Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

Genau für den Bereich, über den wir jetzt reden, für die Schulsozialarbeit, müssen wir im Interesse der Schülerinnen und Schüler, die davon betroffen sind, mehr ausgeben. Deswegen haben wir in Ziffer 1 unseres Änderungsantrags eine frühzeitige Kooperation mit Institutionen der Jugendhilfe gefordert. Dies ist als Auftrag der Schule zu bezeichnen.

In Ziffer 2 fordern wir die Zustimmung der Klassenkonferenz bei schwerwiegenden Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen. Ich bin eigentlich überrascht, Frau Vossschulte, dass Sie den Lehrerinnen und Lehrern, die ja Fachleute in Erziehungsfragen sind, offensichtlich nicht zutrauen, dass sie sich da eine Meinung bilden können. Ich empfinde dies als Misstrauen gegenüber denen, die tagtäglich mit den Kindern arbeiten. Ich denke, wir müssen den Lehrerinnen und Lehrern, die tagtäglich mit den Kindern arbeiten, auch die Verantwortung übertragen können und ihnen sagen: Ihr entscheidet mit dem Schulleiter oder der Schulleiterin zusammen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen wollen wir eine Regelung, nach der schwerwiegende Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen nur mit Zustimmung der Klassenkonferenz erfolgen dürfen. Wir wollen auch eine Regelung, nach der die Schulsozialarbeiter und die Beratungslehrer einbezogen werden – übrigens eine Forderung, die gerade auch vom Landeselternbeirat gestellt wurde.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Sehr richtig!)

Ich staune auch, wie locker Sie über diese Forderungen hinweggehen. Das zeugt nicht von einem partnerschaftlichen Umgang mit den Eltern.

Zu Ziffer 3 des Änderungsantrags: Sie haben – genauso, wie es der Staatssekretär schon in der Schulausschusssitzung getan hat – gesagt, § 90 des Schulgesetzes wäre die falsche Stelle für die Einführung einer verpflichtenden Regelung, nach der Eltern erwachsener Kinder über Ordnungs- und Erziehungsmaßnahmen informiert werden müssten. Nun kann man sicherlich darüber reden, wo der bessere Platz für eine solche Regelung wäre. Aber nach der bisherigen Darstellung handelte es sich bei der angesprochenen Information eindeutig immer nur um eine Kannregelung. Die Schule „kann“ informieren. Genau das wollen wir verhindern. Wir wollen, dass die Eltern erwachsener Kinder über gravierende Vorgänge informiert werden. Dabei soll es sich nicht nur um eine Kannregelung handeln.

(Zuruf der Abg. Christa Vossschulte CDU)

Zum letzten Punkt des Änderungsantrags, Ziffer 4: Auf die Frage der Kollegin Rastätter im Schulausschuss, ob Zahlen über das Ausmaß der Schulausschlüsse vorlägen, konnte das Kultusministerium keine Angaben machen. Es werden sehr viele Statistiken geführt. Ich denke, es wäre richtig und notwendig, dass wir auch darüber Zahlen bekommen.

Noch viel wichtiger ist aber, dass wir diese jungen Menschen nicht fallen lassen, sondern die Chance nutzen, dort, wo wir noch rechtzeitig an sie herankommen, mit ihnen Konzepte zu entwickeln, um sie sozusagen wieder auf den richtigen Weg zu bringen.

(Abg. Christa Vossschulte CDU: Das steht doch da!)

Deswegen ist das nicht nur eine Selbstverständlichkeit, was es aus Ihrer Sicht möglicherweise ist. Vielmehr ist für uns und im Übrigen auch für den Landeselternbeirat entschei

dend, dass klar ist: Hilfe- und Entwicklungsmaßnahmen müssen verpflichtend erarbeitet werden, und die Schulämter müssen in diesen Prozess einbezogen werden. Wenn es nicht so viele Schulausschlüsse gibt, ist dies, denke ich, eine zu bewältigende Leistung. Sie ist auch dringend notwendig, denn spätere Reparaturen...

