Protokoll der Sitzung vom 21.04.2005

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u.a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Richtungswechsel in der bayerischen Bildungspolitik einleiten (Drs. 15/3209)

Im Einvernehmen mit allen Fraktionen soll der Dringlichkeitsantrag ohne Aussprache in den federführenden Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport verwiesen werden. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Es ist so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist jetzt 16.55 Uhr. Sollen wir den nächsten Dringlichkeitsantrag aufrufen? – Damit besteht Einverständnis. Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Joachim Herrmann, Dr. Otmar Bernhard, Renate Dodell u.a. u. Frakt. (CSU) Sachgerechte Regelung der EU-Arbeitszeit-Richtlinie (Drs. 15/3210)

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat Herr Kollege Dr. Zimmermann das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Seit dem allgemein bekannten EuGH-Urteil, in dem festgestellt wird, dass ein Bereit

schaftsdienst, der die Anwesenheit am Arbeitsort dringend erfordert, nicht als Ruhezeit, sondern als Arbeitszeit anzusehen ist, beherrscht das Thema Bereitschaftsdienstzeit die Diskussion um eine Revision der Europäischen Arbeitszeit-Richtlinie. Dieses Thema ArbeitszeitRichtlinie ist Bestandteil unseres Dringlichkeitsantrags.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei uns in Deutschland und in Bayern äußert sich die Kontroverse um diese Revision insbesondere in dem Konfl ikt zwischen den Krankenhäusern und ihrem Ärzte- und Pfl egepersonal. Die Europäische Kommission hat inzwischen in der Umsetzung dieser Arbeitszeit-Richtlinie einen Vorschlag vorgelegt, der den Urteilstenor des Europäischen Gerichtshofes abschwächt, sodass die Richtlinie nur in Teilbereichen abgeändert werden müsste.

Kolleginnen und Kollegen, der angesprochene Bericht des Europäischen Parlaments zur Revision dieser Arbeitszeit-Richtlinie wird im Mai im Plenum des Europäischen Parlamentes diskutiert. Deswegen ist unser Antrag dringlich. Durch das bereits von mir angesprochene Urteil des EuGH wurde eine Revision des derzeit gültigen Arbeitszeitgesetzes und der Richtlinie dazu notwendig. Dabei steht die Anrechnung der Bereitschaftsdienstzeiten auf die reguläre Arbeitszeit inmitten.

Der Europäische Gerichtshof führt in seiner Begründung des Urteils aus, der Arbeitnehmer sei während des Bereitschaftsdienstes gezwungen, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten. Die Tatsache, dass er den Ort für seine Ruhezeiten nicht selbst wählen könne, sei entscheidend für die Einordnung als Arbeitszeit.

Der vorliegende Revisionsvorschlag der Europäischen Kommission ist grundsätzlich zu begrüßen, weil er die Urteile des Gerichtshofes abmildert und eine sachgerechte Lösung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber anstrebt. Aufgrund der schon erwähnten festgelegten Höchstarbeitszeit wäre deshalb kein Bereitschaftsdienst neben dem normalen Regeldienst mehr möglich. Die unter diesen Bedingungen mindestens benötigten 20 000 zusätzlichen Ärzte stünden auf dem deutschen Arbeitsmarkt überhaupt nicht zur Verfügung.

Experten prognostizieren eine Mehrbelastung von 1,7 Milliarden Euro allein im Krankenhaussektor. Dies hätte – das können Sie nachvollziehen, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen – einen dramatischen Einschnitt für die Patienten zur Folge. Darüber hinaus könnte der Wegfall der zusätzlichen Stunden im Bereitschaftsdienst zu Einkommenseinbußen von bis zu 1500 Euro insbesondere bei jungen Assistenzärzten an den Kliniken die Folge sein. Deswegen ist auch der Marburger Bund, Kollege Wörner, wie ich mich heute Nachmittag noch versichern konnte, in der Umsetzung dieser Vorschläge der EU-Kommission sehr gespalten und neigt eher zu der Richtung, die unser Antrag heute vorgibt.

Außerdem betrifft diese Richtlinie auch Bereitschaftsdienstzeiten von Polizei, staatlich angeordneten öffentlichen Feuerwehren und staatlich angeordneten Werksfeuerwehren sowie staatlich angeordneten oder beauftragten Rettungsdiensten und des Katastrophenschutzes. Ange

sichts der angespannten Haushaltslage in vielen Ländern, die uns bekannt ist, Kolleginnen und Kollegen, könnten die zusätzlich anfallenden Kosten nicht ohne Einschnitte bei der öffentlichen Sicherheit, der Patientenversorgung und allgemein der Daseinsvorsorge geschultert werden.

In der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie - lassen Sie mich diesen Punkt noch ganz besonders erwähnen - waren bisher nur die Kategorien Arbeitszeit auf der einen Seite und Ruhezeit auf der anderen Seite vorgesehen. Kernpunkt und der entscheidende Kompromiss in der Umsetzung des Kommissionsvorschlages wäre die Einführung einer zusätzlichen dritten Kategorie Bereitschaftsdienst, die in eine aktive und eine inaktive Bereitschaftsdienstzeit unterteilt werden soll. Nur die Zeit, in der der Arbeitnehmer während des Bereitschaftsdienstes effektiv seine Tätigkeit ausübt oder seine Aufgaben wahrnimmt - der aktive Bereitschaftsdienst –, soll nach der Vorlage der Kommission der Arbeitszeit gleichgestellt werden. Die inaktive Phase im Bereitschaftsdienst soll nicht als Arbeitszeit zählen.

Im zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments wurde diese von mir angesprochene Vorlage der Kommission, Kolleginnen und Kollegen, diskutiert. Zahlreiche Mitglieder bemängeln allerdings die unbefriedigende Defi nition der aktiven und der inaktiven Bereitschaftsdienstzeit. Es müsse genau festgelegt werden, wann und wie lange sie gelten soll. Diese Einteilung würde aber zu einer, wie wir meinen, übermäßigen Bürokratie führen, da der Arbeitnehmer festhalten müsste, wann er während des Bereitschaftsdienstes aktiv gearbeitet hat. Dies wäre unseres Erachtens nicht sehr vernünftig.

Um aber dem verminderten Erholungswert, Kollege Wörner, der inaktiven Bereitschaftsdienstzeit - das ist auch ein Anliegen von Ihnen, wie ich weiß - im Vergleich zur Ruhezeit Rechnung tragen zu können, soll ein Aufschlag von circa 10 bis 30 % zur tatsächlich geleisteten aktiven Bereitschaftsdienstzeit berechnet werden.

Ich werbe für den Inhalt unseres Dringlichkeitsantrages aufgrund der von mir gerade ausgeführten Überlegungen, Kolleginnen und Kollegen, und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CSU)

Zu Wort hat sich noch Herr Kollege Wörner gemeldet. Sie haben eine minimale Redezeit.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ihre Schalmeienklänge haben mich leider nicht überzeugen können, Herr Dr. Zimmermann. Sie müssten wissen, dass sich Gesundheit - hier geht es in erster Linie um Gesundheit - nicht durch Geld erkaufen lässt, auch nicht durch Ausgleichssummen.

Ein Weiteres! Es kann nicht sein, dass Zeiten, die nicht in der Verfügung des Arbeitnehmers liegen, vom Arbeitgeber nicht bezahlt werden. Diese müssen bezahlt werden. Das kostet etwas. Herr Dr. Zimmermann, Sie sprechen nur von Ärzten. Es geht um viel mehr als nur um Ärzte. Etwas, was

in einem jahrzehntelangen Kampf bis zum EuGH durchgerungen wurde, jetzt durch Gesetze auszuhebeln, halte ich gegenüber den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für äußerst unfair. Die Gerichte haben sehr wohl gewusst, warum sie so entscheiden und haben sich das reichlich und gut überlegt, da sie wussten, was das bedeutet. Das war sehr wohl auch dem EuGH bekannt. Trotzdem hat er so entschieden.

Wir sagen deshalb Nein zu Ihrem Antrag. Im Übrigen wäre es fair gewesen, ihn rechtzeitig in den zuständigen Fachausschuss, nämlich in den Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes zu geben, um darüber mit den Betroffenen und den Verbänden zu beraten und ihn erst dann in das Plenum zu bringen. Für Sie ist das ein Notnagel, mit dem Sie versuchen, noch schnell etwas zu korrigieren, was Sie aber nicht mehr korrigieren können. Das Europäische Parlament wird sich anders entscheiden, wie Sie auch wissen.

(Beifall bei der SPD)

Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/3210 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen der CSU-Fraktion angenommen.

Die unerledigten Dringlichkeitsanträge werden in die Ausschüsse verwiesen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung eines Bayerischen Eliteförderungsgesetzes (Drs. 15/2097) – Zweite Lesung –

hierzu:

Änderungsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drs. 15/2321)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von 20 Minuten pro Fraktion vereinbart. - Ich habe im Augenblick keine Rednerliste. Wer hat sich zu Wort gemeldet? - Die erste Wortmeldung ist die Wortmeldung des Kollegen Spaenle. - Er ist nicht da.

(Thomas Kreuzer (CSU): Staatsregierung!)

Ich bitte den Herrn Minister selbst. Zum Glück haben wir noch Minister, die hier die Abgeordneten ersetzen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Es war so vereinbart!)

Herr Präsident, ich wollte nicht in Ihre ge

schäftliche Planung hineinreden. Nur deswegen habe ich mich zurückgehalten. Herr Kollege Kreuzer hat Recht; es war wohl so ausgemacht.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unikate - das sind unsere jungen Hochbegabten. Wir sind es jedem und jeder Einzelnen von ihnen schuldig, sie individuell so zu fördern, dass sie ihr Potenzial optimal entfalten können.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das sind wir allen schuldig, nicht nur den Hochbegabten!)

Die Voraussetzungen dafür schaffen wir mit dem vorliegenden Bayerischen Eliteförderungsgesetz.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das sind wir allen schuldig, nicht nur den Hochbegabten!)

- Melden Sie sich doch zu Wort!

Die Voraussetzungen dafür schaffen wir mit dem vorliegenden Bayerischen Eliteförderungsgesetz.

Die Modernisierung der Hochbegabtenförderung ist ein zentrales Reformvorhaben dieser Legislaturperiode und fügt sich nahtlos in unsere Hochschulpolitik ein. Wir setzen durchgängig auf Eigenverantwortung, auf Wettbewerb und Leistung. Als einziges Land der Bundesrepublik ermöglichen wir nun eine nachhaltige und zukunftsgerichtete Förderung hochbegabter Studierender mit Mitteln aus der Steuerkasse.

Mit diesem Gesetz komplettieren wir unsere Angebotspalette einer zeitgemäßen Eliteförderung im Rahmen des Elitenetzwerks Bayern neben den Fördermöglichkeiten, die sich aus dem BAföG auf Bundesebene insgesamt ergeben.

Elite ist Leistungs- und Verantwortungselite. Der Begriff meint jeden Menschen, der leistungsfähig und leistungsbereit ist und sich mit seinem Potenzial verantwortungsvoll in die Gesellschaft einbringt, zunächst als Student, dann als forschender Jungakademiker oder als forschende Jungakademikerin und schließlich als Verantwortungsträger oder -trägerin im Berufs- und Gesellschaftsleben. Das ist ein gänzlich soziales Verständnis von Elite.

Das Eliteförderungsgesetz ist sozial ausgewogen durch sein abgestuftes Förderinstrumentarium und die Einbeziehung weiterer sozialer Sicherungssysteme - ich betone noch einmal insbesondere das BAföG. Hier sind wir beispielhaft. Ich würde mir wünschen, dass einige Länder in Deutschland nachziehen. Immerhin seit 1966 geben wir das Beispiel einer fundierten Begabtenförderung. Wir reden also nicht nur von Eliteförderung – wir praktizieren sie.

Ich darf in Erinnerung rufen, dass die Begabtenförderung, die wir früher praktiziert haben, zu einem Zeitpunkt angesetzt hat, zu dem es BAföG noch nicht gab, jedenfalls nicht in der heutigen Form. Weil das eine eingeführt ist, kann das andere auf andere Aufgaben abstellen.

Das zentrale Gestaltungselement des Gesetzes ist die umfassende Betrachtung der Hochbegabtenförderung. Ich darf die wesentlichen Eckpunkte benennen. Neben hochbegabten Studenten und Doktoranden kann die Förderung in Zukunft auch Postgraduierte einbeziehen. Diese Gruppe ist im internationalen Wissenswettbewerb heiß umworben. Die Besten der Besten nützen uns hier bei uns mehr, als wenn sie ins Ausland abwandern. Wir müssen Angebote für sie alle bereithalten. Die Aufnahme in die Studienförderung ist fl exibler und offener als bisher geworden. Die einseitige Orientierung ausschließlich an der Abiturnote gehört der Vergangenheit an. 50 % eines Aufnahmejahrgangs werden zwar weiterhin die herausragenden bayerischen Abiturienten stellen. Die zweite Hälfte der Neuaufnahmen kommt in Zukunft aber aus dem Kreis der Studierenden, deren außergewöhnliche Begabung sich erst im Studium voll entfaltet.

Bei der Graduierten- und Postgraduiertenförderung ist für die Auswahl die Expertise der Hochschulen maßgeblich. Die neue Eliteförderung verlangt kontinuierliche Leistung. Eine Aufnahme der Studierenden erfolgt zunächst befristet für die Dauer von höchstens vier Semestern. Dadurch kann vor der Entscheidung über die endgültige Förderung eine nochmalige individuelle Begutachtung erfolgen. Die neue Förderung ist maßgeschneidert. Der Förderung von Studierenden wie von Graduierten liegt als Leitprinzip die Ausrichtung an strukturierten Exzellenzprogrammen zugrunde. Diese ermöglichen eine individuelle Betreuung. Vernetzung, Internationalität und interdisziplinäre und berufsbezogene Veranstaltungen kommen hinzu. Hier liegt der Kern der Modernisierung. Wir hören auf, unsere Begabten mit einem Stipendium zu alimentieren. Wir fördern nicht mehr den Lebensunterhalt und unterstützen das Anspruchsdenken an den Staat. Stattdessen gehen wir in die inhaltliche und persönlichkeitsformende Förderung unserer jungen Spitzenleute.

Trotzdem dürfen Geldleistungen nicht völlig fehlen. Deshalb kommen für die Studierenden Leistungen für ein Auslandssemester und für eine eigenständige bildungsbezogene Aktivität hinzu. Für Graduierte und Postgraduierte ist zusätzlich zur programmatischen Förderung ein Stipendium vorgesehen, das den heutigen Bedürfnissen entspricht. So können sie sich voll auf ihre wissenschaftlichen Vorhaben konzentrieren. Für Postgraduierte ist es um 20 % höher angesetzt als ein Doktorandenstipendium. Ferner können Sachkosten und Reisekosten erstattet werden.