Ja, das wollen Sie nicht, aber die Töne Ihres Nachredners gingen schon manchmal in diese Richtung. Wir müssen einfach sehen, dass sich heutzutage viele von der Kirche abwenden. Das weiß und bedauere ich. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass man dann auf den bekenntnisorientierten Religionsunterricht verzichten sollte.
Weiterhin wichtig ist in der Tat die Erstellung von Lehrplänen. Wenn Sie, Frau Rastätter, jetzt fordern, an den Grundschulen Ethikunterricht einzuführen, wäre mir natürlich auch wichtig, zu wissen, was Sie da vermitteln wollen. Ich habe selber an der Grundschule unterrichtet und weiß, dass beispielsweise Schülerinnen und Schüler sehr viel durch Erzählungen aufnehmen. Wenn man von Abraham erzählt, kommt das Gott-Urvertrauen zum Ausdruck, dass dieser Mann auf ein alleiniges Wort Gottes hin – ziehe aus von Ur in Chaldäa in ein Land, das ich dir zeigen werde – so etwas wagt und deshalb den Kindern diese Identifikationsmöglichkeit gibt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Auch bei Zachäus kommt das wieder zum Ausdruck. Wir müssen dann das Fach Ethik an den Grundschulen so gestalten, dass
Meine Damen und Herren, Kollege Wacker, Frau Lazarus und ich haben uns vorhin besprochen. Wir würden es begrüßen, wenn Sie mit uns einig gingen, Frau Rastätter, den von Ihnen vorgelegten Entschließungsantrag in den Schulausschuss zu überweisen.
Den Fraktionsantrag sowieso. Das ist klar. Aber Sie haben gesagt, Grundlage einer Entscheidung sei der Entschließungsantrag. Im Schulausschuss könnten wir dann in aller Ruhe über die Dinge weiterreden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich greife das von Herrn Kollegen Bayer zitierte Wort von Kardinal Lehmann über die Wege hin zur tragfähigen Mitte auf. Als Sie dieses schöne Zitat hier vorgetragen haben, habe ich spontan gedacht: Wenn man in unsere Landesverfassung schaut oder in die Präambel und die ersten Paragraphen unseres Schulgesetzes, stellt man sehr schnell fest, dass dort mit nahezu gleichen Formulierungen – nicht „tragfähige Mitte“, sondern es ist anders umschrieben – genau das als Kernauftrag, als zentrale Aufgabe öffentlicher Schulen gesehen wird.
In unserem Schulgesetz, in der Landesverfassung und in allem, was grundsätzlich über Schule gesagt wird, kommt ja in Wirklichkeit niemand auf die Idee, zu behaupten, hier gehe es nur um Vermittlung von Wissen oder Fakten. Wenn man sich die Geschichte des Begriffs der Bildung deutlich macht, kommt so richtig in die geistesgeschichtliche Öffentlichkeit – immerhin bei einem Theologen, nämlich bei Meister Eckhart –, dass das, wenn man es in unsere heutige Sprache übersetzt, eine Lebenskunst bedeutet. Wir können, glaube ich, quer durch die Fraktionen – ich will gern noch einmal bestätigen, was Frau Rastätter am Beginn ihrer Rede gesagt hat, was auch für weitere bildungspolitische Debatten wichtig ist – feststellen, dass das schon ein Konsens unter uns ist: Bildung ist mehr als Wissensvermittlung.
Wir reden, wenn wir von Bildung sprechen, auch über Orientierung. Aber dann sollten wir das auch nicht immer nur im Zusammenhang mit einem Fach diskutieren. Die Vermittlung von Orientierung – die Einübung in ethische Grundhaltungen, die Einführung in die wertvollen Grundlagen unseres Gemeinwesens – ist eine generelle Aufgabe von Schule und damit auch die Aufgabe eines jeden Fachs und muss deshalb auch ihren Niederschlag in der Konstruktion und der Struktur der Lehrerbildung finden.
Ich finde, dass es deshalb – obwohl wir die Diskussion schon ein paar Jahre führen – auch immer problematischer wird, dieses Thema mit einem Fach zu verbinden und immer wieder über neue Fächer zu diskutieren, vor allem für die ersten Schuljahre.
Im Blick auf die Lehrerbildung haben wir wichtige Schritte getan, auch solche, die in Ihrem Antrag gefordert werden. Ich darf das auch im Sinne der Information an Sie weitergeben: In der neuen Studienordnung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen wird das Studienfach Ethik ab dem Wintersemester 2003/2004 beim Stufenschwerpunkt Hauptschule vorgesehen. Ich halte es für richtig, dass diejenigen, die ab Klasse 8 an allen unseren Schularten Ethik unterrichten, dies nicht nur auf der Grundlage einer Fortbildung, sondern einer regulären Fakultas tun.