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Zeller, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Vossschulte?

... – Moment, gleich – kommen wesentlich teurer, als wenn man rechtzeitig präventiv ansetzt.

Bitte schön.

Herr Kollege Zeller, ist Ihnen entgangen, dass im Gesetzentwurf steht, dass das Jugendamt einzuschalten ist, wenn dem Schüler zum zweiten Mal der Ausschluss angedroht wird?

Das ist mir nicht entgangen, Frau Vossschulte. Aber das, was wir in unserem Änderungsantrag fordern, ist wesentlich konkreter. Das stellt eine stärkere Verpflichtung und Verantwortung der Schulverwaltung dar. Wir sind der Meinung, dass dies gerade auch in solchen schwierigen Fällen dringend notwendig ist.

Deswegen unser Angebot, Frau Vossschulte: Stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu. Dann werden wir dem Gesetzentwurf insgesamt zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor kurzem erreichte mich ein Schreiben der Vorsitzenden des Landesschulbeirats, Frau Ingeborge SchöffelTschinke. Sie schreibt darin:

Kaum Dissens besteht darüber, dass die Verfahren zum § 90 beschleunigt werden sollen.

Allerdings, so fährt sie fort, sei die nächste LSB-Sitzung erst morgen, am 12. Dezember. Dann wird dieses Thema noch einmal auf die Tagesordnung kommen.

In gleicher Weise hat die Direktorenkonferenz geschrieben, dass sie mit dieser Beschleunigung, wie wir sie in § 90 vorsehen, einverstanden ist.

Beide haben allerdings auch hinzugefügt, dass, Herr Zeller, auch flankierende Maßnahmen notwendig sind, etwa Hilfsprogramme für Schüler beim zeitweiligen Ausschluss vom Unterricht bzw. beim endgültigen Ausschluss aus der Schule.

(Abg. Zeller SPD: Das ist der Inhalt unseres Ände- rungsantrags! Genau darum geht es!)

Deshalb habe ich bereits bei meiner Rede im Rahmen der Ersten Beratung dieses Gesetzentwurfs gesagt, dass auch wir selbstverständlich der Meinung sind, dass das Jugend

amt bei schlimmen Entwicklungen, die zu einem Unterrichts- oder Schulausschluss führen, mit eingeschaltet werden soll. Es soll a) rechtzeitig und frühzeitig eingeschaltet werden, und es sollen b) bei Schülerinnen und Schülern, die über 18 Jahre alt sind – das muss in § 55 des Schulgesetzes geregelt werden –, auch die Eltern informiert werden können.

(Abg. Zeller SPD: „Können“! Das ist der Punkt!)

Ja, gut. Sie wissen ja, dass es andere Gesetzestexte gibt, die dem entgegenstehen. Dann müssen wir das schon sauber regeln, indem wir nicht bloß § 55 ändern, sondern – da volljährige Schüler als Erwachsene diesbezüglich, im Umgang mit Daten, die ihre Person betreffen, eine gewisse Sicherheit haben – unter Umständen auch Bestimmungen des Datenschutzes.

(Zurufe der Abg. Drexler und Zeller SPD)

Denn das ist auch eine Frage des Datenschutzes.

Meine Damen und Herren, es geht vor allem um eine Straffung von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, und es geht um eine Verkürzung der Zeit bis zum Einsatz dieser Maßnahmen. Denn nach unserer Überzeugung ist es pädagogisch falsch, wenn diese Maßnahmen erst mit einer bestimmten zeitlichen Verzögerung verhängt werden können, wenn deren Ursache zum Teil schon vergessen ist bzw. die Maßnahmen gar versanden, weil ihr Anlass schon so lange zurückliegt, dass man dagegen eigentlich gar nicht mehr vorgehen kann. Die Richtigkeit des Prinzips, dass eine Sanktion ihrem Anlass in engem zeitlichem Abstand folgen muss, ist in diesem Hause, glaube ich, unbestritten.

