Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Klar ist aber auch, Ausschreibung und Vergabe müssen entbürokratisiert werden. Unternehmen müssen die Chance haben, sich mit vertretbarem Aufwand um öffentliche Aufträge bewerben zu können. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen hatten in der Vergangenheit oft Schwierigkeiten, die bürokratischen Anforderungen zu erfüllen. Bei kleinen Aufträgen mit einem Volumen unterhalb von 10 000 Euro steht der bürokratische Aufwand nicht mehr im Verhältnis zum möglichen Ertrag. Deshalb wollen wir die Wertgrenzen vereinheitlichen und die Nachweise – für Frauenförderung, Umweltkriterien, Fairtrade etc. – muss künftig nur der erfolgreiche Bieter vorlegen. Das ist durchaus legitim und vertretbar für die Wirtschaft.

Letztlich aber findet die Entbürokratisierung nicht im Ausschreibungs- und Vergabegesetz statt, sondern im Verwaltungshandeln, und das muss weiter optimiert werden. Wir haben uns als Koalition auf die Fahnen geschrieben, die Zahl der Vergabestellen im Land Berlin deutlich zu reduzieren. Da müssen wir noch viel schneller werden. Denn je weniger Vergabestellen, desto effektiver kann man die Mitarbeiter schulen, desto stärker reduziert man kleinteilige Ausschreibungen und kommt durch die größeren Bestellmengen noch öfter über die einheitlichen Wertgrenzen.

Mit dem Haushalt, der sich derzeit noch in Beratung befindet, werden wir auch Stellen schaffen, die sich auf die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vergabestellen hinsichtlich ökologischer und sozialer Aspekte fokussieren werden. Auch die Einführung einer flächendeckenden elektronischen Vergabeplattform wird zur Entbürokratisierung beitragen. Die Koalition steht dazu, Ausschreibungen fair, sozial und ökologisch wie ökonomisch nachhaltig zu gestalten. Es gilt dabei, die Balance zwischen unseren Anforderungen und Praktikabilität zu wahren. Wir sind zuversichtlich, dass der Entwurf des Senats diese Balance halten wird. Eine Abschaffung des Vergabegesetzes steht für uns als Koalition nicht zur Debatte. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Gesetzesantrag auf Drucksache 18/2258 wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe und mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales empfohlen. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Zum Antrag auf Drucksache auf Drucksache 18/2261 wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe und mitberatend an den Ausschuss für Kommunikationstechnologie und Datenschutz sowie an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz empfohlen. – Widerspruch höre ich auch hier nicht. Dann verfahren wir hier ebenfalls so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 7:

Gesetz zur Einführung einer Besoldung für das informationstechnische Personal (IT-Besoldung)

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2259

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung des Gesetzesantrags und in der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. Herr Abgeordneter Schlömer, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für den Betrieb, die Pflege, die Wartung, den Schutz und die dynamische Weiterentwicklung unserer informationstechnischen Systeme, für die Begleitung der Digitalisierung unserer Fachverfahren und Geschäftsprozesse nach den Vorgaben des E-Government-Gesetzes sowie für die Aus-, Fort- und Weiterbildung in digitalen Kompetenzen, Fertigkeiten und Fähigkeiten unserer Beschäftigten, benötigen wir nicht nur in der Anzahl ausreichendes, sondern auch gut bezahltes und schließlich hoch motiviertes Personal im IT-Bereich,

[Beifall bei der FDP]

welches wir im Wettbewerb mit privaten und anderen öffentlichen Arbeitgebern auf dem Arbeitsmarkt ansprechen, für uns gewinnen und dauerhaft binden müssen, um Vakanzen und personelle Lücken zu schließen. Dieses verlangt manchmal mutige Vorschläge für die Personalgewinnung, -bindung und -entwicklung unserer Beschäftigten im Land Berlin. Ein Vorschlag, den wir heute hier

in die Debatte einbringen möchten, ist die Realisierung einer eigenständigen Besoldungsordnung für das informationstechnische Personal in Berlin.

