Protokoll der Sitzung vom 01.07.2004

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Witzel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst eine kurze Bemerkung zu Frau Fauser: Es ist nicht richtig, dass wir jetzt erst aktuell die Geothermie entdeckt hätten. Bereits im ersten EEG hat RotGrün die Vergütung für Strom aus Geothermie vorgesehen. Es liegen auch Landtagsinitiativen von uns vor. Ich darf auf die Initiative unserer Fraktion in der letzten Legislaturperiode, Drucksache 12/5442, hinweisen. Das heißt, wir beschäftigen uns schon länger mit Geothermie.

Zum Zweiten: Es liegen jetzt ein Änderungsantrag und auch ein Antrag von uns vor. Ich möchte dazu Folgendes sagen: Dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP hätten wir in der ursprünglichen Form nicht zustimmen können. Jetzt ist die Formulierung geändert worden in „sich in geeigneter Weise einzubringen“. Das ist eine Formulierung – das möchte ich hier zu Protokoll geben –, der wir zustimmen werden, weil das für uns auch eine finanzielle Beteiligung des Landes einschließt. Das heißt, diese Option wollen wir offen halten, und in diesem Sinne können wir diesem gemeinsamen Antrag zustimmen. Ich bitte andererseits darum, den Antrag unserer Fraktion an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen, damit wir über diesen Antrag dann bei der Beratung im Wirtschaftsausschuss im Herbst, wenn der Abschlussbericht vorliegt, konkret debattieren können.

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Doch, Knapp will auch noch etwas sagen! Knapp, bitte!)

Entschuldigung, Herr Abg. Knapp, bitte sehr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe vorhin gesagt, wir würden unsere Anträge zurückziehen. Ich möchte das dahin gehend modifizieren, dass wir – wie das die Grünen mit ihrem Antrag auch wollen – die Anträge an den Wirtschaftsausschuss überwiesen haben wollen, um sie dann dort, wenn die Untersuchungsergebnisse vorliegen, diskutieren zu können.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen

Behandlung der Anträge. Nachdem alle Fraktionen signalisiert haben, dass sie dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/3333, mit der von der SPD eingebrachten Änderung zustimmen werden, stelle ich diesen Antrag zur Abstimmung. Ich lese noch einmal vor, wie der zweite Satz in Ziffer 2 lauten muss:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich bei der Bundesregierung und den weiteren Projektträgern für eine Fortsetzung der Arbeiten in Bad Urach einzusetzen und sich in geeigneter Weise einzubringen, damit das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden kann.

(Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Wer dem Antrag mit dieser Änderung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Die Anträge der Fraktion der SPD, Drucksachen 13/2315 und 13/3227, werden an den Wirtschaftsausschuss überwiesen, ebenso der Antrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 13/3186. Sie stimmen dem zu? – Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Innenministeriums – Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen – Drucksache 13/2326

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kurz.

(Abg. Stickelberger SPD: Kurz und bündig!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Wir wollten mit diesem Antrag erreichen, dass die Regierung über das, was im Bereich der Privatisierung in der ersten Hälfte der Legislaturperiode geleistet wurde, eine Art Bilanz erstellt. Ich glaube, dass diese Bilanz ganz hervorragend ausgefallen ist. Die Regierung ist mit der Privatisierung auf dem richtigen Weg. Ich empfehle jeder Kollegin und jedem Kollegen, diese 25 Seiten der Stellungnahme der Regierung einmal durchzulesen. Hier wird deutlich sichtbar, dass sich die Regierung mit großer Intensität darum bemüht, die Privatisierung in unserem Land voranzubringen. Daher möchte ich, weil dies im Einzelnen ausgeführt wurde und auch alle Sektoren, in denen sich etwas getan hat, aufgelistet sind, nur ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen.

In dieser Stellungnahme wird sehr feinsinnig auch herausgearbeitet, dass es zwischen einer formellen, also organisationsmäßigen, und einer materiellen, also aufgabenmäßigen, Privatisierung zu unterscheiden gilt. Unter den Begriff „formelle Privatisierung“ fallen die hoheitlichen Aufgaben, die grundsätzlich in der Verantwortung des Staates verbleiben.

In diesem Sektor werden Private lediglich zur Erfüllung der Aufgaben herangezogen und zu diesem Zweck auch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Dies setzt allerdings eine gesetzliche Grundlage voraus.

Wir beobachten in den letzten 15 Jahren europaweit eine stärkere Tendenz zur Privatisierung staatlicher Aufgaben. Dies wird sehr unterschiedlich begründet. Auch wir hier in Baden-Württemberg, insbesondere die Landesregierung, aber auch der Landtag, bemühen uns, neue Formen einer effizienten Zusammenarbeit mit den Privaten bei der Bewältigung der staatlichen Aufgaben zu finden.

Es geht wirklich darum, bürgerfreundliche und moderne Instrumente zu schaffen, um die Sicherung der Daseinsvorsorge genügend zu stärken.

In der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode – das habe ich bereits erwähnt – brachte die Landesregierung die Privatisierung kräftig voran. In einer Zeit des Umbruchs und der finanziellen Engpässe bleibt die Besinnung auf wirkungsvolle Maßnahmen im Bereich der Privatisierung einer der Königswege, um die Leistungsfähigkeit staatlichen Handelns zu erhalten.

Auch das gestern verabschiedete Gesetz zur Verwaltungsreform wird vom Prinzip der Subsidiarität getragen. Aufgabenabbau ist ein wichtiger Teil dieses Gesetzes. Auch hiermit ist eine umfassende Aufgabenkritik zu verbinden, die Chancen für eine weitgehende Übertragung von Aufgaben und deren Erfüllung auf Private ermöglicht.

