Protokoll der Sitzung vom 04.07.2012

Natürlich trifft es zu, dass es gerade bei den Studierenden eine höhere Diskontinuität gibt. Professoren sitzen in den Gremien für längere Zeit. Studierendenvertreter wechseln häufiger. Zeitweise ist auch die Prüfungsbelastung der Studierendenvertreter hoch. Uns ging es eben darum, mehr Kontinuität zu gewährleisten, wenn studentische Belange wahrgenommen werden sollen. Natürlich sind die Studierenden auch noch in vielerlei anderer Hinsicht beteiligt. Wir dürfen nicht vergessen: Auf der einen Seite gibt es den studentischen Konvent, es gibt den Sprecherinnen- und Sprecherrat, und auf der anderen Seite gibt es die Fachschaftsvertretung.

Jedenfalls haben wir einen sehr guten Kompromiss zustande gebracht. Zum Teil hatten die Hochschulen vor Ort diesen Kompromiss selber gefunden. Es gab auch schon im Rahmen der Hochschulautonomie, z. B. in Passau, einen zweiten Studierendenvertreter im Senat.

Also: Uns ist es wichtig, in die Wahrnehmung der Belange der Studierenden Kontinuität hineinzubringen. Das gewährleistet unser guter Kompromiss.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Bevor ich Frau Zacharias das Wort erteile, gebe ich bekannt,

dass die Schlussabstimmung in namentlicher Form erfolgen soll.

Für die SPD hat nun Frau Zacharias das Wort.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Sehr geschätzte Präsidentin, liebste Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich jetzt erst einmal dem Ministerpräsidenten, meinem Landesvater, gratulieren. Aber er ist bei dieser großen Rede nicht da. Ich hätte ihm gern auch einen Geburtstagswunsch mit auf den Weg gegeben. Das ist mir nun verwehrt. Ich hoffe, ich kann es gleich bei einem Stück Geburtstagstorte nachholen.

Frau Bulfon, Herr Jörg, Sie haben eben schön ausgeführt, dass es Studierendenproteste gab. Diese gab es schon seit 2008, aber auch schon in den Jahren davor. 2008, 2009, 2010, 2011 und auch noch in der vorletzten Woche hat es das Bildungscamp gegeben. Demonstrationen, also das Zurschautragen von Interessen der Studierenden, gibt es bis zum heutigen Tag. In jeder Verlautbarung von Studierenden - von Passau bis Neu-Ulm, von Aschaffenburg bis Rosenheim - ist immer das Gleiche zu hören: Wir haben protestiert, um im Freistaat etwas zu verändern, wir haben für eine verfasste Studierendenschaft demonstriert, für eine institutionalisierte Einrichtung!

(Beifall bei der SPD)

Die verfasste Studierendenschaft, wenn ich das noch einmal in Erinnerung rufen darf, ist Anfang der Siebzigerjahre aufs Eis gelegt worden, weil der damalige Minister sagte, man müsse den linken Sumpf trockenlegen. Ich sage Ihnen, diesen Sumpf will ich gerne wieder bewässern; denn wir brauchen Mitsprache. Wir brauchen echte, verfasste Mitsprache!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt zu Ihnen, geschätzter Herr Kollege Jörg, und auch zu Ihnen, Frau Bulfon: Sie hätten zeigen können, dass Sie die Proteste der Studierenden ernst nehmen. Herr Jörg, Sie wissen wie ich, dass die Experimentierklausel alles vorsieht, was Sie gerade so wunderbar ausgeführt haben. Ich kann nur sagen: Jawohl, wir brauchen die Mitsprache an den Universitäten und an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Da sind wir wunderbar beieinander. Wir haben doch schon zwei oder drei im Senat sitzen, weil die Experimentierklauseln der Universitäten und der Hochschulen für angewandte Wissenschaften das in weiten Teilen vorsehen. Das reicht den Studierenden aber nicht. Deshalb fordern sie, - und das ist auch meine Forderung und die Forderung der Sozialdemokratie hier in Bayern -, eine verfasste Studierendenschaft,

(Beifall bei der SPD)

die institutionalisiert sein muss, die Strukturen braucht und die auch Gelder braucht.

