Protokoll der Sitzung vom 18.12.2003

Bitte sehr, Herr Abg. Knapp.

Herr Abg. Hauk, können Sie grob skizzieren, was unter dem Einspeisegesetz der Regierung Kohl von 1991 bis Ende 1998 an Neubau von Anlagen zur Nutzung regenerativer Energien erfolgte und was ab 1999 unter dem Erneuerbare-Energien-Gesetz der rot-grünen Regierung innerhalb von drei Jahren erfolgte?

Herr Kollege Knapp, es geht um die Frage – da werden Sie mir zustimmen –: Wohin werden Subventionen gelenkt, und in welchem Umfang geschieht dies?

(Abg. Fleischer CDU: Das alles ist viel zu teuer!)

Jetzt, glaube ich, sind wir uns doch in einem einig.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Nicht ausweichen!)

Sie korrigieren die Förderung doch in Teilen jetzt selber – zu Recht. Es ist eine, wie ich meine, noch nicht ausreichende Korrektur.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie weichen aus! Das war doch eine einfache Frage! Geben Sie doch eine einfache Antwort!)

Aber immerhin: Sie korrigieren zu Recht die Einspeisevergütungen, weil die Subventionen ein Stück weit fehlgeleitet sind. Das ist doch gar kein Thema.

Aber klar ist doch auch, dass bereits in den Vorjahren im Bereich der Biomasse und vor allem auch im Bereich der Kleinen Wasserkraft

(Abg. Teßmer SPD: Das ist doch keine Antwort! Das hat er doch gar nicht gefragt!)

natürlich! – entsprechende Renovierungen erfolgt sind und Ersatzbauten etc. geschaffen wurden. Das Neue war, dass Wind- und Photovoltaikanlagen in einem solchen Umfang gefördert worden sind, dass es auch flächenhaft sichtbar geworden ist. Schauen Sie sich einmal die Zahlen an. Diese nehmen sich ja nach wie vor noch höchst bescheiden aus – zwar nicht, wenn Sie die installierte Leistung betrachten, weil die installierte Leistung der Stromerzeugung durch Windenergieanlagen jetzt bei 1 oder 2 % liegt, aber wenn Sie auch die Produktivität dieser installierten Leistung berücksichtigen. Denn dann liegt der Anteil bei weit unter 1 %. Und da reden Sie von einem großartigen Zubau! Das verstehe, wer will.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Flei- scher CDU: So ist es! – Abg. Dr. Witzel GRÜNE: In Baden-Württemberg, weil Sie das blockieren!)

Das Wort erhält Herr Abg. Hofer.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Herr Hofer, Sie wis- sen das hoffentlich besser! – Abg. Knapp SPD: Herr Hofer, sagen Sie etwas zur Subvention! – Abg. Fleischer CDU: Jetzt klatschen wir wieder!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich Herrn Kollegen Hauk schon Recht geben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Was?)

Der Antrag der SPD, die Begründung und auch die Art, wie Sie darüber diskutieren, zeugt schon von einer ganz schlichten Denkweise von Rot-Grün: „Wir haben für den Atomausstieg gesorgt; sorgt ihr nun dafür, dass daraus keine Nachteile entstehen, weder für die Energieversorgung noch

für die Umwelt, noch für die Standorte der stillzulegenden Kernkraftwerke.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Flei- scher CDU: Sehr richtig!)

Entwickelt nun entsprechende Konzepte. Das ist eure Aufgabe.“

Entsprechend dieser Einstellung gibt es auch keinerlei Konversionspläne oder Strategiegespräche der Bundesregierung zur Bewertung der Strukturfolgen des Atomausstiegs. Wir erlauben uns, dieses dennoch mit aller Freundlichkeit untertänigst von der Bundesregierung anzufordern.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hauk CDU)

Bei allem verständlichen Ärger der Betroffenen bleibt uns in der Tat nicht viel anderes übrig, als die negativen Auswirkungen dieser energiepolitischen Grundentscheidung der Bundesregierung für unser Land, so gut es geht, zu mindern. Das ist selbstverständlich unsere Aufgabe. Zu der stehen wir auch. Diese Auswirkungen gänzlich zu vermeiden kann keiner Konzeption gelingen.

Der Landesregierung liegt ein unter der Federführung von Herrn Professor Voß von der Universität Stuttgart erstelltes Energiegutachten vor. In diesem Gutachten kann man feststellen: Selbst bei vollständiger Ausschöpfung aller Energieeinsparpotenziale – alle Blütenträume gehen in Erfüllung – und aller Potenziale der erneuerbaren Energien einschließlich einer Substitution der Kernkraftwerke durch modernste Erdgas- und Dampfturbinenkraftwerke mit geringem CO2-Ausstoß wird der CO2-Ausstoß weiter steigen: bei Obrigheim um 1 Million Tonnen und, wenn Neckarwestheim stillgelegt wird, immer noch um weitere 2 Millionen Tonnen.

Wir haben das bei einem Energiesymposium des LVI in der vergangenen Woche bestätigt bekommen. Sie, Herr Witzel, haben dies, weil Sie eine ehrliche Haut sind, auch eingeräumt,

(Abg. Wieser CDU: Und gescheit ist er auch!)

allerdings mit dem Hinweis, dass dies nur vorübergehend der Fall sein werde.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Das ist das Entschei- dende!)

Meine Damen und Herren, man kann Konzepte schaffen für und gegen alles, notfalls auch gegen Energieversorgungsriesen, aber nicht gegen Adam Riese. Das geht nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! Strompreise! Da muss man schon studiert haben, um darauf zu kommen!)

Die ausfallenden Strommengen einfach zu importieren geht ebenfalls nicht. Die Erfahrungen der Jahrhunderthitze zeigen dies: Blackouts in verschiedenen Ländern, zuletzt in Italien. Atomstrom zu importieren wäre in der Tat widersinnig. Fehlende Versorgungssicherheit, Transportverluste und zu geringer Ausbauzustand der Netze kommen hinzu.

Euphorie ist ebenfalls fehl am Platze – das muss man ehrlich sagen –, wenn es darum geht, eine Umnutzung des Standorts Obrigheim ins Auge zu fassen. Die Stilllegung wird – da beißt die Maus keinen Faden ab – zu Strukturproblemen für die Region und vor allem für Obrigheim führen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Fleischer CDU: So ist es! – Abg. Wieser CDU: Und daran ist die SPD schuld!)

Sie von Rot-Grün werden nicht umhinkönnen, dieses ehrlicherweise vor Ort auch Ihren Genossen und Freunden zu sagen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Wieser CDU: Und den Arbeitern!)

Natürlich ist es Aufgabe des Landes, jetzt, so gut es geht, zu helfen. Das machen wir in allen strukturschwachen Räumen, und wir machen das auch, wie überall, so, dass vernünftigerweise mit allen regionalen Akteuren – ich vermeide es jetzt, diese alle aufzuzählen – ein entsprechendes Entwicklungskonzept erarbeitet wird. Dann werden alle regionalen Akteure und insbesondere das Wirtschaftsministerium gemeinsam sehen müssen, wie man alle möglichen Förderprogramme, die vorhanden sind, dafür zentriert einsetzt. Das tun wir in vielen anderen strukturschwachen Räumen und ebenso in Obrigheim, und in diese Richtung geht unser Antrag. Wir werden uns zum Schluss vorweihnachtlich einig sein, und wenn diesem Antrag dann alle zustimmen, dann werden wir das auch so machen.

Es gibt bereits einen entsprechenden Arbeitskreis in Obrigheim unter Vorsitz des dortigen Bürgermeisters. Der wird von uns begleitet, und wir werden unsere Pflicht tun – im Gegensatz zur Bundesregierung bei dem, was wir von ihr verlangen.

(Abg. Capezzuto SPD: Oh!)

Letzter Punkt: Interessant ist, dass sich der Rückbau von Obrigheim über Jahrzehnte hinziehen wird; Sie haben das gesagt. Wenn es mit dem Nasslager nicht vorher gelingt, dann wird es bis zum Jahr 2042 dauern. 200 der 350 hoch qualifizierten Mitarbeiter werden weiter über Jahrzehnte hinweg beschäftigt sein; für den Rückbau kommen neue dazu. Also, arbeitsmarktpolitisch einigermaßen beruhigend: Es gibt mehr Mitarbeiter als vorher. Das ändert jedoch nichts daran – ich komme zum Schluss –, dass das Gewerbesteueraufkommen für Obrigheim

(Abg. Wieser CDU: Zusammenbricht!)

dramatisch sinken wird. Und da können Sie umwandeln, wie Sie wollen: Das, was sie hatten, bekommen sie nicht mehr. Wir werden versuchen, so gut es geht, umzuwandeln. Aber um eine gewisse Ehrlichkeit – sich vor Ort hinzustellen und zu sagen: „Das ist die Kehrseite der Medaille“ – werden Sie nicht herumkommen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Der Rückbau der Kernkraftwerke in Deutschland – letzter Satz – wird eine gigantische Arbeit werden. Deutschland

wird in den kommenden Jahren zur weltweit größten Abbruchbaustelle. Zweistellige Milliardenbeträge werden eingesetzt werden, bis aller Betonmüll zerhackt und alle Stahlteile blank gefräst und entsorgt sind. Dies mag zwar gut für das Bruttosozialprodukt sein, ist aber volkswirtschaftlich ebenso unsinnig wie die enorme Verschwendung,

(Abg. Wieser CDU: Wo bleibt der Cashflow?)

die darin besteht, Kraftwerke, die umweltfreundlich und sicher weiterzubetreiben sind, einfach stillzulegen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Capezzuto SPD: Oje, das haben wir in Tschernobyl gemerkt! Haben Sie die Bilder von den Kindern in Tschernobyl vergessen, Herr Ho- fer? – Gegenruf von der CDU – Abg. Wieser CDU: Die Palermo-Connection! – Unruhe)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Witzel.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Wenn das Kernkraftwerk Obrigheim im Jahr 2005 vom Netz geht,...