Protokoll der Sitzung vom 30.01.2020

Es ist kein parlamentarischer Geschäftsführer da, der die Wortmeldung anmeldet.

[Lachen bei der CDU, der AfD und der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Zu dem Antrag Drucksache 18/2256 empfiehlt der Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Annahme.

Zunächst lasse ich über den Ihnen als Tischvorlage vorliegenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen Drucksache 18/2256-1 abstimmen. Dieser Änderungsantrag ist auf eine Änderung des Berichtsdatums gerichtet. Wer dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegen

(Stefan Förster)

stimmen? – Zwei Gegenstimmen bei der AfD-Fraktion. Enthaltungen? – Das ist der Rest der AfD-Fraktion, FDP und CDU. Damit ist der Änderungsantrag angenommen.

Sodann komme ich zur Schlussabstimmung. Wer dem Antrag Drucksache 18/2256 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Das sind die drei Oppositionsfraktionen und eine fraktionslose Kollegin. Das Erste war die Mehrheit. Ich darf noch fragen, ob es Enthaltungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag mit geändertem Berichtsdatum angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 9

Erstes Gesetz zur Änderung des Berliner Mobilitätsgesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/2429

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung der Gesetzesvorlage. In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Kollege Moritz, Sie haben das Wort!

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wir sind alle Fußgängerinnen und Fußgänger. Die Berliner legen ein Drittel ihrer Wege zu Fuß zurück. Zu Fuß erledigen wir die Aufgaben unseres täglichen Lebens. Wir gehen von zu Hause zum Bus, zur Bahn, zur Arbeitsstelle, zum Einkaufen, zum Kino oder Theater.

[Ronald Gläser (AfD): Oder zum Auto!]

Mit unseren Kindern sind wir zu Fuß unterwegs. Selbst eingefleischteste Autofahrerinnen und Autofahrer gehen Strecken zu Fuß. Zu Fuß zu gehen, ist umweltfreundlich, klimaschonend und gesundheitsfördernd. Dennoch ist der Fußverkehr in Deutschland bisher gesetzlich kaum verankert. Meist steht der Fluss des Autoverkehrs im Vordergrund. Das muss sich ändern.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Mit dem deutschlandweit ersten Mobilitätsgesetz haben wir Pionierarbeit geleistet. Jetzt ist es an der Zeit, im wahrsten Sinne des Wortes weiterzugehen. Wir fügen dem Mobilitätsgesetz einen Teil zum Fußverkehr hinzu.

Mit dem Gesetz setzen wir neue Standards für die Aufwertung des Fußverkehrs, damit in Zukunft alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht oder Einschränkung sicher zu Fuß unterwegs sein können.

[Ronald Gläser (AfD): Können sie doch jetzt auch schon!]

Den engagierten Vertretern aus der Stadtgesellschaft, aus Verbänden und Vereinen, die sich am Fußverkehrsdialog beteiligt haben, und denen aus dem Mobilitätsbeirat, die an der Erarbeitung der Eckpunkte des Gesetzes beteiligt waren, gilt unser Dank.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Mit FUSS e. V., Behinderten- und Seniorenverbänden, Elternvertretern und anderen haben wir im direkten, ja im praktischen Dialog die Herausforderungen ergangen oder errollt. Wir haben in der Praxis erfahren, dass 3 cm Bordsteinkante für einen Menschen, der auf einen Rollator angewiesen ist, ein unüberwindbares Hindernis sein kann. Wir haben gesehen, wie Alternativen zum Elterntaxi aussehen können. Wir haben aber auch gesehen, wie Elterntaxis zur Gefahr für die anderen Schüler werden können. – All diese Erfahrungen sind in den Fußverkehrsteil des Mobilitätsgesetzes eingeflossen. Mit diesem Gesetz legen wir jetzt die Grundlagen für mehr Verkehrssicherheit, fußgängerfreundliche Ampelschaltungen,

mehr Barrierefreiheit, für mehr Aufenthaltsqualität auf Straßen und Plätzen.

Mithilfe längerer Grünphasen sollen auch breite Straßen künftig in einem Zug überquert werden können. Ältere Menschen dürfen nicht mehr auf halber Strecke im Autoverkehr gefangen bleiben. Die Errichtung von verkehrsberuhigten Bereichen, von Spielstraßen, auch von temporären Spielstraßen wird erleichtert.

[Beifall von Hendrikje Klein (LINKE)]

Ja, da kann man klatschen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Es geht um die Vermeidung von Umwegen, eine bessere Beleuchtung für Gehwege und mehr Sicherheit. Für die Umsetzung wird ein Fußverkehrsplan erarbeitet, und sicher müssen viele Regelwerke, Handreichungen und dergleichen überarbeitet werden. Zehn größere Fußverkehrsprojekte sollen in den ersten fünf Jahren erarbeitet werden. – All das kann natürlich nur funktionieren, wenn auch das notwendige Personal zur Verfügung steht. Daher haben wir die berlinweite Koordinierungsstelle Radverkehr bereits um zwei weitere Stellen – dann für den Fußverkehr – erweitert. Da der Löwenanteil der Arbeit aber in den Bezirken anfallen wird, soll jeder Bezirk mit diesem Gesetz zwei zusätzliche Stellen erhalten, und zwar ausschließlich für die Fußverkehrsplanung.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Tino Schopf (SPD)]

Das Mobilitätsgesetz hat die Verkehrswende eingeläutet. Genauso verhält es sich mit dem Fußverkehrsteil. Wir werden nicht in wenigen Jahren die ganze Stadt umbauen können und die Folgen der jahrzehntelangen autozent

(Präsident Ralf Wieland)

rierten Politik beseitigen. Was wir aber können, ist, die Grundlage schaffen, damit Entscheidungen künftig anders fallen werden – Grundlagen für die ökologische und soziale Stadt von morgen, in der der Umweltverbund ausdrücklich Vorrang vor dem Autoverkehr genießt. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Tino Schopf (SPD)]

Für die Fraktion der CDU hat der Abgeordnete Herr Friederici das Wort.

[Stefan Förster (FDP): Jetzt wird es gefährlich!]

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ach, Herr Moritz!

[Georg Kössler (GRÜNE): Ach, Herr Friederici!]

Schon wieder waren die Elterntaxis, die Autos und die Eltern schuld. – Das ist Ihre kleingeistige Welt: immer die SUVs und die Autos!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall bei der AfD und der FDP]

Wenn das der Grund für den zweiten Teil des Mobilitätsgesetzes ist – na ja, ich weiß ja nicht. Nach dem verkappten Fahrradgesetz des bislang ersten Teils des sogenannten Mobilitätsgesetzes soll nun, im zweiten Teil, der Fußverkehr gefördert werden. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, aber die uns versprochenen Teile Wirtschaftsverkehr, Autoverkehr und öffentlicher Verkehr mit Bus, Straßenbahn, Regionalbahn, BVG, S-Bahn, Reisebus und Wasserstraßenverkehr fehlen immer noch.

[Zuruf von Harald Moritz (GRÜNE)]

Ist das moderne Verkehrspolitik, die in dieser wachsenden Stadt angekommen ist? – Ich glaube, nicht. Die Berliner CDU-Fraktion sagt, alle Verkehrsarten müssen erwähnt werden: Bus, Bahn, Straßenbahn, Fußverkehr, Radverkehr, Wasserstraßenverkehr, Auto-, Reisebus- und Lieferverkehr müssen gleichberechtigt berücksichtigt werden. Wir fordern das Miteinander, und nicht das Gegeneinander.

Wenn ich die Erfahrungen von uns allen in den letzten Monaten sehe, wie in der Kreuzberger Bergmannstraße mit Feldsteinen, Pollern und grünen Farbpunkten mit Markierung, die inzwischen wieder entfernt werden mussten, gearbeitet wurde, wird mir angst und bange, wie Sie den Fußverkehr künftig aktiv fördern wollen.

[Beifall von Stefan Förster (FDP)]

Wenn Sie, die rot-rot-grüne Koalition, in Ihrem linken Biotop Kreuzberg mit dem unsäglichen Grünen-Stadtrat

Schmidt zeigen, wie Sie sich die fußgängerfreundliche Stadt vorstellen, dann ist Vorsicht geboten. Hunderttausende Euro sind dort fragwürdig verpulvert worden – es wurde sogar ein Bagger für die Feldsteine gekauft –, um zwar das Auto und den Lieferverkehr wieder einmal zu behindern und vor allem die Anwohner gegen sich aufzubringen; der große Modellversuchswurf für mehr Fußgängerfreundlichkeit war das aber wahrlich nicht.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Roman Simon (CDU): So ist es!]

Nach diesem vergangenen und möglicherweise künftigen Kreuzberger Anwendungsbeispiel des kommenden Gesetzes nenne ich Ihnen noch ein paar weitere Punkte zur Förderung des Fußverkehrs, die Sie völlig vergessen haben: Erstens fehlen nahezu alle Definitionen und geplanten Verbesserungen für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen im Gesetz. Die Inklusion wird in unserer Stadtgesellschaft von Rot-Rot-Grün erst einmal nicht weitergedacht und nicht weitergemacht – das bleibt festzuhalten.