Protokoll der Sitzung vom 10.05.2017

Jetzt kann Herr Abg. Schoch noch eine ganz kurze Frage stellen. Denn die Zeit für das ers te Thema ist gleich abgelaufen.

Sehr geehrte Frau Staats sekretärin Mielich, ich möchte an das anschließen, was Herr Hinderer gerade gesagt hat. Ich hatte ein Gespräch mit ver schiedenen Hebammen bei uns im Landkreis, und dabei ist genau die Problematik Kaiserschnittgeburten noch einmal auf geschlagen. Bei uns hat die Zahl der Kaiserschnittgeburten in den letzten Jahren im Vergleich zu anderen Kreiskliniken überproportional zugenommen. Deshalb kam aus dem Kreis der Hebammen die Frage auf, ob es nicht intensiviert eine ent sprechende Beratung hin zur natürlichen Geburt und Geburts hilfe geben muss, um das Verhältnis wieder zu verbessern. Denn viele Frauen sind einfach verunsichert bezüglich der Frage: Wie bringe ich mein Kind auf die Welt?

Vor diesem Hintergrund könnte ich mir schon vorstellen, dass es sinnvoll sein könnte, dass die Beratung im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft ein höheres Gewicht als derzeit be kommt.

Kollege Schoch, das, was Sie jetzt angesprochen haben, ist ein Plädoyer für eine quali tativ gute Vorsorge. Denn das sind natürlich genau die Fragen, die im Rahmen der Schwangerenvorsorge auch angesprochen werden müssten. Es ist ja in der Tat so, dass die Gespräche bzw. auch Äußerungen oder Veröffentlichungen über Risiken, die mit der Geburt zusammenhängen, natürlich oftmals gera de Schwangeren sehr im Bewusstsein sind und deshalb auch zu einer möglichen Verunsicherung führen.

Es obliegt dann in der Tat den Personen, die die Schwangeren beraten, ihnen ein gutes Gefühl zu vermitteln und ihnen die Sicherheit zu geben. Wenn es auf der anderen Seite durchaus auch Risiken gibt, müssen auch diese benannt werden, um verantwortlich damit umzugehen.

Deswegen ist es in meinen Augen enorm wichtig, dass Heb ammen ein fester Bestandteil im Versorgungskonzept der Vor sorge sind.

Vielen Dank. Damit sind wir mit diesem Thema durch. Die für das erste Thema zur Verfü gung stehenden 30 Minuten sind auch abgelaufen. Somit war dies praktisch eine Punktlandung.

Das zweite Thema wurde von der Fraktion der SPD beantragt:

S t a n d d e r U m s e t z u n g d e s B u n d e s t e i l h a b e g e s e t z e s i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g

Ich darf das Wort Frau Abg. Wölfle erteilen.

Sehr geehrter Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende des vergangenen Jahres ist das Bundesteilhabegesetz durch den Deutschen Bundestag und den Bundesrat verabschiedet worden. Unter der großen Überschrift „Mehr Teilhabe und Selbstbestimmung – weniger Fürsorge“ regelt es die Leistungen für Menschen mit Behin derungen neu. Es nimmt insbesondere auch eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der UN-Behinder tenrechtskonvention auf.

Klar ist aber, dass nicht alle mit dem verhandelten Kompro miss zufrieden sind und jeder der Beteiligten sicher noch min destens einen Aspekt hat, der leider noch nicht verbessert wur de. Aber jeder weitere Aspekt, jeder weitere Wunsch muss na türlich auch irgendwie bezahlt werden.

Klar ist aber auch, dass wir nun ein Paket haben, das für vie le Menschen mit Behinderungen starke Verbesserungen bringt. Wer diesen Kompromiss vor einem halben Jahr hätte schei tern lassen, hätte sich fragen lassen müssen, wie er verantwor ten kann, dass diese Verbesserungen erneut auf die lange Bank geschoben werden.

Nach dem Beschluss liegt es am Bund und an den Ländern, dieses Gesetz umzusetzen. Jetzt kann es ja sein, dass hinter den Kulissen schon viel passiert. Uns ist jedoch noch nichts bekannt; deswegen frage ich jetzt einfach nach.