[Beifall bei der FDP]

Berlin ist Gesetzgeber für das Beamtenrecht, nutzt diese Möglichkeiten aber nur sehr wenig aus. Berlin ist im Übrigen auch Gesetzgeber für die Laufbahnausbildung und das Laufbahnrecht und wendet diese Möglichkeiten nur wenig an. Dabei fordert uns die zunehmend fehlende Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal gerade in diesem Fähigkeitsspektrum der Informations- und Kommunikationstechnologie geradezu heraus. Viele junge Menschen und viele gute Talente ziehen den öffentlichen Dienst auch wegen des vermeintlich im Vergleich zur Privatwirtschaft häufiger als niedriger angenommenen Gehalts nicht als ernsthaften Arbeitgeber in Betracht.

So gilt die öffentliche Verwaltung bei vielen insbesondere jungen IT-Spezialistinnen und -Spezialisten als veraltet, hierarchisch, monoton und altmodisch. Auch die mit einer Verbeamtung verknüpften Privilegien haben diesem Imageschaden bisher keine Abhilfe schaffen können. Natürlich heilt nicht nur ein gutes Gehalt diese Vorbehalte: Auch die moderne Gestaltung des Arbeitsumfelds, interessante Aufgabenstellungen und Karrierewege, ein geordneter und qualitativ hochwertiger Verwendungsaufbau sowie moderne, zeitgemäße Arbeitsmethoden gehören dazu.

Aber für unsere Idee, für unser Konzept einer funktionierenden Chancenstadt Berlin mit einer smarten und serviceorientierten Verwaltung kann eine solide Besoldung helfen, für Mitarbeit und Engagement zu werben, und hierfür setzen wir uns mit einem Antrag sehr gerne ein.

[Beifall bei der FDP]

Ziel des Antrags ist es daher, der Modernisierung des öffentlichen Diensts und seiner Verwaltungsbereiche im Bundesland Berlin über eine eigenständige Besoldungsordnung für das informationstechnische Personal einen signifikanten und derzeit bundesweit einzigartigen Schub zu geben, indem für dasjenige Personal, das mit der Wahrnehmung von Aufgaben und Tätigkeiten in den Bereichen Weiterentwicklung, Realisierung, Einsatz und Betrieb sowie dem Schutz von informationstechnischen Systemen beauftragt ist – das sind IT-Berater, IT-Projektleiter, IT-Verantwortliche, IT-Koordinatoren, IT-Administratoren, IT-Nutzerbetreuer, Softwareentwickler, Ausbilder, aber auch IT-Lehrer sowie IT-Sicherheitspersonal bis hin zum IT-Forensiker – eine eigene Besoldungsordnung gegeben wird.

[Beifall bei der FDP]

Dabei bauen wir die hier vorgeschlagene Besoldungsordnung auf folgende Säulen auf – erstens: den Verzicht auf Dienstaltersstufen mit dem traditionellen Aufstieg nach Erreichen von Altersstufen. Zweitens: Alimentierung durch ein festes Grundgehalt, das an den regelmäßigen

Besoldungserhöhungen teilnimmt, mit zusätzlichen variablen Bezügen, die wiederum grundsätzlich auch voll ruhegehaltsfähig werden können und im Idealfall eine Bezahlung bis zu einer Höhe von bis zu 8 300 Euro monatlich erlauben.

Drittens: Die Unterteilung dieser Besoldungsordnung in sechs verschiedene Grundgehaltsstufen, mit der wir im Grundsatz eine alte, aber damalig schon sehr zukunftsweisende Idee der SPD der Nullerjahre wieder aufgreifen und fortentwickeln, die immer noch im geltenden europäischen Qualifikationsrahmen weiterhin Gültigkeit hat, dort als Qualifikationsstufen für IT-Berufe.

