c) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Verankerung des neuen Kostenmodells bei der Novellierung des Privatschulgesetzes – Drucksache 13/3106
Das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgesetzt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Wir könnten hier den Satz formulieren: „The same procedure as every year.“ Wir haben seit mindestens drei Legislaturperioden die Situation, dass den Schulen in freier Trägerschaft versprochen wird: Im nächsten Jahr, in der nächsten Legislaturperiode wird alles besser; dann bekommt ihr das Geld, das euch nach Gerichtsurteilen und auch nach Beschlüssen des Landtags zusteht.
Wir haben mit unserer Gesetzesinitiative zur Änderung des Privatschulgesetzes in Baden-Württemberg Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion der CDU und von der Fraktion der FDP/DVP, zum Laufen gebracht. Sie haben einen Änderungsantrag vorgelegt, in dem Sie noch einmal feststellen, wie Sie sich die Zukunft der Schulen in freier Trägerschaft vorstellen. Aber, meine Damen und Herren, ich muss Ihnen bescheinigen, dass Sie uns von der SPDFraktion bei diesem Thema entschieden zu langsam laufen.
Es gab eine Arbeitsgruppe, an der das Finanzministerium, das Kultusministerium sowie die Fraktionen von CDU und FDP/DVP beteiligt waren, um gemeinsam mit den Schulen in freier Trägerschaft auszurechnen, wie hoch denn die tatsächlichen Kosten eines Schülers bzw. einer Schülerin an einer öffentlichen Schule sind. Diese Arbeitsgruppe hat getagt, und Sie sind nicht bereit – das geht ganz eindeutig aus Ihrem Änderungsantrag hervor –, die dort in Übereinstimmung getroffenen Feststellungen, was ein Schüler bzw. eine Schülerin an einer öffentlichen Schule kostet, in Ihr politisches Handeln bei der Bezuschussung der Schulen in freier Trägerschaft umzusetzen. Das, meine Damen und Herren, ist ein Skandal.
In den Schulen in freier Trägerschaft in Baden-Württemberg – es ist ja vom Kultusministerium bescheinigt worden, dass das inzwischen über 10 000 Schüler und Schülerinnen geworden sind – arbeiten Organisationen und Menschen, die ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen, die
neue Ansätze in die Bildungspolitik hineintragen oder sogar berufliche Ausbildungsmöglichkeiten bieten, die der Staat selber überhaupt nicht zur Verfügung stellt. Wir haben hier bürgerschaftliches Engagement im besten Sinne, und Sie sparen an diesem bürgerschaftlichen Engagement. Die Frage, die in der Postkartenaktion immer wieder gestellt wird, wird zu Recht gestellt: Wie viel ist Ihnen eigentlich ein Schüler bzw. eine Schülerin in den privaten Schulen wert?
Wir fordern Sie auf, endlich zu handeln, und zwar in der Legislaturperiode, in der wir uns heute und jetzt befinden, und nicht wieder den Wahltag abzuwarten und dann wieder zu sagen: „Wir haben ja kein Geld. Es ist so wie immer: Wir würden ja gerne.“ Aber dann kommt am Ende wieder nichts heraus. Es ist ein unrühmliches Spiel geworden, die Verantwortung in diesem Bereich zwischen den Regierungsfraktionen und den Ministerien hin und her zu schieben. Einmal sagen die Fraktionen: „Wir würden ja gern und können nicht.“ Das letzte Mal hatten wir bei dieser Debatte die Situation, dass die Frau Kultusministerin Schavan an dieser Stelle gestanden und gesagt hat: „Ich würde ja gern, aber wir können nicht.“ Einigen Sie sich an diesem Punkt! Kommen Sie endlich zu einem Ergebnis, sagen Sie den Schülern und Schülerinnen und deren Eltern an den privaten Schulen in Baden-Württemberg, dass Ihnen dort der Unterricht, die Bildung etwas wert ist, und finanzieren Sie diese so, wie nach der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts die Finanzierung aussehen muss!
Es gibt ein schönes Bild, mit dem man Ihr Handeln darstellen kann: Sie reiten auf den Privatschulen wie auf einem Esel und halten ihnen immer eine Karotte vor die Nase, die sie seit fünf bis zehn Jahren nie erreichen.
Sie haben jetzt wieder einen Antrag vorgelegt, der genau an dieser Situation keinen Millimeter ändert.
Kommen Sie endlich richtig zum Laufen! Handeln Sie, und stellen Sie Geld für die Schulen in privater Trägerschaft bereit!
