Protokoll der Sitzung vom 09.10.2013

An dieser Stelle möchte ich mich auf einige wenige zentrale Punkte konzentrieren. Wir, die Landesregierung, setzen mit diesem Gesetzentwurf die Rechtsprechung des Bundesverfas sungsgerichts zur rückwirkenden Gleichstellung eingetrage ner Lebenspartnerschaften für den Bereich des öffentlichen

Dienstrechts ab dem Stichtag 1. August 2001 um. Das, mei ne sehr verehrten Damen und Herren, ist ein wichtiger Schritt zu mehr Gleichstellung hier in Baden-Württemberg, zur An erkennung der Vielfalt in unserer Gesellschaft.

(Vereinzelt Beifall)

Mit diesem Gesetz soll die seit 1. September 2006 bestehen de Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit Ehen auf den Zeitraum ab dem 1. August 2001 ausgewei tet, also zeitlich nach vorn verlegt werden. Dadurch erfolgt die Gleichstellung ab dem Zeitpunkt, ab dem eingetragene Le benspartnerschaften geschlossen werden konnten. Damit ge hen wir sogar über die Vorgaben des Bundesverfassungsge richts hinaus. Denn während sich die Entscheidung des Bun desverfassungsgerichts nur auf den Familienzuschlag bezog, beziehen wir alle dienstrechtlichen Bereiche ein. Außerdem erleichtern wir den Weg, denn es genügt eine nachträgliche Beantragung der Leistung.

Das mag ein kleiner Schritt für diesen Landtag sein. Für vie le Betroffene ist dies jedoch ein großer Schritt hin zu einer echten Gleichstellung in diesem Land. Ich hoffe, dass wir ge rade für diesen Punkt eine breite Zustimmung in diesem Haus erhalten.

An anderer Stelle sorgen wir ebenfalls mit kleinen Schritten für echte Verbesserungen. Wir vereinfachen die Anerkennung von Wehr- und Zivildienstzeiten bei der Stufenfestsetzung des Grundgehalts der Beamten. Wir stellen die Regelung der fi nanziellen Vergütung von Erholungsurlaub, der bei Beendi gung des Beamtenverhältnisses krankheitsbedingt noch nicht genommen wurde, auf eine solide Grundlage. Damit und mit weiteren Maßnahmen schnüren wir ein Bündel wichtiger Än derungen und leisten einen Beitrag für ein modernes öffentli ches Dienstrecht hier im Land.

Die finanziellen Auswirkungen halten sich in Grenzen. Durch die vorgesehenen Gesetzesänderungen entstehen dem Land aufgrund der Rückwirkung im Jahr 2013 einmalige Kosten in Höhe von rund 750 000 €. Im kommunalen Bereich sind ein malige Kosten in Höhe von rund 100 000 € zu erwarten. Zu dem entstehen dem Land laufende jährliche Kosten in Höhe von anfänglich rund 300 000 €. Im kommunalen Bereich sind laufende jährliche Kosten in Höhe von anfänglich 25 000 € zu erwarten.

Im Gegenzug erhalten wir ein modernes Dienstrecht, das höchstrichterliche Rechtsprechung umsetzt und einen echten Beitrag für mehr Gleichstellung in Baden-Württemberg leis tet. Deshalb bitte ich Sie, diesen Gesetzentwurf zu unterstüt zen und zunächst einmal den Gesetzentwurf zur weiteren Be ratung an den Finanz- und Wirtschaftsausschuss zu überwei sen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Meine Damen und Herren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minu ten je Fraktion festgelegt.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Manfred Hollenbach das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Dr. Schmid, ich pflichte Ihnen bei, wenn Sie ausführen, auf den ersten Blick enthalte dieser Gesetzentwurf nichts Spektakuläres.

Doch wenn man sich mit dem Papier, das uns überreicht wur de, etwas näher befasst, merkt man: Im Detail findet sich da rin schon einiges mehr. Denn immerhin haben Sie mehr als 36 Seiten beschrieben, um das zu Papier zu bringen, was al les geändert werden soll.

Richtig ist: Es sind richterliche Entscheidungen, die gesetz lich umgesetzt werden müssen. Es gibt sicher viele Regelun gen im Besoldungs-, Urlaubs- und Versorgungsrecht, die ei ner Anpassung bedürfen. Wenn man das Ganze im Detail be trachtet, merkt man schon, dass sich durch dieses Gesetz nicht nur Kleinigkeiten und Unbedeutendes verändern sollen, son dern die Änderungen schon etwas tiefer gehen. Ob Ihre Aus sage zutrifft, dieses Gesetz verursache „lediglich“ 750 000 € einmalige Kosten und künftig 300 000 € jährlich, werden wir prüfen. Das können wir heute noch nicht beurteilen.