Eine wirkungsvolle Privatisierungspolitik ist Teil einer effizienten Arbeitsteilung zwischen Staat und Wirtschaft. Sie bedeutet gleichzeitig einerseits eine permanente Aufgabenkritik des Staates und seiner Organe und auf der anderen Seite natürlich auch die Bereitschaft zur Neuausrichtung und Neustrukturierung. Wettbewerbsfähige Arbeitsplätze erfordern Unternehmen, die den Herausforderungen flexibler nationaler und internationaler Märkte gewachsen sind. Flexibilität, Marktorientierung und die Bereitstellung von Eigenkapital sind dafür von zentraler Bedeutung.

(Beifall des Abg. Rech CDU)

Diesen Anforderungen können privatwirtschaftlich tätige Unternehmen besser gerecht werden als staatliche Institutionen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

In diesem Zusammenhang sind Ausgründungen von Aufgaben aus Behördenstrukturen in eine privatwirtschaftliche Organisationsform immer etwas kritisch zu hinterfragen. Solche Ausgründungen haben nur dann eine Berechtigung, wenn der freie Markt keine effizientere und kostensparendere Lösung zulässt.

Nach der Gesetzesbegründung zu § 3 des Mittelstandsförderungsgesetzes vom 19. Dezember 2000 soll die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand im Land Baden-Württemberg eingegrenzt werden. Zur Förderung wirtschaftlicher Dynamik, zur Erweiterung wirtschaftlicher Freiräume und im Interesse eines schlanken Staates sollten

Land und Kommunen nur dort wirtschaftlich tätig werden, wo sie im Vergleich zur privaten Leistungserbringung auch wirklich Effizienzvorteile nachweisen können.

Das Land ist mit seinen Privatisierungsbemühungen weitgehend auf dem richtigen Weg. Dies habe ich ausgeführt. Leider kann dies nicht immer von allen Städten und Gemeinden so klar gesagt werden. Da werden, teilweise mit großem Einfallsreichtum und von neuartigem Unternehmertum beseelt, vielerorts die wirtschaftlichen Aktivitäten noch ausgeweitet. Kommunen treten außerhalb ihrer eigentlichen daseinsvorsorgenden Aufgaben auf dem im Allgemeinen vom Wettbewerb dominierten Markt als Hersteller oder Anbieter von Gütern und Dienstleistungen in Bereichen auf, in denen bisher nur Private anzutreffen waren. Ich habe eine ganze Menge Beispiele hierfür gesammelt.

Mit dieser zunehmenden wirtschaftlichen Betätigung begeben sich die Kommunen und ihre rechtlich unselbstständigen Eigenbetriebe in direkte Konkurrenz zu privaten Wettbewerbern. Solche Entwicklungen müssen wir im Auge behalten. Scheinprivatisierungen führen zu einem verzerrten Wettbewerb und verdrängen Aufträge, Umsätze und letztlich auch Arbeitsplätze und auch Ausbildungsplätze aus dem mittelständischen Bereich.

(Beifall des Abg. Rech CDU)

Kommunale Betriebe können die vielfältigen Vorteile der hinter ihnen stehenden Kommune nutzen und sich gegen negative Sanktionen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs absichern. Dies können kleine Unternehmen nicht.

Im Rahmen der Novellierung der baden-württembergischen Gemeindeordnung wurde in § 102 für kommunale Aufgaben außerhalb der Daseinsvorsorge in Anlehnung an das Mittelstandsförderungsgesetz eine so genannte einfache Subsidiaritätsklausel eingeführt.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Sehr gut!)

Durch diese Subsidiaritätsklausel versprachen sich die öffentliche Hand, aber auch wir – ich erinnere mich noch an die Diskussionen im Landtag – und vor allem die mittelständische Wirtschaft Rechtssicherheit. Diese Hoffnung zerschlug sich durch die neueste Zivilrechtsprechung. Nach Auffassung der Gerichte ist ein Anspruch eines Wettbewerbers auf Unterlassung nach § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb bei Verstoß der Kommune gegen § 102 der Gemeindeordnung nicht gegeben, da § 102 Abs. 1 Nr. 3 der Gemeindeordnung keine drittschützende Wirkung zukomme.

Sehr viel deutlicher formulierte der BGH in seiner Revisionsentscheidung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts München am 25. April 2002:

Die Gemeindeordnung ist nicht dazu da, die guten Sitten im Wettbewerb zu schützen. Ein Verstoß gegen die Gemeindeordnung ist zwar gesetzeswidrig, aber, wenn nicht noch weitere Gründe hinzukommen, noch nicht wettbewerbswidrig.

Damit ist die wirtschaftspolitische und, wie ich meine, auch die gesellschaftspolitische Frage, ob sich die öffentliche

Hand überhaupt erwerbswirtschaftlich betätigen soll und darf und welche Grenzen ihr insoweit gesetzt werden, wieder neu gestellt. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, die offensichtlich bestehende Wettbewerbsverzerrung zulasten der privaten Wirtschaft im Geiste des Gesetzes zur Mittelstandsförderung abzubauen und damit zunächst einmal Chancengleichheit für die privaten Unternehmen herbeizuführen.

(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Und wie ist das mit den Brauerei- en, Herr Kurz?)

Bitte?

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wie ist das mit Brauereien?)

Solange diese Brauereien mit hohem Ertrag arbeiten, von Bedeutung für die wirtschaftliche Struktur einer Region sind, Arbeitsplätze sichern und Aufträge an die mittelständische Wirtschaft vergeben, ist dies auch zu verantworten.

(Zuruf des Abg. Junginger SPD)