Viertens: sehr flexibel handhabbare Personalgewinnungs- und Personalbindungsbezüge, die es der personalführenden Stelle individuell angepasst erlauben, wettbewerblich zu agieren. Wem ein konkretes Arbeitsangebot aus Bund, Ländern oder der Privatwirtschaft vorliegt, kann verhandeln, hat Aussicht auf eine bessere Besoldung. Auch zögernde Mitarbeiter, die sich für eine Anstellung im Land Berlin interessieren, können mit Gewinnungsbezügen geworben werden.

Schließlich fünftens: eine Einstiegsstufe für jedermann, ohne Nachweis formaler Bildungsabschlüsse, für Talente gemacht, für neue Zielgruppen, für Menschen in dieser Stadt, aus dieser Stadt mit nur informell oder nonformal erworbenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen, die man im Übrigen testen und überprüfen kann.

[Beifall bei der FDP]

Die Digitalisierung ist im vollen Gang. In einem rasanten Tempo verändert sich alles: Alltag und Beruf, der öffentliche Dienst und die hoheitliche Aufgabenwahrnehmung. Digitalisierung verändert, wie, wo und wann wir im Alltag miteinander kommunizieren, einkaufen, arbeiten und unsere Behördenangelegenheiten erledigen. Das macht die Digitalisierung zur tiefgreifendsten Veränderung des täglichen Lebens seit dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Es fällt uns manchmal schwer, mit dem Tempo der digitalen Transformation von Gesellschaft, Staat, Verwaltung und Wirtschaft Schritt halten zu können. Ich glaube daher, dass wir gut daran tun, denjenigen Beschäftigten im Land Berlin, die uns täglich die Verfügbarkeit, die Integrität und die Vertraulichkeit unserer informationstechnischen Systeme garantieren und gewährleisten und auch diejenigen, die IT und Digitalisierung professionell betreuen, dass wir diesen Menschen eine moderne und solide Besoldung zukommen lassen müssen und ihnen damit Wertschätzung geben. Deshalb versuchen wir, für diesen Vorschlag eine Mehrheit zu gewinnen, und ich freue mich auf Ihre Unterstützung.

[Beifall bei der FDP]

Ich möchte, weil ich noch etwas Zeit habe, einen weiteren Gesichtspunkt einführen, der immer wieder in der Diskussion um die Einführung einer neuen Besoldungsordnung genannt wird: Es wird gesagt, das sei nicht kompa

tibel mit dem Laufbahnrecht. Ich darf meine Nachrednerinnen und Nachredner bitten, mir diesen Aspekt angesichts der Tatsache zu begründen, dass wir auch in Berlin eine Direkteinstellung für Quereinsteiger bis zur Besoldungsstufe A 15 für möglich halten, dass wir für Menschen, die zwei Jahre Arbeitnehmerin, Arbeitnehmer waren und auf einer Beamtenstelle arbeiten, ohne Laufbahnausbildung verbeamten können, dass wir eine W-Besoldung für Professorinnen und Professoren an den Hochschulen und Universitäten haben, dass wir Wissenschaftliche Räte z. A. ohne Laufbahnausbildung verbeamten können, dass wir Akademische Räte z. A. ohne Laufbahnausbildung verbeamten können und dass wir das Laufbahnrecht und die Laufbahnverordnung, indem wir beispielsweise Laufbahnausbildungen verbindlich regeln, so ausgestalten können, dass wir vom traditionellen Bild der Laufbahnausbildung abkehren und beispielsweise eine berufsbegleitende Ausbildung von IT-Beamtinnen und Beamten vorsehen, die sechs bis acht Monate dauern kann und nicht den traditionellen Weg und die Orientierung an der juristischen Laufbahnausbildung nimmt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Marcel Luthe (FDP): Sehr gut!]

Für die Fraktion der SPD hat jetzt Frau Abgeordnete Becker das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP legt einen Gesetzentwurf zur Einführung einer IT-Besoldung für das informationstechnische Personal für das Land Berlin vor.