Beurteilen können wir jedoch, dass einige Vorschriften nicht ohne Weiteres unsere Zustimmung finden werden. Ich erinne re einmal an die sogenannten gebündelten Dienstpostenbe wertungen. Hier gibt es ein Urteil des Bundesverwaltungsge richts. Die CDU-Fraktion hat im August, noch vor der Kennt nis des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfs, eine Anfrage an die Landesregierung gerichtet. Diese Anfrage wurde beantwortet.

Wir sind der Meinung, das, was jetzt im Gesetzentwurf steht, deckt nicht das ab, was im Gerichtsurteil formuliert ist. Nach Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes sind aussagekräftige, hinreichend differenzierte und auf gleichen Maßstäben beru hende Vorgaben für einen Leistungsvergleich der Bewerber bei einer Beförderung erforderlich. Wir sind der Meinung, die se Vorgabe des Gesetzes wird durch den vorliegenden Gesetz entwurf nicht erfüllt.

Auch die Übergangsregelung zum Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 hinsichtlich bestimmter herabgestufter Funktions ämter im Lehrerbereich scheint uns in der Praxis und recht lich problematisch zu sein. Das hat auch der DGB im Rahmen der Anhörung gesagt, wie aus dem Papier ersichtlich ist.

Wir werden uns deshalb mit diesen Themen genauso befas sen wie mit der Frage, ob das, was Sie in Sachen Anrechnung von Rechtsvorschriften bei der Wehr- und Zivildienstzeit vor schlagen, auch den gesetzlichen Vorgaben entspricht und wel che Auswirkungen es hat. Das gilt ebenso für die Formulie rung hinsichtlich der Witwenrente bzw. des Witwengelds. Hier hat der Petitionsausschuss erst kürzlich einen Vorschlag ge macht. Wir sind der Meinung, dass genau dieser Vorschlag in das Gesetz übernommen werden soll.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Sie, Herr Minister, haben erklärt, dass das Bundesverfassungs gerichtsurteil zur rückwirkenden Gleichstellung gleichge schlechtlicher Lebenspartnerschaften hier nun vollzogen wird. Das ist richtig; das wird man so tun müssen. Doch ob man über die Forderung des Gesetzes hinaus noch Angebote ma chen muss, stelle ich schon infrage.

Sie selbst sagen, dass Sie über dieses Geforderte hinausgehen wollen. Das mag für die betroffenen Menschen eine Freude

sein. Doch wenn ich gleichzeitig ständig höre, welche Verän derungen Sie im Beamtenrecht vornehmen – Verzögerung der Besoldungserhöhung, Herabsetzung von Eingangsgehältern –, dann frage ich mich, warum gerade in diesem Punkt beson dere Zugeständnisse und Wohltaten verteilt werden.

Es gibt also einige Themen, mit denen wir uns im weiteren Verlauf dieser Gesetzesberatung zu befassen haben. Wir ste hen dem offen gegenüber und werden dann entscheiden, wel che der Veränderungen wir mittragen können und bei welchen wir eine andere Auffassung haben. Wir sehen den Beratungen mit Interesse entgegen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Kollegin Lösch.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat ein Gesetz, das nicht spektakulär erscheint. Doch wenn man es genauer ansieht, entdeckt man das eine oder andere Interessante. Es ist also ein Gesetz für den zweiten Blick.

Ich möchte gern beim Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften einen Punkt als wesentlichen Inhalt herausgrei fen, den auch der Herr Minister angesprochen hat. Das ist die Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge richts zur rückwirkenden Gleichstellung eingetragener Le benspartnerschaften ab dem 1. August 2001. Momentan gilt die Rückwirkung ab dem 1. September 2006.

Warum? Im Juni 2012 entschied das Bundesverfassungsge richt, dass Beamte, die in einer eingetragenen Lebenspartner schaft leben, beim Familienzuschlag nicht schlechter behan delt werden dürfen als Ehepaare. Es geht darum, verpartner te schwule und lesbische Beamtinnen und Beamte auch in dienstrechtlichen Fragen vollständig mit verheirateten hete rosexuellen Beamtinnen und Beamten gleichzustellen,

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

und zwar ab dem Augenblick, ab dem eine eingetragene Le benspartnerschaft in Deutschland möglich war, und das ist ab 2001.

2006 ging die Zuständigkeit für das Besoldungsrecht vom Bund auf die Länder über. Einige Bundesländer nutzten schon damals die Chance, die Diskriminierung von eingetragenen Lebenspartnerschaften zu beenden und diese im öffentlichen Dienstrecht den Ehen gleichzustellen; Baden-Württemberg tat dies nicht. Sowohl in Bayern wie in Thüringen, Sachsen und auch in Baden-Württemberg wurden bei den Landesanpas sungsgesetzen der Familienzuschlag der Stufe 1, die Hinter bliebenenpension sowie entsprechende Vergütungen bei Rei se, Umzug und Trennung ausgespart. Sie sehen, wie schwer sich die damalige schwarz-gelbe Landesregierung mit Akzep tanz und rechtlicher Gleichstellung von Homosexuellen und Lebenspartnerschaften getan hat.

