Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

(Abg. Walter Heiler SPD: Wie viel Zeit hat er noch?)

1,5 Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte hat gezeigt, dass sich dieses Thema nur bedingt dafür eignet, nach dem Motto „Hier sind die Guten, und hier sind die Bösen“ zu verfahren. Selbst wenn man jetzt künstlich Gegensätze konstruiert, ist es nicht so, wie es vielleicht dargestellt wird und wie es drei Monate vor der Bundestagswahl gern gesehen wird.

Übrigens hat sich Energiekommissar Oettinger auch zu den Themen Trinkwasserschutz und Bodenseeschutz geäußert – SPIEGEL ONLINE, 20. Mai – und hat ganz klar gesagt, dass beides natürlich gewährleistet sein muss. Aber ich muss Oet tinger nicht verteidigen, ich verweise auf das, was die Union im Bundestagswahlkampf selbst beschlossen hat.

Das geht bemerkenswerterweise über das hinaus, was im ver gangenen Jahr hier einstimmig beschlossen worden ist. Da hieß es nämlich nur: „Moratorium, solange nicht Erkenntnis se vorliegen“. Die Position der Union lautet mittlerweile: überhaupt keine Chemie – Erkenntnisse hin, Erkenntnisse her. Der Erkenntnisprozess ist für uns in dieser Frage abgeschlos sen. Das muss man einmal sehen. Insofern können wir uns da ohne Weiteres blicken lassen.

Weil Sie, Herr Minister Untersteller, auf wissenschaftliche Untersuchungen verwiesen haben und dabei meinten, den Kollegen Glück ein bisschen in den Senkel stellen zu müssen, will ich doch darauf hinweisen: Es gibt auch andere wissen schaftliche Untersuchungen. Ich habe z. B. eine da: „Stel lungnahme zu den geowissenschaftlichen Aussagen des UBAGutachtens, der Studie NRW und der Risikostudie des Exxon Mobil InfoDialogprozesses zum Thema Fracking – erarbeitet für den Bund/Länder-Ausschuss Bodenforschung durch die Staatlichen Geologischen Dienste der deutschen Bundeslän der“ – da ist Baden-Württemberg vermutlich auch dabei ge wesen – „und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“, die hier eine ziemlich differenzierte Position ein nimmt.

Wie gesagt: Jetzt machen wir einmal keine Schwarz-WeißMalerei, sondern sehen die Dinge so differenziert, wie sie sind.

Im Übrigen bin ich dankbar für die Zwischenfrage des Kolle gen Lusche. Sie hat nämlich offenbart, dass wir uns im End ergebnis überhaupt nicht unterscheiden: wenn Risiken, dann nein, wenn keine Risiken, dann geht es – ganz einfach.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kollege Schoch.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Da men und Herren! Ich will nur noch einmal kurz auf das ein gehen, was Herr Müller bezüglich des Bundestagswahlpro gramms gesagt hat. Ich denke, die Menschen in der Region haben eigentlich erwartet, dass über die zwei, drei Jahre hin weg, in denen die Bundesregierung jetzt über Fracking disku tiert hat, dabei endlich etwas herauskommt. Ich habe eigent lich erwartet, Herr Müller, dass der gemeinsame Antrag, den wir hier im letzten Jahr beschlossen haben, entsprechend Ein gang in diese Diskussion der Bundesregierung findet und dass von baden-württembergischer Seite massiv Druck gemacht wird. Das, fand ich, hat nicht stattgefunden.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Das ist so nicht richtig!)

Minister Untersteller hat auch noch einmal darauf hingewie sen: Es gab aus Bayern und aus Nordrhein-Westfalen mehr fach Interventionen. Wenn diese Interventionen ernst genom men worden wären, hätten wir zumindest eventuell zu dem kommen können, was wir hier im letzten Jahr beschlossen ha ben.

Aber Fracking ist meiner Meinung nach auch keine Zukunfts technologie. Im März 2013 wurde in der Zeitschrift „Focus“ in einem Artikel darauf hingewiesen, wie problematisch in den USA aufgrund von verschiedenen Gutachten das Fracking inzwischen gesehen wird. Wirtschaftlich wird es sogar mit der Immobilienblase von vor einigen Jahren verglichen. Danach wird das Fracking ähnliche Auswirkungen haben, da es eben wie eine Immobilienblase platzt und auch nicht zu dem wirt schaftlichen Erfolg führt, den sich so viele damit erhofft ha ben.

Ich denke, auch im Rahmen der Energiewende ist Fracking keine Zukunftstechnologie. Wir sollten uns weitaus stärker in

Richtung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz wen den. Das sind die Zukunftstechnologien.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht noch einmal Kollege Glück.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ist festzuhal ten, Herr Minister Untersteller: Ich kann lesen, und – ja – ich habe auch das Gutachten des Leipziger Instituts für Energie gelesen.

(Beifall des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜ NE)

In der ersten Version steht tatsächlich, dass die Entwicklung der Energiekosten unter Berücksichtigung der konventionel len und der unkonventionellen Erdgasgewinnung berücksich tigt wird. Das ist einfach so. Das steht da so drin. Das ist ge nau das Papier, das Sie uns immer entgegengehalten haben, als wir damals darüber diskutiert haben und das Gutachten des BWIHK, das sogenannte KIT-Gutachten, formuliert wurde. Mit dem argumentieren Sie, und da kommen Sie jetzt auch nicht so ohne Weiteres heraus.

Das Nächste ist: Wenn von einem generellen Fracking-Verbot gesprochen wird, sagen Sie selbst nie, dass es nur um ein ge nerelles Verbot für Fracking mit Chemikalien geht. Sie sind es doch, der immer nur von einem generellen Fracking-Ver bot spricht. Ein generelles Fracking-Verbot schließt natürlich die Tiefengeothermie mit ein. Unabhängig davon gibt es bei der Tiefengeothermie auch Verfahren, bei denen selbstver ständlich Chemikalien zum Einsatz kommen – u. a. in kalk haltigem Gestein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle wollen doch ein Mehr an Energie- und Stromgewinnung durch Gas. Wir sagen immer: Es ist viel besser, Strom über saubere GuDKraftwerke als über Kohle- und Ölkraftwerke zu produzieren. Da muss man sich doch die Frage stellen: Woher kommt ei gentlich das Gas, mit dem wir diese Kraftwerke betreiben möchten? Dass Minister Untersteller uns jetzt glauben ma chen möchte, Fracking habe nichts mit der Energiewende zu tun, ist geradezu lachhaft.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Herr Kollege Schoch, Ihnen möchte ich Folgendes sagen: Sie fordern eine gesetzliche Regelung – vielleicht eine andere als die, die ich fordere –, aber Sie sehen genauso wie ich die Not wendigkeit einer klaren gesetzlichen Regelung. Der Minister fordert diese gesetzliche Regelung nicht. Der Minister fordert das Moratorium. Erst einmal solle alles so bleiben, wie es ist, bis abschließende Erkenntnisse vorliegen. Jetzt frage ich mich: Wo ist hier eigentlich die Linie? Ich bleibe dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren – –

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Warum habt ihr dann kein Gesetz gemacht?)

Wir haben es versucht.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Ihr seid gescheitert!)

Wissen Sie, Herr Kollege Lede Abal, ich bin sehr zuversicht lich, dass wir in der nächsten Legislaturperiode auch im Bund noch genügend Möglichkeiten haben, dieses Gesetz in unse rem Interesse zu verabschieden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: FDP 6 %! – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Warum nicht jetzt?)

Mir wird dauernd vorgeworfen, ich würde da herumeiern. Ich sage Ihnen ganz klar: Ich bin der Einzige, der eine klare Po sition vertritt, der hier vorn Ja zu einem generellen FrackingVerbot in Trinkwasserschutzgebieten, Ja zu verbindlichen Umweltverträglichkeitsprüfungen gesagt hat. Ich will die Gleichstellung der Wasserschutzbehörden mit dem Bergamt; ich will den Schutz der Heil- und Mineralquellen. Kurzum: Ich will den Gesetzentwurf, den wir im ersten Anlauf leider nicht durchgebracht haben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das Gesetz zu einem späteren Zeitpunkt hinbekommen werden. Bis dahin gilt einfach: Die Argumentation „Wir neh men russisches Erdgas, wenn Fracking bei uns nicht funktio niert“ ist für uns keine Alternative.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Oh-Rufe von den Grünen – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Es liegen keine weiteren Wortmel dungen vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 2 erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP/ DVP – Gesetz zur Verankerung der Schuldenbremse des Grundgesetzes in der Landesverfassung (Gesetz zur Ände rung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg, zur Ausführung von Artikel 84 und 84 a der Verfassung und zur Änderung der Landeshaushaltsordnung) – Drucksa che 15/3239

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache zehn Minuten pro Fraktion, wobei gestaffelte Re dezeiten gelten.

Zur Begründung erteile ich Kollegen Dr. Rülke das Wort.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Die FDP/DVP-Fraktion unter nimmt noch einmal den Versuch, einen Konsens nicht nur mit der CDU-Fraktion, sondern auch mit den beiden Regierungs fraktionen zu finden, um dem Ziel näher zu kommen, die vom Grundgesetz vorgegebene, spätestens zum Jahr 2020 einzu haltende Schuldenbremse in der Landesverfassung zu veran kern – und dies möglichst zeitnah. Dies liegt im Interesse ei nes möglichst generationengerechten Haushalts, im Interesse einer nachhaltigen Haushalts- und Finanzpolitik.

Das Ziel unseres Gesetzentwurfs ist es, die verfassungsrecht liche Absicherung einer dauerhaften Begrenzung der Ver schuldung des Landes als wesentliche Grundlage einer dau erhaft tragfähigen Haushalts- und Finanzpolitik dieses Lan

des umzusetzen. Hierzu sollen die Bestimmungen des Arti kels 109 Absatz 3 des Grundgesetzes einschließlich der dort vorgesehenen Ausnahmeregelungen in Landesrecht umgesetzt werden.

