Die meisten hier im Saal, so nehme ich jedenfalls an, kennen das horizontale Gewerbe nur aus Streifen wie Pretty Woman. Die Bilder, die Hollywood damit in unseren Köpfen erzeugt hat, haben aber mit der Realität überhaupt nichts zu tun. In der Kurfürstenstraße trifft keine Julia Roberts auf ihren Richard Gere. Hier gibt es keine Romantik, hier gibt es kein schickes Penthouse im teuersten Hotel der Stadt. Hier gibt es Verrichtungsboxen. Diese sehen noch schlimmer aus, als es der Name erahnen lässt. Ich möchte Ihnen die Details ersparen. Fahren Sie selbst mal hin! Voraussetzung ist allerdings, Sie haben einen robusten Magen.
Die öffentliche Prostitution stellt das untere Ende der Hierarchie im Sexgewerbe dar. Die Arbeitsbedingungen sind unwürdig, und die hygienischen Gegebenheiten für die Prostituierten und die Freier sind katastrophal. Hier werden Minderjährige zum Sex angeboten, und es besteht auch Zwangsprostitution. Wir reden hier also von Zuständen, die für eine funktionierende, vor allen Dingen aber für eine zivilisierte Stadt wie Berlin unerträglich sind.
Die Prostituierten auf der Straße sind nicht nur der Witterung, sondern auch einer deutlich höheren Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt. Trotz immer neuer Ideen einer Befriedung der unerträglichen Zustände, hat sich an der Situation der Prostituierten und der Anwohner nichts, aber auch gar nichts verbessert. Unrat, Fäkalien, Drogenutensilien, benutzte Damenbinden und Kondome, stattfindende Sexhandlungen vor den Augen von Kindern und Jugendlichen in Hauseingängen und auf der Straße prägen weiterhin das Bild dieses Wohngebietes. Nicht zu vergessen ist die potentielle Gefahr durch eine erhöhte Kriminalitätsbelastung, da die Straßenprostitution oft als Drogen- oder Armutsprostitution daherkommt.
Wie lange wollen Sie den Anwohnern des Kiezes diese unerträgliche Situation eigentlich noch zumuten? Wie viele Runde Tische wollen Sie noch einberufen, wie viel hart erarbeitetes Steuergeld soll noch in das hundertste Kiezprojekt fließen, um exakt eins zu erreichen – nichts, keine Verbesserung, keine Lösung der schon von so vielen Seiten angesprochenen Probleme. Es stinkt den Anwohnern in ihrem Kiez, der immer dichter bebaut wird und eigentlich das Potenzial hätte, die schmuddeligen Schatten seiner Vergangenheit hinter sich zu lassen.
In der Potsdamer Straße sind längst edle Restaurants und schicke Kunstgalerien eingezogen. Wenige hundert Meter nördlich wird demnächst die aufwendig restaurierte Neue Nationalgalerie wieder eröffnen. Doch von Süden her wabert der Gestank aus den Verrichtungsboxen herüber – eine Absurdität und der letzte Schrei der Kurfürstenstraße: die Box für alle Notdürfte auf kleinstem Raum, Verrichtungsboxen. Wem ist damit, bitte schön, gedient? – Der Würde von Frauen ganz bestimmt nicht. Frauen und Männer, die in Berlin als Prostituierte arbeiten wollen, finden abseits der Straße genügend andere Orte, um ihrem Geschäft nachzugehen. Jeder andere Ort – vom Laufhaus über das Wohnzimmerbordell bis hin zum feinen Club – ist besser als die Straße, und jeder andere Ort abseits der Straße bietet den Frauen mehr Schutz und bessere hygienische Bedingungen. Deswegen wollen wir
auch nur, dass die unwürdigste Form der Prostitution für immer aus dem Berliner Stadtgebiet verschwindet.
Wenn Sie heute unserem Antrag folgen, werden viele Seiten gewinnen – die Anwohner und Bürger werden gewinnen, der Kurfürstenkiez wird gewinnen, und alle anderen Stadtgebiete werden auch gewinnen, weil man mit einem Verbot für ganz Berlin die Verlagerung des Problems verhindert. Und natürlich gewinnen die Frauen, die nicht mehr bei Wind und Wetter wie Vieh auf dem Markt angeboten werden.
[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig!]
Auf Luden und Freier, denen das körperliche und seelische Wohl der Prostituierten weniger bedeutet als der billigste Preis für Sexdienstleistungen, müssen wir wirklich keine Rücksicht nehmen.