[Beifall bei der FDP]

Ziel soll es sein, über finanzielle Anreize mehr und rascher IT-Expertinnen und IT-Experten zu gewinnen bzw. sie damit zum Verbleib zu motivieren. Sie als FDP leisten mit dieser Initiative einen Beitrag, wie kurz- bis mittelfristig qualifiziertes IT-Fach- und Führungspersonal zu gewinnen sein könnte, um die Berliner Verwaltung zu modernisieren. Gerade hier im Umfeld von Bundesministerien, dem Land Brandenburg, sich ansiedelnden und wachsenden IT-Unternehmen sowie der demografischen Entwicklung in der Berliner Verwaltung ist das in der Tat ein drängendes Thema, das zum Handeln auffordert. Insofern begrüße ich Ihre Initiative.

[Beifall bei der FDP]

Gleichwohl halte ich fest, dass zur Umsetzung einer ITBesoldung zunächst einmal eine entsprechende Laufbahn eingerichtet werden müsste, die die Grundlage für statusrechtliche Ämter bildet, an der sich die Besoldung orientiert und eben nicht an der real ausgeübten Tätigkeit. Im Berliner Besoldungsgefüge ist eine eigenständige Re

(Bernd Schlömer)

gelung der Besoldung für einzelne Laufbahnfachrichtungen nicht vorgesehen. Sie könnte möglicherweise zu einer Zersplitterung des Besoldungssystems führen und damit einhergehend einen landesweiten Besoldungswettstreit unter den Beamtinnen und Beamten verschiedener Laufbahnrichtungen anzetteln. In meinen Augen wäre solch eine Debatte, die geeignet ist, die Grundstruktur der Besoldung aus den Angeln zu heben, kaum beherrschbar und wenig zielführend.

Interessanterweise wurden bislang weder auf Bundes- noch auf Länderebene Diskussionen über solche Konstrukte geführt. Meines Erachtens erscheint mir darüber hinaus jedoch die Novelle der Bundesregierung für ein Besoldungsstrukturmodernisierungsgesetz gut geeignet zu sein, über das Thema jenseits einer IT-Laufbahn zu reden.

Aktuelle Studien über Personalmanagement im öffentlichen Dienst belegen, dass für frisch ausgebildete ITFachkräfte Geld allein nicht der ausschlaggebende Glücksfaktor ist. Mehr als die Hälfte jüngerer IT-Talente ist es für den Berufseinstieg primär wichtig, dass die Aufgabe passend ist. Erst an zweiter Stelle stehen das Gehalt sowie fast gleichrangig dazu das Arbeitsklima. Das heißt: Die Anforderungen an attraktive Arbeitgeber sind bei dieser Zielgruppe vielfältiger. Auch ist die Entscheidung, für den öffentlichen Dienst – also für das Gemeinwohl – tätig zu werden, eine sehr bewusste, bei der nicht nur die Gehaltsfrage im Fokus steht. Daher sollte bei der strategischen Gewinnung von Personal und beim Personalmarketing gerade an diesen Fakten noch viel stärker angeknüpft werden.

Attraktive Arbeitsbedingungen und gute Arbeit und Ausbildung, die dem Nachwuchs echte Karrierewege aufzeigen, sind entscheidend, ebenso intelligentes und rechtzeitiges Werben und Binden am Point auf Sale, also dort, wo sich potenzieller Nachwuchs sammelt, etwa durch Stipendien, Praktika, Messen, mehr duale Ausbildung und Studiengänge, um nur einige Instrumente zu nennen, die bereits angewendet werden. Hier liegen in meinen Augen die richtigen Anknüpfungspunkte, über die wir reden sollten.

Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss, bei der wir uns vertieft über das Thema und die berechtigten Bedenken, aber auch die Möglichkeiten austauschen werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Goiny. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat hat diese Initiative der FDP-Fraktion einige interessante Ansätze. Wir begrüßen auch, dass es ein Beitrag und ein Bekenntnis zum Berufsbeamtentum ist, denn es geht hier ja offensichtlich auch um Beamtenstellen. Wir finden es richtig, dass mit so einer Initiative Anerkennung und Wertschätzung auch für das Beamtentum erfolgen, denn das ist in der Tat eine Säule des öffentlichen Dienstes in Berlin.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Holger Krestel (FDP)]