Protokoll der Sitzung vom 31.03.2004

und überhaupt noch unseren Rechtsstaatsgrundsätzen entsprechen.

(Beifall bei der FDP/DVP und den Grünen sowie Abgeordneten der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Ja, natürlich!)

Wir wollen, dass ausländische Terroristen ausgewiesen werden, wenn belegt werden kann, dass sie einer terroristischen Vereinigung angehören. Wir sind aber dagegen, dass jemand ausgewiesen werden kann, bei dem das nicht belegt werden kann.

(Abg. Wieser CDU: Wer hat das denn gefordert, Herr Kollege?)

Das heißt, dass es nicht ausreichen kann, einfach jemanden zu verdächtigen, einfach jemanden zu denunzieren. Da würden wir zurückfallen in einen Zustand der Hexenprozesse, meine Damen und Herren, wo jemand im Grunde genommen einfach denunziert und danach abgeschoben wird.

(Beifall bei der FDP/DVP, der SPD und den Grü- nen – Widerspruch bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Machen Sie eine Phantomdiskussion?)

Ich denke, dass Sie hier schon einmal die Frage beantworten müssen, wie Sie belegen wollen, ob solche Ausweisungsgründe vorliegen oder nicht. Nur auf Verdacht, meine Damen und Herren – da sind wir uns sicherlich einig –, ohne gerichtliche Überprüfung kann eine Ausweisung nicht erfolgen.

(Beifall bei der FDP/DVP und den Grünen – Abg. Wieser CDU: Das ist doch selbstverständlich! – Abg. Pfister FDP/DVP: Da sind wir ja einig!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen heute eine Aktuelle Debatte und müssen uns vonseiten der CDU die alten Reden anhören. Diese Reden könnten genauso gut direkt nach dem 11. September 2001 gehalten worden sein. Sie holen alte Klamotten wieder heraus.

(Abg. Pauli CDU: Aktuelle Klamotten! Aktuelle Mode!)

Die waren damals schon veraltet und sind es auch heute noch. Das werde ich Ihnen auch belegen. Alles alte Klamotten, olle Kamellen!

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Wenn man sich die Zuwanderungsdebatte anschaut und die sich jetzt über Jahre hinziehenden Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz, muss man sagen: Sie starten immer wieder neue Manöver, um den Abschluss der Verhandlungen auf die lange Bank zu schieben. So auch jetzt. Vor acht Wochen saßen wir hier im Plenum zusammen und haben über den Stand des Zuwanderungsgesetzes geredet. Die Verhandlungen standen damals kurz vor dem Abschluss.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das war leider vor Ma- drid!)

Jetzt kommen Sie wieder, machen noch einmal ein neues Fass auf, packen noch einmal obendrauf und sagen: Ohne neue Maßnahmen im Sicherheitsbereich ist das Zuwanderungsgesetz nicht zu haben.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sie haben die Augen vor Madrid verschlossen!)

Sie rühren da Probleme zusammen, die nicht zusammengehören. Man muss über das eine reden, und das andere ist eine ganz andere Geschichte. Das Zuwanderungsgesetz ist das eine, und die Sicherheitspolitik ist das andere.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Alfred Haas CDU: Von wegen!)

Wir sind alle gemeinsam über die Anschläge in Madrid entsetzt. Wir wissen, dass diese die Bevölkerung zu Recht aufrühren. Wir müssen darüber reden, wie geeignete und effiziente Maßnahmen, die die Sicherheit erhöhen, aussehen

können. Aber man darf nicht mit den Emotionen und Ängsten der Menschen politisch spielen, und das tun Sie.

(Beifall bei den Grünen)

Damit wären wir bei dem Thema Ideologie. Sie nennen die heutige Aktuelle Debatte ja „Sicherheit vor Ideologie“. Ich sage: Ideologisch verhält sich, wer die Fragen der Zuwanderung immer nur aus der Optik der Gefahr und der Belastung diskutiert. Da muss man sich nicht wundern, dass dabei nichts anderes herauskommt als die Messlatte: Je weniger Ausländer im Land, desto besser ist es für uns.

(Abg. Alfred Haas CDU: Es geht um Terroristen!)

Das aber wird den Realitäten in unserem Land nicht gerecht, und es wird noch viel weniger den Erfordernissen der Zukunft gerecht. Das ist Vogel-Strauß-Politik.

Wir brauchen endlich eine Reform der Zuwanderung, weil wir Realitätssinn vor Ideologie brauchen. Das ist gefragt. Ich will das noch einmal kurz umreißen anhand der drei Bereiche, die im Zuwanderungsgesetz geregelt sind.

Wir brauchen erstens eine gesteuerte, kontinuierliche und planbare Zuwanderung von besonders qualifizierten Menschen.

(Abg. Wieser CDU: Das ist doch völlig unbestrit- ten!)

Das fordert die Wirtschaft seit Jahren. Das ist nötig für die sozialen Sicherungssysteme, die darauf vertrauen und darauf aufbauen. Das brauchen Wissenschaft, Forschung und Lehre dringend, weil sie ohne diesen Input schon lange nicht mehr denkbar sind.

(Abg. Wieser CDU: Völlig unbestritten!)

Wir verlieren den Anschluss an moderne, innovative und weltoffene Staaten, wenn wir uns nicht für einen geregelten Zustrom von Menschen entscheiden.

(Abg. Wieser CDU: Sie rennen offene Türen ein!)

Schauen Sie sich einmal an, was bei den Verhandlungen zur Arbeitsmigration herausgekommen ist. Sie haben in der Substanz alles rausverhandelt. Wir haben im Bereich der Arbeitsmigration fast keine Fortschritte mehr. Sie haben sich stur gestellt, und es wird weitgehend alles so bleiben, wie es ist.

Zum zweiten Thema: Integration. Auch da müssen Blockaden aufgebrochen werden. Wir wollten ursprünglich eine gemeinsame Kraftanstrengung nach dem Prinzip „Fordern und fördern“. Wir wollten allen Zuwanderern Rechtsanspruch und Verpflichtung geben, wenn sie hier ankommen, einen Integrations- und Deutschkurs zu machen, damit sie einen schnellen Start in Deutschland haben. Was ist bei den Verhandlungen herausgekommen? Irgendwann wurde es konkret, und es ging ums Geld. Dann kippt die CDU auf einmal den Rechtsanspruch auf Integration. Die Bundesländer sagen: „Zahlen wollen wir nicht.“ Die Kommunen können nicht zahlen, und der Bund steht auf einmal alleine da. Übrig bleibt in den Verhandlungen eine Integrationspolitik nach Kassenlage.

Das ist ein Torso. Wenn diese Integrationsmaßnahmen nur noch mit Sanktionen und Strafen verbunden werden, dann kommen wir keinen Schritt voran. Wir müssen trotz unserer schwierigen Kassenlage weiterhin daran arbeiten, Angebote zu machen, die nicht abgelehnt werden können.

(Beifall bei den Grünen)

Wir können nicht Strafen androhen, wenn wir keine Angebote machen.

Der dritte ist der humanitäre Bereich. Da haben wir einen noch dringenderen Handlungsbedarf. Denn seit Jahren sitzen Menschen in Deutschland auf ihren Koffern, weil sie keine Aufenthaltsperspektive haben und weil ihnen keine planbare Zukunft geboten wird. Ihre Kinder sind hier geboren, gehen hier zur Schule und sind oft voll integriert. Hier besteht dringender Bedarf an einer Härtefallregelung. Wir brauchen Altfallregelungen. Zum Glück hat der Petitionsausschuss dieses Landtags auch signalisiert, dass er darauf wartet, dass hier endlich ein Schritt nach vorne getan wird, und hat für mehrere Hundert Fälle im Land, die von Abschiebung bedroht sind, eine Auszeit verlangt, damit man zu einer humanitären Lösung kommen kann. Das werte ich als ein sehr gutes Signal.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Das hat das Innen- ministerium signalisiert!)

Auch einige andere Verhandlungserfolge sind erreicht worden. Ich freue mich besonders darüber, dass es bei der CDU ein Einsehen beim Thema Familiennachzug gibt. Kinder dürfen auch künftig bis zu einem Alter von 16 Jahren nachziehen. Ich freue mich sehr über die Bewegung, die es bei Ihnen gegeben hat, denn ich erinnere mich gut daran, dass sich Herr Teufel einmal mit der Forderung aus dem Fenster gelehnt hat, die Möglichkeit zum Familiennachzug auf ein Alter von maximal drei Jahren zu begrenzen.

Fortschritte gab es auch in der Frage der nichtstaatlichen Verfolgung, etwa durch religiöse Fanatiker oder Drogenkartelle.

Auch hier wundert es mich sehr, an welcher Stelle sich die CDU nach wie vor stur stellt. Nach wie vor wollen Sie geschlechtsspezifische Verfolgung nicht als eigenständiges Merkmal anerkennen. Ich kann nicht verstehen, wie man in dieser Zeit Genitalverstümmelung oder Verstöße gegen die Kleiderordnung der Taliban nicht als Fluchtgrund anerkennen kann. Das kann nicht Ihr letztes Wort gewesen sein.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP)

Selbst wenn das Zuwanderungsrecht nur ein kleiner Schritt nach vorne sein wird, könnte es ein Anfang sein. Ich appelliere an Sie: Blockieren Sie nicht länger! Trennen Sie Zuwanderungsdebatte und Sicherheitsdebatte! Dann kommen wir voran.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Stickelberger SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Innenminister Dr. Thomas Schäuble.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin Mitglied der Arbeitsgruppe, die der Vermittlungsausschuss eingesetzt hat, um eine Lösung für das Zuwanderungsgesetz vorzubereiten. Deshalb kann ich gern über den gegenwärtigen Stand – heute, 31. März – berichten, wobei Sie sicherlich wissen, dass morgen die nächste Sitzung stattfinden wird. Man wird sehen, wie weit wir morgen kommen werden.

Ich muss an die Adresse von Frau Kollegin Utzt zunächst sagen: Wenn wir innerhalb dieser Arbeitsgruppe Zuwanderung, der Mitglieder der Union, der SPD, der Grünen und der FDP angehören, nicht sehr sachlich und konstruktiv miteinander umgehen würden, dann wäre diese Arbeitsgruppe schon längst tot und wären die Gespräche gescheitert.

Vor diesem Hintergrund will ich erneut auf etwas zurückkommen, was ich auch schon beim ersten Tagesordnungspunkt gesagt habe: Leider zeichnet sich die Opposition im Landtag, die SPD nicht durch die gleiche Sachlichkeit aus.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Stickel- berger SPD: Jetzt aber! – Abg. Junginger SPD: Meinen Sie Herrn Pauli?)

Ich halte es nicht für zielführend, Herr Kollege Junginger, wenn auf der einen Seite der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion