Ich will deutlich herausstellen, dass wir uns fraktionsübergreifend darin einig sind, dass die Stadtbezirksgrenzen anders als kommunale Außengrenzen keine für die Einteilung von Stimmkreisen bindenden Grenzen sind. Es überrascht deshalb, wie viel Aufhebens von der Beachtung der Stadtbezirksgrenzen in der Diskussion gemacht wurde.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Volkmann?
Herr Staatsminister, Sie haben auf die Kontinuität Bezug genommen und – wie in den Ausschüssen – erklärt, dass die Kontinuität der einzige Gesichtspunkt ist.
Sie haben gesagt, dass die Kontinuität in München der einzige Gesichtspunkt ist, der in der Abwägung dazu führt, dass Sie zu dieser Lösung kommen. Wir haben Ihnen einen Brief geschrieben, in dem wir nachweisen, dass der Alternativvorschlag, den wir eingebracht und zur Abstimmung gestellt haben, in mindestens dem gleichen Maß – nach unserer Auffassung sogar in größerem Maß – zu einer Kontinuität der Stimmkreise und darüber hinaus zu einer größeren Wahlgleichheit führt und dabei die Stadtbezirksgrenzen einhält. Können Sie mir bitte erklären, wie Sie begründen wollen, dass bei Ihrem Vorschlag die Kontinuität der entscheidende Gesichtspunkt ist?
Herr Kollege Volkmann, ich habe zunächst hervorgehoben, dass der Ausgangspunkt war, dass zwei Stimmkreise einzusparen waren. Um der Kontinuität möglichst Rech
nung zu tragen, haben wir mit unseren Überlegungen, welche Stimmkreise aufgelöst werden könnten, in der Innenstadt begonnen. Ich habe nicht gesagt, dass die Kontinuität der einzige und der allein bedeutsame Gesichtspunkt ist. Selbstverständlich haben viele weitere Gesichtspunkte eine Rolle gespielt, aber die Kontinuität war der Ausgangspunkt.
Ich stimme Ihrer Bemerkung, die auch in dem Schreiben der SPD-Fraktion enthalten ist, das vorgestern in meinem Haus eingegangen ist, nicht zu, dass die Kontinuität bei unserem Vorschlag weniger gewahrt wäre als beim Vorschlag der SPD. Wir haben in einer detaillierten Abwägung, die ich zu Protokoll gebe, dargelegt, dass die Kontinuität bei unserem Vorschlag besser gewahrt wird als bei Ihrem Vorschlag, wenn ich auch zugebe, dass bei fünf von zehn Stimmkreisen keine wesentlichen Unterschiede bestehen. In anderen Bereichen sind aber sehr wohl Unterschiede vorhanden.
Weil ich glaube, dass es wenig Sinn macht, ein derart spezielle Frage, die von Ihnen nur in allgemeiner Form angesprochen worden ist, in allen Details zu behandeln – wenn ich richtig informiert bin, wird Herr Kollege Dr. Bernhard hierzu im Detail Stellung nehmen –, bitte ich Sie, mir folgende Vorgehensweise zuzubilligen: Ich werde die weiteren Überlegungen zur Situation in München zu Protokoll geben.
Dasselbe gilt für die Überlegungen zu Schwaben, um den Standpunkt der Staatsregierung in weiteren Verfahren, insbesondere vor dem Verfassungsgerichtshof zu dokumentieren.
Ich hebe ausdrücklich hervor, dass die Aussage von Herrn Volkmann, dass die Kontinuität auf andere Weise besser beachtet würde, aus meiner Sicht nicht richtig ist. Die Grenzen der Stadtbezirke können unsere Einteilung nicht präjudizieren. Es ist klar, dass die Einteilung der Stadtbezirke die Entscheidung des Bayerischen Landtags als Gesetzgeber nicht binden kann. Wir haben uns ohnehin bemüht, die Stadtbezirksgrenzen, soweit es sinnvoll und zweckmäßig ist, zu beachten. Ein Verbot, sie zu durchschneiden, gibt es nicht. Es gibt auch keinen Rechtssatz, wonach die Durchschneidung von Stadtbezirksgrenzen nach Möglichkeit zu vermeiden ist. Wir sind als Gesetzgeber nicht an die Entscheidung eines Stadtrats gebunden. Die Freiheit zu einer eigenen Einschätzung, die uns auch der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich zugestanden hat, sollten wir nicht in Frage stellen.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu Nürnberg und Mittelfranken machen. Frau Tausendfreund hat das Thema bereits angesprochen. Frau Tausendfreund, ich selbst hätte es recht positiv gefunden, wenn in Nürnberg eine Änderung der Stimmkreisgrenzen vorgenommen worden wäre. Wenn man den Stimmkreis selbst nicht gewonnen hat, ist die Bindung nicht ganz so groß wie dann, wenn man ihn seit vielen Jahren hat. Ich hätte mir durchaus vorstellen können, Stimmkreise zu verändern
und beispielsweise Erlenstegen und Mögeldorf zu Nürnberg-Nord hinzuzunehmen, was das Umfeld sicher nicht zum Schlechten verändert hätte. Allerdings muss man sich über Folgendes im Klaren sein: Wenn man in Nürnberg einen Stimmkreis reduziert hätte, wäre man an der äußersten möglichen Grenze für Abweichungen gewesen. 58000 Personen aus den an Nürnberg anschließenden Stimmkreisen – Schwabach, Nürnberger Land – hätten anders verteilt werden müssen. Das hätte massive Veränderungen zur Folge gehabt. Ich habe den Eindruck, dass dies auch von Ihnen nicht ernsthaft weiter verfolgt worden ist, sonst hätten Sie sicher detaillierte Abänderungsanträge gestellt.
Vom Prinzip her wäre eine solche Lösung naheliegend gewesen. Ich habe das auch für Ansbach schon gesagt. Im Übrigen hätte es – wenn ich das sagen darf – für die Mehrheitsfraktion eher positive Auswirkungen, wenn die Stimmkreise in Großstädten groß und auf dem flachen Land klein gehalten würden. Es ist also offensichtlich, dass unsere Lösung nicht das Geringste mit parteipolitischer Bevorzugung zu tun hat, sondern ausschließlich mit den Bemühungen um sachgerechte Lösungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie haben angekündigt, Popularklage zu erheben. Dagegen habe ich nichts.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass das Gesetz wie nahezu alle Wahlrechtsgesetze in der Vergangenheit mit der Popularklage angefochten wird. Nicht nur im Interesse der Staatsregierung, sondern im Sinne von uns allen möchte ich Sie bitten, das Verfahren möglichst schnell durchzuführen. Alle Kandidaten aller Parteien dürften großes Interesse daran haben, dass die Klärung schnell herbeigeführt wird. Aus meiner Sicht ist es durchaus positiv, dass eine Fraktion des Landtags zu einem frühen Zeitpunkt Klage erhebt. Es gibt viele Klagen von Betroffenen. Beispielsweise hat Landrat Rosenbauer aus Weißenburg angekündigt, er werde Klage erheben. Wir wissen auch, dass gegen die Lösung in Oberfranken Klage erhoben wird, wie auch gegen jede andere Lösung Klagen erhoben worden wären.
Deswegen meine Bitte, die Klage bald zu erheben, damit wir nach Möglichkeit nach einer einigermaßen überschaubaren Zeit Klarheit darüber haben, wie die Wahl des Jahres 2003 zu organisieren ist.
Der heutige Beschluss über den Gesetzentwurf zur Änderung des Landeswahlgesetzes ist ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der 1998 vom Volk beschlossenen Verkleinerung des Landtags. Er ist das Ergebnis intensiver Beratungen in diesem Haus. Ich möchte mich ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die bei diesen Beratungen mitgewirkt haben, insbesondere bei Kollegen Welnhofer und dem entsprechenden Ausschuss; denn es ist eine Menge an Arbeit gewesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, Sie werden auch verstehen, wenn ich bei dieser Materie ein herzli
ches Dankeschön an die wenigen Mitarbeiter richte, die in meinem Hause hierfür nur vorhanden waren. Herr Spilarewicz, Sie und Ihre Mitarbeiter, die in diesem Bereich tätig sind, hatten in unglaublichem Maße zu arbeiten. Es war einfach nicht möglich, alle einzelnen Eingaben noch zu beantworten, aber Sie haben sich bemüht, allen Kolleginnen und Kollegen und allen Fraktionen, soweit es überhaupt nur möglich war, zur Seite zu stehen und mit der Technik, die bei uns dafür entwickelt worden ist, zu helfen, etwaige Alternativen zu erarbeiten. Ich möchte am Ende deswegen ausdrücklich auch ein herzliches Dankeschön an Sie und Ihre Mitarbeiter im Ministerium sagen.
Ich bitte, dem Gesetzentwurf der Staatsregierung zuzustimmen, damit wir dann in dieser Form eine Grundlage haben. Ich bin mir sicher, dass sie in dieser Form auch bleiben wird, dass wir sie als Ausgangspunkt für die Wahlen im Jahre 2003 haben.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will noch einige Bemerkungen aus Münchner Sicht machen, nachdem München verschiedentlich besonders apostrophiert und angesprochen worden ist. Ich möchte feststellen, dass in München zwei von zehn Stimmkreisen wegfallen und dass München deshalb auch in besonderer Weise, ja ich würde schon sagen hart betroffen ist, auch deshalb, weil wir zwar weniger deutsche Wohnsitzbevölkerung haben, aber deshalb nicht weniger Gesamtbevölkerung, sprich, weil auch der ausländische Teil der Bevölkerung Münchens weiter politisch betreut werden muss.
Eine wichtige Rolle – das ist auch angesprochen worden – spielt in München die Frage der Rechtsqualität der Stadtbezirke als Vorgabe für die Stimmkreiseinteilung. Es ist so – da sind wir uns einig –, dass die Stadtbezirke nicht die Qualität von Gemeindegrenzen haben – das ist auch verfassungsgerichtlich inzwischen so festgestellt worden. Herr Kollege Hahnzog, es wäre vernünftig, wenn Sie aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur den Satz zitieren würden, den Sie zitiert haben – das war ja im Grunde genommen nur der Vorsatz –, sondern auch die für unseren Zusammenhang weitaus bedeutsamere Feststellung des Gerichtes, dass es nicht angängig wäre, wenn der Gesetzgeber bei der Stimmkreiseinteilung an die vom Stadtrat getroffene jeweilige Stadtbezirkseinteilung, der möglicherweise ganz andere Gesichtspunkte zugrunde liegen, gebunden wäre. Dies ist für unseren Zusammenhang wesentlich entscheidender.
Wir sind auch nicht der Meinung, dass der Volksentscheid und die Rechte der Stadtbezirke die Situation wesentlich verändert hätten. Ich will auch darauf hinweisen, dass das Parlament alle Versuche, die Stadtbezirke in die Qualität von Stadtbezirksbürgermeistereien und
Ähnliches zu bringen, immer nachhaltig abgelehnt hat. Das ist eine Frage der Reihenfolge der Normsetzung, die vom Verfassungsgericht angesprochen worden ist. Ich glaube, sie hat auch heute noch genauso Gültigkeit.
Ich will auch darauf hinweisen, dass das Bundesinnenministerium bei der Frage des Neuzuschnitts der Bundeswahlkreise ganz klar und dezidiert die Meinung vertreten hat, dass es auf die Stadtbezirkseinteilung in keiner Weise ankommt. Es kann ja wohl nicht so sein, dass das für die Stimmkreiseinteilung große Bedeutung hätte, für die Bundeswahlkreise aber völlig egal wäre. Ich glaube, dass Sie das völlig überbewerten und dass nach wie vor das gilt, was damals das Verfassungsgericht gesagt hat.
Jetzt eine Bemerkung zur Frage der Stimmkreiskontinuität. Die Stimmkreiskontinuität ist aus unserer Sicht ein wichtiges Kriterium – das lässt sich wohl auch nicht bestreiten –, aber es ist natürlich nicht das einzige Kriterium. Genauso wichtig ist die Frage, welche Siedlungszusammenhänge, welche wirtschaftlichen Zusammenhänge es gibt, wie sich die Bevölkerung in einem bestimmten Bereich orientiert. Ich glaube, es ist auch so, dass durch die vergrößerten Stimmkreise die Orientierungsmöglichkeit an den Stimmkreisen nicht pauschal, aber im Einzelfall geringer geworden ist. Ich glaube auch, dass die Vorgabe von 15%, die wir in München sehr strikt eingehalten haben, im Einzelfall die Möglichkeit der Orientierung an den Stadtbezirksgrenzen vermindert.
Nun noch einmal zur Frage der Kontinuität im Einzelnen. Sie haben einen Brief geschrieben, den Herr Volkmann gerade angesprochen hat. Wenn man sich den Vorschlag des Innenministeriums ansieht, stellt man fest, dass von acht Stimmkreisen, die jetzt entstehen, sechs durch Erweiterung entstehen, das heißt in hohem Maße die Kontinuität wahren, und einer völlig unverändert bleibt. Bei sieben dieser Stimmkreise ist also ganz eindeutig die Kontinuität gegeben, sodass aus unserer Sicht dieses Kriterium in hohem Maße eingehalten wird. Ich will jetzt nicht auf alle Einzelheiten eingehen, weil das die Kolleginnen und Kollegen, die von auswärts kommen, nicht nachvollziehen können. Es ist aber doch so, dass Sie selber sagen – wenn ich das richtig sehe –, dass Sie bei fünf Stimmkreisen kein Problem haben und zu zwei Stimmkreisen sagen, dass ohnehin der CSUVorschlag bzw. der Vorschlag der Staatsregierung der bessere sei. Ich kann also nicht sehen, dass dies irgendeine tragfähige Argumentation sein könnte. Schauen Sie sich Laim an. Sie sagen, 70% werden erhalten. Auf der anderen Seite wird Laim, das eben aufgelöst wird, auf zwei Stimmkreise verteilt.
Ich glaube also insgesamt, dass der Vorschlag der Staatsregierung, den wir unterstützen und den wir im Übrigen lange diskutiert haben – es kann gar keine Rede davon sein, dass nach dem Motto verfahren worden wäre „Augen zu und durch“; wir haben all die rechtlichen Probleme, auch Ihre Einwände sehr sorgfältig diskutiert –, ein sehr vernünftiger Vorschlag auch für den Bereich München ist, der die Wahlrechtsprinzipien einhält. Deshalb stimmen wir diesem Vorschlag und diesem Teil des Gesetzentwurfes zu.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn jemand fragen würde, ob es in einem demokratischen Staat, in einem demokratischen Gemeinwesen im Zusammenhang mit einer Stimmkreisreform oder mit einem entsprechenden Gesetz zu einer Stimmkreisreform möglich sein könnte, dass alle Prinzipien von Sach- und Fachgerechtheit, ausgewogener Anwendung zweier sich zum Teil widersprechender, jedenfalls miteinander korrespondierender Verfassungsbzw. Rechtsprinzipien, der fairen Berücksichtigung berechtigter Einwendungen der Kommunen und der regionalen Kräfte und verschiedenes anderes mehr, all dies beiseite geschoben werden, nicht zur Anwendung kommen, nicht zum Gestaltungsprinzip gemacht werden und stattdessen nach dem Feudalprinzip vorgegangen wird, sozusagen „Unser Land ist gutes Land, ist schwarzes Land, Bonanza; lasst uns die Dinge so machen, wie sie für uns selbst am besten sind“; wenn jemand fragt, ob so etwas denkbar ist
wenn jemand fragt, ob so etwas möglich ist und ob es ein solches Land gibt, dann kann ich darauf die Antwort geben: Ja, das Land heißt Bayern und der Feudalherr heißt CSU.
Das ist die wahre Quintessenz jenseits aller Finessen von Verfassungsjuristen, die mit feiner Klinge arbeiten, in Wahrheit aber Spiegelfechterei betreiben.
Ich will Ihnen sagen, nach welchen Kriterien bei der Gestaltung dieses Gesetzes Sie vorgegangen sind.
Sie haben sich Ihre Truppe angeschaut und sich gefragt: Wer ist nach dem Abgeordnetengesetz ausreichend versorgt und kann deshalb ohne Bedenken entsorgt werden? Das war das erste Kriterium.
Das zweite war: Wer ist hinreichend alt oder hat sonstige Gebrechen und kann deshalb ohne größere Not geopfert werden?