Wenn die Vorstellungen der SPD durchgesetzt würden, müsste zweitens davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Kinder an den Förderschulen massiv zurückgeht. Dann aber wäre die Bildung von Schulsprengeln für Teilgebiete von Bezirken möglich, und dann könnte der Bezirk Sachaufwandsträger dieser Schulen werden. Dabei übersieht die SPD aber völlig, dass 90% der Eltern von behinderten Kindern über die bestehenden Einrichtungen froh sind und befürchten, dass durch die Integrationsbemühungen wohnortnahe Förderschulen in Gefahr geraten oder zumindest in der personellen und sachlichen Ausstattung Einbußen erleiden könnten. Auf jeden Fall ist zu erwarten, dass durch eine Regelung auf Bezirksebene viel längere Schulwege entstehen. Vor allem würden wir gegen den Willen der Eltern handeln.
Zur pädagogischen Problematik wird auch noch die Pisa-Studie herangezogen. Es ist richtig, dass die skandinavischen Länder im Hinblick auf die Förderung lernschwacher Kinder bessere Ergebnisse haben. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass bei der Pisa-Studie bayerische lernschwache Schüler überhaupt nicht getestet wurden. Zudem erfolgte der Pisa-Test deutschlandweit, und in Deutschland gibt es in vielen Ländern eine integrative Beschulung an allgemeinen Schulen, sodass gerade darauf die schwachen Ergebnisse zurückzuführen sind.
Einen Satz noch. Letztendlich ist daraus schon zu ersehen, dass nicht die integrative Beschulung zu besseren Ergebnissen bei der Pisa-Studie führen würde, sondern dass ganz andere Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Integration von behinderten Kindern war und ist seit jeher ein sehr großes Anliegen von uns GRÜNEN. Wir sind der Ansicht, dass die Eltern selbst darüber entscheiden sollen, ob ihr Kind an einer Regelschule oder an einer Förderschule den Unterricht besuchen soll. Die Eltern sollen eine freie Auswahl haben. Ich sehe überhaupt nicht die Gefahr,
dass die Förderschulen aussterben werden. Herr Thätter, Sie haben ja selber gesagt, dass viele Eltern mit den Förderschulen zufrieden sind und deshalb auch weiterhin ihre Kinder an Förderschulen schicken werden. In den letzen Jahren hat sich bei der Integration zwar etwas getan, aber weiterhin wird am Prinzip der Lernzielgleichheit festgehalten. Um ehrlich zu sein, Integration wird eigentlich nur von Ministeriums Gnaden ermöglicht. Die Eltern können noch so gute Argumente haben, das Ministerium sitzt immer am längeren Hebel. Der Gesetzentwurf der SPD verfolgt daher genau das richtige Ziel. Letztendlich soll eine Art Waffengleichheit zwischen Eltern und Ministerium geschaffen werden, sodass Eltern eine echte Chance bekommen, ihr Kind an die Regelschule zu schicken.
Herr Thätter, Sie gehen von der aktiven Teilnahme des einzelnen Schülers und der einzelnen Schülerin aus. Letztlich nimmt aber auch in einer herkömmlichen Klasse nicht jedes Kind bei jedem Thema aktiv teil. Integration kann natürlich nicht allein ein räumliches Beisammensein bedeuten. Auch in Integrationsklassen mit Schwerstbehinderten werden sich immer wieder Möglichkeiten ergeben, gemeinsam an einem Thema zu arbeiten. Wir begrüßen den Gesetzentwurf der SPD, weil er genau das Ziel verfolgt, welches auch wir seit Jahren verfolgen. Wir werden ihn deshalb unterstützen.
Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall.
über die Aufnahme und Unterbringung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (Aufnahmegesetz – AufnG) (Druck- sache 14/8632)
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zur Beratung steht heute der Entwurf eines Gesetzes über die Aufnahme und Unterbringung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, kurz Aufnahmegesetz genannt. Dieser Gesetzentwurf basiert auf einer Zusage der Staatsregierung gegenüber den kommunalen Spitzenverbänden aus dem vergangenen Jahr. Danach übernimmt der Staat alle nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigten Personen in seine Aufgaben- und Ausgabenzuständigkeit. Die Staatsregierung nimmt die Sorgen der Kommunen bezüglich ihrer schwierigen und schlechten finanziellen
Lage sehr ernst. Insbesondere in Zeiten, in denen die Finanzmisere der Kommunen nicht zuletzt aufgrund der Politik des Bundes immer mehr zunimmt, ist die Staatsregierung danach bestrebt, die Kommunen zu entlasten. Dies tun wir auch.
