Protokoll der Sitzung vom 06.11.2012

Kennen Sie eigentlich den korrekten Sprachgebrauch der Begriffe "gentechnikanbaufrei" und "gentechnikfrei"? Wenn Sie diesen Sprachgebrauch kennen, werden Sie feststellen, dass es scheinheilig wäre, wenn wir jetzt dem Netzwerk beitreten würden; denn wir sind nicht gentechnikfrei, weil von den 800.000 Tonnen Sojaschrot, die wir verfüttern, immer noch 700.000 Tonnen gentechnisch verändert sind.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Frau Kollegin Franke zur Erwiderung.

Herr Pachner, ich habe das schon gesagt, als ich Sie hier stehen sah. Ich habe Ihre Frage eigentlich schon beantwortet. Wenn man will, kann man seinen Willen auch zeigen. Man kann zeigen, dass man langfristig die Gentechnikfreiheit erreichen und von den gentechnisch veränderten Organismen in den Futtermitteln wegkommen möchte. Mit der Eiweißstrategie haben wir Ansätze, eigenes Futtermittel zu erzeugen, sodass wir keine GVO-Futtermittel aus Argentinien, Brasilien usw. importieren müssten. Wir hätten diese Möglichkeit. Sie wollen aber offenbar nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der nächste Redner der Debatte ist für die FDP-Fraktion Herr Kollege Dr. Otto Bertermann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe nicht, warum dieser Antrag, der im Ausschuss sehr klar und deutlich abgestimmt worden ist, noch einmal ins Plenum hochgezogen wird. Der sachliche Grund hierfür erschließt sich mir nicht. Haben wir noch zusätzliche sachliche Argumente bekommen? Wollen wir ein Zeichen setzen, wie das bereits im Umweltausschuss geschehen ist? Oder soll damit auf Nuancen von Unterschieden zwischen den bürgerlichen Parteien hingewiesen werden? Wollen Sie, dass CSU und FDP eine Art Politspektakel aufführen? Verehrter Herr Ministerpräsident, wir haben gerade das Gegenteil bewiesen. Wir haben die Praxisgebühr und das Betreuungsgeld zusammengeführt. Wir sind handlungsfähig. Deshalb verstehe ich nicht, warum die Opposition diesen Antrag hochgezogen hat.

(Beifall bei der FDP)

Die Initiative heißt "Netzwerk gentechnikfreier Regionen in Europa". Auf die Forderung nach Gentechnikfreiheit müssen die bürgerlichen Parteien reagieren und eine Entscheidung fällen. Wir haben gesagt, dass wir über eine gentechnikanbaufreie Zone reden kön

nen. Den Antrag, eine gentechnikfreie Region zu werden, lehnen wir selbstverständlich ab. Wenn wir hier zustimmen würden, wäre das unredlich und unehrlich. Es wird Ihnen nicht gelingen, uns auseinanderzudividieren; denn alle Redner von der Opposition und der Regierungskoalition, die bisher zu diesem Problem Stellung genommen haben, haben einen ganz wichtigen Aspekt weggelassen: Wo ist die ethische Komponente? Hier unterscheiden wir Europäer uns doch von den Südamerikanern, den Indern und den Asiaten. Wie wollen wir - ethisch und christlich argumentiert das Millenniumsziel erreichen und den Hunger halbieren?

Die Aufgabe einer christlichen Nation ist es, den Hunger zu reduzieren. Die Entwicklungsländer fordern gerade eine grüne Revolution. Eine solche kann durch die Gentechnik geleistet werden. Ich hätte mir heute eine sachliche Diskussion gewünscht, die auf wissenschaftlichen Grundlagen beruht. Ihre Verbraucherministerin hat hier im Jahr 2004 völlig versagt. Sie hätte damals als Eingangskriterium die Langzeitwirkungen von Futtermitteln und deren Gefahren berücksichtigen sollen. Dies hat Frau Künast im Jahr 2004 nicht getan. Deshalb sind diese Produkte in den Handel gelangt. Das war ein Fehler von Rot-Grün. Das war fahrlässig und gehört dringend geändert, indem wir nach Brüssel gehen und dort die Richtlinie abschaffen.

Ich will Sie gar nicht im Hinblick auf Ihr Verständnis der Forschung, der Forschungsfreiheit und der Verantwortung von Forschung angreifen. Bei allen neuen Technologien ist es notwendig, Verantwortung zu übernehmen. Wir müssen aber auch die Chancen sehen, die die grüne Gentechnik bietet. Wir müssen deshalb zu einer sachlichen Diskussion zurückkehren. Wir dürfen nicht die Felder derjenigen zertreten, die über Jahre hinweg Pflanzen angebaut haben. Dies wäre das andere Extrem, wenn diese Diskussion zu emotional geführt würde. Wir dürfen keine Arbeitsplätze exportieren und dafür Genmais importieren. Wir müssen etwas für die Forschung und die Freiheit tun. Wir brauchen eine verantwortungsvolle Forschung im Bereich der Gentechnologie. Die Langzeitwirkungen sind deshalb für mich das Kriterium für die Zulassung. In diesem Sinne müssen wir auch in Brüssel intervenieren.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege, verbleiben Sie bitte noch für mindestens zwei Zwischenbemerkungen am Pult. Als erste Rednerin hat sich Frau Kollegin Natascha Kohnen von der SPD gemeldet.