Es gab in der letzten Woche – ich will es jetzt nicht Beschwer de nennen – eine Anfrage des Paritätischen Wohlfahrtsver bands, der äußerte, es gebe ihm einfach noch zu wenig Infor mationen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat das Land auch aufgefordert, bei der Umsetzung des Bundesteilhabege setzes die Beteiligung von Menschen mit Behinderung und deren Interessenvertretern sicherzustellen und die dafür nöti gen Regelungen zu treffen. Gerade das ist ja z. B. in § 131 des Bundesteilhabegesetzes auch vorgeschrieben.

Auch von anderen Verbänden hört man, dass derzeit noch Funkstille herrsche. Dabei muss bereits im Jahr 2017 auf Lan desebene einiges umgesetzt werden.

Daher meine Frage: Wie weit sind die Vorbereitungen der Lan desregierung zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ge diehen? Sind etwa schon Entwürfe für Gesetze bzw. Verord nungen erarbeitet? Wie werden dabei die Menschen mit Be hinderung und auch die Verbände der Leistungserbringer ein bezogen? Gibt es auf Landesebene eine Beteiligungskultur, wie es sie auf Bundesebene zur Erarbeitung des Gesetzes ge geben hat?

Vielen Dank. – Für die Lan desregierung erteile ich Herrn Minister Lucha das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kol legin Wölfle, herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Das trifft sich gut: Heute befindet sich ein umfassender Vermerk in meinem Zeichnungslauf, weil wir dieses Thema sehr intensiv und – das liegt in unser aller Interesse – natürlich auch sehr genau bearbeiten müssen.

Sie wissen, dass wir gemeinsam letztendlich ein Gesetz er kämpft und verabschiedet haben, das eine zeitlich gestaffelte Umsetzungsdramaturgie hat – zu Recht, denn das war Be standteil des Kompromisses. Ich darf Ihnen den Handlungs bedarf für 2017 und den Ablauf, wie er sich uns darstellt, ein fach einmal vortragen.

Das Wichtigste war jetzt für 2017 selbst, weil die Wirkung schon zu diesem Jahr erfolgt war, die Teilerstattung des Bar betrags durch den Bund in den Jahren 2017 bis 2019, die Er höhung auf 57 €, 14 % des Regelbedarfs, bei den stationären Einrichtungen. Das mussten wir schon umsetzen; das hatte schon eine sehr umfassende Handlungsfolge.

Das Nächste ist das Inkrafttreten des neuen SGB-IX-Vertrags rechts für Fachleistungen der Eingliederungshilfe und die Be stimmung des zuständigen Eingliederungshilfeträgers. Das ist jetzt tatsächlich der Schritt, den wir zurzeit vorbereiten: Wie wird die Trägerschaft in Zukunft örtlich und überörtlich be stimmt?

Natürlich haben wir auch mit der kommunalen Familie erste Gespräche geführt. Wir haben ganz offen hingeschaut – das haben wir auch in den letzten fünf Jahren schon getan –, wel che rechtlichen Instrumente wir dann konstruktiv schaffen. Dahinter verbirgt sich dann ja auch der Landesrahmenvertrag, verbergen sich Vertragskommissionen. Ihre Kolleginnen und Kollegen wissen aus den letzten Jahren, dass es immer auch Prozessgänge zu uns gab, weil diese Gremien sehr statisch waren.

Das werden wir also aufarbeiten, und wir werden Ihnen dann natürlich fristgerecht Lösungsvorschläge unterbreiten, wie diese Aufgabenverteilung erfolgen kann, abgestimmt auch mit den Betroffenen selbst. Dann werden wir in der Tat auch ge wichten, was uns wichtig ist; inhaltlich sind das sicherlich As pekte wie „wohnortnah“, „lebensortnah“, „selbstbestimmt“ und „dezentralisiert“. Das sind auch die Metathemen, die wir bei den formalen Beschlüssen immer mit im Kopf haben.

Parallel dazu, liebe Frau Wölfle – das wird Sie interessieren –: Eine der ersten Aufgaben ist ja die Einrichtung und die För derung der Verfahren zur ergänzenden unabhängigen Teilha beberatung, die dem Bund sehr wichtig war. Da sind tatsäch lich gestern – leider erst gestern – die ersten Eckpunkte für

die Förderkriterien vom Bundesministerium zu uns gekom men.

Wir haben gestern in einer Arbeitsrunde beschlossen, dass wir jetzt ein erstes Informationsgespräch mit den „Peerleadern“ – also mit den Betroffenen selbst, die ja eigene Erfahrungen ha ben – führen. Zu einer ersten Informationsrunde werden wir alle von uns eingerichteten Kreisbehindertenbeauftragten, al le IBB-Stellen als Multiplikatoren, die kommunale Familie und den KVJS einladen, damit wir einfach mal ein Bild ha ben, wo, in welcher Region diese unabhängige ergänzende Teilhabeberatung stattfinden kann.

Wenn wir dann gemeinsam die Entscheidung getroffen haben, wie in Zukunft die Trägerschaft örtlich und überörtlich statt findet, gibt es natürlich die Auftaktveranstaltung. Hier wer den die Vertreter der Eingliederungshilfeträger und der Ein richtungsträger sowie der Landesbehindertenbeirat – ich ha be auch regelmäßig Jours fixes mit der Beauftragten – einbe zogen, damit wir das ganz systematisch miteinander bespre chen.

Wir werden, denke ich, wenn wir den nächsten Vorschlags schritt haben, bestimmt auch im Ausschuss darüber diskutie ren. Ich hoffe, es gelingt uns noch im Juni, Ihnen einen ersten Überblick zu geben.

Wir wollen auch die ergänzende unabhängige Teilhabebera tung, wenn uns das irgendwie gelingt, sogar noch Ende Mai durchführen, damit die Verbände mehr Zeit bekommen, als das offensichtlich in anderen Ländern der Fall ist. Wir haben uns in anderen Bundesländern ein bisschen umgehört, ob die se näher dran sind, bedingt dadurch, dass wir vom Bund die Vorgaben so spät bekommen haben. Aber das ist meines Er achtens ein solch großes Projekt, bei dem man so viel beden ken muss – Sie selbst haben es dankenswerterweise angespro chen –, dass wir auf alle Fälle diese Beteiligung wahrnehmen.

Im Hinblick auf das nächste Jahr ist die Einberufung der AG Bedarfsermittlung wichtig. Die ICF-basierte Bedarfsermitt lung, lieber Kollege Poreski, ist quasi das Parallelthema zu den formalen Entscheidungen, wer Träger wird, wie wir dies strukturiert aufsetzen, damit wir dies anbieten können.

Dann werden wir natürlich eine AG Rahmenvertrag nach SGB IX einrichten. Das ist, glaube ich, in unser aller Interes se.

Wir werden auch – das zu erwähnen habe ich vergessen – ei ne Lenkungsgruppe einrichten, bestehend aus den formalen Trägern, aber natürlich auch den Betroffenen selbst, aus der Selbsthilfe, aus der Wohlfahrtspflege. Ich habe heute Morgen auch ein Gespräch mit Frau Wolfgramm vom Paritätischen Wohlfahrtsverband geführt.

Sie verstehen, dass wir im Moment, nachdem wir gemeinsam bis zum Ende des letzten Jahres, bis zur letzten Sitzung des Bundesrats unter Hochdruck gearbeitet hatten, einen sehr kur zen Vorlauf für die verwaltungstechnischen und auch die ju ristischen Bewertungen der Rechtsfolgen hatten. Dies arbei ten wir jetzt auf. Diese Woche werden, wie gesagt, zwei Ver merke erstellt, um die Arbeitsaufträge zu machen.

Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Kenner.

Herr Minister, so kann es einem manchmal in der Opposition gehen. Ich wollte Sie fragen, wann Sie nach der Ermächtigungsverordnung nach § 142 SGB IX handeln und wen Sie einladen. Jetzt haben Sie das al les schon ungefragt beantwortet. Dafür möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Dann können wir uns zwei Minuten erspa ren.