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Wieser CDU – Abg. Schmiedel SPD: Jetzt kommt die Karottenfraktion!)
Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt rufe ich noch den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/3443, zum Antrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 13/3106, auf.
Das ist richtig. Auch die Fraktion GRÜNE bringt einen Gesetzentwurf ein. Deswegen erteile ich nun Frau Abg. Rastätter zur Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE das Wort.
(Abg. Wacker CDU: Sehr recht! – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! Wir kennen die Rede zwar schon, aber wir freuen uns trotzdem!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Weil die Landesregierung und die Regierungsfraktionen seit Jahren eine Hinhaltetaktik pflegen, weil sie keine Bezuschussung der Schulen in freier Trägerschaft in die Wege leiten, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht, bringt meine Fraktion heute einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes für die Schulen in freier Trägerschaft in den Landtag ein.
Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir das so genannte Bruttokostenmodell für die Zuschüsse an Schulen in freier Trägerschaft im Privatschulgesetz verankern, aber neben den Ungerechtigkeiten des bisherigen Kostenmodells auch einige weitere gravierende Ungerechtigkeiten gegenüber den Schulen in freier Trägerschaft beseitigen. So wollen wir unter anderem die Wartefrist von heute drei Jahren auf ein Jahr verkürzen und sehen eine rückwirkende Kostenerstattung vor,
um die Neugründung von Schulen in freier Trägerschaft zu erleichtern. Ferner wollen wir die Abkopplung der Waldorfschulen von dem gymnasialen Zuschuss wieder rückgängig machen.
Schon 1989 hat der ehemalige Fraktionsvorsitzende der FDP/DVP-Fraktion die Wartezeitregelung und die Abkopplung als zwei Giftzähne bezeichnet, die endlich gezogen werden müssten.
(Abg. Zeller SPD: Wer war das? – Abg. Wintruff SPD: Wer war denn das? – Abg. Wieser CDU: Wer war das? Den Namen heraus! – Abg. Dr. Ca- roli SPD: Ross und Reiter!)
(Oh-Rufe von der SPD und des Abg. Wieser CDU – Abg. Wintruff SPD: Hört, hört! – Beifall bei Ab- geordneten der SPD)
Mit Bruttokostenmodell meinen wir ein Berechnungsmodell, das auf der Grundlage der Kosten eines „staatlichen“ Schülers beruht. Das bisher im Privatschulgesetz verankerte Berechnungsmodell hat nämlich wesentliche Kosten eines „staatlichen“ Schülers ignoriert.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wer hat das festgestellt? Nicht die Grünen haben das festge- stellt!)
Auf dieser Basis müssen künftig die Zuschüsse an die Schulen in freier Trägerschaft auf mindestens 80 % der Kosten eines „staatlichen“ Schülers angehoben werden, wie das die Gerichte vorgegeben haben. Das ist in unserem Gesetzentwurf so vorgesehen.
Angesichts der zusätzlich erforderlichen finanziellen Mittel – darüber müssen wir natürlich in diesem Haus auch sprechen – von 36,6 Millionen € sieht unser Gesetzentwurf dazu einen über mehrere Jahre angelegten Stufenplan vor. Bereits im nächsten Doppelhaushalt soll mit einer moderaten Erhöhung der Mittel begonnen werden.
Meine Damen und Herren, es mangelt in diesem Haus nun wahrlich nicht an verbaler Wertschätzung für die Schulen in freier Trägerschaft.
(Heiterkeit – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das wird sich noch herausstellen! – Abg. Wieser CDU: Machen die jetzt gregorianische Wechselge- sänge?)
Frau Kollegin Rastätter, wie bewerten Sie die Tatsache, dass von 63 CDU-Abgeordneten derzeit 8 auf ihren Plätzen sitzen und dieses Thema „mit großem Interesse“ begleiten?
(Abg. Wieser CDU: Bei den Grünen sind es übri- gens nur vier! Bei den Grünen sind es nur vier! – Vereinzelt Heiterkeit)
Das kann ich in einem Satz beantworten. – Bei uns Grünen sind mit fünf genau 50 % der Abgeordneten anwesend, Herr Kollege Wieser.
(Abg. Wieser CDU: Eine der scheinheiligsten Zwi- schenfragen, die ich jemals gehört habe! – Gegen- ruf der Abg. Carla Bregenzer SPD: Herr Wieser, sind Sie gefragt worden? – Glocke des Präsidenten)
Frau Kollegin, wie bewerten Sie den Umstand, dass die FDP/DVP zahlenmäßig am stärksten vertreten ist, stärker noch als die Grünen?