Ich sagte es bereits: Kern dieses Antrags ist nicht ein generelles Verbot der Prostitution in Berlin – das wäre weltfremd und unrealistisch –, sondern nur die Abschaffung ihres unwürdigsten Aufwuchses, der Straßenprostitution. – Vielen Dank!
[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Zuruf von der AfD: Bravo!]
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag will also die öffentliche Prostitution verbieten. Der Straßenstrich stellt laut Antrag das untere Ende der Hierarchie im Sexgewerbe dar. Es werden unwürdige Arbeitsbedingungen und katastrophale hygienische Gegebenheiten bemängelt. Außerdem seien die Prostituierten auf der Straße deutlich höheren Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt als die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in nicht öffentlichen Prostitutionsstätten. So nachvollziehbar Ihre Argumentation im ersten Moment sein mag, so naiv und falsch ist sie. Ihr Antrag versucht nur eins: Sie wollen Prostitution aus den Augen der Öffentlichkeit verbannen, ohne die vorhandenen Problemlagen wirklich anzugehen, und zwar auf Kosten der betroffenen Menschen, egal welchen Geschlechts.
Glauben Sie wirklich, dass ein Verbot von Straßenprostitution dazu führt, dass Sexarbeiterinnen und -arbeiter plötzlich unter Idealbedingungen arbeiten? – Nein! Die Straßenprostitution verlagert sich dann auf Hinterhöfe, Parkplätze oder Ausfallstraßen.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Jeannette Auricht (AfD): Wieso verlagert? Da ist sie doch schon!]
Die Umstände, vor denen Sie die meist weiblichen Prostituierten schützen wollen, würden sich dramatisch verschlechtern. Weder Polizei noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gesundheitsämtern und Beratungsstellen oder Streetworker/-innen hätten dann noch Zugriff auf Betroffene und Örtlichkeiten. Wer Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter vor Gewalt und Missbrauch schützen will, darf sie nicht ins Abseits drängen. In Zeiten des Internets wäre es nur eine Frage von Tagen, bis illegale Hotspots stadtweit entstehen würden, unkontrolliert, ohne Sicherheitsnetz oder Beratungsangebote.
Natürlich ist Straßenprostitution ein Problem. Die Herausforderungen sind bekannt. Es ist in erster Linie ein Problem der Frauen, für die wir als Regierung und als Menschen da sein müssen.
Wir müssen Rechtspositionen stärken und Hilfsangebote ausbauen. Dies schaffen wir nicht durch Verbote, die Illegalität fördern und die Erreichbarkeit von hilfsbedürftigen Menschen einschränken. Es braucht stattdessen einen niedrigschwelligen Zugang zu den Betroffenen über Sozialarbeit vor Ort.
Mit dem Runden Tisch Sexarbeit haben wir bereits einen Austausch initiiert, der Vertreterinnen und Vertreter des Berliner Senats, der Bezirksämter, der Polizei sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter von verschiedenen Beratungsstellen mit Sexarbeiterinnen und -arbeitern und ihren Vertreterinnen und Vertretern zusammenbringt. Es wurden auch Anwohnerinnen und Anwohner in den Prozess mit einbezogen.
Das denken Sie! – Der Zugang zu Gesundheits- und Sozialberatungen, die hygienischen Gegebenheiten und die Sicherheit vor Ort werden unter anderem durch die dort entwickelten Maßnahmen verbessert. Hierfür stehen bereits 500 000 Euro zur Verfügung. Konkret wird dieses Geld unter anderem investiert für mehr Toiletten, längere Öffnungszeiten des Frauentreffs Olga, die Förderung muttersprachlicher Sozialarbeit, die Hilfe bei Drogensucht, den Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit, die Förderung von bestehenden Hilfsstrukturen und für mehr Straßenreinigung. Die Vielzahl verschiedenster notwendiger Maßnahmen zeigt uns: Einfache Lösungen helfen selten bei komplexen Problemen. Fordern Sie daher keine Verbote, die Menschen kriminalisieren und ins Abseits drän
gen, denn Ihr Vorschlag wird die Probleme eher verschlimmern als eine Verbesserung herbeiführen! – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Problem der Straßenprostitution verschärft sich in Bereichen wie dem Kurfürstenkiez seit Jahren immer weiter. Die Situation ist mittlerweile unzumutbar für alle Beteiligten. Damit meine ich die Anwohner, die Gewerbetreibenden, die Kitas und Schulen vor Ort wie auch die Prostituierten selbst.
Erst vor wenigen Wochen war ich mit meinem Fraktionsvorsitzenden Burkhard Dregger vor Ort, im Kurfürstenkiez. Ich kann Ihnen sagen, es war ein nachhaltiger Eindruck. Die Straßen, Spielplätze und Grünanlagen sind vermüllt mit Kondomen und gebrauchten Drogenbestecken, Prostitution wird überall ausgeübt, wo es möglich ist, in den Hausfluren der Anwohner, in den öffentlichen Grünanlagen, vor Kitas und Schulen, auf Spielplätzen, im anliegenden Videoverleih, auf Baustellen oder auch direkt auf der Straße. Ordnungsamt und Polizei sind nicht zu sehen. Dort stehen Minderjährige auf der Straße und prostituieren sich. Das Märchen von der selbstbestimmten und freiwilligen Sexarbeit ist angesichts dieser Realität wirklich kaum mehr zu ertragen.
Die Zuhälter sitzen in den Cafés der Umgebung, lassen sich nicht stören bei ihren Drogengeschäften und illegalen Glücksspielen und behalten ihre menschliche Ware im Auge. Es gibt vor Ort zwei öffentliche Toiletten, die auch als Verrichtungsboxen genutzt werden. Man kann sich diesen Zustand nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst gesehen und gerochen hat. Mit menschlichen Exkrementen übersät, mit gebrauchten Spritzen und Kondomen vollgemüllt, das sind menschenunwürdige, frauenverachtende, unhaltbare Zustände.
Was tut der Senat? – Die bestehenden Probleme werden systematisch heruntergespielt. Die neuen Zauberworte für die Lösung lauten: Runder Tisch Sexarbeit und BioToiletten. Dieser Runde Tisch Sexarbeit ist nun aber nicht ein offener Runder Tisch, wie man es sich vielleicht vorstellt, sondern eher ein Closed Shop. Wirklich betroffene Anwohner und Gewerbetreibende, Schul- und Kitaleiter bleiben außen vor. Ebenso verhält es sich mit einem ortsansässigen Verein, die Prostituierte beim Ausstieg aus der
Prostitution unterstützen will. Der Senat hält es für ausreichend, wenn der Verein Hydra dabei ist, der sich vorrangig mit der Einstiegsberatung von Prostituierten befasst,
inzwischen aber auch Senatsmittel für eine Ausstiegsberatung erhält. Zu den Erfolgen der Ausstiegsberatung von Hydra liegen dem Senat leider keine Erkenntnisse vor, was auch nicht weiter verwundert. Ich finde, Ausstiegsberatung und Einstiegsberatung von Prostituierten können nicht gleichzeitig durch ein- und denselben Träger realisiert werden, wenn man es ernst meint.
Inzwischen liegen nun die Handlungsempfehlungen des Runden Tisches Sexarbeit vor. Ein Ergebnis lautet, dass drei weitere dieser ekelhaften Bio-Toiletten aufgestellt werden sollen, die auch als Verrichtungsboxen genutzt werden können. Es wären dann also insgesamt fünf BioToiletten für etwa 180 Prostituierte. Ach ja, der Reinigungszyklus soll auch noch erhöht werden.
Ein weiteres Ergebnis der Handlungsempfehlungen des Runden Tisches ist, dass das Projekt des Frauentreffs Olga fortgeführt werden soll. Hierbei werden für 71 000 Euro wasserlösliche Piktogramme vor Kitas und Schulen aufgesprüht, nach jedem Regen also erneut. Man will den Prostituierten durch diese Bilder aufzeigen, wo sie nicht stehen sollen. Es ist ein Projekt, das der Senat – ich zitiere – aufgrund seines partizipativen Ansatzes und seiner Niedrigschwelligkeit für zielführend hält.
In der Koalitionsvereinbarung haben Sie es sich zum Ziel gesetzt, die Rechte und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern zu verbessern. Wenn das alleine durch Bio-Toiletten und regenlösliche Piktogramme erfolgen soll, fällt mir beim besten Willen nichts mehr dazu zu ein.
Sie schauen zu, wie Minderjährige zur Prostitution gezwungen werden, wie Menschenhandel und Drogendealerei tagtäglich vor unser aller Augen stattfinden. Deshalb müssen wirkliche Lösungen gefunden werden.
Meine Fraktion hat bereits im September 2017 einen Antrag eingebracht, welcher Straßenprostitution im Kurfürstenkiez und anliegenden Bereichen verbieten soll. Nach über zwei Jahren wurde dieser Antrag im Dezember 2019 im Gesundheitsausschuss beraten und liegt nun im federführenden Innenausschuss.
Ob es sinnvoll ist, nun einen erneuten und weitergehenden Antrag zu stellen, bevor über den ersten Antrag zu