80! –, inwieweit das Polizeirecht hier als Grundlage herangezogen werden kann, inwieweit wir in strafrechtliche Regelungen, für die der Bundesgesetzgeber zuständig ist, eingreifen, dazu haben Sie, Herr Minister, in der ersten Runde überhaupt kein Wort verloren. Sie haben von hohen Hürden gesprochen. Es ist doch ein ganz zentraler Punkt, wie die Hürden aussehen, wie hoch die Hürden sind, ob nicht die Bundesregierung, die ja damals von Ihnen geführt worden ist, tatsächlich schon alle verfassungsrechtlichen Möglichkeiten der Sicherungsverwahrung ausgeschöpft hat. Das alles – bis hin zur Frage der Einheit der Rechtsordnung, dass es nicht sein kann, dass in der Frage der Sicherungsverwahrung in Bayern oder, was weiß ich, im Saarland etwas anderes gilt als in Baden-Württemberg – sind Fragestellungen, die man diskutieren kann – das ist doch keine Frage –, aber das müssen wir auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs tun, den Sie hier einbringen müssen.
Deswegen war die Aktuelle Debatte der falsche Weg, um ein so sensibles Thema anzugehen. Den Menschen draußen zu suggerieren, man sei an dem Thema dran, das halte ich für nicht in Ordnung, und deswegen bin ich der Meinung: Herr Minister, legen Sie den Entwurf vor. Dann sind wir zur Diskussion bereit.
Kollege Bender, hören Sie zu! Sonst sagen Sie nachher wieder, Sie hätten nicht gewusst, was unsere Fraktion will.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich gerade von liberaler Seite Worte wie „Verschärfung des Strafvollzugs“ oder Ähnliches höre, dann drängt sich mir der Vergleich auf, dass es immer merkwürdig ist, wenn ein Blinder von der Farbe redet. In der Tat ist es doch so – ich sage es noch einmal –: Die Geschichte der FDP ist eine Geschichte der Liberalisierung des Strafrechts und eine Geschichte der Liberalisierung des Strafvollzugs. Sich heute hier hinzustellen und zu sagen: „Wir tun etwas; wir machen etwas“ heißt doch, dass man im Grunde an dem herumkuriert, was man als Ergebnis der eigenen Politik heute hier zu verantworten hat.
(Beifall bei den Republikanern – Abg. Kluck FDP/ DVP: Die Abschaffung der Todesstrafe! – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)
Um auch noch etwas zum Stichwort „Spur“ zu sagen: Die Spur meiner Fraktion seit 1992 hier zum Beispiel im Bereich der Justizpolitik ist durchaus spürbar.
Denn ohne unsere Initiative zum Opferschutz hätte sich hier möglicherweise überhaupt nichts getan. Dass sich wenigstens etwas getan hat, ist doch das Ergebnis der Tatsache, dass wir das hier angesprochen haben. Sich heute hier hinzustellen, als hätte man substanzielle Beiträge geliefert, ohne dass es dazu eines Anstoßes bedurft hätte, ist schon reichlich mutig.
Es hat keinen Sinn, heute über den Gesetzentwurf zu diskutieren. Denn diese Ersatzveranstaltung – statt der Debatte über den Gesetzentwurf heute eine Aktuelle Debatte – ist natürlich dazu überhaupt nicht tauglich. Wir können nicht über die ganzen verfassungsrechtlichen, strafrechtlichen, polizeipräventiven Dinge heute hier wirklich substanziell reden; denn das ist alles ein Fischen im trüben Teich.
Ein paar Anmerkungen möchte ich allerdings schon machen, auch für meine Fraktion, damit die Position deutlicher wird.
denn wir haben ein Strafvollzugsgesetz als Bundesgesetz, das diesen Entwicklungen angepasst werden muss, damit sichergestellt wird, dass schwierige Straftäter, insbesondere Sexualstraftäter, dauerhaft hinter Schloss und Riegel kommen. Hier hat das Interesse des Bürgers, nicht noch einmal Opfer zu werden, Vorrang vor einem Resozialisierungsinteresse. Gerade bei Sexualstraftätern muss man Zweifel daran haben, ob diese Herrschaften resozialisierbar oder gar therapierbar sind.
Die Misserfolge in diesem Bereich zeigen das ja durchaus. Diese Täter müssen also schon sicher hinter Schloss und Riegel, und da muss eine gesetzliche Regelung gefunden werden. Wenn wir das partiell hier auf Landesebene tun können, dann mag das so kommen, und ich hoffe, es kommt schnell.
Auf der anderen Seite muss auch eine verstärkte Inverantwortungnahme der begutachtenden Psychologen stattfinden. Die sitzen da nicht nur einem Straftäter gegenüber, dem sie verantwortlich sind, dessen Heilerfolg sie zu verantworten haben, sondern diese Herrschaften haben auch eine Verantwortung der Öffentlichkeit gegenüber. Denn deren Gutachten spielt eine maßgebliche Rolle dabei, ob ein – gerade triebgesteuerter – Täter wieder auf die Öffentlichkeit losgelassen werden kann. Hier muss eine Ausbildungsverbesserung erfolgen. Man muss auf die Verantwortlichkeit dieser Herrschaften achten. Ich habe gerade im Zusammenhang mit aktuellen Fällen die eine oder andere Stellungnahme von Psychologen zur Kenntnis genommen und muss sagen, da gibt es ein erhebliches Defizit. Da steht noch manches 68er-Denken im Raum, und man hat die Realität noch gar nicht wirklich wahrgenommen. Das Ergebnis sind dann solche Fälle wie der von Herrn Schmökel.
Dann stellt sich natürlich die Frage der nachträglichen Sicherungsverwahrung und die Frage, wo man diese gesetzlich regelt. Das diskutieren wir hoffentlich sehr schnell im Zusammenhang mit dem versprochenen Gesetzentwurf.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Irgendwie berührt es mich immer noch, wenn jemand sagt: „Sie sagen die Unwahrheit!“,
auch wenn wir mittlerweile wissen, dass dies aus bestimmten Ecken bei jeder Gelegenheit kommt, ohne dass Sie vielleicht selbst wissen, was Sie eigentlich meinen, wenn Sie mit solchen Formulierungen umgehen.
(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Sie sind ja auch nicht gerade zimperlich, Herr Justizminis- ter! – Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Aber „Lügen“ ist schon ein harter Vorwurf!)
Wenn Sie mir zuhören, dann werden Sie feststellen, dass ich mit solchen Keulen vorsichtig umgehe, mit denen beispielsweise Herr Bebber sozusagen ständig jongliert,
(Abg. Haas CDU: Der ist ja schließlich Rechtsan- walt! Der darf das! – Abg. Oelmayer Bündnis 90/ Die Grünen: Wer im Glashaus sitzt...!)
gerade auch in der ersten Stunde nach Bekanntgabe dieses Entwurfs, als es sofort hieß: Schnellschuss, verfassungswidrig. Das war doch die Reaktion. So ist auch Ihre Art, Politik zu treiben. Jetzt deuten Sie an, dass Sie die Kurve kriegen.
Jetzt zum Thema Unwahrheit. Die erste Feststellung, bei der Sie gesagt haben, ich hätte die Unwahrheit gesagt – ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen –, haben Sie Gott sei Dank noch einmal in den Raum gestellt: Die Bundesjustizministerin will nichts machen. Ich komme nachher noch darauf zu sprechen. Meiner Meinung nach könnte sie auch etwas tun, aber das Ganze wird halt weitergeleitet wie eine heiße Kartoffel. Ich frage mich manchmal, wie es draußen aussähe, wenn die Bundesjustizministerin nur sagte: Ich kann es nicht im Strafrecht, macht ihr es in der Gefahrenabwehr.
Natürlich ist das Polizeirecht, die Gefahrenabwehr. Dafür haben wir die Kompetenz. Wenn wir jetzt sagen würden, wir machen es auch nicht – – Das mag man in SPD-regierten Ländern so sehen.
Jetzt sind wir beim zweiten Punkt, der eine große Rolle gespielt hat. Als das Bundesjustizministerium selbst geprüft hat, ob es eine Regelung erlassen soll, haben sich die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Sachsen zusammengetan und haben gefordert: Wir wollen eine solche Regelung. Wenn dazu noch vier Länder von Ihrer Seite gekommen wären, dann hätten wir sie heute.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja! Das ist die Wahrheit!)
Dann haben wir die Bundesratsinitiative eingebracht, wonach den Ländern die Möglichkeit eröffnet werden sollte, zu handeln. Diese Bundesratsinitiative wurde unterstützt von den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Sachsen. Wenn noch vier von Ihren Ländern dabei gewesen wären, hätten wir heute die Klausel.
(Abg. Bebber SPD: Aber es muss doch verfas- sungsgemäß sein! – Abg. Birzele SPD: Warum hat Rheinland-Pfalz nicht mitgemacht? – Abg. Oelma- yer Bündnis 90/Die Grünen: Oder Thüringen?)
Jetzt komme ich noch zu einer einzigen Frage, die natürlich spannend ist – auch Sie haben diese vorhin angesprochen –: Wie weit kann eine polizeiliche Regelung reichen? Sie kann in der Tat unter Umständen weiter reichen als ein Paragraph im Strafgesetzbuch. Aber welche Schlüsse wollen Sie daraus jetzt ziehen? Wollen Sie daraus den Schluss ziehen: „Jetzt machen wir nichts“, nur weil es im Polizeirecht vielleicht noch bessere Möglichkeiten des Schutzes der Gesellschaft gibt? Das wäre doch absurd.
Natürlich ist auch Ihr Vorschlag, den Sie hier per Zwischenruf einbringen, absurd. Wir können nicht sagen, irgendeiner, der draußen herumläuft und den ein Gutachter als gefährlich eingestuft hat, wird jetzt eingesperrt. Das ist natürlich absurd.
Nach dem Gesetzentwurf, der vorliegt, werden wir als Anhaltspunkt für eine Maßnahme eine schwere Straftat brauchen. Das ist richtig so. Damit sind wir aber wieder an dem Punkt, den wir eingangs besprochen haben. Wenn Sie aus dem Recht der Gefahrenabwehr heraus argumentieren, können Sie unter Umständen die Gesellschaft und die Menschen besser schützen. Sie können dann unter Umständen auch Menschen aus dem Maßregelvollzug – Fall Schmökel – in einem nächsten Schritt einbeziehen. Das ist das, was ich sage.