Protokoll der Sitzung vom 19.07.2001

Das Bundesumweltministerium, das diese Dinge alle publiziert, hat aus den Ereignissen, um die es da geht, bislang keine generellen Konsequenzen gezogen.

Es ist sicher so, dass hier der Eindruck entsteht, als würde ständig etwas passieren. Es gibt in der Tat auch meldepflichtige Ereignisse – in den letzten Jahren einmal 39, einmal 20. Das ist, gemessen an einem Kernkraftwerk, wo das relativ selten vorkommt, eher überdurchschnittlich.

Die Qualität dieser Ereignisse gibt keinen Anlass zu Besorgnis. Aber es muss natürlich jedem Fall nachgegangen werden, und zwar bei meldepflichtigen Ereignissen immer unter zwei Gesichtspunkten. Konkret: Was ist aktuell zu tun? Was ist aus einem bestimmten meldepflichtigen Ereignis als praktische Maßnahme abzuleiten? Aber generell ist auch immer zu fragen: Lernen wir daraus etwas für die Zukunft? Müssen wir irgendwelche zusätzlichen Maßnahmen ergreifen?

(Abg. Walter GRÜNE: Kriegen wir noch eine schriftliche Antwort auf den konkreten Fall?)

Selbstverständlich.

Herr Kaufmann, Ihre Frage, bitte.

Herr Minister, welche konkreten Maßnahmen wurden nach Eingang dieser anonymen Anzeige oder dieses anonymen Briefes getroffen, sei es personeller oder sicherheitstechnischer Art? Sind Ihnen außer diesem anonymen Schreiben weitere Hinweise aus der Vergangenheit bekannt, die die Sicherheit der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe infrage gestellt haben?

Im Prinzip sind drei Punkte zu nennen:

Erstens, wie gesagt: Der Betrieb wurde sofort eingestellt. Wir haben den Fall von der ersten Stunde an richtig dimensioniert. Wir wussten, das ist ein Vorgang – –

(Abg. Kaufmann SPD: Nach Eingang des Briefes!)

Nach Eingang des Briefes, meinen Sie. Gut. Jetzt bringe ich zunächst einmal meinen Gedanken zu Ende.

Als wir am 5. Juli informiert wurden, haben wir gesagt: Jetzt muss sofort etwas passieren. Das ist ein gravierender Vorfall. Der Betrieb wird eingestellt.

Die daraus aktuell abgeleiteten konkreten Maßnahmen habe ich vorhin als Punkte 1 bis 4 dargestellt.

(Zuruf des Abg. Kaufmann SPD)

Was den Brief selbst anbelangt: Wir stehen ja in einem ständigen Überwachungsprozess, auch was die möglicherweise vorhandenen Belehrungsmängel – zum Teil auch die tatsächlichen Belehrungsmängel – anbelangt. Diese Überwachung wird fortgeführt. Das geschieht dadurch, dass man einerseits Anordnungen trifft, dass man andererseits

(Minister Müller)

die Einhaltung der Anordnungen überprüft, dass man zum Dritten regelmäßig auch Besuche vor Ort vornimmt.

(Abg. Kaufmann SPD: Das war in der Vergangen- heit noch nicht der Fall?)

Das war in der Vergangenheit und ist in der Gegenwart der Fall, und das wird auch in der Zukunft so sein.

Leider kann ich nur noch eine Frage zulassen.

Das ist aber schade.

Herr Abg. Nagel.

Herr Minister, zum Thema „Fremdfirmen und Sicherheit“: Ist Ihnen bekannt, ob es zutrifft, dass bei einem Mannheimer Reinigungsunternehmen, das bei der WAK tätig war, auch Insassen der Justizvollzugsanstalt Mannheim beschäftigt waren?

Das ist mir nicht bekannt.

(Zuruf von der SPD: Nachkontrollieren!)

Ich würde das aber als relativ unwahrscheinlich ansehen, weil wir polizeiliche Führungszeugnisse fordern. Normalerweise führt ein entsprechender Eintrag – bei einem Insassen der Justizvollzugsanstalt ist im polizeilichen Führungszeugnis logischerweise schon etwas zu finden – zum Ausschluss. Ich werfe einmal einen Blick zu unserem zuständigen Abteilungsleiter hinüber, wenn ich mir das erlauben darf.

(Ministerialdirigent Dr. Keil schüttelt den Kopf.)

