Protokoll der Sitzung vom 21.02.2006

Berichterstatterin: Abg. Ursula Haußmann

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich Herrn Abg. Dr. Lasotta das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns in der zweiten Lesung mit der Neuordnung des Krebsregistergesetzes. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass das alte Krebsregister keine validen Zahlen gebracht hatte, dass also die Meldequoten von über 90 % weder von den Bevölkerungszahlen noch von den erfassten Krebsarten her erreicht werden konnten, haben wir Überlegungen angestellt, welche Neuordnungen wir in diesem Gesetz durchsetzen wollen, um zum einen valide Daten zu haben, zum anderen – das ist der neue Ansatz – klinische Daten mit Personendaten zu verbinden, also die klinischen Diagnosen und Therapien in den Meldewegen mit dem epidemiologischen Register zu verknüpfen, worüber dann auch wissenschaftliche Forschung stattfinden kann und Zusammenhänge zum Beispiel zwischen Ernährung und Krebs validiert werden können.

Wir führen zum Zweiten eine Meldepflicht für Ärzte und Zahnärzte ein, die zukünftig sichern wird, dass wir die entsprechenden hohen Meldequoten erreichen.

Ich glaube, dass dieses neue Gesetz auch für die Erfassung der Krebsfälle in Deutschland ein Vorbild sein kann. Ich glaube wirklich, dass auch andere Bundesländer dieser Idee, die klinischen und die epidemiologischen Daten miteinander zu verknüpfen, folgen werden und dass wir damit eine echte Verbesserung für die Ärzte erhalten, die das, was sie an Diagnosen stellen und an Therapien machen, dann auch als Validierung ihrer Therapie in der Rückmeldung erhalten, wie zum Beispiel die Überlebenszeiten. Damit wird zum einen die Qualität der medizinischen Versorgung verbessert, zum anderen werden wir erstmals in einem großen Flächenland in Deutschland epidemiologische Daten erhalten können, die dann in der wissenschaftlichen Forschung benutzt werden können.

In der Ersten Beratung haben wir umfangreiche Kritik der SPD-Fraktion an dem Gesetzentwurf gehört. Die SPD-Fraktion hat allerdings keine Änderungsanträge gestellt. Ich möchte hier für die CDU-Landtagsfraktion noch einmal erklären, dass im Endeffekt auch den Kritikpunkten, die von den Fachkreisen genannt wurden, in dem Gesetzentwurf im Wesentlichen Rechnung getragen wurde.

Zum Zweiten trägt die Kritik nicht, dass das alte Register bis zum Start des neuen Registers hätte fortgeführt werden müssen. Denn die Daten des alten Registers sind einfach nicht valide. Es wird aber geprüft, welchen Datenteil man hier übernehmen kann.

Zum Dritten war diese Kritik einfach nicht konstruktiv; denn ansonsten hätten Sie ja – Frau Haußmann, Sie haben diese Kritik damals vorgetragen – auch konkrete Änderungsanträge gestellt.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wir glauben, dass wir uns mit dem Gesetz in die richtige Richtung bewegen. Dies bezieht sich vor allem auf die Meldewege. Wenn wir medizinische und personenbezogene Daten miteinander verknüpfen, müssen wir den Belangen des Datenschutzes Rechnung tragen. Dadurch ist eben eine Verschlüsselung gegeben, die zwar von dem einen oder anderen kritisiert wird, aber aufgrund datenschutzrechtlicher Belange einfach notwendig ist.

Ich glaube, dass die Tumorzentren, die onkologischen Schwerpunkte und auch die niedergelassenen Ärzte ein hohes Interesse daran haben, dass das Register funktioniert. Sie haben sich auch in die Diskussion eingebracht. Dem wurde vom Land Rechnung getragen.

Wir sind froh, dass wir eine Evaluierung von Diagnose, Therapie und Überlebenszeiten bekommen und dass wir vor allem, wenn wir die epidemiologischen Daten valide bekommen und sie zu Studien verwendet werden, einen echten Fortschritt in Baden-Württemberg erreichen. Das wird unseren medizinischen Standort in Baden-Württemberg, der auch ein großer Wirtschaftsfaktor ist, stärken. Es wird die Qualität für unsere Patienten stärken. Damit ist dieses Gesetz ein wirklicher Fortschritt im Vergleich zu dem, was alle anderen Bundesländer machen.

Wir sind froh, dass das Sozialministerium hier eine wirklich hervorragende Vorlage geliefert hat. Die CDU-Landtagsfraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Haußmann.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will nicht noch einmal vertieft auf die Kritik eingehen, die ich bei der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs und auch im Sozialausschuss für die SPD-Fraktion formuliert habe.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Schade!)

