Laut dem Wissenschaftlichen Dienst belegt eine aktuelle Datenlage außerdem, dass die Teilnahme vom zweiten Lebensjahr bis zum Vorschulalter abnimmt. Die Auswertung diverser Fälle von durch Misshandlung und Vernachlässigung zu Tode gekommener Kinder zeigt, dass
die Eltern in den meisten dieser Fälle die Vorsorgeuntersuchung nicht wahrgenommen haben. Um Missverständnisse zu vermeiden: Als AfD sehen wir selbstverständlich die Eltern zuvörderst in der Pflicht, sich um das Wohl ihrer Kinder zu kümmern. Dieser Pflicht kommt die große Mehrheit der Berliner Eltern auch nach. Wir wollen aber nicht zulassen, dass gerade die Schwächsten unserer Gesellschaft am Rand stehen bleiben.
Bei den Eltern, die die für ihre Kinder so wichtigen Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrnehmen, oder denen die Entwicklung, das Wohl ihrer Kinder leider nicht so wichtig ist, muss die Stadt Berlin ein Mittel in die Hand bekommen, um dem Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft aus Artikel 6 unseres Grundgesetzes gerecht werden zu können.
Wir laufen als Gesellschaft Gefahr, aus falsch verstandener Toleranz ganze soziale Gruppen unserer Stadt bereits am Start ihres Lebens zu verlieren. Die gleiche Laxheit, die der Senat bei der Sprachförderung an den Tag legt, darf er nicht auch bei der Früherkennung weiter praktizieren. Vielmehr hat der Senat hier eine große Verantwortung, für Chancengleichheit zu sorgen. Wie soll ein Kind, das große motorische Auffälligkeiten aufweist, erfolgreich starten können? Wie soll ein Kind, das große Defizite beim Sprachvermögen aufweist, sein Potenzial entfalten können? Wir wissen alle: Den Kindern, bei denen eine Gesundheitsbeeinträchtigung oder eine Kindesgefährdung nicht festgestellt wird, und die zudem wegen einer inkonsequenten Förderpolitik des Senats einen schweren Start haben, wird von Anfang an die Chance auf gleichberechtigte Teilnahme an der Gesellschaft genommen.
In den Schulgesetzen der Länder ist eine Schuleingangsuntersuchung bereits verpflichtend vorgesehen. Zumeist wird bei den Kindern vor Schulbeginn eine schulärztliche Untersuchung durchgeführt. Traurigerweise wurde selbst diese in diesem Jahr hier in Berlin ausgesetzt, und sie wird offensichtlich auch nicht nachgeholt. Der Anspruch der Kinder auf Vorsorgeuntersuchung ist bereits in § 23 SGB V gesetzlich verankert. Die Bundesländer Bayern, Hessen und Baden-Württemberg sind diesen Schritt schon gegangen und haben verpflichtende Früherkennungsuntersuchungen für Kinder gesetzlich geregelt.
Die meisten Straftaten gegen Kinder – Misshandlungen oder sexueller Missbrauch – geschehen hinter geschlossenen Türen, fernab der öffentlichen Wahrnehmung. Deshalb gilt es, besonders wachsam zu sein und Verantwortung zu übernehmen, und deswegen bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Lassen Sie uns gemeinsam den Kindern helfen, deren Eltern ihnen aus welchen Gründen auch immer keine Hilfe sein können. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder können die ihnen zustehenden Rechte nicht alleine wahrnehmen und brauchen deswegen Unterstützung – so schon das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Und das Handeln dieses Hauses der letzten Jahre, der letzten Jahrzehnte, ist darauf aus gewesen, die Kinderrechte zu stärken und auch den Schutz der Kinder zu stärken.
Das sehen Sie beispielsweise daran, dass schon vor über zehn Jahren ein verbindliches Einladewesen hier in diesem Hause eingeführt worden ist, was die Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen gestärkt hat. Und darüber hinaus kommt es darauf an, in welchen Verhältnissen die Kinder aufwachsen. Auch da sind wir tätig geworden. Denn da, wo Eltern ihre Funktion nicht erfüllen, braucht es eines Schutzraumes. Diesen Schutzraum bieten oftmals auch die Kita und die Schule. Und deswegen ist es richtig gewesen, dass wir beispielsweise auch in diesen Schutzräumen nicht nur Ganztagsbetreuungen als Angebote eingeführt haben, sondern auch das kostenlose Schulmittagessen eingeführt haben, weil die Kinder oftmals leider eben zu Hause weder beim Essen gefördert werden, noch in Hinblick auf die Prävention unterstützt werden – bis hin zu den skandalösen Fällen der Kindeswohlgefährdung, wo weitere Interventionen staatlich notwendig sind.
Und, meine Damen und Herren in diesem Hause, wir werden den Antrag ablehnen, der eben benannt worden ist, denn er ist überflüssig. Er ist überflüssig durch tätiges Handeln der Verwaltung. Während Sie von der AfD auf drei Zeilen nur eine Verpflichtung einführen, wissen Sie ganz genau, dass wir im Gesundheitsausschuss in den nächsten Wochen – eben, weil es vom Senat gerade vorbereitet und öffentlich diskutiert wird – eine Gesetzesstärkung der Kinder- und Jugendgesundheit einführen und beraten werden, was umfassender ist – nämlich, hier, so dick ist – was programmatisch breit aufgestellt ist und nicht nur so einfach das Thema angeht, wie Sie es gerade getan haben.
Nein. – Und es war ja ein Erfolg gewesen, dass wir schon vor zehn Jahren die zentrale Stelle eingeführt haben, die sich darum kümmert, dass Eltern angeschrieben und
informiert werden, wenn sie keine Kenntnisse über diese entsprechenden Vorsorgeuntersuchungen haben.
Und der Erfolg gibt uns an dieser Stelle recht, denn wir haben an einigen Stellen ein Wachstum von über 20 Prozent erreicht – ansonsten auch 18 Prozent bei den U7 beispielsweise – in der Inanspruchnahme dieser Vorsorgeuntersuchungen, die für die Kinder dringend notwendig sind.
Und wir sehen jetzt: Auch das ist vom Parlament angeleitet, unterstützt und beraten worden. Die Evaluation dieses Zehnjahresprogramms, die aufzeigt, dass wir in der Tat leider einen Teil der Eltern haben, die hier nicht wissen, was sie tun sollen oder auch nicht die Kompetenz haben, das zu tun, was sie tun müssen, oder einfach eine Ignoranz diesbezüglich haben, um ihren Schützlingen Zugang zu guter Gesundheit zu ermöglichen.
Und deswegen unterstütze ich sehr die Entwürfe der Verwaltung, die momentan in der Fachöffentlichkeit beraten werden, die vorsehen, dass wir eine Verpflichtung einführen. Es bedarf ihres Antrags nicht. Wir werden ihn auch schon wegen des tätigen Handelns ablehnen, denn die Verpflichtung ist Gegenstand dieses Entwurfs. Die Eltern werden verpflichtet, ihre Kinder an den Gesundheitsuntersuchungen teilnehmen zu lassen. Und wenn sie das nicht tun, dann wird früher oder später das Gesundheitsamt informiert werden und bei den Eltern auftauchen und einen Hausbesuch durchführen. Und darüber hinaus wird bei der Einschulung und auch bei der Anmeldung für die Kitas ein Nachweis gefordert werden, dass diese Maßnahmen durchgeführt worden sind.
In den Einrichtungen ist das pädagogische Kitapersonal darüber hinaus gehalten und verpflichtet, Beratungsangebote aufzubauen, auch in das jeweilige Curriculum und in den Bildungsauftrag der Schule aufzunehmen, aber auch Gesundheit in das pädagogische Profil der Kita und anderer Gruppen mit aufzunehmen.
Also: insofern keine Notwendigkeit. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf eine Beratung vor und Aufbau von Hilfsstrukturen – mehr als in Hessen, mehr als in Bayern und mehr als in Baden-Württemberg. Es wird die Schreiambulanz ausgebaut, es wird das Landesprogramm Babylotsen, das wir vor einigen Jahren im Haushalt angefangen haben, systematisch umgesetzt. Es wird darüber hinaus die Willkommenskultur für Kinder durch einen verpflichtenden Ersthausbesuch in diesem Bereich gestärkt. Der Kinder- und Jugenddienst, Gruppenprophylaxemaßnahmen in der Schule etc. werden gestärkt. Und ich bin froh, dass wir sehr viel mehr tätig geworden sind, als nur eine Verpflichtung vorzuschlagen, wie sie Ihnen vorschwebt.
Und das Ganze werden wir in die Beratungen einbetten, in eine darüber hinausgehende Programmatik. Denn es ist
ja richtig, dass Kinderärzte in einigen Stadtteilen fehlen, obwohl die Senatsverwaltung die Sonderbedarfszulassung sehr gut koordiniert hat, die in der Regel ja in der Kompetenz der KV liegt. Und wir werden hier weiter gucken, dass mehr Kinderärzte in die Bezirke kommen, und wir müssen schauen, dass wir diese sozialpädiatrischen Zentren, die auch eine wichtige Unterstützungsstruktur bieten, ebenfalls weiter in der Stadtgesellschaft ausbauen.
Aus diesem Mix der Maßnahmen wird ein rundes programmatisches Papier. Dieser Antrag ist mit den drei Zeilen durch tätiges Handeln erledigt.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland werden laut der neuesten Kriminalstatistik Tausende Kinder Opfer von Misshandlung und sexualisierter Gewalt. Das Dunkelfeld ist groß, warnte in diesem Jahr der Chef des Bundeskriminalamtes, Münch. Geschlagen und misshandelt wurden im vergangenen Jahr mehr als 4 000 Kinder. Sexuell missbraucht wurden jeden Tag durchschnittlich damit 43. – Das sind erschreckende Zahlen, und daraus folgt eine Verpflichtung der Regierung und der Opposition gleichermaßen, mit aller Kraft Veränderungen herbeizuführen, um das Leid von Kindern zu nehmen und ihnen einen stabiles Umfeld zu schaffen.
Für meine Fraktion ist vor allem die Frage wichtig, was die Politik dazu beitragen kann, dass Kinder mehr Schutz bekommen, und dazu haben wir bereits im Jahr 2004 hier im Abgeordnetenhaus einen Antrag eingebracht, um die Vorsorgeuntersuchungen für Kinder zur Pflicht zu machen – und nicht erst heute durch Ihren Eintrag.
Unser Ansatz hin zu einer verpflichtenden Untersuchung wurde damals von SPD, Linken, Grünen und auch von der FDP abgelehnt, und stattdessen sagte man damals, mit Informationskampagnen könnte man das Problem in den Griff bekommen.
Wo stehen wir? – Bundesregierung, Landesregierungen, kassenärztliche Vereinigungen, Kinderschutzorganisationen und Krankenkassen haben in den letzten Jahren zahlreiche Informationskampagnen gestartet, und trotzdem stagniert die Quote der Untersuchungen bei 89 Prozent.
Viel zu viele Kinder werden im Laufe ihrer Entwicklung nicht von einem Kinderfacharzt untersucht, und das kann so nicht bleiben.
Oftmals werden die Kinder vorstellig, die in der Regel ohnehin gesund sind. Durch eine gesetzliche vorgeschriebene Pflicht werden dann auch die Kinder erreicht, deren Eltern die Untersuchung aus welchen Gründen auch immer nicht wahrnehmen. Es erhöht also auch die Chance, Kindesmissbrauch und Gewalt früher zu erkennen und im Interesse des Kindeswohls aktiv zu werden. Eine entsprechende Pflicht gibt es schon im Freistaat Bayern und auch in den von den Grünen mitregierten Bundesländern Hessen und Baden-Württemberg. Warum also nicht in Berlin?
Für die CDU-Fraktion gilt der Leitgedanke: erkennen und helfen. Wir fordern Sie, Frau Senatorin Kalayci, auf, Ihrem Facebookpost vom 13. September 2019 endlich Taten folgen zu lassen und dem Abgeordnetenhaus wie angekündigt diesen Gesetzesentwurf endlich auf dem Tisch vorzulegen. Diesen hatten Sie bereits damals in diesem Post für Ende letzten Jahres vorgeschlagen und vorgelegt, und bis heute liegt uns dieser Entwurf zumindest offiziell nicht vor.
Wir unterstützen Sie, Frau Senatorin, bei ihrer Forderungen, verpflichtende Regeln einzuführen, aber wir haben auch die klare Erwartung, dass nicht noch mehr Zeit im Land vertan wird, ehe endlich eine Entscheidung getroffen wird. Es bleibt zu hoffen, dass Sie für Ihre Ziele in der Koalition und auch in der eigenen Fraktion eine Mehrheit finden – wobei man sagen muss, Herr Isenberg, Ihre Rede lässt ja darauf hoffen, dass zumindest die SPDFraktion jetzt endlich zur Vernunft kommt und diesen wichtigen Schritt weiter mitgehen wird.
An unserer klaren politischen Haltung für die Einführung verpflichtende Untersuchungen bei unseren Berliner Kindern hat sich seit 2004 nichts geändert. Wir werden genau auf den Wortlaut und die Ziele des Gesetzesentwurfs schauen und uns natürlich gegebenenfalls mit Änderungsvorschlägen einbringen. Diesen Antrag der AfD brauchen wir dafür nicht. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Das können wir relativ kurz machen: Ja – Herr
Zeelen, Sie haben es gesagt –, zur Bewältigung dieses Problems brauchen wir diesen Antrag ganz sicher nicht. Über die Frage, ob verbindliche oder verpflichtende Untersuchungen sinnvoll oder richtig sind, können wir uns gern unterhalten, und dann können wir auch die konkreten Zahlen aus den Ländern auswerten, in denen ein verpflichtendes Untersuchungsgebot gegeben ist. Sie werden sehen, dass sich da keine wesentlichen Unterschiede ergeben haben. Es ist definitiv nicht der Fall, dass Sie alleine durch Einhalten von Untersuchungsterminen im Rahmen der U-Untersuchungen tatsächlichen Kinderschutz praktizieren, aber darüber können wir uns gern im Ausschuss dezidiert unterhalten. – Danke!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedes Kind, das beim Kinderschutz durchs Raster fällt, ist ein Kind zu viel. Das verpflichtende Einladungssystem zu den U-Untersuchungen war ein Schritt in die richtige Richtung, der gegangen wurde. Wir müssen nur sehen: Es gibt nichts Gutes, das man nicht noch besser machen kann, und wir sehen, dass es in bestimmten Bereichen noch nicht funktioniert.
Wir müssen den Kinder- und Jugendschutz verstärken, wir müssen die Gesundheitsämter so befähigen, dass sie ihrem Auftrag gerecht werden können. Wenn ich die Eltern einlade, mit ihrem Kind eine U-Untersuchung wahrzunehmen, und sie dieser Einladung nicht nachkommen, dann bekommen sie einen Brief, in dem sie aufgefordert werden, eben dies zu tun, und danach, wenn sie dem immer noch nicht nachkommen, werden ein Hausbesuch und entsprechende Hilfe angeboten. Hier müssen wir konkreter werden. Hier reicht es nicht, das anzubieten; hier müssen dann auch tatsächlich Hausbesuche stattfinden, um zu schauen, ob dort alles in Ordnung ist. Wir müssen sicherstellen, dass unser Netzwerk für den Kinderschutz, das wir in dieser Stadt haben, nicht zu einem löchrigen Netz wird.
Wir müssen dieses ausweiten und ausbauen und müssen dafür Sorge tragen, dass alle Kinder entsprechend untersucht und bei einem Kinderarzt vorstellig werden in dieser doch so wichtigen Phase der Entwicklung in ihrem Leben. U1 bis U3, das wissen Sie alle, ist sehr früh nach der Geburt; die anderen Untersuchungen ziehen sich dann über das Leben des Kindes hinweg. Es ist wichtig, genau diese Phasen zu beobachten, zu schauen: Entwickelt sich das Kind denn – ich sage es jetzt böse – „normgerecht“,