Zunächst kommen wir zu der Wahl eines stellvertretenden Mitgliedes des Richterwahlausschusses. In der
46. Plenarsitzung am 12. September 2019 wurde das bis dahin stellvertretende Mitglied, Herr Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff, auf Vorschlag der Fraktion Die Linke zum Mitglied des Richterwahlausschusses gewählt. Für die nunmehr vakante Position eines stellvertretenden Mitglieds ist daher eine Ersatzwahl vorzunehmen. Die Fraktion Die Linke schlägt entsprechend der Ihnen vorliegenden Tischvorlage als neues stellvertretendes Mitglied des Richterwahlausschusses Frau Rechtsanwältin Dr. Anna Luczak vor.
Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die Wahl nach § 74 Abs. 1 der Geschäftsordnung in einfacher Abstimmung durchzuführen. Wer Frau Rechtsanwältin Dr. Anna Luczak zum stellvertretenden Mitglied des Richterwahlausschusses zu wählen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Herr Nerstheimer. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die AfD-Fraktion und Herr Wild. Damit ist Frau Dr. Luczak zum stellvertretenden Mitglied des Richterwahlausschusses gewählt. – Herzlichen Glückwunsch!
Dann kommen wir zur Wahl eines ständigen Mitgliedes des Richterwahlausschusses. In der 29. Plenarsitzung am 28. Juni 2018 wurde Herr Abgeordneter Benedikt Lux auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Mitglied des Richterwahlausschusses gewählt. Herr Abgeordneter Lux hat seine Mitgliedschaft im Richterwahlausschuss nunmehr niedergelegt. Es ist daher eine Nachwahl durchzuführen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlägt entsprechend der Ihnen vorliegenden Tischvorlage als neues Mitglied des Richterwahlausschusses Frau Abgeordnete Dr. Petra Vandrey vor.
Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, diese Wahl ebenfalls nach § 74 Abs. 1 der Geschäftsordnung in einfacher Abstimmung durchzuführen. Wer Frau Abgeordnete Dr. Petra Vandrey zum Mitglied des Richterwahlausschusses zu wählen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Herr Nerstheimer stimmt dagegen. Wer enthält sich der Stimme? – Die AfD-Fraktion und Herr Wild. Damit ist Frau Kollegin Dr. Petra Vandrey zum Mitglied des Richterwahlausschusses gewählt. – Auch Ihnen herzlichen Glückwunsch!
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bürgerschaftliches Engagement und Partizipation vom 21. Oktober 2019 Drucksache 18/2252
In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU. Es hat das Wort Frau Abgeordnete Demirbüken-Wegner. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer mit offenen Augen durch Berlin geht, wird feststellen, dass unser großstädtisches Leben zunehmend von Problemen geprägt wird, die aus Einsamkeit, Isolation und Anonymität erwachsen. Wir sind nicht nur die Hauptstadt der Singlehaushalte, sondern auch die Hauptstadt der Einsamkeit. Wie oft höre ich bei meinen Gesprächen im Wahlkreis: Niemand da zum Reden, niemand da, der zuhört. Habe schon tagelang nicht mehr gesprochen. Kann mich nicht erinnern, wann zuletzt das Telefon geklingelt hat. Die Kinder sind weit weg, sie leben ihr eigenes Leben. Besuch kommt nicht mehr. Keiner teilt meine Freude, keiner meinen Schmerz. – Das ist nicht das selbst gewählte Alleinsein, wie uns die Koalition in den dazu geführten Diskussionen allzu gern glauben machen möchte. Die Einsamkeit – sie entmutigt, sie macht die Menschen leer, verlassen und hoffnungslos, um sie dann krank an Leib und Seele zurückzulassen.
In unserer Stadt ist davon mittlerweile jeder zehnte Einwohner betroffen. Bundesweit spricht man von 3,5 Millionen Betroffenen. Angesichts dieser Zahlen warnen Psychologen, Sozialwissenschaftler und andere Experten vor einer Verschärfung dieser Entwicklung. Sie werden nicht müde, darauf hinzuweisen, dass neben persönlichen Schicksalsschlägen insbesondere das anonyme Wohnumfeld zur Vereinsamung beiträgt. Seien die Betroffenen erst einmal aus ihrem sozialen Umfeld gefallen, vermisse sie auch niemand. So wundert es nicht, dass in Berlin jährlich mehr als 300 Todesfälle unentdeckt bleiben und Suizide vor allem bei Älteren zunehmen. Im gesamten Bundesgebiet sind zehntausend Fälle von psychiatrischen Erkrankungen mehr zu verzeichnen sowie ein unmittelbarer Zusammenhang mit Herz- und Kreislauferkrankungen. Überdies haben Studien und Untersuchungen ergeben, dass bei den 45- bis 84-Jährigen zwischen 2011 und 2017 die Einsamkeitsquote um 15 Prozent gestiegen ist, mit allen gesundheitlichen Folgen und sozialen Risiken.
Einsamkeit ist also kein Einzelfall mehr, sondern ein weitverbreitetes Phänomen, das nach Lösungen verlangt, auch vonseiten der Politik. Deshalb hat die CDU-Fraktion
dieses Thema in neun schriftlichen Anfragen und neun Anträgen aufgegriffen. Die Krönung war dann eine öffentliche Anhörung am 19. August im Ausschuss für Bürgerschaftliches Engagement und Partizipation. Die Anzuhörenden bestätigten eindrücklich die prekäre Versorgungslage derer, die von Einsamkeit betroffen sind. Selbst die Kollegen von der SPD fanden die Ausführungen und die dort vorgeschlagenen Lösungswege so eindrücklich, dass von ihnen ein mögliches Zusammengehen aller signalisiert wurde. Doch es kam wieder einmal anders: Die Zeit bis zur Auswertung der Anhörung wurde schnell für eine eigene Veranstaltung genutzt. Zwar ähnelten die inhaltlichen Aussagen der dort Teilnehmenden – es waren ja weitestgehend dieselben – jenen der Expertenanhörung, doch leider konnten und wollten sich die Kollegen in der Ausschusssitzung am 21. Oktober weder an das Wortprotokoll vom 19. August noch an ihr eigenes Event vom 30. September erinnern. Man hat sich zwischenzeitlich aus taktischen Gründen voll und ganz auf Ablehnung programmiert. Doch dieses Mal wäre es der Öffentlichkeit gegenüber sicher zu genierlich geworden, mit einem sehr durchsichtigen Feigenblatt garniert. So ist es aber immer mit dieser Koalition. Es wurde wieder einmal Totalverweigerung zelebriert: Wir brauchen nichts, wir haben alles, wir machen alles, und im Übrigen gibt es die freien Träger, die Angebote für diese Betroffenengruppe vorzuhalten haben. Das sind aber alles scheinheilige Aussagen, denn niemand von der Koalition weiß genau, wie viele Menschen zu versorgen sind und ob die derzeitigen Kapazitäten, die man den freien Trägern zubilligt, den qualitativen und quantitativen Forderungen genügen.
Auch werden anscheinend die Antworten des Senats nicht gelesen. So ist zum Beispiel in der Antwort auf die Schriftlichen Anfrage zur Einsamkeit, Drucksache 18/20749, nachzulesen, dass sich der Senat bemüht, im Sinne des siebten Altenhilfeberichts der Bundesregierung tätig zu werden und die Übernahme größerer Verantwortung der Kommunen in den Planungsprozessen zu einer besseren Versorgung auch in Berlin praktizieren zu wollen. Man könnte denken, endlich, aber es bleibt alles heiße Luft, denn Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, entziehen sich mit der Ablehnung unserer Anträge zur Bekämpfung der Einsamkeit wie so oft Ihrer Verantwortung. Sie verhalten sich beratungsresistent, ignorant und abweisend. Sie zeigen damit offen und wurstig –
ja, Sie gehören leider auch dazu, lieber Herr Kollege Schlömer! – Ihr Desinteresse an Problemlösungen, wie beispielsweise an der Einsetzung eines Einsamkeitsbeauftragten. – Ja, Herr Luthe! Halten Sie Herrn Schlömer gut fest! –
Doch was ich Ihnen in dieser Angelegenheit wirklich übel nehme, ist: Ihnen sind die Sorgen und Nöte der be
troffenen Menschen schnurz und piepe, also völlig egal. Das kann man nicht oft genug und vor allem nicht laut genug sagen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ja, Einsamkeit ist ein wichtiges Thema, ein wichtiges sozialpolitisches und gesundheitspolitisches Thema. Genau deshalb, liebe Kollegin DemirbükenWegner, hatte ich ja angeregt, dass wir uns im Ausschuss für Bürgerschaftliches Engagement und Partizipation einmal intensiver mit diesem wichtigen politischen Thema befassen – durch eine Anhörung – und uns austauschen. Wir haben ja versucht, konsensual eine Lösung zu finden. Bei der Anhörung waren Frau Schilling von Silbernetz e. V. und Frau Jeglinski vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin dabei, zwei ausgewiesene Expertinnen auf diesem Feld. Beide redeten uns ins Gewissen, das Ehrenamt, das der Einsamkeit so viel entgegensetzen kann, auf stärkere Beine zu stellen. Sie sagten aber nicht, dass sie einen Beauftragten für Einsamkeit wollen.
Und das deckt sich mit dem Blick, den wir in der Koalition haben. Wir wollen das Ehrenamt in seiner Breite stärken und setzen auf die lokalen Begegnungen. Auch bei meiner Veranstaltung, die Sie hier hervorgehoben haben, nämlich dem ersten seniorenpolitischen Dialog, habe ich das Thema Einsamkeit auf die Agenda gesetzt, keiner der anwesenden Damen und Herren hat einen Einsamkeitsbeauftragten verlangt. Auch das spricht für sich.
Deswegen sagen wir, das Investieren in die soziale Infrastruktur in der Stadt ist enorm wichtig, auch gegen Einsamkeit. Deshalb bauen wir die Stadtteilzentren und Nachbarschaftseinrichtungen aus. Wir schaffen Familienzentren. Wir wollen auch generationsübergreifende Wohnformen und die Freiwilligenagenturen stärken. Das gehört dazu. Und konkret: Das Hilfetelefon für Ältere, das Silbernetz-Telefon, haben wir mit finanziellen Mitteln gestärkt, damit mehr Menschen dort anrufen können. Das machen wir als Koalition, weil wir wissen, dass es in der sich rasant ändernden Stadt Berlin nicht nur Gewinner gibt, leider. Deshalb bauen wir diese Infrastruktur konsequent aus.
Einsamkeit kann übrigens auch eine Folge von Gentrifizierung und steigenden Mieten sein, liebe Kollegen der Opposition! Denn wenn ein Mensch wegen zu hoher Mieten aus seiner Wohnung ziehen muss und mit seinem neuen Kiez fremdelt, zieht er sich zurück. Wenn einer 80
jährigen Rentnerin die Wohnung gekündigt wird, kann sie in einem neuen Viertel nur schwer ein Heimatgefühl entwickeln. Daher ist eben auch der Mietendeckel ein Programm gegen Einsamkeit.
Ihr Antrag, liebe Frau Demirbüken-Wegner, liebe Kollegen von der CDU, macht ganz deutlich, wie wichtig der Mietendeckel für Berlin ist.
Sie müssten eigentlich nach Ihrer Rede, die Sie hier gehalten haben, sogar für den Mietendeckel stimmen, damit Verdrängung gestoppt wird. Da bitte ich Sie, an unserer Seite kraftvoll mitzuhelfen, dass das gelingt, und nicht dagegen zu arbeiten.
Noch ein wichtiger Aspekt: Wir müssen auch schauen, dass die Gewerbemieten nicht zu teuer werden, denn immer mehr soziale Vereine leiden unter den steigenden Mieten.
Die Gewerbemieten sind deshalb wichtig, denn viel altes Gewerbe kann sich nicht mehr im Kiez halten, wenn die Mieten steigen. Die Kleinstunternehmen vor Ort leisten viel für den sozialen Zusammenhalt, z. B. die Zeitungsverkäuferin, der Dönerverkäufer oder der Kiezwirt sind oft Menschen in unseren Kiezen, die Bewohner im Kiez kennen, ihnen helfen, und sie haben oft ein Ohr für die Einsamen und sprechen mit ihnen. Sie sind eben nicht nur Gewerbe vor Ort, sondern auch ein Stück soziale Infrastruktur. Sind diese eines Tages nicht mehr da, ist auch ein Stück soziale Infrastruktur verlorengegangen, gestorben.
Noch mal kurz zurück zu Ihrem Antrag, den wir schon ausführlich im Ausschuss behandelt haben. Wir empfehlen die Ablehnung. Berlin braucht mehr Engagement. Berlin braucht mehr Ehrenamt und mehr ehrenamtliche Strukturen. Dazu gehört eben auch das Hauptamt. Das ist auch wichtig.
Das Hauptamt aber nicht an einer einzigen Stelle zentralisiert, sondern da in den sozialen Infrastrukturen, damit das Hauptamt das Ehrenamt vor Ort unterstützt! Das wurde in der Anhörung deutlich. Deswegen unterstützen wir in der ganzen Stadt die sozialen Einrichtungen wie eben die Nachbarschaftszentren, Stadtteilzentren usw. So werden wir auch erfolgreich weiterarbeiten. Wir empfehlen die Ablehnung des Antrags. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Burkard Dregger (CDU): Das versteht keiner in Berlin!]
Vielen Dank! – Dann hat für die CDU-Fraktion die Kollegin Demirbüken-Wegner eine Zwischenbemerkung angemeldet.