Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Aber es geht noch weiter. Die 88 Seiten der Novelle des Lan desjagdgesetzes einschließlich der Begründung müssen wir mit wildtierökologischem Sachverstand füllen; diesen finde ich bei Ihnen leider nicht überall vor, und bei meinen Vorred nern schon gar nicht.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt werden Sie nicht zu persönlich, und beleidigen Sie nicht die Leu te! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Früher waren es angezogene Leute, jetzt sind es ungezogene! – Glocke des Präsidenten)

Diese Rotwildkonzeptionen verwirklichen wir mit dem Lan desjagdgesetz in ganz Baden-Württemberg. Deswegen ist es mit diesem Schalenmodell ein hochmodernes Wildtierma nagementgesetz.

Wir haben in Baden-Baden – jetzt komme ich noch einmal zur Ideologie; da wird mir meine Kollegin Böhlen wahr scheinlich zustimmen müssen – Neuland beschritten, weil auch dort die Schwarzwildbestände – – Herr Bullinger, Sie als alter Hohenlohener

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Hohenloher! Nicht Hohenlohener! Das ist ganz woanders!)

verstehen vielleicht etwas von Landwirtschaft, von Schweine haltung und von Schweinezyklen. Aber wie man Schwarzwild bekämpft, das wissen wir Grünen immer noch am besten. Das müssen Sie mir einfach glauben.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und Abgeord neten der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wir merken uns das! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sagen Sie was zum Erfolg der Aktion!)

Zur Schwarzwildkonzeption in Baden-Baden: Die Wildschwein bestände brechen durch in die Kurgärten Baden-Badens. Die Baden-Badener wissen gar nicht mehr, wie sie mit dem Schwarzwild umgehen sollen. Baden-Baden stellte daher in

nerhalb der Konzeption den Antrag, drei mobile und zwei sta tionäre Saufänge einzurichten. – Was bedeutet eigentlich Sau fang? Über den Saufang wurde lang und breit im Landestier schutzbeirat beraten. Herr Dr. Deuschle als damaliger Landes jägermeister hat diesen aus Tierschutzgründen abgelehnt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist auch rich tig! Es muss Tag und Nacht überwacht werden!)

Er sagte, das sei nicht weidmännisch. Wir haben das so lange hin und her diskutiert, bis wir uns darauf verständigt haben, jetzt ein Modellprojekt einzurichten, und schließlich haben selbst im Landestierschutzbeirat die Tierschutzverbände zu gestimmt. Wo ist denn hier Ideologie im Spiel, meine Damen und Herren?

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das hat man nach dem Krieg gemacht! Das ist ein Gemetzel, eine Ab schlachterei! – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Pix, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Dann beende ich meine Aus führungen hiermit und bedanke mich für Ihre Aufmerksam keit. Ich hoffe, dass Sie mit dazu beitragen, dass in BadenWürttemberg auch in Zukunft Jagd mit Leidenschaft betrie ben werden kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Storz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist klar: Wer zur Jagd geht, braucht ein Gewehr, sonst wird er ohne Beute wieder nach Hause kommen. Aber, meine Herren von der FDP/DVP: Wenn man eine Waffe für seine Jagd aussucht, überlegt man sich vorher, was man erlegen will. Ich finde, dass Sie sowohl mit Blick auf den Titel der Aktuellen Debatte – Sie sprechen von „ideologischer Verbotskultur“ – das falsche Kaliber gewählt haben als auch mit Blick auf die inhaltliche Begründung, wo Sie von „mangelnder Transparenz und frag würdigem Stil“ des Ministeriums sprechen; dort haben Sie weit über das Ziel hinausgeschossen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Zudem möchte ich deutlich machen: Wir sind heute nicht in der ersten Lesung des von Ihnen thematisierten Gesetzent wurfs. Der Referentenentwurf geht nun erst in die Anhörung, und wir müssen erst einmal schauen, was zum Schluss dabei herauskommen wird. Daher möchte ich mich nun zunächst einmal auf das Verfahren beziehen, bevor ich darauf eingehe, warum es wichtig ist, dieses Jagdgesetz auf den Weg zu brin gen.

Wir haben erkannt – das wurde auch in der Aussprache zur gestrigen Regierungserklärung deutlich –: Es hat sich etwas geändert. Gesetze entstehen bei uns im Land seit dem Amts antritt der grün-roten Landesregierung nicht hinter verschlos senen Türen oder in stillen Amtsstuben ideologisch verbohr

ter Minister. Vielmehr sehen wir hier ein herausragendes Bei spiel für ein Beteiligungsverfahren, das durch ein Ministeri um auf den Weg gebracht wurde. Seit dem Jahr 2012 treffen sich die Vertreter, um eine Novellierung des Landesjagdge setzes auf den Weg zu bringen. Bislang gab es, wie wir hör ten, bereits 27 Gesprächsrunden. Alle betroffenen Verbände und Interessengruppen sind eingeladen gewesen, ihre Ziele einzubringen, Argumente zu den einzelnen Regelungen vor zutragen und so die Aspekte der geplanten Änderung des Lan desjagdgesetzes zu erörtern. Da waren nicht nur die Natur schützer und die Tierschützer mit am Tisch, sondern auch Ver treter der Jagdverbände, der Landwirtschaft sowie der Ge meinden und der Kreise.

Wenn man dabei ideologisch unterwegs gewesen wäre, hätte man so etwas hinter verschlossenen Türen gemacht, und man hätte irgendwann den fertigen Referentenentwurf vorgestellt. Ich sage ehrlich: Auch wir als Abgeordnete hätten uns hier durch viele Diskussionen ersparen können.

Es ist klar – darauf wurde auch gestern schon hingewiesen –: An einem solchen runden Tisch können eben nicht alle Posi tionen eines Verbands so aufrechterhalten werden, wie sie zu Beginn der Diskussionen formuliert wurden. Da müssen Kom promisse gesucht werden; in einem Bereich muss man den an deren etwas entgegenkommen, und in einem anderen Bereich kann man die eigene Position im Gegenzug aufrechterhalten.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: C’est la vie!)

Ebendas ist, meine Herren von der FDP/DVP, die Politik des Gehörtwerdens. Es ist Blödsinn, dabei von einer „Verbotskul tur“ zu sprechen, nur weil man nicht einsehen will, dass zu ei nem dialogischen Prozess gehört, Kompromisse zu akzeptie ren, wenn man sonst gar nicht zu einem Konsens kommen kann.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Kollege Reuther, das bedeutet nicht, die anderen Vertreter vor den Kopf zu stoßen. Denn zu einem Dialog gehört einfach, dass man sich miteinander auf den Weg macht.

Sie beschwören nun aber mit Pathos die vermeintlichen Ge fahren für die Entwicklung des ländlichen Raums und tun so, als ob sich dort auch heute noch Fuchs und Hase Gute Nacht sagen würden. Aber die Welt hat sich weitergedreht, und ich glaube, manche wollen dies gerade in diesem Bereich nicht wahrhaben.

Ich möchte meinen Blick jetzt darauf lenken, warum ich es als notwendig erachte, dass wir das Landesjagdgesetz novel lieren.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Ich schaue manchmal gern Heimatfilme, beispielsweise aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren, an.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ehrt Sie! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das macht mei ne Mutter auch! – Abg. Walter Heiler SPD: Sissi!)

Da spielen die Themen Jagd und Jäger oftmals auch eine Rol le. Jagd und Jäger genießen dabei hohes Ansehen – fast ver

gleichbar mit dem Pfarrer oder dem Lehrer. Da wird freund lich gegrüßt, und da wird der Hut gezogen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ludwig Gang hofer!)

Wie sieht es denn aber heute aus? Welche Akzeptanz genießt die Jagd heute in der Gesellschaft, auch im ländlichen Raum?

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: 90 % Zustim mung! Seit Jahren!)

Ich komme aus Singen, einer Stadt, die vom ländlichen Raum umrahmt ist. Dort gibt es einen kleinen Ort mit dem Namen Bittelbrunn. In den Wäldern um diesen Ort finden regelmäßig große Treibjagden statt; da beteiligen sich dann berühmte Per sönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben – der Name Ion Ti riac sagt Ihnen vielleicht etwas.

(Abg. Peter Hauk CDU: Blitzt da Neid durch, oder wie? – Gegenruf des Abg. Thomas Reusch-Frey SPD: Das ist Ideologie!)

Weil eben berühmte Persönlichkeiten dabei sind, berichtet die Presse darüber, und zwar auch mit Bildern, auf denen die Jagdstrecke gezeigt wird. Es liegen dort dann 30 oder mehr Wildsauen, ein paar Rehe, ein paar Füchse, ein paar Hasen. Sie sollten einmal sehen, was am nächsten Tag an Leserbrie fen in der Zeitung steht. Da wird vor keinem Jäger der Hut gezogen, sondern die Jagd als solche wird hinterfragt, die Jä ger werden teilweise sogar als Mörder bezeichnet. Das sind doch die Bilder, die sich bei den Menschen eingeprägt haben. Eben deshalb ist es wichtig, dass wir das Jagdgesetz novellie ren und damit auch das Ansehen der Jäger reformieren und ein neues, moderneres Bild von ihnen gewinnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Röhm?

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Weidmannsheil!)

Danke. – Meine Frage passt genau in diesen Zusammenhang: Sie haben jetzt die Drückjagd angesprochen. Mit dem neuen Landesjagdgesetz sollen zukünftig mehr Drückjagden abgehalten werden, und die Einzeljagd soll in den Hintergrund treten. Halten auch Sie es – aus den von Ihnen genannten Gründen – für wesentlich schwieriger, auf einen Schwarzkittel in Bewegung zu schie ßen, als auf einen, der steht? Ich möchte das einmal so deut lich formulieren. Betrachten Sie es als eine Maßnahme im Sin ne des Tierschutzes, dass die Drückjagd gegenüber der Ein zeljagd den Vorzug erhalten soll?

Die Zahlen der Strecke sagen deutlich, dass bei Drückjagden wesentlich mehr erlegt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es geht um die Umstände, tierschützerisch gesehen!)

Wir haben ja gehört, wie die Schwarzwildpopulation ausgreift, und das trotz des bestehenden Jagdgesetzes. Darum müssen

wir dringend darauf hinwirken, dass dies so gemacht werden kann.

Die Themen Jagd und Jäger werden in unserer Gesellschaft immer kritischer betrachtet, auch im ländlichen Raum. Dar um ist es wichtig, mit dem neuen Landesjagdgesetz alte Zöp fe abzuschneiden und die Jagd von Klischees zu befreien. Man muss deutlich machen, dass die Jagd nicht nur tötet, sondern vor allem auch Tierschutz und Naturschutz bewirkt. Dies wur de ebenfalls bereits zum Ausdruck gebracht.