Die Kosten, die durch diese Rechtsänderung auf den Staatshaushalt zukommen, wurden für das Jahr 2002 mit 36,5 Millionen e veranschlagt. Ab dem Jahr 2003 werden sie jährlich 17 Millionen e betragen. Die notwendigen Mittel für das Jahr 2002 sind von der Staatsregierung bereits veranschlagt und mit dem zweiten Nachtragshaushalt 2002 vom Landtag bewilligt worden.
Zum Gesetzentwurf möchte ich im Einzelnen Folgendes ausführen: Neu ist, dass jetzt alle Leistungsberechtigten grundsätzlich in staatlichen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden sollen. Dies entspricht den bundesgesetzlichen Vorgaben im Asylverfahrensgesetz und im Asylbewerberleistungsgesetz. Zudem erfolgt auf der Grundlage des Artikels 5 Absatz 2 des Aufnahmegesetzes nunmehr eine landesweite Verteilung aller Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bislang bestand für Asylbewerber nur eine unzureichende Verteilungsregelung. Durch die Verteilung aller Asylbewerber erreichen wir eine gleichmäßige Auslastung der Regierungsbezirke. Dies dient nicht nur der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern auch der Integration.
Neu ins Gesetz eingefügt wurde in den Artikeln 7 und 8 eine Regelung zur Erstattung der Jugendhilfekosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge durch den Staat. Damit wird die bereits praktizierte Kostenerstattung auf eine solide Rechtsgrundlage gestellt.
Das Aufnahmegesetz bringt erhebliche Vorteile für den Vollzug. Es gibt eine einheitliche Regelung über die Aufnahme, Unterbringung und landesinterne Verteilung und Versorgung aller Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Der Vollzug des Gesetzes korrespondiert nun mit den bundesgesetzlichen Regelungen im Asylverfahrensgesetz und im Asylbewerberleistungsgesetz. Dazu gehört insbesondere auch die konsequente Umsetzung der im Asylbewerberleistungsgesetz festgelegten Grundsätze der Sachleistungsgewährung. Das Verwaltungsverfahren wird wesentlich vereinfacht. Kompetenz- und Zuständigkeitskonflikte zwischen staatlicher und kommunaler Seite im Zeitpunkt des Statuswechsels bei bestands- oder rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrags treten nun nicht mehr auf.
Komplizierte Abrechnungs- und Erstattungsverfahren für Personen, die nicht mehr der staatlichen Unterbringungspflicht unterliegen, entfallen. Das führt also auch hier zur Entbürokratisierung.
Das Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Juli dieses Jahres wird von den kommunalen Spitzenverbänden, insbesondere aufgrund der beträchtlichen finanziellen Entlastung der Kommunen, dringend erwartet. Deswegen bitte ich Sie um eine positive Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit pro Fraktion beträgt wieder fünf Minuten. Als Erste hat Frau Kollegin Hirschmann das Wort.
Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen, liebe Frau Staatsministerin Stewens! Sie erwähnen hier auf der einen Seite die finanzielle Situation im Zusammenhang mit diesem Entwurf für ein Gesetz, das zur Vereinheitlichung beitragen soll. Auf der anderen Seite argumentieren Sie, die Kommunen würden entlastet. Dahinter muss ich ein großes Fragezeichen setzen. Ich werde Ihnen erklären, weshalb.
Sie sprechen hier insbesondere die Aufgabe der Kommunen an, was die Betreuung der Asylbewerber und Asylbewerberinnen angeht. Sie sprechen davon, dass die Unterbringung für alle Betroffenen nun generell von staatlicher Seite geregelt wird.
Ich komme jetzt auf die Situation in der Landeshauptstadt München zu sprechen, die wegen ihrer vorbildlichen sozialpädagogischen Betreuung einen anderen Standard in ihren Unterkünften hat. Menschen, die traumatisiert sind, und Familien mit Kindern werden sozialpädagogisch betreut. Die Wohlfahrtsverbände leisten in den staatlichen Unterkünften gute Arbeit. Ich erinnere hier an die Gemeinschaftsunterkunft im Schwankhardtweg.
Mit diesem Gesetz werden Unterschiede geschaffen, die in den jeweiligen Stadtteilen zum erneuten Entstehen von Aggressionen beitragen, mit denen die Nachbarn sehr schwer umgehen können. In der letzten Zeit konnte dies in der Landeshauptstadt München durch eine sozialpädagogische Betreuung aufgefangen werden, wozu auch die Arbeit der Initiativen gehört.
Nur Sie wollen in Zukunft all diese Betroffenen in einheitlichen Unterkünften unterbringen. Ich erinnere in dem Zusammenhang an die ehrenamtliche Arbeit, die Sie hier immer wieder besonders herausstellen. Wir begrüßen die ehrenamtliche Arbeit. Die ehrenamtliche Unterstützung im Schwankhardtweg ist dadurch erschwert worden, weil das Bewachungspersonal nicht die Voraussetzungen mitbringt, damit umzugehen. Das Gesetz führt zu einer Konkurrenz zwischen den Maßnahmen von Stadt und Staat. Wir verbinden mit dem Gesetz etwas anderes.
Ich erinnere auch noch an die Kommunen. Ich denke, dass die Grundstückssituation, besonders in den Ballungsräumen, eine große Rolle spielt. Ich verweise in dem Zusammenhang auf meinen Stimmkreis. Dort sind viele Asylbewerberunterkünfte angesiedelt. Die Spannungen, die es anfänglich gegeben hat, konnten abgebaut werden, weil es eine umfassendere Betreuung gibt. Das ist in Ihrem Gesetzentwurf fragwürdig.
Ich stelle fest, dass es durch dieses Gesetz zu unterschiedlicher Behandlung der Bürgerinteressen und Information der Bürger kommt und die Mitwirkung und die
ständige Begleitung der Arbeit in den Unterkünften gefährdet ist. Wir werden im federführenden Ausschuss einen Änderungsantrag einbringen. Wir stimmen dem Gesetz nicht zu, es sei denn, Sie berücksichtigen unsere Änderungen. Dazu wird dieses Gesetz im federführenden Ausschuss noch behandelt werden.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Dr. Merkl möchte mich wahrscheinlich hinterher beschimpfen.
Zu dem heute in Erster Lesung eingebrachten Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Asylbewerberaufnahmegesetz ist aus unserer Sicht Folgendes anzumerken: Rechtzeitig zur bevorstehenden Kommunalwahl ist die Staatsregierung – ich sage es ganz bewusst – aus ihrem jahrelangen Dornröschenschlaf erwacht und will nun die längst überfällige Kostenübernahme von Leistungen der Kommunen für Bürgerkriegsflüchtlinge und geduldete Ausländerinnen und Ausländer regeln.
Diese finanzielle Entlastung jetzt als großen Erfolg zu feiern, ist mehr als peinlich. Seit dem Asyl-Kompromiss aus dem Jahr 1993 ist die Regelung dieser Frage fällig.
Mit diesem Gesetz wird aber nicht nur eine finanzielle Wohltat für die Kommunen vollbracht, sondern es sieht gleichzeitig eine Reihe von Verschärfungen vor, die wir so nicht mittragen werden. Der Gesetzentwurf sieht beispielsweise vor, grundsätzlich alle Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Ausnahmen sind nur in begründeten Einzelfällen möglich. Des Weiteren sollen bei Personen, die nicht im Besitz gültiger Pässe sind oder bei deren Beschaffung angeblich – so sage ich es – nicht mitwirken, keine Ausnahmen gemacht werden.
Im Klartext heißt dies, dass eine großflächige Kasernierung von Flüchtlingen in Bayern geplant ist. Ich möchte Ihnen das anhand von zwei Beispielen vorführen: Derzeit leben schätzungsweise allein in München 1000 Personen außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften, die von diesem Gesetz betroffen sind. Von den Wohlfahrtsverbänden wird die Zahl dieser Personen in Nürnberg ebenfalls auf 1000 Personen geschätzt. Ich werde dazu noch eine Anfrage einreichen.
Wenn also künftig durch dieses Unterbringungsgesetz nur noch in Ausnahmefällen Flüchtlinge außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden sollen, dann frage ich Sie, woher Sie in den Ballungsräu
men geeignete Räumlichkeiten hernehmen wollen, um diese großen Gruppen unterzubringen. Mit dieser Art der Unterbringung wird sozialer Unfrieden heraufbeschworen.
Nicht umsonst haben die Wohlfahrtsverbände im Anhörungsverfahren zu diesem Gesetzentwurf gefordert, psychisch kranke Menschen, alleinerziehende Mütter und deren Kinder, aber auch ältere Menschen von dieser Zwangsunterbringung auszunehmen. Auf diese Forderung wurde von Ihnen genauso wenig eingegangen wie auf die Forderungen der Stadt München.
Daher ist zu befürchten, dass mit diesem Gesetz eine humane und sozialverträgliche Unterbringung in den Kommunen abgeschafft werden soll.
Des weiteren wird mit diesem Gesetz der Grundstein für „Abschiebeknäste“ – sage ich – oder „Internierungslager“ für spezielle Ausländergruppen gelegt. In der Begründung zu Artikel 5 heißt es – ich zitiere aus dem Text –: