Austauschschüler können in den USA ab 16 Jahren einen Führerschein machen, der nach ihrer Rückkehr hier genauso gilt. Man muss also sehr aufpassen, wie man argumentiert.
Ich denke, unsere jungen Menschen trauen sich heute viel mehr zu, als wir uns selbst in diesem Alter zugetraut haben. Das Mindestwahlalter wurde einmal von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt. Es ist klar, dass junge Menschen mit 17 Jahren noch formbarer sind als mit 18 Jahren. Deswegen müssen wir uns diesem Thema stellen, aber nicht in einer Hauruckmethode, sondern wir müssen uns Zeit dafür nehmen. Wir müssen uns noch einmal genau informieren. Wir plädieren dafür, dass die Landesregierung sich bei der Bundesratsentscheidung so verhält, dass es eine Öffnungsklausel gibt. Dann können wir weiter zu diesem Thema Überlegungen anstellen.
Eine Anmerkung wollte ich noch zum Herrn Kollegen Scheuermann machen. Das Sicherheitstraining ist eine ganz wichtige Sache. Ich könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel die Versicherungen einen Rabatt geben, wenn jemand ein Sicherheitstraining absolviert hat. Aber zur Verhinderung von Unfällen bei ganz jungen Fahrern dient das gerade nicht. Wer schon einmal ein Sicherheitstraining mitgemacht hat, weiß, dass man da schon eine gewisse Fahrerfahrung braucht und dass das erst sinnvoll ist, wenn die Fahrer schon ein Jahr auf der Straße waren und dann mit dem Sicherheitstraining praktisch einen Fortgeschrittenenkurs machen.
Frau Kollegin Berroth, Sie haben Ihre Ausführungen unter anderem damit begründet, dass der Führerschein sehr teuer sei. Das mag richtig sein. Aber gehen Sie mit mir auch einig, dass Sie bei Ihren eigenen Ausführungen davon ausgehen, dass der Führerschein auch mit 17 Jahren gemacht werden muss, sodass Sie die gleichen Aufwendungen mit 17 Jahren haben wie mit 18 Jahren?
Nein, Herr Kollege Klunzinger. Ich habe bewusst gesagt: Wir müssen das Modell prüfen, schon Fahrerfahrungen mit begleitetem Fahren zu sammeln, bevor man den Führerschein macht. Das ist ein anderes Modell. Das ist das Schweizer Modell. Ich meine, wir sollten uns dieses noch einmal ganz genau anschauen. Dann reden wir noch einmal darüber.
(Abg. Dr. Klunzinger CDU: Ohne Führerschein fahren? Das ist ganz unmöglich! – Abg. Stickelber- ger SPD: Koalitionskrise! – Heiterkeit)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In dieser Debatte werden zwei völlig verschiedene Dinge miteinander vermischt. Das gilt für die heutige Debatte im Parlament, aber auch für die Debatte in der Öffentlichkeit. Es geht zum einen um das begleitete Fahren, zum anderen um die Absenkung des Führerscheinalters auf 17 Jahre. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge, die in einem Vorschlag zusammengefasst werden, nämlich dem begleiteten Fahren ab 17 Jahren.
Über das Thema „Begleitetes Fahren“ zu streiten ist müßig. Es ist völlig unstrittig, dass eine Phase des begleiteten Fahrens, die an den Erwerb des Führerscheins anschließt, eine Restriktion darstellt, zu mehr Sicherheit führen wird und den Führerscheinneulingen ein besseres Einklinken in den Straßenverkehr ermöglichen wird.
Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren, wird aber auch niemand behaupten, dass eine Absenkung des Führerscheinalters um ein Jahr auf 17 Jahre einen Beitrag zu mehr Sicherheit darstellt.
Dieser Vorschlag wird deswegen so kritisch und auch so strittig diskutiert, weil zwei Elemente, die in die entgegengesetzte Richtung weisen, zu einem Vorschlag verkoppelt werden.
Meine Damen und Herren, an den zweiten Teil, nämlich die Absenkung des Führerscheinalters auf 17 Jahre, hängt sich doch die ganze öffentliche Debatte an. Seien wir ehrlich zu uns: Die Sicherheit interessiert uns hier und die Verkehrsexperten. Aber was die „Bild“-Zeitung interessiert, ist nicht begleitetes Fahren, sondern – so ist die Überschrift – der Führerschein ab 17. Dieser Art von „Bild“-Zeitungs-Populismus, meine Damen und Herren, möchte ich jedenfalls nicht erliegen.
(Beifall bei den Grünen und der FDP/DVP – Abg. Blenke CDU: Dem Kollegen Palmer ist jede Art von Populismus fern!)
Das heißt nun, für das zweite Problem, das in der öffentlichen Debatte eigentlich im Mittelpunkt steht, nämlich das Bedürfnis junger Menschen nach mehr Mobilität auch in jüngeren Jahren, müssen wir Angebote schaffen, die ohne Absenkung des Führerscheinalters auskommen. Da appelliere ich an Sie, wenn wir in Zukunft über öffentliche Angebote im Freizeitverkehr, aber auch im Nachtverkehrsbereich diskutieren, die relativ restriktive Haltung, die in BadenWürttemberg lange anzutreffen war und in vielen Gemeinderäten gerade von der konservativen Seite immer noch anzutreffen ist, wobei argumentiert wird, warum öffentliche Mittel dafür eingesetzt werden sollten, Freizeitvergnügen zu subventionieren, zu überdenken und gerade in diesem Bereich mehr Angebote für junge Leute zu schaffen, damit der Druck, schon mit 17 Jahren den Führerschein zu erwerben, abgemildert wird.
Was die Sicherheit angeht, meine Damen und Herren: Warum diskutiert eigentlich niemand die Frage „Begleitetes Fahren ab 18“? Antwort: Weil dann die „Bild“-Zeitung käme mit der Behauptung, den Jugendlichen werde der Führerschein jetzt ein halbes Jahr später gegeben. Das wäre aber unter Sicherheitsgesichtspunkten die optimale Lösung. Daran kann kein Zweifel bestehen.
An dem konkreten Vorschlag der Bundesanstalt für Straßenwesen habe ich so massive Kritik, dass ich nicht guten Gewissens dem Antrag der SPD oder auch diesen Modellversuchen zustimmen kann. Ich will das kurz ausführen. Dieser Vorschlag weicht erheblich von allen erfolgreichen Modellen in anderen Ländern ab, weil er geradezu permissiv jede mögliche Einschränkung vermeidet. Ich nenne Ihnen Beispiele dazu.
Promillegrenze: Es wird abgelehnt, eine verschärfte Promillegrenze für die Begleitphase einzuführen. Meiner Meinung nach kommt das nur in Frage, wenn eine Promillegrenze von 0,0 gilt. Sonst aber auch gar nichts!
Tempolimit auf Autobahnen: Warum muss ich im begleiteten Fahren Tempo 250 ausprobieren dürfen? Dafür gibt es nun wirklich keinen Grund. Für den, der begleitet fährt, muss ein Tempolimit von 130 km/h gelten.
Warum wird eine Kennzeichnung und damit eine mögliche Kontrolle abgelehnt? Da muss eine Kennzeichnung für diejenigen, die begleitet fahren, her. Ohne eine Kennzeichnung ist eine Kontrolle praktisch ausgeschlossen. Das verführt zu einer völlig überzogenen Nutzung dieses Modells.
Ich halte auch die offene Begleiterregelung für problematisch, dass sich nämlich jeder, der das 30. Lebensjahr erreicht hat, als Begleiter anbieten kann. Das halte ich für problematisch.
Wenn jemand ein Jahr lang begleitet fährt – und er kann ja auch null Kilometer begleitet fahren; denn es zwingt ihn ja niemand, zu fahren –, wird ihm seine Probezeit um ein Jahr verkürzt. Das halte ich für falsch.
Die Probezeit muss zu dem Zeitpunkt, ab dem man eigenverantwortlich fährt, beginnen und nicht in der Begleitungsphase.
Der Hauptpunkt ist, wie gesagt, die Kombination des begleiteten Fahrens mit der Absenkung des Mindestalters auf 17 Jahre.
Der vorliegende Vorschlag – ich kann mich mit Ihnen ja nur über den vorliegenden Vorschlag auseinander setzen; ich denke, dass man das anders ausgestalten könnte – lässt also den Verdacht aufkommen, dass die Sicherheit eher leidet, statt zu wachsen, und aus diesem Grund kann ich den vorliegenden Vorschlag nicht unterstützen.
Ich möchte aber noch auf einen Gedanken aufmerksam machen, der in Debatten zu diesem Thema immer viel zu kurz kommt: Die Vorschrift, die das Mindestalter für den Erwerb des Führerscheins auf 18 Jahre festsetzt, hat natürlich nicht nur einen Schutzgedanken gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern, nämlich den Schutz vor Unfällen, bei denen ein Führerscheinneuling der Verursacher ist, sondern auch einen Schutzgedanken gegenüber dem jungen Menschen selbst. Denn wenn man jungen Menschen zu früh Verantwortung aufhalst, überfordert man sie vielleicht auch. Die Frage, ob man einem 17-Jährigen diese Verantwortung schon zumuten soll – und es wird unweigerlich passieren, dass es auch mit Begleitung im Fahrzeug zu einem schweren Unfall kommt; das ist nicht zu vermeiden; das wird so sein – und auflasten soll, möchte ich auch noch aufwerfen.
Ich fasse zusammen: Wenn man einen solchen Modellversuch macht, dann bitte ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit und nicht unter dem Gesichtspunkt des „Bild“-Zeitungs-Populismus. Deswegen kann der vorliegende Vorschlag keine Zustimmung finden.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Dieses Thema „Begleitetes Fahren mit 17“ ist so sehr aus dem Leben gegriffen, dass die politischen Lager schon durcheinander kommen.
Das gilt offensichtlich hier im Haus, das gilt auf Bundesebene, und das gilt selbst innerhalb der einzelnen Parteien. Ich werde Ihnen das vielleicht noch schildern.
Zunächst will ich ganz formal sagen, was wir am Freitag tun werden. Denn die Aktualität der Debatte ergibt sich aus der Bundesratsabstimmung. Deswegen lautet jetzt ganz einfach die Frage: Wie wird die Landesregierung im Bundesrat abstimmen? Das haben wir im Kabinett entschieden. Wir werden uns aus Respekt vor der abweichenden Auffassung anderer Bundesländer der Stimme enthalten, wohl wissend, dass dies wie eine Neinstimme wirkt, und wir werden mit Sicherheit in Baden-Württemberg von der theoretischen Möglichkeit – wenn es denn dafür eine Mehrheit gäbe – eines solchen Experiments nicht Gebrauch machen. Das zunächst einmal zum Ergebnis. Damit ist die Position der Landesregierung, die in all ihren Bestandteilen, die ich gerade vorgetragen habe, einstimmig formuliert worden ist, unzweideutig, und alle in den letzten Wochen aufgetretenen Irritationen sind damit beendet.
Aus der Debatte möchte ich im Moment nur eines herausgreifen, Frau Kollegin Berroth: Ich glaube, in einem sollten wir uns einig sein: Eine Laienausbildung im Straßenverkehr – die haben wir 1986 abgeschafft – sollten wir nicht wieder einführen. Also: Wenn einer auf der Straße unterwegs ist, dann entweder mit einem Fahrlehrer oder einem Führerschein, aber bitte nicht mit einem Laien. Ich glaube, darüber sollten wir uns einig sein.
Nun zum Thema: Das Argument der Sicherheit muss der entscheidende Gesichtspunkt sein. Es gibt genügend Gründe, um etwas gegenüber Führerscheinanfängern zu machen. Es gibt typische jugendbezogene Gefährdungen im Straßenverkehr: die erhöhte Risikobereitschaft, die auch etwas mit dem Lebensalter zu tun hat, die geringe Fahrerfahrung und, ich nenne es mal so, jugendtypische Formen der Mobilität, was immer man darunter verstehen kann. Dazu gehört zum Beispiel auch der Alkohol.
Insofern ist jede Maßnahme, die die Sicherheit junger Leute im Straßenverkehr verbessert, dringend notwendig. Die Unfallzahlen sind wirklich sehr hoch, und die Unfälle sind oft außerordentlich schwer.
Daraus will ich einen ganz einfachen Gedanken ableiten: Dieses Thema eignet sich nicht für Experimente, und das „Begleitete Fahren“ wäre ein Experiment. Ich will Ihnen das gleich schildern. Wenn Konrad Adenauer mit seinem Slogan aus den Fünfzigerjahren „Keine Experimente“ je Recht gehabt haben sollte, dann in dieser Frage.
Ich sage ja, heute kommen alle politischen Lager durcheinander. Aber die CDU kann immer noch Adenauer zitieren. Da spricht nichts dagegen.