Protokoll der Sitzung vom 14.05.2020

Bei dieser Gelegenheit möchte ich daran erinnern, dass seit 2010, also seitdem wir in Berlin ein Partizipations- und Integrationsgesetz haben, auch Menschen ohne deutschen Pass Bürgerdeputierte sein können. Wir öffnen also konsequent unsere politischen Strukturen, um mehr Partizipation und mehr Mitsprache für die Berlinerinnen und Berliner zu ermöglichen.

[Franz Kerker (AfD): Mehr Stimmen für die Grünen!]

Es freut mich, dass wir diesen Antrag gemeinsam mit der CDU einbringen können und das Anliegen der politischen Teilhabe junger Menschen so breit geteilt wird. Es wäre wunderbar, wenn wir in einem derart breiten Bündnis auch noch die Absenkung des Wahlalters für das Abgeordnetenhaus beschließen könnten.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von der AfD: War ja klar!]

Vielleicht kommen wir ja im Verlauf der Ausschussberatung zu diesem Antrag auch darüber noch ins Gespräch.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat die Kollegin Demirbüken-Wegner das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag für die weitere Ausgestaltung kommunalpolitischer, demokratischer Mitbestimmung vor Ort, in den Berliner Bezirken. Endlich haben wir einen Mehrparteienantrag auf den Weg gebracht, der es jungen Menschen ab 16 Jahren ermöglicht, ihre Erkenntnisse und Erfahrungen auch als Bürgerde

putierte in die Ausschüsse der BVV einzubringen und gemeinsam mit den Bezirksverordneten Entscheidungen für ihren Kiez, für ihren Bezirk vorzubereiten.

Damit wird, wie auch meine Vorrednerin schon gesagt hat, nach 15 Jahren die Balance zwischen dem 2005 abgesenkten Alter bei den Kommunalwahlen und aktiver Mitbestimmung vor Ort hergestellt. Im Namen meiner Fraktion danke ich allen, die in diesem Hohen Haus daran mitgewirkt haben. Doch erinnern wir uns: Bis dahin war es weder ein einfacher noch ein kurzer Weg. Sage und schreibe haben wir von der Einbringung des CDU-Vorläuferantrages 18/0577 bis zum heutigen Mehrparteienantrag 18/2677 zwei Jahre, sieben Monate und vier Tage gebraucht. Das ist zwar erheblich kürzer als die Bauzeit des Flughafens in Schönefeld, reiht sich aber unverkennbar in die Tradition anderer, ich möchte es mal umschreiben, nicht ganz unüblicher Findungsprozesse dieses Parlaments ein. Das gilt insbesondere für Anträge, die vor allem dem ideologischen Schubkastendenken der rot-rotgrünen Koalition zuwiderlaufen.

In dem Artikel des „Tagesspiegels“ über den Streit über die Altersgrenze der Bürgerdeputierten „Richtiger Antrag, falsche Partei“ vom 3. März 2020 liest sich das so – ich darf mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, die Außensicht zu diesem Vorgang zitieren –:

Leider kommt der Antrag von der CDU und deshalb winden sich die Parlamentarier von der SPD und den Linken und Grünen auf peinliche Weise, dem Antrag zuzustimmen. Der Streit hat Slapstickcharakter.

Wer glaubt, diese Interpretation sei übertrieben, sehe sich gerne noch einmal die Inhaltsprotokolle der mit dem Antrag beschäftigten Ausschüsse an. Das waren der Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung am 26. November 2018 und im Februar 2020 sowie der Ausschuss für Bürgerschaftliches Engagement und Partizipation am 24. Februar und 9. März 2020. Hier findet jeder einzelne Satz des Artikels seine vollständige Bestätigung – traurig, aber wahr!

Doch wie bereits anfangs festgestellt, nach der Durststrecke von zwei Jahren, sieben Monaten und vier Tagen siegt nun letztendlich das gemeinsame Anliegen über parteitaktisches Lavieren. Das macht trotz aller vermeidbar gewesenen Querelen Hoffnung, dass es jenseits aller parteipolitischen Unterschiede gelingen kann, die Rahmenbedingungen für die in diesem Fall politische Mitwirkung junger Menschen vor Ort zu verbessern. Das allein ist ausschlaggebend.

Frau Kollegin, gestatten Sie Zwischenfragen?

Ich habe jahrelang dazu in den Fachausschüssen diskutiert. – Abschließend noch ein Wort zur FDP; ich kann es mir leider nicht verkneifen: Sie sind für mich die größte Enttäuschung im Gesamtprozess gewesen. Anfangs haben Sie das Anliegen von Herzen und sehr stark unterstützt, dann erfolgte aber aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen die Verweigerung für den vorliegenden Mehrparteienantrag. – Übrig geblieben ist dabei allein der fatale Eindruck, dass die FDP den Jugendlichen nichts zutraut, ja, sie geradezu mit ihren Begründungen entmündigt. Das finde ich sehr bedauerlich. Es ist das falsche Signal an junge Menschen, die sich mehr politisch engagieren wollen. Desto wichtiger ist nun der vorliegende Mehrparteienantrag, mit dem das kommunalpolitische Engagement junger Menschen ausdrücklich gefördert, begrüßt und unterstützt wird. – Ich finde, das ist ein Applaus von allen wert.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Zimmermann das Wort.

Vielen Dank, verehrte Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Ich bin ja froh, dass nicht wir Ihre größte Enttäuschung in diesem Zusammenhang waren, sondern andere. Das lässt wiederum hoffen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Kommt noch!]

Dieses kurze Gesetz – wahrscheinlich das kürzeste Gesetz der ganzen Wahlperiode – eröffnet für junge Menschen in der Stadt eine zusätzliche Möglichkeit der demokratischen Teilhabe, und ich freue mich sehr, dass wir hier im Haus einen breiten Konsens haben, das Mindestalter für Bürgerdeputierte in den BVVen auf 16 Jahre herabzusetzen. Wir gehen damit einen weiteren Schritt der Verjüngung in der Politik, und das ist, wie Sie an dem Redner hier am Pult erkennen können, auch nicht völlig fernliegend.

Ich könnte jetzt sagen, Frau Demirbüken-Wegner, der ursprüngliche Antrag der CDU war nicht ganz formvollendet, sodass wir ein bisschen nachhelfen mussten.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Es war in der Tat so: Es war kein Ränkespiel oder Ähnliches, was Sie gesagt haben, sondern so, dass Sie einen einfachen Parlamentsantrag eingebracht haben, wohingegen wir von vorneherein gesagt haben: Wenn man das wirklich will, man braucht man einen Gesetzesantrag! – Man kann natürlich den Senat dazu auffordern, man kann es aber auch selber machen. Es war der bessere Weg, den

(Emine Demirbüken-Wegner)

wir jetzt gewählt haben, und es ist das Ergebnis, was jetzt zählt. Es lohnt sich also nicht, das weiter zu vertiefen, sondern das Ergebnis ist entscheidend, nämlich dass die 16- und 17-Jährigen in der Stadt künftig aktiv an der Bezirkspolitik mitwirken können. Damit ist dieses Amt für alle erreichbar, die auch an der Wahl zur BVV – Sie haben es gesagt – teilnehmen können, und das ist gut so.

Herr Zimmermann! Gestatten Sie eine Frage des Kollegen Efler?

Bitte schön, gerne!

Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Das ist ein Missverständnis! Ich hatte mich zu Frau Demirbüken-Wegner gemeldet.

[Sven Heinemann (SPD): Dann fragen Sie doch die! – Paul Fresdorf (FDP: Jetzt können Sie aber!]

Das hättest du vorher machen müssen.

[Heiterkeit]

Für unsere Gesetzesinitiative sind die Motive klar und auch schon angeklungen: Durch die Bürgerdeputierten soll der Sachverstand in der Bevölkerung und unter den Bürgerinnen und Bürgern für die BVVen nutzbar gemacht werden, und auch 17-Jährige können etwas beitragen, nicht trotz, sondern gerade wegen ihres Alters. Und es geht ausdrücklich darum, dass junge Menschen an die demokratischen Institutionen herangeführt werden sollen. Das werden wir hiermit hoffentlich ein Stück befördern.

Ich glaube, dass diese politische Arbeit für junge Leute hochattraktiv sein kann, haben sie doch in den Ausschüssen dann, wenn sie als Bürgerdeputierte mitwirken können, Rede- und Stimmrecht, also echte Chancen der Mitgestaltung in den Ausschüssen der BVV.

Lassen Sie mich noch ein Wort zum Inkrafttreten sagen: Wir wollen nicht, dass Irritationen entstehen, wann das losgeht. Da müssen wir im Text wahrscheinlich noch nachjustieren. Es soll, wie Kollegen gesagt haben, tatsächlich schon in der nächsten Legislaturperiode in Kraft treten. Das werden wir im Ausschuss noch glätten. – Ansonsten freue ich mich auf eine zügige Beratung und ein zügiges Inkrafttreten dieser Verbesserung für junge Leute in der Stadt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat die Abgeordnete Auricht jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Klar: Junge Menschen sind politisch interessiert. Sie haben ihre eigene Meinung, sie engagieren und organisieren sich, und das ist absolut unterstützenswert. Und natürlich wollen wir junge Menschen heranführen an eine erfahrbare politische Verantwortung. Dafür gibt es allerdings schon Kinder- und Jugendparlamente. Es gibt den Landesschülerausschuss, die U-18-Wahlen und, nicht zu vergessen, auch die vielen Jugendorganisationen, auch die unserer Parteien. Doch letztendlich sollten all diese Möglichkeiten der Beteiligung erst einmal nur ein Heranführen sein, eine Phase des Übergangs vom Jugendlichen zum Erwachsenen.

Bürgerdeputierter zu sein, ist kein Hobby, das man mehr oder weniger regelmäßig nach Lust, Laune und Zeit ausüben kann. Bürgerdeputierte tragen Verantwortung. Die Rechtsstellung in den Ausschüssen ist im Wesentlichen identisch mit der Stellung der gewählten Bezirksverordneten: Sie haben – Sie haben es schon gesagt – in den Ausschüssen Stimm-, Rede- und Antragsrecht. Die Berliner Landeszentrale für politische Bildung umschreibt die Voraussetzungen für die Ausübung der Rechte und Pflichten eines Bürgerdeputierten unter anderem mit folgenden Worten:

Eine Voraussetzung dafür ist eine besondere Sachkenntnis auf dem Gebiet des jeweiligen Ausschusses.

Sachkenntnisse, die erst erworben werden müssen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Und vergessen Sie bitte nicht, dass es auch ein hoher Aufwand für die Jugendlichen ist, die einen Fulltimejob haben, nämlich in der Schule! Dann müssen sie sich auch noch kontinuierlich ehrenamtlich engagieren. Es ist gut, dass es eine Zeit im Leben gibt, in der man zwar schon den Überblick hat, sich mit politischen Themen auseinandersetzen kann, aber ohne dafür politische Verantwortung tragen zu müssen.

Eines Ihrer Argumente ist, dass die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht in die Bezirksverordnetenversammlungen bereits bei 16 Jahren liegt. Das macht die Sache auch nicht besser, denn wir von der AfD sehen das Herabsetzen des Wahlalters sowieso eher kritisch.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

(Frank Zimmermann)

Denn wir erkennen Ihr Ziel, in kleinen Schritten das Wahlalter auf allen Ebenen herabzusetzen – Sie haben es ja auch schon erwähnt: erst auf kommunaler Ebene, dann auf Landes- und irgendwann auch auf Bundesebene.

Aber es gibt gute Gründe, aktives und passives Wahlrecht an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen, und eine davon ist nun mal ein bestimmtes Mindestalter, das eine gewisse Reife im Denken und Handeln voraussetzt.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig! – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Mit der Volljährigkeit erhält man sowohl Bürgerrechte als auch Bürgerpflichten. Mit der Senkung des Wahlalters korrespondiert das Wahlrecht aber nicht mehr mit den entsprechenden Pflichten. Minderjährige dürfen dann zwar schon wählen oder gewählt werden, sind aber noch nicht voll strafmündig. – Apropos Strafmündigkeit: In den allermeisten Fällen verurteilen wir junge Erwachsene selbst im Alter zwischen 18 und 20 noch nach Jugendstrafrecht, und das aus gutem Grund.