Es war im Übrigen nicht die Kritik aus unserer Fraktion, sondern es war die Kritik zum einen von der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, Herr Dr. Lasotta, und zum Zweiten die Kritik der ATO, der Arbeitsgemeinschaft der Tumorzentren und Onkologischen Schwerpunkte in Baden-Württemberg. In Teilen wird diese Kritik auch aufrechterhalten.

Ich habe gesagt, für uns als Fraktion ist wichtig, dass wir nach einem quälend langen Gesetzgebungsprozess endlich ein aussagefähiges Krebsregister für Baden-Württemberg bekommen. Da hat sich die CDU-FDP/DVP-Landesregierung wirklich verdammt lange Zeit gelassen.

(Widerspruch des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Die Patienten und auch die behandelnden Ärzte brauchen endlich verlässliche Daten. Deshalb stimmen wir diesem Gesetzentwurf zu.

Aber ich sage auch, dass wir uns in der 14. Legislaturperiode sehr wohl Gedanken machen müssen: Wo ist dieses Gesetz noch verbesserungsfähig? Wo können wir mehr Aussagekraft herstellen? Denn wir wollen alle, dass wir dieses Mal ein wirklich funktionierendes Krebsregister haben, nachdem das alte fast wertlos war, weil wir keine Meldepflicht hatten und die Daten dadurch nicht sehr aussagekräftig waren.

Die SPD-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Noll.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will auch nicht wieder die Kritik an der Kritik, die wir jetzt schon mehrfach in der ersten Lesung und im Ausschuss geäußert haben, wiederholen, sondern sagen: Lasst uns nach vorne schauen und sagen: Jetzt haben wir endlich das, was wir angestrebt haben.

Den einen ging es zu langsam, anderen geht es zu schnell. Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft hat gesagt, man hätte sich noch mehr Zeit lassen sollen. Ich behaupte einmal: Dann lagen wir wohl richtig. Das Ministerium, die Experten, alle Beteiligten haben zusammengearbeitet und im Einzelfall natürlich auch Bedenken an der einen oder anderen Stelle zu Recht angemeldet, die aber insgesamt doch hinter dem gemeinsamen Ziel zurückgestellt worden sind, das da lautet: Zunächst einmal Verbesserungen für die Menschen in unserem Land.

Ich behaupte, das Landesregister bringt eine Verbesserung, weil es eben alles das enthält, was zur Krebsentstehung und Krebstherapie an zusätzlichen Möglichkeiten in der Forschung, in der Rückmeldung an die behandelnden Ärzte notwendig ist und einen echten Mehrwert für die Menschen in unserem Land, die von solchen Krankheiten betroffen sind, bringen wird.

Bei einem solch sensiblen Thema ist selbstverständlich extrem wichtig, dass Menschen, die mit einer solchen Krankheit zu kämpfen haben, sicher sein müssen, dass man mit

ihren Daten sehr, sehr sensibel umgeht. Es ist halt nun einmal noch so, dass man doch das eine oder andere an Vorbehalten hat. Deswegen halte ich auch die Bürokratie, die aufgrund des Datenschutzes und damit des Patientenschutzes notwendig ist, an dieser Stelle, auch wenn man sonst Bürokratie ablehnt, für noch vertretbar. Ich glaube, dass wir einen guten Kompromiss gefunden haben zwischen bürokratischen Lasten, die natürlich denen, die damit umzugehen haben, auferlegt werden, und dem Schutz der Daten von Versicherten, um die es ja letztendlich geht.

Ganz am Schluss möchte ich eine kleine Kritik anbringen, die aber nicht wirklich ernst gemeint ist, weil ich weiß, dass es nicht anders möglich war. Ich meine den letzten Satz des Berichts über die Ausschussberatung, der die Kostenaufteilung betrifft. Üblicherweise haben wir uns immer vorgenommen, wenn wir Gesetze beschließen, dass wir ganz klar Kosten benennen und auch sagen, wer sie zu bezahlen hat. Das war hier in dieser Form nicht möglich. Es wird weiterer Verhandlungen bedürfen, wobei klar ist, dass die Kostenträger, also Krankenkassen, Selbstverwaltung, Ärzteschaft, natürlich ihren Teil beizutragen haben, vor allem da, wo es um den klinischen Teil, also um den Behandlungsteil, geht, dass aber selbstverständlich das Land in der Pflicht ist, wo es um den rein epidemiologischen Teil dieses Gesetzes geht. Wie immer, wenn es sich um Mischfinanzierungen handelt, ist die Aufteilung schwierig. Jeder versucht, einen Teil der Kosten auf den anderen abzuwälzen.

Aber ich glaube, auch da dürfen wir optimistisch sein und unserer Ministerin Vertrauen schenken, dass sie moderierend eine faire Kostenaufteilung auf der Grundlage des jetzt gefundenen Gesetzentwurfs finden wird und damit den Weg frei macht, damit das Ziel wirklich erreicht wird, das wir erreichen wollen, nämlich eine Verbesserung für alle, die mit dem Thema Krebserkrankung zu tun haben: die Betroffenen, die Ärzte, die Krankenkassen und letztendlich wir alle, die wir für die gesundheitlichen Strukturen in diesem Land verantwortlich sind.

Wir werden selbstverständlich zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.

(Zuruf des Abg. Fischer SPD – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Nur zwei Sätze! – Abg. Fischer SPD: So ist es immer! Das ist immer die Reaktion!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen ausdrücklich die Einführung des Landeskrebsregistergesetzes gekoppelt mit der Meldepflicht, die wir ja schon früher gefordert haben. Ich finde es gut, Kollege Noll, dass die FDP/DVP einsieht, dass Bürokratie nicht prinzipiell immer schlecht ist, sondern dass Bürokratie auch sinnvoll ist, zum Beispiel zur Gewährleistung des Datenschutzes, und auch für Qualität steht.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Damit habe ich kein Problem!)

In der nun vorliegenden Form soll das Krebsregister sowohl die epidemiologischen als auch die klinischen Daten erfassen und die Krebstherapien auswerten. Die Schaffung eines landesweiten klinischen Krebsregisters unter Beibehaltung des epidemiologischen Registers ist sehr erfreulich.

Deshalb stimmen wir diesem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Das Wort erhält Frau Ministerin Dr. Stolz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bereits bei der ersten Lesung des Entwurfs für das neue Landeskrebsregistergesetz hat sich hier im Plenum ein Konsens zu diesem Gesetz abgezeichnet. Das zeigt, dass über die wichtigsten Ziele dieses Gesetzes Einigkeit besteht. Wir wollen mit diesem Gesetz mehr über die Entstehung, die Ursachen und die Behandlung von Krebs herausfinden und hierfür eine gesicherte Datengrundlage schaffen.

Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die beiden aus meiner Sicht zentralen Kritikpunkte eingehen, die im Rahmen der ersten Lesung zu diesem Gesetzentwurf vorgebracht wurden.

Ein Kernpunkt der neuen gesetzlichen Regelung ist die Verknüpfung von klinischer und epidemiologischer Krebsregistrierung. Das heißt, die erhobenen Daten sollen nicht nur – wie beim bisherigen Krebsregister – bevölkerungsbezogen statistisch ausgewertet werden; vielmehr ist das Ziel, die Qualität von Krebsbehandlungen auf der Grundlage verlässlicher Daten zu verbessern.

Es liegt in der Natur der Sache, dass für den zuletzt genannten Aspekt eine Rückmeldung der Erkenntnisse des Krebsregisters an die behandelnden Ärzte und Kliniken unerlässlich ist. Nur wenn der behandelnde Arzt Informationen aus dem Krebsregister über die Qualität seiner Behandlungen erhält, kann und wird er auch geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Behandlung zu verbessern. Wir haben eine solche Rückmeldung von Erkenntnissen an die Behandler selbstverständlich vorgesehen.

Diese findet in zweifacher Hinsicht statt: Zum einen erhalten die vorgesehenen regionalen Qualitätskonferenzen und die dort mitwirkenden Einrichtungen Daten zum Zweck der Qualitätssicherung. Dies ermöglicht einrichtungsbezogene Auswertungen und ein Benchmarking zwischen einzelnen Krankenhäusern. Zum anderen soll jeder Arzt auf Antrag die weiteren Behandlungsdaten erhalten, die zu dem von ihm an das Krebsregister gemeldeten Patienten vorhanden sind. Dies gibt ihm eine unmittelbare Rückmeldung über den Erfolg der eigenen Krebsbehandlung. Damit wird den Forderungen der Arbeitsgemeinschaft der Tumorzentren und Onkologischen Schwerpunkte Rechnung getragen. Diese Forderungen wurden von der SPD-Fraktion in der ersten Lesung zitiert.

Ein weiterer Einwand richtete sich gegen die Bürokratie, die der Gesetzentwurf angeblich aufbauen würde. Hier bewegt sich das Gesetz in einem Spannungsverhältnis. Zum

einen besteht der Wunsch der Ärzte und Kliniken, möglichst einfache Strukturen und Datenflüsse zu etablieren, und zum anderen soll dem berechtigten Interesse des Datenschutzes, nämlich dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Patienten, weitestmöglich Rechnung getragen werden.