Es ist uns nichts bekannt, und es kann eigentlich auch nicht sein, dass ein Straftäter dort tätig ist.

Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist leider beendet. Wir haben die Zeit bereits überschritten. – Herr Hauk.

Frau Präsidentin, wir beantragen,

(Lebhafte Unruhe bei der SPD)

sofern noch Nachfragen zu diesem Punkt bestehen, die Fragestunde für den heutigen Tag zu verlängern.

(Abg. Birzele SPD: Keine Gegenrede! – Zuruf von den Grünen: Sehr vernünftig!)

Dann ist das Haus einhellig dieser Meinung.

Frau Abg. Bauer, Ihre Frage, bitte.

Herr Minister, am 5. Juli 2001 haben die zuständigen Behörden die Wohnung des betreffenden Fremdarbeiters der WAK, der die radioaktiven Substanzen entwendet hat, durchsucht. Bei dieser Durchsuchung wurden nach Ihren Angaben von heute

Morgen radioaktive Belastungen in der Größenordnung zwischen 20 und 30 Becquerel pro Kubikzentimeter gefunden.

(Minister Müller: Quadrat!)

Der zulässige Grenzwert von 0,05 Becquerel wurde damit um ein Zighundertfaches überschritten.

Meine Frage: Trifft es zu, dass die zuständigen Behörden es dennoch versäumt haben, die Wohnung zu versiegeln, sodass sich sowohl der betroffene Arbeiter als auch andere Personen ohne weiteres hätten Zutritt verschaffen können?

Teilt der Umweltminister meine Auffassung, dass dies in jener Situation, nach den Vorfällen in der WAK, ein mehr als leichtfertiges Vorgehen ist?

Letzteres kann ich klar verneinen. Ich stelle Ihnen den Fall dar, wie er sich zu dem Zeitpunkt, als eine Entscheidung zu treffen war, dargestellt hat. Zu dem Zeitpunkt, als die Entscheidung zu treffen war, was zu tun sei, hat sich Folgendes ereignet: Wir hatten wiederholt eine Urinprobe mit auffälligen Werten, und wir hatten zusätzlich eine Kontamination an den Kleidern des Betroffenen, der in normaler Straßenkleidung ins Labor gekommen war, festgestellt.

Die Vermutung lag nahe, dass er sich diese radioaktive Verschmutzung nicht in der WAK geholt hat. Deswegen ist er zunächst einmal untersucht und gereinigt worden. Zum Zweiten wurde sein Fahrzeug untersucht. Auch dort wurden Kontaminationen festgestellt. Daraufhin lag die Vermutung nahe, dass auch in seiner Wohnung etwas sein könnte. Demgemäß ist man in seine Wohnung gegangen, hat gemessen und hat in der Tat hohe Werte festgestellt.

Daraufhin hat man dem Betroffenen, den wir in diesem Moment noch nicht als Straftäter gesehen haben – wir haben ihn am nächsten Tag aus einem Grund, den ich sofort nennen werde, sehr wohl als potenziellen Straftäter gesehen, aber in diesem Moment noch nicht als Straftäter, sondern als Opfer irgendeines Vorgangs, den wir noch nicht kannten –, gesagt: „Betreten Sie Ihre Wohnung bitte nicht mehr.“

Nun sind wir natürlich davon ausgegangen, dass jemand, der ein Opfer und nicht ein Straftäter ist und dem man sagt: „Du hast eine hoch belastete Wohnung, bleib weg!“, nicht vor einer Selbstschädigung geschützt werden muss, sondern die Wohnung schlicht nicht mehr betritt. Andere hatten zu der Wohnung keinen Zutritt.

Am nächsten Tag kam er zu einer erneuten Überprüfung, und an seinen Kleidern wurde eine sehr viel höhere Kontamination festgestellt. Jetzt war uns klar: Irgendetwas hat dieser Mann erneut getan. Damit war er ab sofort in unserem Visier. Dann ist die Wohnung versiegelt worden.

Frau Abg. Kipfer, Sie haben das Wort.

Herr Minister, in der Antwort auf die Frage meines Kollegen Kaufmann haben Sie von Maßnahmen gesprochen, die Sie nach Eingang des Briefes des Bundesumweltministeriums getroffen hätten. Welche Maßnahmen konkreter Art waren dies?

Sie meinen jetzt in Bezug auf diese Warnhinweise?

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Ja!)