Lieber Herr Dr. Bertermann, warum haben wir diesen Dringlichkeitsantrag hochgezogen? Das kann ich Ihnen schon sagen: Herr Umweltminister Dr. Söder hat im Jahr 2009 gesagt, er denke darüber nach, diesem Netzwerk in Europa beizutreten. Das war ein gutes Zeichen. Die SPD hat daraufhin den ersten Antrag im Jahr 2010 gestellt, der genau den Inhalt des heutigen Dringlichkeitsantrags hatte. Herr Füracker hat damals für meine Begriffe etwas ehrlicher geantwortet, als es Herr Pachner heute getan hat. Herr Füracker hat gesagt, das europäische Netzwerk gentechnikfreier Regionen sei eine respektable Einrichtung. Deshalb habe er kein großes Problem damit, den Beitritt Bayerns zu beschließen. Soweit Herr Füracker im Jahr 2010.

Warum hat er dem Ganzen schließlich nicht zugestimmt? Seine Argumentation ist viel ehrlicher als die, die Herr Pachner heute gebracht hat. Damals hat Herr Füracker gesagt: "Es ist Ihnen auch bekannt, dass unser Koalitionspartner eine um 180 Grad gedrehte, andere Meinung vertritt als wir." Das ist Fakt. Herr Füracker sagte weiter: "Deswegen tue ich Ihnen heute den Gefallen nicht, wegen einer Formalität des Beitritts einen Koalitionsstreit auszulösen." Das ist eine ehrliche Antwort für die Menschen in Bayern. Heute wurde versucht, mit den Begriffen "gentechnikfrei" und "gentechnikanbaufrei" eine semantische Erklärung zu finden, warum dies alles unehrlich sei. Das halte ich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Bayerns für verlogen. Was Sie von der FDP sagen, kann ich akzeptieren. Die Nummer, die Herr Pachner hier und auch im Ausschuss durchgezogen hat, ärgert mich jedoch.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Bertermann zur Erwiderung.

Ich denke, wir brauchen eine ganz klare Position. Bei der Diskussion über das Thema Gentechnik sind für mich die langfristigen Auswirkungen entscheidend. Wenn wir dazu gute wissenschaftliche Daten hätten, würde ich mich als Liberaler leichter tun, solche Entscheidungen zu treffen. Wir haben aber diese Daten nicht.

(Natascha Kohnen (SPD): Doch, wir haben sie! Das christliche Argument mit dem Welthunger ist weit hergeholt!)

- Wo die Gentechnik eingesetzt wird, zum Beispiel in Indien, wurde die Arbeitslosigkeit reduziert. Das Einkommen dort wurde verdoppelt. Die Resistenzen wurden reduziert und bessere Lebensbedingungen geschaffen. Wir müssen auch die Chancen sehen, die die Gentechnik für die dritte Welt birgt. Dies darf nicht

einfach ideologisch wegdiskutiert werden. Seien Sie doch einmal offen für die Diskussion und warten Sie ab, welche Ergebnisse die Wissenschaft bringen wird. Ich will jetzt nicht politisch werden, aber Ihre Ideologisierung zeigt, dass Sie im Prinzip forschungsfeindlich sind und die Arbeitsplätze in diesem Lande gefährden. Ihnen kann man überhaupt keine Regierungsverantwortung anvertrauen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Herr Kollege, bitte bleiben Sie noch für eine zweite Zwischenbemerkung am Pult. Sie kommt von der ganz linken Seite, nämlich von Frau Kollegin Anne Franke von den GRÜNEN.

Lieber Herr Dr. Bertermann, es ist haarsträubend, wenn Sie behaupten, die Gentechnik helfe gegen den Hunger. Das Gegenteil ist der Fall; das wissen Sie selbst.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie haben gerade Indien erwähnt. Aus Indien wissen wir, dass die Selbstmorde von Bauern zugenommen haben. Dort hat auch der Hunger zugenommen. Die Bauern in Indien sind von den GVO-Großkonzernen abhängig, die das Saatgut herstellen. Sie müssen ihr Saatgut von diesen großen Konzernen kaufen. Wenn das Klima einmal nicht so günstig ist, haben sie schlechte Ernten und können nicht einmal das Saatgut bezahlen.

Der Agrarbericht hat gezeigt, dass etwas anderes notwendig ist, um den Hunger zu besiegen, nämlich Ernährungssouveränität. Die Bauern müssen sich selbst ernähren können und dafür genügend erwirtschaften. Es kann nicht Ziel sein, dass nur die großen Konzerne noch mehr Reibach machen. Ernährungssouveränität kann man nur durch der jeweiligen Landschaft und dem Klima angepasste Arbeitsweise erreichen, nicht durch Gentechnik.

Zur Erwiderung bitte, Herr Bertermann.

Eine bessere Steilvorlage hätten Sie mir nicht geben können. Wir wollen nicht wieder zurück ins Gewächshaus. Wir wollen keine Ideologisierung. Sie bezeichnen die Verflechtung zwischen Forschungsinstituten, Konzernen und Genehmigungsbehörden als ein Verbrechen. Diese Emotionalisierung bringen Sie hier hinein. Sie müssen stattdessen wissenschaftlich argumentieren. Dann können Sie Ihre Politik weiter vertreten.

Es reicht nicht aus, Grundlagenforschung nur an Modellpflanzen zu betreiben. Man muss weitergehen. In meinen Augen begehen Sie eine Attacke auf die Forschungsfreiheit. Was Sie hier tun, ist kein Kavaliersdelikt. Nach mehr als 35 Jahren der Debatte gibt es bei den GRÜNEN nach meiner Meinung jetzt einen Tiefpunkt der Diskussion über Gentechnologie.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Sehen Sie sich doch einmal die Chancen an, die diese Technik für die Arbeitsplätze, die Sicherheit und den Wohlstand bedeutet. Sie müssen die Diskussion fair auf die wissenschaftlichen Grundlagen zurückführen, damit wir uns über die Dinge unterhalten können. Sie müssen weg von der Ideologie, weg von den Pflanzen, die Wissenschaftler auf fremden Feldern angepflanzt haben.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Für die Staatsregierung ergreift jetzt Frau Staatssekretärin Melanie Huml das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg sage ich, dass die Bayerische Staatsregierung zur Gentechnik eine ganz klare Haltung hat. In der Staatsregierung lehnen wir alle die kommerzielle Nutzung der grünen Gentechnik ab. Das ist ganz klar. Diese Haltung ist gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung in der kompletten Koalition zu finden.

Der Antrag wurde schon 2010 und dann auch 2011 gestellt. Jetzt wird er im Jahr 2012 ein drittes Mal gestellt. Wir werden dem Netzwerk aber deshalb nicht beitreten, weil wir es unehrlich fänden, zu sagen, dass wir komplett gentechnikfrei sind. Wir sind gentechnikanbaufrei. Deswegen haben wir in Bayern lieber ein Netzwerk der Kommunen. Wir wollen die Gentechnikanbaufreiheit mit den Kommunen und den Landkreisen umsetzen. Unser gemeinsamer Weg ist es in Bayern eben, die Kommunen mitzunehmen.

Dies bedeutet einen kleinen Unterschied. Darüber haben wir zurzeit, aber auch schon in den letzten Jahren mehrfach diskutiert. Das reicht aus.

Wir lehnen den Antrag, einem Netzwerk der Gentechnikfreiheit beizutreten, ab.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Zu einer Zwischenbemerkung hat Frau Natascha Kohnen von der SPD das Wort.

Frau Staatssekretärin, mich interessiert: Wo steht denn in der Charta etwas von Gentechnikfreiheit? Wenn Sie dort nachlesen würden, wüssten Sie, dass da von Gentechnikanbau die Rede ist. Von Gentechnikfreiheit spricht nur die Überschrift. Dem Inhalt der Charta kann man jedoch entnehmen, dass es um den Anbau geht, zu dem Sie den Kommunen Auszeichnungen geben.

Ich halte den Gedanken, den Herr Söder nach 2009 nicht mehr fortgeführt hat, für richtig. Er sagte, er denke darüber nach, dem Netzwerk beizutreten. In dem Netzwerk wird darum gekämpft, zu einem Ziel zu kommen. Es handelt sich um ein Bekenntnis zu dem, was man anstrebt. Aber Sie weigern sich, dem Netzwerk beizutreten.

Herr Bertermann hat dazu sehr deutliche Worte gesagt. Wir können die wissenschaftliche Debatte gerne führen. Weltweit führt die grüne Gentechnik im Anbau, wissenschaftlich gesehen, nicht zu einer Erhöhung der Ernteerträge. Deswegen kann sie den Welthunger nicht halbieren.

(Beifall bei der SPD)

Zur Erwiderung bitte, Frau Staatssekretärin.

Nachdem Herr Minister Markus Söder gesagt hat, er überlege es sich, haben wir es im Umweltministerium sehr genau geprüft. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es sich nicht um etwas handelt, was wir uns vorstellen, und dass ein Beitritt unehrlich wäre. Von daher sind wir zu dem Entschluss gekommen, dem Netzwerk nicht beizutreten. Wir wollen lieber mit Taten überzeugen, nicht durch einen Beitritt zu einem Netzwerk.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Sie soll in namentlicher Form geschehen. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Gesundheit empfiehlt Ablehnung des Dringlichkeitsantrages. Die Urnen für die Stimmkarten befinden sich auf beiden Seiten des Sitzungssaals sowie auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe wird nun begonnen. Dafür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 15.55 bis 16.00 Uhr)