Die Gelder braucht sie, um ihre Arbeit nachhaltig gewährleisten zu können. Jetzt höre ich schon von Herrn Minister Heubisch, der uns später sicher seine geschätzte Meinung nicht vorenthalten wird: Das ist eine Zwangsmitgliedschaft! - Diese Monstranz wird er wieder vor sich hertragen. Ich aber rufe zurück: Die Zwangsmitgliedschaft ist kein Argument, sie ist ein Scheinargument!

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Oliver Jörg (CSU))

Ich brauche Ihnen nicht aufzuzählen, Kolleginnen und Kollegen hier im geschätzten Hohen Haus, bei wie vielen Organisationen ganz automatisch Zwangsmitgliedschaften bestehen. Das ist nichts Schlimmes, das tut nicht weh, es ist vielmehr gut, um stark zu sein, um eine große Gemeinschaft zu sein.

Geschätzter Herr Kollege Jörg, der Gesetzentwurf ist ein kleiner Schritt. Als Letztes sage ich Ihnen, Sie haben nicht nur nichts Nachhaltiges und Echtes für die Studierenden getan, Sie benachteiligen auch signifikant den Mittelbau. Wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in den Gremien nicht mehr; damit werden sie in der Mitsprache benachteiligt. Das trifft nicht auf unsere Zustimmung. Außerdem blähen Sie den Apparat unnötig auf; das sagen selbst die Präsidenten und die Hochschulleitungen. Noch ein größeres Gremium? Warum machen wir es nicht ordentlich? Warum schaffen wir nicht endlich eine verfasste Studierendenschaft, die ordentlich Geld hat, die ein politisches Mandat hat? - Dann wäre die Welt in Ordnung. Außerdem würden Sie nach außen ein Zeichen geben. An dieser Stelle hätte ich gerne meinem Landesvater zugerufen: Bitte geben Sie nach draußen ein Geschenk, sagen Sie: Ich bin für euch da, Studierende, ich schenke euch die verfasste Studierendenschaft.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Zacharias, bitte bleiben Sie am Redepult. Es gibt eine Zwischenbemerkung. Bitte schön.

Liebe Frau Zacharias, wenn ich Sie akustisch richtig verstanden habe, dann haben Sie gesagt: Es ist schön, dass wir den linken Sumpf trockengelegt haben. Heißt das im Umkehrschluss, dass Sie dem linken Sumpf wieder Wasser geben wollen?

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Renaturierung, Herr Kollege!)

Renaturierung ist immer ein gutes Naturprojekt!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich bitte für die FREIEN WÄHLER Herrn Dr. Fahn ans Redepult. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ob uns unser geschätzter Landesvater wie angekündigt zur Wahl 2013 die verfasste Studierendenschaft servieren oder die Studiengebühren abschaffen wird, das werden wir sehen. Die Zeichen stehen vielleicht gar nicht so schlecht, meine Damen und Herren. Was hier vorgelegt und von Herrn Kollegen Jörg sehr gut vorgetragen wurde, ist zwar eine Verbesserung, das muss ich klar sagen. Es ist aber eine Verbesserung im Schneckentempo. Uns geht das viel zu langsam. Wir von den FREIEN WÄHLERN hatten einen Gesetzentwurf eingebracht, der leider abgelehnt wurde, weil der Koalition viele Forderungen zu weit gingen. Immer, wenn hier im Bayerischen Landtag diskutiert wird, dann heißt es: Wir in Bayern sind spitze.

Bei den Hochschulen gibt es aber zwei Bereiche, bei denen Bayern an letzter Stelle beziehungsweise vorletzter Stelle liegt. Das gilt zum ersten für das Thema Studienbeiträge. Man muss es immer wieder sagen: Alle Bundesländer außer Bayern und Niedersachsen haben inzwischen erkannt, dass Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf. Wir von den FREIEN WÄHLERN haben deshalb 30.000 Unterschriften gesammelt und hoffen, dass es ein Volksbegehren in dieser Frage geben wird. Wir werden dann sehen, wie die Bürgerinnen und Bürger in Bayern ganz konkret dazu stehen.

Zweitens ist Bayern das einzige Bundesland, das keine verfasste Studierendenschaft besitzt. Als vorletztes Bundesland hat nämlich Baden-Württemberg beschlossen, den Studierenden ein politisches Mandat zurückzugeben. Wie in Bayern durften auch in Baden-Württemberg die ASten bisher nur zu musischen, sozialen, kulturellen und geistigen Belangen der Hochschulen Äußerungen abgeben. Ein Mandat für hochschulpolitische oder gar politische Äußerungen hatten sie nicht. In Baden-Württemberg wird sich das ändern, in Bayern aber leider immer noch nicht.

Herr Dr. Bertermann, wenn Sie sagen, sie waren in den Sechzigerjahren bei Demonstrationen aktiv, dann muss ich Ihnen entgegnen: Wir schreiben inzwischen

das Jahr 2012. Wir sind nicht mehr in den Sechzigerjahren, als viele befürchteten, den Universitäten stehe eine kommunistische Unterwanderung bevor. Im Jahr 2012 brauchen wir diese Angst doch nicht mehr zu haben.

An den Universitäten wird viel diskutiert. Beispielsweise in Unterfranken stand viel in der Zeitung darüber, dass die Studenten an der Universität in Würzburg sagen: Wenn wir jetzt zwei im Senat haben, dann ist das ein erster Schritt, aber insgesamt wollen wir mehr. Das ist ein kleiner Fortschritt, Herr Jörg, es gibt jedoch noch andere Gremien, und man muss überlegen, welche Verbesserungen der Mitbestimmung man dort erreichen kann. Sie haben gesagt, Kernstück ist der Hochschulrat. Das ist richtig. Dem gehören auch Studenten an. Wir wissen aber, dass nur der Präsident im Hochschulrat Antragsrecht hat, alle anderen Mitglieder nicht. Die Studenten fordern, und das verstehe ich, ein Antragsrecht für alle, auch ein Vorschlagsrecht für den Präsidenten und den Vizepräsidenten. Die Studenten sitzen dabei, doch sie wollen mehr. Es gibt Kommissionen, es gibt den Studentischen Konvent, es gibt die erweiterte Hochschulleitung. In Zukunft müssen wir darüber diskutieren, inwieweit es auch dort Möglichkeiten für mehr Mitbestimmung gibt.

In den Diskussionen mit den Studenten geht es auch immer wieder um die Finanzierung. Die Studenten müssen immer einen Antrag stellen. Selbst wenn die Studenten zehn Kugelschreiber brauchen, müssen sie dafür einen schriftlichen Antrag stellen. Der wird dann genehmigt. Die Studenten müssen aber aufpassen, dass sie nicht 15 Kugelschreiber bestellen, weil es dann heißt, das sei eine unzulässige Vorratsbestellung. Das wurde mir beispielsweise berichtet. Wir müssen den Studenten auch in solchen Fragen mehr Autonomie zugestehen.

Ein letzter Punkt, der uns sehr wichtig ist, ist die Öffentlichkeit der Sitzungen von Hochschulgremien. Wir haben das gefordert und meinen, das wäre ein wichtiger Schritt. Die Universitäten könnten das zwar, wenn sie wollten, sie machen es aber nicht. Es wäre deshalb wichtig, Vorgaben im Hochschulrahmengesetz zu machen. Auf der einen Seite sind wir immer wieder auf den Bayerischen Landtag stolz, weil bei uns alles öffentlich abläuft. Alle Ausschusssitzungen sind in Bayern öffentlich, anders als in den anderen Bundesländern. Bei den Universitäten läuft aber grundsätzlich alles nichtöffentlich ab. Immerhin, und auch das ist ein kleiner Fortschritt, über den wir mit dem Präsidenten letzte Woche gesprochen haben, veröffentlicht die Universität Würzburg die Protokolle der Hochschulgremien im Internet. Das ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, ohne Zweifel, doch ein großer Wurf

ist Ihnen, das muss ich leider sagen, mit diesem Gesetzentwurf nicht gelungen.

Die Studenten wollen, dass die gleichen Rechte und Grundsätze wie in den kommunalpolitischen Gremien wie dem Gemeinderat oder dem Stadtrat gelten. Alle Sitzungen sind dort öffentlich. Wenn es Belange gibt, die nichtöffentlich behandelt werden sollen, dann ist die Sitzung eben nichtöffentlich.

Der Gesetzentwurf ist uns zu wenig. Man könnte ihm eine Vier minus oder eine Fünf plus geben. Der Gesetzentwurf ist ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein. Er ist trotzdem ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Wir haben uns schwer getan -

Denken Sie an Ihre Redezeit? - Sie ist eigentlich abgelaufen.

Ich denke sehr gern an meine Redezeit. Ich erinnere mich aber auch an Herrn Kollegen Jörg, der eine Minute dreißig überzogen hat. Ich bin jetzt nur bei 46 Sekunden, höre aber auf.

(Allgemeine Heiterkeit - Tobias Thalhammer (FDP): Aber gleich haben Sie es geschafft! - Alexander König (CSU): Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Gleichheit im Unrecht!)

Wir tun uns damit zwar relativ schwer, aber halten es für einen kleinen, richtigen Schritt in die richtige Richtung. Deswegen können Sie sich freuen: Wir stimmen dem Gesetzentwurf, wenn auch mit Magenschmerzen, zu.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke, Herr Dr. Fahn. Damit provozieren Sie natürlich, dass ich künftig auf die Sekunde genau das Mikrofon ausschalte. - Als Nächsten bitte ich Herrn Dr. Dürr für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an das Redepult. Bitte. Auf die Sekunde!

(Tobias Thalhammer (FDP): Sie haben noch fünf Minuten!)

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten sind das Herz unserer Demokratie. Nur in der Praxis erschließt sich der Nutzen von Demokratie. Junge Menschen müssen persönlich die Erfahrung machen können, dass ihr Engagement anerkannt wird, dass sie eine Chance haben, ihr alltägliches Umfeld mit zu beeinflussen und ihre Interessen angemessen zu vertreten. Diese Erfahrung wird den Studierenden in Bayern von den Regie

rungsparteien bis heute verwehrt, und das ist für unsere Demokratie schädlich. Noch schädlicher ist es, wenn jungen Menschen vorgegaukelt wird, sie könnten mehr Einfluss bekommen, und sie dann ausgebremst werden. Genau diese Erfahrung haben Sie, Herr Minister, den Studierenden vermittelt. Mit Ihrer sogenannten "Arbeitsgruppe Mitwirkung" sind Sie genau deswegen vor einem Jahr gescheitert; denn die Studierenden wollten sich von Ihnen nicht länger an der Nase herumführen und mit Alibirechten abspeisen lassen.

Nun bezieht sich der Antrag der Regierungsfraktionen ausdrücklich auf die Proteste im Wintersemester vor nunmehr fast drei Jahren. Sie haben aus diesen Protesten aber nichts gelernt. Interessant ist, dass Sie die Notwendigkeit einsehen, die Mitwirkungsrechte der Studierenden weiterzuentwickeln. Wenn Sie aber wirklich deren Mitwirkungsrechte hätten verbessern wollen, dann hätten Sie besser vom Gesetzentwurf der GRÜNEN abgeschrieben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf der Abgeordne- ten Isabell Zacharias (SPD))

- Oder von deinem. Wir müssen aber klar feststellen, dass Sie das gar nicht wollen. Sie wollen nur so tun, als ob Sie das wollten. Um das zu verschleiern, ist Ihnen jedes absurde Argument billig und recht. Die Behauptung, dass eine starke verfasste Studierendenschaft mit Satzungsbefugnis, hochschulpolitischem Mandat und paritätischer Mitbestimmung die Rechte der Studierenden einschränkt - das steht in Ihrem komischen Entwurf drin -, ist ein starkes Stück der Tatsachenverdrehung. Darauf muss man erst einmal kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Außer Ihnen weiß jeder, dass Rechte mehr werden, wenn man sie vermehrt. Dass Sie das Gegenteil behaupten, ist einfach nur lächerlich. Genauso lächerlich ist der immer wieder auftauchende Vorwurf der Zwangsmitgliedschaft. Die Studierenden schreiben sich freiwillig an der Hochschule ein. Sie sind deshalb per se Mitglieder der Hochschule. Sie machen den weitaus größten Teil der Hochschule aus, und nur wegen der Studierenden gibt es überhaupt eine Hochschule, denn sonst gäbe es keine.