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Vielen Dank für die ausführliche Antwort, ohne dass ich ge fragt habe.

Ich bedanke mich, dass Sie heute die Frage gestellt haben. Es gibt natürlich Themen, die von unglaublicher Bedeutung sind. Er innern Sie sich daran: Als wir in der damaligen Debatte ver kündeten, dass wir gemeinsam einen Erfolg erzielt haben, hat sich niemand dafür interessiert, auch niemand von der Pres se. 14 Tage zuvor, als es noch Dissense gab, gab es noch gro ße Kritikdebatten darüber. Aber dass wir etwas Gutes gestal tet haben, dass wir, die Parteien, das gemeinsam tragen – auch über die Länder hinweg und über die Bundestagskoalition hin weg –, ist schon eine große Leistung. Mit derselben Ernsthaf tigkeit agieren auch die Bund-Länder-Arbeitsgruppen – das ist auch ein tolles Ergebnis – im Austausch über die jeweili gen Gremien und Fraktionen hinweg.

Die nächste Frage kommt von Frau Abg. Wölfle.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Nein! Er hat schon alles beantwortet!)

Keine Wortmeldung. – Dann Herr Abg. Hinderer.

Herr Minister Lucha, ich habe eine Frage zu § 94 des Bundesteilhabegesetzes. Danach sol len die Länder darauf hinwirken, dass flächendeckende, am Sozialraum orientierte und inklusiv ausgerichtete Angebote von unterschiedlichen Leistungserbringern sichergestellt sind.

Daraufhin meine Frage: Haben Sie schon eine Vorstellung, wie dieses Ziel in Baden-Württemberg umgesetzt werden soll und inwieweit – es gibt ja einen Vorläufer, bekannt unter der Überschrift „Gültstein-Prozess“ – die Ergebnisse des Gült stein-Prozesses hier eine Rolle spielen werden?

Herzlichen Dank, Herr Hinderer. – Wir haben ja gemeinsam den Psychiatrieplan des Landes auf den Weg gebracht. Sie können sich noch an die gemeinsamen Debatten über das Psy chisch-Kranken-Hilfe-Gesetz erinnern. Da hatten wir genau die Frage nach der Gremienbildung und danach, mit welchen Strukturen wir den Bedarf steuern.

In einem nächsten Schritt würde ich Ihnen Selbiges auch gern vorschlagen, nämlich miteinander über ähnliche Verbünde, Verbundstrukturen, wie wir sie jetzt in der Gemeinde- und So zialpsychiatrie haben, auch für die Behindertenhilfe nachzu denken und das dann auch mit den neuen Trägen – die even tuell die alten sind; legen Sie mich da jetzt nicht fest –, vor al lem mit den Trägern der Leistungserbringer und mit der Selbsthilfe zu tun.

Auch die Analyse ist im Prinzip ja ähnlich wie vorhin bei der Debatte über das Gesundheitswesen – Bestandsanalyse, Ent wicklung und die Frage, welche Hilfen wir haben.

Mit Blick auf die Inklusion in der Schule stellt sich die Fra ge: Welche Schulabgänger sind hier, welche Menschen mit angeborener Behinderung sind hier? Quantitative Zuwachs raten haben wir ja ausschließlich bei Menschen mit seelischer Behinderung. Auf diesem Versorgungsgebiet sind wir heute planerisch, bei der Sicherstellung, durch gemeindenahe An gebote schon am weitesten in der Entwicklung.

Genau mit diesen Denkmustern werden wir auf § 94 zugehen. Ich glaube schon, dass wir gemeinsam ein ähnliches Werk ma chen werden, wie es uns beim Landespsychiatriegesetz ge glückt ist. Auch im Landes-Behindertengleichstellungsgesetz haben wir viele Punkte der Teilhabe und der Vertretung schon mit verankert – ganz unabhängig vom formalen Gültstein-Pro zess, der sich auch mit den sozusagen physikalischen Fragen beschäftigt.

Vielen Dank. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist dieses Thema erledigt.

Ich rufe das nächste Thema der Regierungsbefragung auf – gemeldet von der CDU-Fraktion –: