000 bis 300 000 Wohnungen neu gebaut werden könnten?

Herr Regierender Bürgermeister!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! – Wir werden uns mit dieser Kostenschätzung, mit dieser Vorlage im Senat natürlich auch noch auseinandersetzen, auseinandersetzen müssen, unabhängig von der Position, die ich Ihnen hier eben gerade deutlich gemacht habe. Im Übrigen: Sie auch, wenn es im Rahmen des Volksbegehrens zu wei

teren Verfahrensschritten kommen sollte. Dann wird der Senat dazu Stellung nehmen müssen, und auch das Parlament wird sich dazu verhalten müssen, wie wir dieses Ziel, das das Volksbegehren verfolgt, juristisch einschätzen, wie wir es finanziell einschätzen, und dann die entsprechende jeweilige Folgenabschätzung vornehmen.

Insofern ist es richtig, dass es erst mal eine erste Einschätzung zu diesen möglichen finanziellen Auswirkungen gibt, aber damit werden wir uns gegebenenfalls in dem weiteren Verfahren dann auch noch intensiver und detaillierter gemeinsam auseinandersetzen müssen.

Vielen Dank! – Dann hat zu einer weiteren Nachfrage der Kollege Freymark das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Eine kurze Nachfrage: Der Senat hat ja mit Pauken und Trompeten das Wohnungstauschportal auf den Weg gebracht. Wie bewertet denn der Regierende Bürgermeister den Erfolg?

Herr Regierender Bürgermeister!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Dieses Wohnungstauschangebot ist ja etwas, das wir seit einiger Zeit schon intensiver verfolgen, auch gemeinsam mit insbesondere ja den städtischen Gesellschaften. Da muss man einfach sagen, dass viele Menschen, die theoretisch die Chance haben zu tauschen, oder die es vielleicht auch gerne in Anspruch nehmen wollen, sich schon fragen, ob sie denn tatsächlich ihre Wohnung, in der sie sich wohlfühlen, und dann eben auch als Mieterinnen oder Mieter bei einer städtischen Gesellschaft, ob sie dies wirklich aufgeben wollen oder müssen zugunsten einer kleineren Wohnung. Das ist etwas ganz Menschliches, dass man es sich mit dieser Entscheidung nicht leicht macht und dass das dann in ersten Schritten nur wenige nutzen werden oder bisher genutzt haben.

Ich glaube, mit einer offensiveren Darstellung der Möglichkeiten im Zusammenhang mit diesem Tauschangebot werden es auch mehr annehmen; aber es ist menschlich, dass sich damit erst mal viele schwer tun und, soweit es irgendwie geht, auch in ihrer Wohnung bleiben wollen.

Vielen Dank!

Dann hat der Kollege Walter die Möglichkeit zur nächsten Frage.

Frau Präsidentin! Ich frage den Senat: Wie bewertet der Senat die von der Opferberatungsstelle ReachOut am gestrigen Mittwoch veröffentlichte Statistik zu rechten, rassistischen und antisemitischen Angriffen und Attacken im Jahr 2018?

Herr Senator Dr. Behrendt!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Abgeordneter! ReachOut veröffentlicht ja jährlich die von ihnen erhobenen Zahlen zu rechten, rassistischen und antisemitischen Attacken. Gestern haben sie das für das Jahr 2018 getan. Die festgestellten Fälle haben wiederum zugenommen: Hatten wir im Jahr 2017 noch 267 Fälle, haben sie gestern mitgeteilt, dass die Zahl auf 309 Angriffe für das Jahr 2018 gestiegen ist. Diese hohen Zahlen zeigen zunächst einmal, dass wir mit diesem Phänomen in Berlin ein ernsthaftes Problem haben, dass wir zu viele rechte, rassistische und antisemitische An- und Übergriffe haben.

Mich bedrückt insbesondere, dass in Berlin rassistische Angriffe auch auf Kinder zunehmen und dass auch Jugendliche häufig Opfer davon werden; die Täter kommen aus dem Erwachsenenspektrum. Das finde ich schwer erträglich für unsere Stadt. Wir haben es zum Teil mit einer ganzen Reihe von verbalen Angriffen zu tun, leider aber auch einer relevanten Zahl von tätlichen Angriffen. Aus der kriminologischen Forschung wissen wir, dass es häufig so ist: Zunächst geht man andere Menschen verbal an, dann folgen daraus Taten, also tätliche Angriffe.

Die Zahlen zeigen, dass wir gut daran tun, Opferberatungsstellen, die sich um die Opfer dieser Angriffe kümmern, zu finanzieren. Auch ReachOut finanzieren wir aus dem Landesprogramm Demokratie. Vielfalt. Respekt. Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Wir sind froh, dass wir neben ReachOut noch andere Organisationen – beispielsweise OPRA, die sich um Opfer kümmern, aber auch RIAS, die sich um die Opfer antisemitischer Übergriffe kümmern – finanzieren

[Zuruf von Frank Scheermesser (AfD)]

und wir den Opfern damit vielfältige Hilfs- und Beratungsangebote vorhalten, die sie nutzen können. Wir sind mit dem Landesprogramm, aus dem wir das finanzieren, intensiv darum bemüht, dass das zurückgeht. Das ist zum einen eine Aufgabe der Polizei, es spielen aber auch andere wie Schulen und Sportvereine eine zentrale Rolle, damit wir Rassismus und das offene Aussprechen und Angreifen in der Stadt zurückdrängen.

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Ich hatte es schon gesagt: Die Verrohung der Sprache, die wir an verschiedenen Orten in der Stadt feststellen müssen, bleibt häufig nicht folgenlos. Wir wenden uns an die Akteure mit Vorbildfunktion aus den Medien, aus der Öffentlichkeit, aber auch aus der Politik. Sie alle haben eine besondere Verantwortung, dass sich das Zusammenleben in unserer Stadt nicht in die Richtung, die ich beschreiben musste, sondern in eine andere Richtung entwickelt und es zu einem friedlichen Zusammenleben kommt. Wir alle prägen das gesellschaftliche Klima; das kann der Senat nicht alleine tun. Wir als Senat wie auch Sie sind auf jeden Fall immer gefordert, Menschen, die Opfer solcher Übergriffe werden, den Schutz zur Verfügung zu stellen, den sie brauchen, und für die Rechte von Minderheiten konsequent einzutreten.

Vielen Dank! – Die erste Nachfrage hat der Kollege Walter.

Vielen Dank! – Ich würde gerne nachfragen, wie sich der Senat erklärt, dass es insbesondere zu einer Zunahme rechter Gewaltdelikte gekommen ist.

Herr Senator!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Ich habe ja ein bisschen was zum Klima in unserer Stadt gesagt. Das ist rauer geworden, und da traut sich womöglich der eine oder andere offener, seine Gesinnung zu verbalisieren und die Hemmungen zu überwinden, die man eigentlich haben sollte, andere Menschen verbal oder körperlich anzugreifen, weil sie zum Teil offenbar der Meinung sind, dass sie öffentliche Diskurse, die man wahrnehmen muss, in die Tat umsetzen können.

Ein Erfolg, was den Rechtsextremismus angeht, ist sicherlich, dass durch die vielfältigen Bemühungen von Zivilgesellschaft und Senat die offenen rechtsextremen Strukturen zurückgegangen sind. Wir haben es mit so gut wie keinem Demonstrationsgeschehen in diesem Bereich – also mit rechtsextremen Aufmärschen und Inszenierungen – mehr zu tun. Es ist gut für die Stadt, dass wir zumindest kein Aufmarschgebiet für rechtsextreme Demonstrationen sind. Sie haben aber völlig recht: Dass rechte und rassistische Übergriffe in der Stadt zugenommen haben, zeigt, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben, zu einem friedlichen Zusammenleben in der Stadt gemeinsam beizutragen.

Die zweite Nachfrage geht an den Kollegen Lux.

Vielen Dank, Herr Senator! Man soll das Kind ja beim Namen nennen: Würden Sie die Einschätzung teilen, dass auch rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien, die auch hier im Abgeordnetenhaus vertreten sind,

[Ah! von der AfD]

zu dieser rechtsextremen Gewalt ihren Beitrag leisten, indem sie zum Beispiel in geschlossenen Chatgruppen Hakenkreuze und volksverhetzende Inhalte verschicken, zu Gewalt gegen Migranten und Minderheiten aufrufen? Meinen Sie diese Vorgänge in der neuen deutschen Politik, die auch rechtsextreme Gewalt ganz konkret unterstützen?

Herr Senator!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Ich habe ja was dazu gesagt, wer alles zu einem gesellschaftlichen Klima beiträgt, das wir seit ein paar Jahren in der Bundesrepublik feststellen müssen. Sicherlich ist es nicht gerade förderlich, wenn sich Abgeordnete aus diesem Haus vor Hitlerbildern räkeln. Um die Frage zu beantworten: Das trägt nicht zur Lösung des Problems bei.

Vielen Dank!

Dann hat die Kollegin Jasper-Winter die Möglichkeit zur nächsten Frage.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass der Bezirk Mitte monatlich eine Zahlung von 4 000 Euro von einer gemeinnützigen und kirchlichen Hilfseinrichtung wegen Betriebs einer Einrichtung für obdachlose Frauen verlangt und dies mit Anwendung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes begründet, frage ich den Senat: Wie bewertet er diese Situation? Welche Lösung wird es hier geben?

Vielen Dank! – Frau Senatorin Lompscher!

(Senator Dr. Dirk Behrendt)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete! Das Zweckentfremdungsverbot ist kürzlich vom Gesetzgeber novelliert worden und hat hier eine ziemlich eineindeutige und abschließende Regelung getroffen. Insofern besteht für den Bezirk nicht so viel Spielraum, wie wir erfahren mussten, weil wir als Senat, konfrontiert mit dieser Situation, natürlich auf den Bezirk zugegangen sind, um zu schauen, welche Möglichkeiten bestehen, von dieser Abgabe abzusehen. Die Rechtsauffassung des Bezirks ist zunächst einmal bekräftigt worden, dass es diese Möglichkeit nicht gibt.