Protokoll der Sitzung vom 23.11.2011

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Glück?

Ja, bitte.

Herr Ministerpräsident, ich habe Ihnen schon einmal die Frage gestellt, was beim Nicht erreichen des Quorums geschieht. Sie haben mir damals ge sagt, dann sei das Ausstiegsgesetz gescheitert.

Meine Frage jetzt: Sollte das Quorum nicht erreicht worden sein, auch wenn eine Mehrheit mit Ja abgestimmt hat, werden Sie dann nicht nur das Ausstiegsgesetz als gescheitert betrach ten, sondern Stuttgart 21 auch aktiv unterstützen?

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Tanja Gönner CDU: Genau das ist die Frage! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Herr Kollege Glück, ich beantworte dieselben Fragen nicht zehnmal.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie haben sie noch nie beantwortet! – Weitere Zurufe von der CDU)

Wenn das Quorum nicht erreicht wird, ist das Ausstiegsgesetz gescheitert. Die Bahn hat Baurecht, und dann wird sie weiter bauen, und wir werden das durchsetzen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei Ab geordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! Bravo! – Zuruf von der CDU: Jawohl! – Abg. Volker Schebesta CDU: So viel Applaus hät ten Sie schon früher bekommen können!)

Wenn man so einen frenetischen Applaus von der Opposi tion bekommt, muss man sich natürlich fragen, ob man da vielleicht etwas falsch gemacht hat.

(Heiterkeit bei den Grünen – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Gucken Sie sich mal das Gesicht Ihres Ministers an! – Unruhe – Glocke des Präsiden ten)

Das Wort hat der Herr Ministerprä sident.

Das hätten Sie schon wörtlich in einem Interview nachlesen können.

Jetzt sind Sie dran, Herr Glück und Sie alle. Jetzt möchte ich von Ihnen wissen, was Sie machen, wenn es andersherum aus geht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir respektieren das, was Sie machen, weil Sie regieren! So einfach ist das!)

Wo bleibt der Applaus?

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie haben ja noch nichts gesagt!)

Wo bleibt der Applaus?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir respektieren das, was Sie machen! – Abg. Tanja Gönner CDU: Sie haben die Mehrheit!)

Jetzt möchte ich noch etwas zu den Kosten sagen. Der Kos tendeckel ist klar, und die Regierung hat durch Kabinettsbe schluss einstimmig beschlossen, dass sie mehr nicht bezahlen wird. Im Übrigen haben das Gleiche auch die Stadt, die Re gion und der Bund gesagt. Also könnte ich doch erwarten, dass sich die Bahn klar äußert, dass sie dann, wenn dieser Kosten deckel gesprengt wird, im Obligo ist und die Kosten überneh men muss.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Helen Heberer SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Es gibt doch Verträge! Konkrete Verträge!)

Diese Antwort habe ich bisher nicht bekommen.

Ich möchte jetzt noch einmal etwas sehr ernsthaft sagen: Ich lasse mich als Ministerpräsident nicht in eine Situation brin gen, in der das geschieht, was immer wieder geschehen ist: Kosten für Projekte werden zu niedrig angesetzt, dann stei gen im Verlauf des Baus die Kosten, und dann muss man, ob man will oder nicht, nachschießen. Denn wer hält es schon durch, eine der größten Baugruben liegen zu lassen? Niemand.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

In diese Situation lasse ich mich sehenden Auges nicht brin gen.

(Beifall bei den Grünen)

Ich möchte noch einmal betonen: Das ist eine Haltung, die völlig unabhängig davon ist, ob man für oder gegen Stuttgart 21 ist. Deshalb hat die Koalition einmütig beschlossen, dass sie mehr nicht bezahlt. Da die anderen dasselbe gesagt haben, muss die Bahn ins Obligo, wenn der Kostendeckel gesprengt wird.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Deswegen gilt der Vertrag wei terhin!)

Denn wir leben jetzt in einer Situation, die durch die Schul denbremse bestimmt wird. Wir müssen bis zum Jahr 2020 er reichen, strukturell ausgeglichene Haushalte zu haben; denn wir dürfen ab 2020 keine neuen Schulden mehr machen.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Ein Grund für die Überschuldung ist das Verhalten, dauernd in Projekte hineinzugehen, deren Kosten im Nachhinein ex plodieren.

(Beifall bei den Grünen)

Damit müssen wir Schluss machen, und deshalb müssen da klare Verhältnisse herrschen. Das ist vom Streit um Stuttgart 21 völlig unabhängig. Das würde ich andersherum genauso machen. Die Vorgängerregierung hat – das kann man den Ak tenvermerken entnehmen – dieselbe Ansage in diese Richtung gemacht. Deshalb mache auch ich sie, und zwar mit aller Be stimmtheit.

Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluss noch einmal sagen: Ich bin der Überzeugung, dass der 27. November ein guter Tag sein wird, wenn – was ich hoffe – sehr viele Men schen zur Abstimmung gehen. Ich bin sicher, dass wir damit sozusagen einen neuen Schritt in Richtung Bürgergesellschaft in Baden-Württemberg gehen werden. Deshalb ist der 27. No vember ein guter Tag für Baden-Württemberg.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, nachdem der Herr Ministerpräsident bei der Aktuellen Debatte das Wort ergriffen hat, greift § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung, wo nach den Vorsitzenden der Oppositionsfraktionen auf ihr Ver langen das Wort erteilt wird. Ein entsprechendes Verlangen liegt vor.

Das Wort hat Herr Abg. Peter Hauk.

Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Der erste Teil der Replik des Minis terpräsidenten war eher für das Feuilleton gedacht; zumindest hatte ich diesen Eindruck. Im zweiten Teil sind Sie dann wie der in die Realität des heutigen 23. November zurückgekehrt.

Herr Ministerpräsident, ich muss sagen: Respekt! Das war das erste Mal überhaupt in dem ganzen Konflikt über die Frage der Volksabstimmung und ihrer Bewertung, dass Sie sich nicht nur klar auf die Verfassung bezogen haben – die Verfassung kennen wir; davon, dass Sie die Verfassung einhalten, sind wir stets ausgegangen, denn ansonsten gäbe es für Sie keine an dere Lösung als zurückzutreten –, sondern auch klargemacht haben, dass Sie das Baurecht entsprechend durchsetzen wer den. Damit haben Sie sich – so interpretieren wir dies – auch klar zu einer Projektförderungspflicht bekannt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Dazu kann ich nur sagen: Diese klare Ansage hätten wir uns schon früher von Ihnen gewünscht. Aber es sind immerhin noch vier Tage bis zur Volksabstimmung. Damit gibt es noch vor der Volksabstimmung eine klare Botschaft.

Das Zweite: Sie sind nicht mehr Opposition. Sie regieren. Eben weil Sie regieren, weil Sie als Grüne gemeinsam mit der anderen Regierungsfraktion die Mehrheit in diesem Parlament stellen, haben wir von Ihnen eine klare Aussage erwartet. Sie können aber auch von uns eine klare Aussage erwarten.

(Zuruf von den Grünen: Ja!)

Für uns ist klar, dass wir den Ausgang der Volksabstimmung auf verfassungsgemäßer Grundlage selbstverständlich akzep tieren werden.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Auf verfassungsgemä ßer Grundlage, selbstverständlich!)

Auf verfassungsgemäßer Grundlage werden wir ihn selbst verständlich akzeptieren.

(Beifall bei der CDU)

Das ist überhaupt keine Frage.

Die Frage, die wir uns stellen, ist jedoch: Wenn eine Mehrheit für den Ausstieg votieren sollte und diese Mehrheit ein Drit tel der stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger übersteigt, sind wir gespannt, wie Sie dann die Kündigungsrechte defi nieren werden. Denn diese Antwort sind Sie uns bisher schul dig geblieben.

Wenn es in diesem Vertrag Kündigungsrechte gäbe, dann gä be es keine Schadensersatzpflicht. Aber selbst Ihr Kronzeuge, der Verkehrsminister, sagt ja, es müsse Schadensersatz geleis tet werden. Er sagt nicht, es gehe um anderthalb Milliarden Euro; er setzt diesen Betrag sehr niedrig an. Aber er sagt klar, es gebe einen Schadensersatz.