Der Gesetzentwurf verzichtet allerdings darauf, von den Über gangsfristen gemäß Artikel 143 d des Grundgesetzes so ex zessiv Gebrauch zu machen, wie es die Landesregierung bis lang beabsichtigt.

Stattdessen versucht der Gesetzentwurf mit dem Vorschlag, die Aufnahme zusätzlicher Kredite längstens bis zum Jahr 2016 zu erlauben, einen Kompromiss zwischen den bislang sehr unterschiedlichen Auffassungen von Regierungs- und Oppositionsfraktionen zu finden.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf unternehmen wir zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode den Versuch, die Re gelungen der Schuldenbremse des Grundgesetzes so in der Landesverfassung und den diese ergänzenden Gesetzeswer ken zu verankern, dass das grundgesetzliche Verbot einer Net tokreditaufnahme für das Land Baden-Württemberg nicht erst zum letztmöglichen Zeitpunkt, nämlich zum Jahr 2020, son dern zu einem früheren Zeitpunkt in Kraft tritt, so, wie das auch der Wirtschafts- und Finanzkraft des Landes BadenWürttemberg entspricht und damit auch unserem Auftrag ei ner nachhaltigen und generationengerechten Finanzpolitik Rechnung trägt.

Es wird uns gelegentlich vorgeworfen, Frau Kollegin Aras, wir seien im Grunde dafür, bereits im Jahr 2013 diese Schul denbremse umzusetzen und bereits im Jahr 2013 keine neuen Schulden mehr zu machen, was Anlass zur Frage gebe, war um wir jetzt plötzlich anböten, dass bis zum Jahr 2016 neue Schulden gemacht werden könnten. Die Antwort auf diese Frage ist sehr einfach: weil wir keine Mehrheit in diesem Haus haben, aber Sie auch die Opposition brauchen, um die Lan desverfassung zu ändern. Wie das normalerweise in Verhand lungen der Fall ist, wenn um Kompromisse gerungen wird, müssen sich beide Seiten bewegen. Wir sind dazu bereit, uns zu bewegen, von unseren Maximalforderungen Abstand zu nehmen. Also ist es auch Ihre Aufgabe, sich ein Stück weit zu bewegen. Aber Ihre Vorstellung über eine Änderung der Lan desverfassung ist, dass Sie die Verhandlungen diktieren und die Opposition zu folgen habe. Ich kann Ihnen versichern: Auf diese Art und Weise wird das nicht funktionieren. Vielmehr müssen sich da beide Seiten bewegen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Sah der erste hierzu eingebrachte Gesetzentwurf unserer Frak tion vom Herbst 2011, nämlich die Drucksache 15/503, noch ein sofortiges Inkrafttreten zum 1. Januar 2012 vor, verbun den mit der Erwartung, es könne sich im Zuge der parlamen tarischen Beratung ein Einvernehmen zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen über einen Zeitpunkt des Inkraft tretens und das Maß der bis dahin noch möglichen Neuver schuldung ergeben, so schlägt der jetzt vorgelegte Entwurf als Zeitpunkt einer letztmöglichen Neuverschuldung das Jahr 2016 vor. Damit wird ein Stück weit darauf Rücksicht genom men, dass die grün-rote Landesregierung einen durchgreifen den Konsolidierungskurs zwar immer wieder beschwört, aber in der Realität nicht will und im parlamentarischen Alltag auch nicht betreibt.

Der Gesetzentwurf nimmt auch ein Stück weit darauf Rück sicht, dass durch eine stark expansive Ausgestaltung der Haus halte 2011 – Vierter Nachtrag, der erste grün-rote Haushalt –, 2012 und 2013 mit Steigerungsraten von 5,2 %, 5,7 % und 4,8 % Fakten geschaffen worden sind, die eine Landesregie rung nicht in kürzester Zeit wird rückgängig machen wollen und in allerkürzester Zeit vielleicht auch nicht rückgängig ma chen kann.

Weil sowohl die Koalitionsfraktionen als auch die Landesre gierung immer dann, wenn in diesem Haus und in der Öffent lichkeit über Haushaltskonsolidierung diskutiert wird, die Be hauptung aufstellen, die Oppositionsfraktionen würden keine Konsolidierungsvorschläge machen, die Oppositionsfraktio nen würden nicht aufzeigen, wo sie sparen würden oder wel ches Geld sie nicht ausgeben würden, darf ich schon einmal ein bisschen von dem aufzählen, was aus den Reihen der Op position in den letzten zwei Jahren – zum Teil immer wieder – vorgetragen worden ist, was aber bei Ihnen zum einen Ohr hinein- und zum anderen hinausgeht.

Wer auf 170 Millionen € an Studiengebühren verzichtet hat, das war Grün-Rot und nicht Schwarz-Gelb.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)