Am 29. Oktober 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht ent schieden, dass Beamtinnen, die in einer gleichgeschlechtli chen Lebenspartnerschaft leben, Anspruch auf Familienzu schlag und Beihilfe haben. Auch da haben sich die damaligen

Regierungsfraktionen von CDU und FDP/DVP geweigert, die notwendigen Korrekturen am Dienstrechtsreformgesetz durch zuführen.

Erst nach dem Regierungswechsel – im Jahr 2012 – hat die grün-rote Landesregierung die Diskriminierung im Dienst recht beendet und eine Gleichstellung von Lebenspartner schaften mit der Ehe im Beamtenrecht beschlossen, und zwar mit einer rückwirkenden Bindung ab dem 1. September 2006, also ab dem Termin, zu dem die Zuständigkeit auf die Länder überging.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Nun gehen wir noch einen Schritt weiter und dehnen aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils die Rückwirkung von 2006 auf 2001 aus. Damit ist Baden-Württemberg das achte Bundesland, dass die Rückwirkung bis 2001 umsetzt.

Gestern habe ich recherchiert, um wie viele Paare es sich ei gentlich handelt. In ganz Baden-Württemberg sind bis Dezem ber 2012 insgesamt 4 671 Lebenspartnerschaften geschlossen worden. Im gleichen Zeitraum waren beim Landesamt für Be soldung und Versorgung 355 verpartnerte Beamtinnen und Beamte gemeldet. Jetzt, im Oktober 2013, handelt es sich um 419 verpartnerte Beamtinnen und Beamte. Damit haben sich die Befürchtungen, die im letzten Jahr bei der entsprechenden Debatte noch geäußert wurden, es gebe bezüglich nicht ge meldeter Lebenspartnerschaften eine sehr hohe Dunkelziffer, nicht bewahrheitet. Das heißt, auch die finanzielle Belastung für das Land durch die zeitliche Ausweitung hält sich mit 400 000 € als einmaligen Kosten im Rahmen.

Der Kollege Hollenbach hat erwähnt, das Land würde jetzt weiter gehen, als es müsste. Bei diesem Gesetzentwurf geht es nicht um freiwillige Leistungen oder irgendwelche Luxus geschenke. Es geht darum, einen Rechtsanspruch umzuset zen, der sowohl den europarechtlichen Vorgaben des Europä ischen Gerichtshofs als auch den verfassungsrechtlichen Vor gaben des Bundesverfassungsgerichts genügt.

Deshalb begrüßen wir diesen Gesetzentwurf ausdrücklich und freuen uns sehr, dass Baden-Württemberg nun endlich auch ein Bundesland ist, in dem staatliche Diskriminierung auf grund der sexuellen Orientierung der Vergangenheit angehört.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Kolle ge Maier.

Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Das, was uns hier in der Ersten Bera tung vorliegt, halte ich für ein wichtiges Gesetzesvorhaben. Darin sind viele Regelungen enthalten. Es sind kleine Rege lungen, aber insgesamt wird das Dienstrecht damit weiterent wickelt.

Wir müssen die höchstrichterliche Rechtsprechung beachten. Wir können Petitionen einbringen und abarbeiten. Wir müs sen eine ganze Menge Vorschriften des Besoldungs-, Urlaubs-, Versorgungs- und Beihilferechts auf den neuesten Stand brin gen.

Vielfach handelt es sich bei den Änderungen um Vereinfa chungen von Rechtsvorschriften oder auch um kleinere Ver besserungen der Dienstrechtsreform. Dieser Bedarf wurde in den letzten Jahren erkannt und ist aufgelaufen. Ihm wird mit diesem Gesetz Rechnung getragen.

Die erste wichtige Änderung – das hat Kollegin Lösch sehr schön ausgeführt – ist die rückwirkende Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften. Wir, die SPD-Fraktion, stehen dazu. Wir stehen zu dem, was das Bundesverfassungs gericht festgestellt hat, und wir stehen auch zu diesem Schritt, der über den Familienzuschlag hinausgeht – bis 2001 zurück. Denn damit werden alle relevanten dienstrechtlichen Fragen in diesem Bereich der Lebenspartnerschaften geklärt.

Ich sage ganz klar: Wir schaffen damit – das ist das Wichtige an diesem Gesetz – ein diskriminierungsfreies Dienstrecht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wichtig ist z. B. auch, was eine Regelung in Bezug auf Schul leiter oder stellvertretende Schulleiter angeht, wie sie im Haus haltsbegleitgesetz 2013/2014 getroffen worden ist, dass eine Übergangsregelung erfolgt. Hier hat sich eine Ungerechtig keit eingeschlichen. Wer die Ämter schon vor dem 1. Januar 2013 übernommen hat, sollte nach der alten und nicht nach der schlechteren neuen Regelung besoldet werden. Das stel len wir jetzt mit einer Übergangsregelung wieder richtig.

Die Landesregierung hat mit diesem Gesetzentwurf auch die Politik des Gehörtwerdens praktiziert.