Protokoll der Sitzung vom 22.11.2000

Liebe Frau Bender und auch die Landtagsmitglieder von der Fraktion der SPD, Sie wissen alle ganz genau, was für eine Zumutung und was für ein unmögliches Vorgehen das ist, was der Bund im Moment macht. Es ist doch völlig klar, dass das eine oder andere Mal entschieden wurde, ein Gesetz auseinander zu schneiden. Dass man das darf, habe ich noch nie bestritten.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Also!)

Aber es ist doch auch ganz klar, dass man es nicht so auseinander schneiden darf, dass man den Ländern einen Torso vor die Tür legt, den sie gar nicht so umsetzen können, den eigentlich niemand umsetzen kann, wenn man sich vorher nicht verständigt hat.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Wieso denn nicht? Natürlich kann man den umset- zen! Sie wollen nicht! Das ist etwas anderes!)

Ich mache es Ihnen an einer – –

(Abg. Bebber SPD: Wenn Sie unfähig sind, treten Sie zurück! Das ist ganz einfach! – Abg. Birgit Kipfer SPD: Sie blockieren das! – Unruhe)

(Minister Dr. Ulrich Goll)

Nein. Sie wissen genau, was in der Verfassung steht. Die Faustregel der Verfassung in vielen Bereichen ist die: Der Bund – –

(Abg. Brechtken SPD: Sie machen doch den Bun- desrat zur politischen Keule! – Abg. Birzele SPD: Sie wollen doch ein einheitliches Gesetz, um es blockieren zu können!)

Offensichtlich halten Sie es nicht aus, mich ausreden zu lassen. Ich weiß schon, Sie wollen das gar nicht hören. Sie wollen mit dem Kopf gegen die Wand rennen, wie es vorhin Herr Abg. Noll sehr richtig gesagt hat.

(Abg. Birzele SPD: Sie sind mit dem Kopf schon in der Wand! – Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP: Sie wollen nur die Schlagzeile sehen!)

Lassen Sie mich Ihnen in Ruhe sagen, was in der Verfassung steht – nur so zur Abwechslung –, damit Sie da auch einen Schritt weiterkommen.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Bebber SPD: Das ist doch die Arroganz in Person! – Ge- genruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wenn er sich auf die Verfassung beruft! – Gegenruf des Abg. Bebber SPD: Dafür, uns die Verfassung vorzule- sen, brauchen wir keinen Minister!)

Es steht darin, dass der Bund in vielen Bereichen die Gesetze macht und die Länder für die Verwaltung zuständig sind. Das heißt, wenn ein Gesetz durch die Verwaltung umgesetzt werden muss, dann setzt man sich zusammen an einen Tisch und sagt, wie man es macht. Sie haben den ersten Teil beschlossen. In dem steht – nehmen Sie doch die Beispiele –, dass nicht eheliche Lebensgemeinschaften vor einer zuständigen Behörde heiraten dürfen.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Und was ist denn Ihr Problem dabei? Machen Sie doch mal!)

Welche denn? Da muss man sich doch an einen Tisch setzen und sich einigen. Das ist genau der Punkt. Aber Sie legen uns das Ding vor die Tür. Sie vertrauen auch darauf, dass wir jetzt Briefe von den Betroffenen erhalten. Ich sage Ihnen: Sie instrumentalisieren die Betroffenen, weil Sie nicht in der Lage sind, mit dem Bundesrat zusammen eine vernünftige Regelung hinzubekommen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen)

Weil Sie die Regelung nicht hinbekommen, werden die Länder genötigt und die Betroffenen als Instrument eingesetzt.

(Abg. Bebber SPD: Sie sind doch nicht die Impo- tenz in Person! Das ist doch Ländersache!)

So ist es doch. Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Deswegen schreiben uns jetzt die Betroffenen.

(Abg. Birzele SPD: Sie wollen nur ein Veto haben! Das ist doch Ihr eindeutiger Grund! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter!

Ich sage hier völlig eindeutig: Alles, was wir an dieser Stelle verlangen, ist ein ordnungsgemäßes und der Verfassung entsprechendes Bundesratsverfahren, nicht mehr und nicht weniger.

Herr Justizminister.

Wir wollen nicht verhindern, sondern wir wollen mitreden. Wir wollen mitwirken an einer vernünftigen und verfassungskonformen Regelung.

(Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Bebber SPD: Sie als Land legen das Wasserwirtschaftsamt fest!)

Herr Justizminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Brechtken? – Bitte schön, Herr Brechtken.

Herr Minister, stimmen Sie mir darin zu, dass die Mitwirkung bei der zuständigen Behörde natürlich eine Frage der Bundesländer ist, dass das Problem aber exakt darin besteht, dass Sie die Frage der Zuständigkeit – und das ist eine reine Verwaltungsbetrachtung – dazu nutzen wollen, die politische Regelung im Bundesrat infrage zu stellen und zu kippen,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

dadurch selbst in die Gefahr geraten, verfassungsrechtlich problematisch zu handeln, weil Sie eine verfahrensrechtliche Bestimmung zu einer politischen Auseinandersetzung nutzen, die im Bundesrat in dieser Form möglicherweise gar nicht zulässig ist?

Das ist eine Unterstellung, die durch nichts belegbar ist.

(Lachen bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich gebe Ihnen eine Antwort. Wissen Sie, welchen Eindruck von der SPD in Berlin ich habe? Ich habe den Eindruck, dass sie ein solches Gesetz bewusst macht, damit sie den Betroffenen sagen wieder einmal kann: Wir waren stark, wir haben gehandelt. Sie wissen genau, dass Sie etwas machen, was vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand hat.

(Abg. Brechtken SPD: Warten wir einmal ab!)

Das ist die Art Ihrer Berliner Politik, und eben das ist kein sauberer Weg.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Jetzt darf ich Ihnen in einem zweiten Teil sagen, weshalb es über das Bundesratsverfahren hinaus verfassungsrechtliche Bedenken gibt, nämlich aufgrund des so genannten Eheabstandsgebots, das bei uns in der Verfassung steht und das auch Sie kennen.

(Abg. Birzele SPD: Das ist aber kein zustim- mungspflichtiger Teil; den wollen Sie als Hebel nutzen!)

(Minister Dr. Ulrich Goll)

Alle Experten sagen, dass Ihr Entwurf dem Eheabstandsgebot nicht genügt.

Vorher war mehrfach vom FDP-Entwurf die Rede. Auch beim FDP-Entwurf gibt es Experten, die sagen, das Eheabstandsgebot sei nicht eingehalten. Aber der FDP-Entwurf ist schon einmal viel deutlicher auf der sicheren Seite, weil die Partnerschaft nicht beim Standesbeamten, sondern vor dem Notar geschlossen wird. Man sollte auch nicht versuchen, vom „Standesamt durch die Hintertür“ zu sprechen. Die Partnerschaft wird beim Standesamt registriert – nicht mehr und nicht weniger –, und Beurkundung erfolgt beim Notar.

Ein anderer Fall ist die Steuer. Im FDP-Entwurf ist der einzige Bereich die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Aber das, was wirklich Geld kostet, nämlich das Realsplitting und Ähnliches, ist in Ihren Entwürfen enthalten. Da sieht doch, möchte man fast sagen, jeder Blinde, dass sich der FDP-Entwurf redlich bemüht, den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu genügen, während Ihr Entwurf sie ganz offensichtlich überschreitet. Darin liegt das Problem.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Justizminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Bender?

Klar.

Bitte schön, Frau Bender.

Herr Minister, Sie berufen sich auf das Verfassungsrecht. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass bei der Sachverständigenanhörung im Bundestag nur einer der geladenen Experten verfassungsrechtliche Bedenken erhoben hat, während sich die große Mehrheit der Experten mit einzelnen Bestimmungen auseinander gesetzt und einen Verstoß gegen die Verfassung gerade nicht gesehen hat?

(Abg. Hehn CDU: Ja, wenn die Richtigen da sind! – Abg. Bebber SPD: Das kann man ihm fünfzig- mal sagen, und er ignoriert es trotzdem!)

Ich begegne – das sage ich Ihnen offen – der einen oder anderen Anhörung mit Skepsis. Wenn ich ein rechtliches Problem habe, gebe ich es in die Hände von Leuten, deren Beurteilung ich vertraue. Sie wissen genau, dass Ihnen die politisch unvoreingenommenen Juristen, die Sie in dieser Sache befragen, sagen: Vorsicht, ihr seid mit dem FDP-Entwurf mit Sicherheit an der Grenze, und mit dem Entwurf der Bundesregierung seid ihr mit Sicherheit im roten Bereich.

(Abg. Bebber SPD: Sie hatten selbst einen Sach- verständigen benannt, und auch der hatte Beden- ken!)

Ich will nicht noch einmal Herrn Schily zitieren, der nach Ihrer Meinung nichts von der Sache versteht. Ich will Ihnen nur sagen, dass Sie nach meiner Überzeugung und nach der Überzeugung vieler Experten hier mit dem Kopf gegen die Wand rennen, wie das schon gesagt wurde.