Auch die von uns zur zeitlichen Verkürzung im Einzelnen vorgesehenen Änderungen in § 90 des Schulgesetzes finden, wie ich Ihnen eben schon vorgelesen habe, bei Direktorenvereinigungen und beim Landesschulbeirat, aber auch bei anderen Lehrerverbänden breite Zustimmung.

Den ersten Punkt – Einbeziehung des Jugendamts bei Hilfsmaßnahmen – habe ich bereits genannt. Ich möchte noch auf zwei weitere Punkte eingehen.

Der Schulausschluss ist natürlich Ultima Ratio, also ein letztes Mittel. Die Schule sollte die Möglichkeit haben, statt zu einem eigentlich fälligen Schulausschluss noch einmal zu einer weniger gravierenden Maßnahme zu greifen, aber unmittelbar mit der Androhung des Ausschlusses aus der Schule, und das soll zeitnah möglich sein. Es kann ja nicht das Ziel sein, möglichst viele Schülerinnen und Schüler aus der Schule auszuschließen, sondern vielmehr, die Schülerinnen und Schüler möglichst davor zu bewahren. Das setzt andererseits aber auch ein entsprechendes Verhalten der Schülerinnen und Schüler voraus.

Wir wollen, dass die Schulen und auch die Schulleiter und Lehrer in diesem Fall eine größere Autorität bekommen sollen. Deshalb wollen wir diese zeitliche Verkürzung.

Drittens: Wie alle anderen Ordnungsmaßnahmen ist auch der Schulausschluss kein Selbstzweck. Er ist eine erzieherische Maßnahme, zielt also auf eine Verhaltensänderung.

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Wenn ein Ausschluss erfolgt, wollen wir, Herr Kollege Wintruff, dass die abgebende mit der aufnehmenden Schule Verhandlungen und Gespräche führt und dass dann auch Vereinbarungen zwischen der aufnehmenden Schule und dem entsprechenden Schüler getroffen werden, um ganz bestimmte Kodizes festzuschreiben. Die Erfahrungen in diesen Fällen sind jedenfalls gut. Allein daran können Sie sehen, dass wir in keiner Weise nur die Schule oder den Schulleiter im Visier oder im Auge haben, wenn wir dieses Gesetz ändern, sondern sehr wohl und gerade auch die Schülerinnen und Schüler.

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rastätter.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, mit welcher Geschwindigkeit Sie diesen Gesetzentwurf durch den Landtag bringen – ich hätte fast gesagt: jagen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Peitschen!)

Sie haben darauf verzichtet, eine ordentliche Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf durchführen zu lassen. Herr Kollege Kleinmann hat ja bereits gesagt: Der Landesschulbeirat, immerhin ein Gremium, das speziell berufen wurde, um die Landesregierung zu beraten, wird erst morgen tagen und wird dann vom Vertreter des Kultusministeriums darüber informiert werden, was heute beschlossen wurde. Der Landesschulbeirat wird nicht mehr die Gelegenheit haben, eine umfangreiche Stellungnahme abzugeben.

(Abg. Zeller SPD: Das ist das Demokratieverständ- nis! – Abg. Heike Dederer GRÜNE: Unmöglich! – Abg. Dr. Caroli SPD: Nicht zu fassen!)

Ähnlich ist es mit anderen Gremien. So habe ich diese Woche zum Beispiel mit dem Landeselternbeirat gesprochen. Die fielen aus allen Wolken, denn sie gingen davon aus, dass sie auch noch einmal ordentlich angehört werden. Denn das, was sie bislang abgegeben haben, war nur eine erste, kurze Stellungnahme, die eigentlich der ordentlichen Anhörung vorausgehen sollte.

(Zuruf der Abg. Christa Vossschulte CDU)