Im Rahmen der bestehenden Studien- und Prüfungsordnung für die Pädagogischen Hochschulen kann schon jetzt eine Erweiterungsprüfung im Fach Ethik abgelegt werden. Es gab also schon einen ersten Schritt. Damit ist das Fach Ethik jetzt endgültig in die neue Studienordnung aufgenommen.
Bei der Prüfungsordnung für die Realschule existiert das Fach Ethik in der Lehrerbildung schon jetzt. In der Fächergruppe 2 kann also kombiniert werden mit Deutsch, Englisch, Französisch oder Mathematik.
Was das Lehramt an Gymnasien angeht, ist mit der wissenschaftlichen Prüfungsordnung, die seit 2001 gilt, auch in diesem Bereich – berufliche Schulen und Gymnasien – die Voraussetzung für eine Fakultas im Fach Ethik geschaffen. Das ist ein Studiengang, der die Fakultas sowohl für Philosophie als auch für Ethik enthält. Damit ist auch die Möglichkeit der Ausbildung in der zweiten Phase, also im Referendariat, verbunden.
Das heißt: Das Fach Ethik ist für einige Schularten mit den aktuell gültigen Studienordnungen und für die Hauptschule mit der ab dem kommenden Semester gültigen Studien- und Prüfungsordnung in den regulären Fächerkanon aufgenommen und hat damit auch eine gleichberechtigte Rolle, und es erfolgt eine qualifizierte Ausbildung. Insofern ist, glaube ich, eines Ihrer Anliegen damit schon erfüllt.
Für die Grundschule diskutieren wir ja derzeit genauso wie für alle anderen Schularten Bildungsstandards. Für mich, die ich diese Diskussion seit einigen Monaten intensiv beobachte und auch selbst daran beteiligt bin, ist es sehr interessant, zu sehen, wie auch seitens der Erziehungswissenschaftler und der Bildungsforschung deutlich gesagt wird: Wenn wir jetzt Bildungsstandards formulieren, dürfen wir nicht einem rein technokratischen Konzept verfallen und nur über Kenntnisse und Fertigkeiten sprechen. Professor Helmut Fend aus Zürich macht darauf aufmerksam. Wir haben uns jetzt für Baden-Württemberg auf eine Beschreibung, ein Verständnis von Bildungsstandards geeinigt, das ganz wesentlich seinen Ansatz aufgreift, dass es auf der Ebene der Bildungsstandards auch um Grundhaltungen geht und damit mit Standards nicht nur formuliert wird, was sich in irgendeiner Weise testen lässt. Ich glaube, nach PISA ist es auch wichtig, dass wir zu Bildungsstandards und damit auch zu Bildungsinhalten kommen, die nicht nur enthalten,
In diesem Zusammenhang wird zum Beispiel für die Grundschule vorgesehen, in den Fächerverbund „Natur und Kultur“ auch Unterrichtseinheiten „Philosophieren mit Kindern“ aufzunehmen. Ich sage Ihnen ganz persönlich: Ich halte überhaupt nichts von einem zusätzlichen Fach in der Grundschule, egal wie es heißt.
Die Zukunft der Grundschule wird vielmehr darin bestehen, dass wir bestimmte so genannte Kernkompetenzen – und die Sprachkompetenz steht im Zentrum – verstärken, sie nicht nur zu einem Fachprinzip machen. Vielmehr werden Deutsch und damit verbundene Sprachkompetenz zu einem Unterrichtsprinzip. Im Übrigen denken wir in den Bildungsstandards und im Bildungsplan, der jetzt entsteht, eben nicht mehr in der Kategorie der Fächer, zumal wir keinen Fachlehrer haben, sondern einen Klassenlehrer, und wir bringen das, was in der Grundschule auf der von Ihnen angesprochenen Ebene wichtig ist, dann in die Einheiten „Philosophieren mit Kindern“.
Ich finde, die Diskussion über zusätzliche Fächer ist ein bisschen eine Diskussion von gestern, und wir sollten uns jetzt eigentlich sehr viel stärker – und dazu haben wir ja dann gegebenenfalls im Schulausschuss auch Möglichkeiten – auf Bildungsinhalte und Kompetenzen der Zukunft ausrichten. Das wird in der Grundschule noch viel weniger als bislang in Fächern geschehen, sondern das muss ein Gesamtkonzept sein, welches eine innere Konsistenz besitzt, und das ist in meinen Augen der Ansatz über das „Philosophieren mit Kindern“.
Nun bin ich mir im Klaren darüber, dass an Schulen, an denen es eine hohe Zahl von Kindern ohne Konfession gibt, eine Reihe organisatorischer Probleme auftreten und aus diesen organisatorischen Problemen heraus – Sie haben ja den klassischen Stadtteil in Freiburg genannt, in dem diese Diskussion auch ernsthaft geführt wird – gesagt wird: Jetzt bietet doch diese Alternative an, dann ist das organisatorische Problem gelöst. Ich möchte Sie aber – auch für die Diskussion im Schulausschuss – bitten, in der fraktionsübergreifenden Verständigung, die wir sicher versuchen werden, die grundsätzliche Entwicklung der Grundschule und vor allem die damit verbundenen curricularen Fragen, Fragen nach Bildungsinhalten und -zielen, von diesen rein organisatorischen Problemen zu trennen. Ich glaube, es wäre eine verkürzte Diskussion, wenn wir jetzt aus rein organisatorischen Gründen in einigen – vor allem großstädtischen – Räumen sozusagen den grundsätzlichen Ansatz, den wir in der Grundschule anstreben, aufgeben würden.
Was die weiterführenden Schulen angeht, ist es bereits gesagt: Ich beziehe mich nicht nur auf die Ressourcen. Natürlich verbieten uns auch die Ressourcen, jetzt mal 600 Lehrerstellen zur Verfügung zu stellen. Ich habe mir ja die Zahlen geben lassen: Was ist nötig, wenn? Ich glaube, man wird in keinem Landtag derzeit ernsthaft darüber sprechen. Deshalb sprechen Sie ja auch von Modellschulen. Modelle richtet man aber nur ein, wenn man vorhat, so etwas irgendwann einmal insgesamt zu machen. Deshalb stelle ich die
grundsätzliche Frage: Wollen wir eigentlich ein Schulkonzept – auch in der Hauptschule, wo wir gerade auch alle möglichen Fächerverbünde auf den Weg gebracht haben – mit einer Weiterentwicklung in der Hauptschule und auch in der Realschule, die mit immer mehr Fächern verbunden ist? Waren wir eigentlich nicht gerade auf dem Weg, das, was Orientierung und Stärkung auch damit verbundener erzieherischer Aufgaben angeht, was ethische Grundhaltungen angeht, sehr viel stärker zu einem integrativen Ansatz zu machen? Ich finde, darüber sollten wir uns dann im Schulausschuss austauschen. Ich bin voll auf der Seite integrativer Ansätze. Ich möchte keine weiteren Schulfächer.
Sehr verehrte Frau Ministerin, Sie machen es sich, glaube ich, ein bisschen zu einfach. Es geht hier nicht um ein weiteres Schulfach, sondern es geht um ein Schulfach, das bereits eingeführt ist, aber erst ab Klasse 8 der allgemein bildenden Schulen und teilweise in der Berufsschule unterrichtet wird.
Es geht also um ein Fach, das es bereits gibt, und die Kritik kommt nicht nur vom Landeselternbeirat, von den Lehrerverbänden, den betroffenen Eltern und ihren Kindern, sondern auch von uns Grünen. Denn wir sagen: Den Schülerinnen und Schülern ab Klasse 1 bis einschließlich Klasse 7 werden zwei Stunden qualifizierter, wertvoller Unterricht vorenthalten.
Ich meine die zwei Stunden, die diejenigen Schülerinnen und Schüler haben, die den Religionsunterricht besuchen, und zwar einen Unterricht, der ihnen hilft, die Welt aus ihrem religiösen Bekenntnis heraus zu verstehen. Aber diese zwei Stunden tun auch allen anderen Schülerinnen und Schülern in diesem Land gut.
Es darf keine Strafe für diejenigen sein, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, dass sie einfach zwei Stunden weniger Unterricht haben.
Und das Zweite: Es gibt, glaube ich, in diesem Hause einen Konsens darüber, dass wir ab Klasse 5 der Hauptschule angesichts der Problemlagen etwas tun müssen. Das ist aus meiner Sicht überhaupt kein organisatorisches Problem, sondern da geht es um Bildung und Wertevermittlung für diese jungen Menschen. Da besteht Konsens; deshalb bin ich auch einverstanden, dass wir das Thema in den Schulausschuss bringen. Ich sehe die Voraussetzungen dafür, dass es uns gelingt – Herr Kleinmann hat es schon angedeutet –, zu Modellversuchen zu kommen. Ich werde dafür werben, dass wir solche Modellversuche auch für die Grundschule durchführen.
Das ist kein Widerspruch zum fächerintegrativen Prinzip. Wenn Sie sagen, dass Sie fächerintegrativ Anteile von „Philosophieren mit Kindern“ in den Grundschullehrplan einbeziehen wollen, halte ich das für einen hervorragenden Ansatz, den ich selbstverständlich unterstütze.
Da ich den Religionsunterricht hochhalte, möchte ich Ihnen noch sagen, dass Sie eine große Chance vertun, wenn Sie Ethik nicht schon ab Klasse 1 als Alternativfach anbieten. Es gibt hier Kooperationsmöglichkeiten mit dem Religionsunterricht. Durch eine enge Kooperation kann den Kindern der Zugang zum Fach Religion eröffnet werden. Das wünschen die Hochschulen; das wünschen die Professoren, die sich mit Werteerziehung befassen. Diese Chance sollten wir auch nutzen.