Protokoll der Sitzung vom 29.11.2012

Wir haben gehört, dass viele Projekte, die wir dringend bräuchten, im LEP nicht enthalten sind, liebe Kolleginnen und Kollegen der schwarzen und der gelben Fraktion. Warum sind sie nicht enthalten? − Akk’rat no amoi − und da nehme ich jetzt dein Wort in den Mund, lieber Kollege Magerl − die dritte Startbahn ist schon im LEP enthalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde mich nicht an der materiellen Debatte darüber, was für und was gegen den Flughafen spricht, beteiligen. Rechtlich sind die Landeshauptstadt München und damit auch die anderen Anteilseigner an der Flughafen München GmbH ein Jahr lang gebunden. Ich möchte nur wissen, wer sich dann nach kurzer Schamfrist traut, das Fass erneut aufzumachen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Goderbauer?

Gerne, liebe Kollegin.

Herr Kollege Roos, ich wollte Sie fragen, warum wir unsere grundsätzliche Haltung, dass das Bürgerbegehren nicht notwendigerweise das letzte Wort sei, aufgeben sollen. Wenn es weitere Handlungsmöglichkeiten gäbe, würden die GRÜNEN diese auch nutzen. Kennen Sie diese Pressemitteilung?

Diese Pressemitteilung kenne ich nicht, Frau Kollegin.

Sie stand vor dem Bürgerentscheid in der Zeitung. Ich wollte es nur anmerken.

Ich kenne sie nicht, Frau Kollegin. Ich will jetzt meine Redezeit auch nicht länger strapazieren.

Mir ist es wichtig, dass wir unseren Kurs klarmachen und sagen, wo wir hinwollen. Wir Sozialdemokraten im Bayerischen Landtag respektieren das, was die Bürgerinnen und Bürger in München entschieden haben. Wir empfehlen dies auch allen anderen Parteien. Wir empfehlen dem Wirtschaftsminister, dass er die dritte Startbahn aus dem LEP entfernt. Das ganze LEP könnte man in dem Stadium ohnehin entfernen.

(Beifall bei der SPD)

Der CSU und der FDP lege ich ans Herz, dem Antrag zuzustimmen. Bauen Sie nicht irgendeinen Popanz auf, sondern lassen Sie Korrektheit und Wahrhaftigkeit in der Politik Platz greifen, um der Verdrossenheit an politischen Entscheidungen vorzubeugen.

(Beifall bei der SPD)

Für die FREIEN WÄHLER hat jetzt Herr Pointner das Wort. Danach kommt Herr Dr. Bertermann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst vielen Dank an die SPD dafür, dass sie sich jetzt an diesem Bürgerentscheid orientiert und die dritte Bahn ablehnt. Das ist Wahrung der Demokratie, und das finde ich sehr gut.

Ich appelliere jetzt an die Kolleginnen und Kollegen von der CSU und von der FDP, dass sie die Fakten in dieser Frage auch pragmatisch sehen und wie bei anderen Themen eine Änderung ihrer bisherigen Haltung herbeiführen. Als Stichworte nenne ich nur die Energiewende, die Bundeswehrreform, den Nichtraucherschutz, den Transrapid und so weiter. Vielleicht kommen der Donauausbau und die Studienbeiträge auch noch hinzu. Einen ersten Schritt dazu haben Sie bereits getan, indem Sie das Darlehen des Freistaates und der anderen Gesellschafter zurückfordern. Vor mehreren Monaten haben die GRÜNEN und auch ich den Antrag gestellt, dieses Darlehen zurückzufordern. Es hat dann immer geheißen, man brauche es für die dritte Startbahn und wir wollten damit die dritte Bahn nur verhindern. Jetzt haben Sie offenbar einen

ersten Schritt dazu getan, dass diese dritte Bahn nicht finanziert werden kann.

Der Bürgerentscheid gilt zwar nur ein Jahr. Nach allen Aussagen, die ich bisher von den jetzigen und möglichen künftigen politischen Führungspersonen in München gehört habe, wollen sie sich auch über diesen Zeitraum hinaus an das Votum halten. Ganz allgemein zum Bürgerentscheid, Frau Goderbauer: Er bindet die Stadt München. Sie können aber nicht erwarten, dass die Betroffenen vor Ort den Bürgerentscheid akzeptieren müssen. Sie können nicht erwarten, dass die Münchner entscheiden, was die Leute in Freising und in Erding auszuhalten haben.

Noch einmal zur Stadt München. Wenn eine künftige Stadtregierung jemals anders entscheiden sollte, wird meines Erachtens sofort ein neues Bürgerbegehren und ein neuer Bürgerentscheid kommen, der mit Sicherheit eine noch größere Mehrheit gegen die dritte Bahn bringen würde. Daran ändert auch eine Aufnahme dieses Ziels in das Landesentwicklungsprogramm nichts. Ich halte es für eigenartig, dass die Startbahn als einziges verkehrspolitisches Ziel aufgenommen wurde und nicht die Stammstrecke oder andere Ziele, die heute als so wichtig erachtet wurden.

Herr Kollege Dr. Magerl hat die Fakten schon genannt. Wir befinden uns bei den Flugbewegungen auf dem Stand des Jahres 2005. Wir müssen ganz Deutschland im Auge haben und sollten zur Kenntnis nehmen, dass alle 17 internationalen Flughäfen in Deutschland − mit Ausnahme von Berlin-Tegel, wo ein besonderes Problem herrscht, das Ihnen allen bekannt ist − zurückgehende Bewegungszahlen haben. Klar ist, dass die Luftverkehrskapazitäten am Boden weit über dem Bedarf liegen. Das gilt auch für Frankfurt, wo jetzt eine vierte Bahn vorhanden ist. Trotzdem gehen die Bewegungszahlen zurück. Mit dieser Bahn könnte eine Kapazitätssteigerung von 50 % erreicht werden.

Sie sollten überhaupt einen Blick über die Grenze nach Frankfurt werfen. So mancher der dort Verantwortlichen ist über die neue Landebahn überhaupt nicht glücklich. Sie liegt zu nah an den Siedlungsgebieten. Der Fluglärm für die betroffenen Menschen ist unerträglich und gesundheitsgefährdend. Lärmminderungsmaßnahmen, wie sie in Frankfurt angekündigt waren, gingen ins Leere, weil die Überflüge der nächstgelegenen Orte einfach nicht zu vermeiden sind. Deshalb nehmen dort die Proteste der Betroffenen immer mehr zu. Dieselbe Situation würde sich durch eine dritte Bahn in München ergeben, sollte sie je verwirklicht werden. Die Lärmbelastung wäre in München für die Menschen am Flughafen teilweise noch höher, wenn auch die Zahl der Betroffenen

etwas geringer wäre. Es darf aber keine Rolle spielen, ob 10.000, 20.000 oder 50.000 betroffen sind, wenn eine akute Gesundheitsgefährdung vorliegt. Diese ist bei bestimmten Lärmwerten nachzuweisen.

Sie sollten auch aus ökonomischen Gründen auf den Bau der dritten Bahn verzichten. Herr Kollege Dr. Magerl hat schon gesagt, dass Gerichtsverfahren eine Unmenge Geld kosten, weil dafür Gutachten angefordert werden. Ich weiß, was solche Prozesse kosten, weil wir schon mehrere geführt haben.

Für mich ist entscheidend: Sie sollten neben dem Geld vor allem an die betroffenen Menschen denken. Sie halten die Bedrohung der Lebensgrundlage dieser Menschen aufrecht, zum Beispiel in Attaching, Berglern, Pulling, Freising-Süd und anderen Orten rings um den Flughafen. Für diese Menschen stellt sich die Frage, ob sie noch in ihr Anwesen investieren sollen, wenn sie dort, sollte die dritte Bahn kommen, nicht mehr menschenwürdig leben können. Was sollen diese Leute ihren Kindern raten? Sollen sie bleiben? Sollen sie wegziehen? Deshalb der Appell an die Kolleginnen und Kollegen der rechten Seite: Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie dem Antrag zu.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Dr. Bertermann für die FDP.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir respektieren den Bürgerentscheid der Münchner Bürger. Dieser Entscheid gilt rechtlich für ein Jahr. Wir werden es politisch sehr wohl überdenken, wie wir in dieser Sache weiter argumentieren. Natürlich werden wir auch die Themen Umweltschutz, Arbeitnehmer und Wirtschaftskraft mit in diese politische Entscheidung einbeziehen.

Mich stört ein bisschen an dieser Debatte, dass wir einen Antrag vorliegen haben, mit dem der endgültige Verzicht auf die dritte Startbahn gefordert wird. Der Flughafen war in der Vergangenheit eine Erfolgsgeschichte, auch eine Erfolgsgeschichte für Bayern, für die Wirtschaft und für die Arbeitnehmer. Ich maße mir nicht an, heute zu sagen, wie die Prognosen in 10, 15 oder 20 Jahren aussehen werden.

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Aber die Flughafengesellschaft!)

- Herr Dr. Magerl, ich schätze Sie außerordentlich. Aber lassen Sie mich bitte zu Ende reden.

Wir werden im Großraum München in den nächsten 20 Jahren circa 300.000 Zuzüge haben. Was sollen diese Menschen machen? Sollen sie zu Fuß gehen? Sollen sie alle mit dem Velo fahren? Wie sollen sie in den Urlaub kommen? Wie sollen sie zu ihren Arbeitsstellen kommen? Wie sehen die europäischen Verbindungen aus?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die kommen gar nicht, wenn Sie sie nicht als billige Kofferträger für die dritte Startbahn brauchen!)

- Lieber Herr Aiwanger, wir werden keine Billigverträge abschließen. Die Leute wollen gerecht entlohnt werden, und zwar entsprechend nach ihrer Leistung. Das ist nicht das Thema, über das wir heute sprechen.

Wir müssen abwägen. Natürlich müssen wir auf die Leute in Erding und Freising und auf den Umweltschutz Rücksicht nehmen. Diese Probleme stellen sich in Europa überall. Wir müssen diese Menschen entschädigen und ihnen ein lebenswertes Leben zurückgeben. Herr Pointner, das ist völlig richtig. In einer Demokratie ist es nicht anders zu regeln, als dass wir Rücksicht auf die Schwachen und den Umweltschutz nehmen.

Was würde es jedoch im Umkehrschluss bedeuten, wenn wir diese dritte Startbahn nicht bauen würden? Hier geht es nicht nur um die Metropolregion München, sondern um die Wirtschaftskraft Bayerns. Fragen Sie einmal die Menschen in der Oberpfalz, in Mittelfranken und in Schwaben. Bei der Abstimmung über Stuttgart 21 haben die Bürger Baden-Württembergs über ihr Schicksal abgestimmt. In Bayern hätte man alle Bürger fragen sollen, wie sie zum Flughafen in München stehen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das können Sie tun! - Harald Güller (SPD): Zum damaligen Zeitpunkt hätten Sie von den Bürgern Bayerns keine andere Antwort bekommen!)

Dieses Thema betrifft alle Bürger in Bayern. Eine bayernweite Befragung wäre besser gewesen als nur eine Befragung der Bürger der Metropolregion. Was würde denn passieren, wenn wir die dritte Startbahn nicht bauen?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Nichts!)

- Sie verzichten auf den Ausbau der Infrastruktur für einen modernen und zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort Bayern.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das haben Sie beim Transrapid auch gesagt!)

Sie gehen zurück von der Lederhose über die Industrienation in den Agrarstaat. Einige von Ihnen wollen sogar den Morgenthau-Plan haben. Sie halten es für besser, zu Fuß zu gehen und mit dem Velo zu fahren, als moderne Industriestrukturen zu schaffen. Die GRÜNEN sind eine rückwärtsgewandte Partei.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Sie verzichten auf den Freistaat als Wirtschaftsstandort. Er ist der Verlierer, die Arbeitnehmer sind die Verlierer, die Bürger der Oberpfalz und Schwabens sind die Verlierer, wenn keine Startbahn gebaut wird. Wir haben einen Nachteil gegenüber den anderen Standorten, mit denen wir europaweit im Zeitalter der Globalisierung im Wettbewerb stehen. Wir würden auf eine Weiterentwicklung der Wirtschaftskraft in Bayern verzichten. Wir würden auf die Erfolgsgeschichte Bayerns verzichten, die wir weiterschreiben wollen. Sie auf der anderen Seite wollen sie verhindern.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Sie wollen Bayern eigentlich rückabwickeln. Sie wollen aus Bayern ein Naturkundemuseum machen. Sie sorgen dafür, dass in Bayern die Lichter endgültig ausgehen werden und der Wirtschaftsstandort "untergeht".

(Beifall bei der FDP)

Herr Dr. Bertermann, Herr Kollege Dr. Runge hat noch eine Frage an Sie.

Herr Dr. Bertermann, ich wollte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Teilen Sie nicht auch meine Einschätzung, dass, vor dem Abgrund stehend, rückwärts besser als vorwärts ist?

Zu Ihren Zahlen: Ich fand es famos, als Sie sagten, dass weitere 300.000 Menschen in den Ballungsraum München kämen, die zu ihrer Arbeit fliegen müssten. Wir dachten immer, Sie wollten sie über die Röhre schicken. Vielleicht nehmen Sie einmal die Ist-Zahlen und die Prognose-Zahlen zur Kenntnis. Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass diese dritte Landebahn vor allem nicht deswegen geschaffen werden soll, um in München deutlich mehr Umsteiger zu generieren. Es geht um die Originär-Einsteiger, nicht um Ihre 300.000 Menschlein, die zu ihrer Arbeit wollen und verreisen sollen. Künftig sollen immer mehr Umsteiger nach München geholt werden. Das ist kein gutes Argument.

Herr Kollege Dr. Bertermann, wenn heute ein Beschluss gefasst wird, wie er in unserem Antrag vorgesehen ist, heißt das nicht, dass Sie in zehn oder fünfzehn Jahren oder wann immer Sie wieder im Landtag

sein werden, keinen Antrag mehr stellen können, dass eine dritte Startbahn gebaut werden sollte. Jetzt geht es konkret darum, dass es einfach ein Unsinn ist, weiterhin Geld rauszuhauen. Christian Magerl hat gerade beschrieben, welche Heerscharen von Ministerialbeamten sich gerade im Erdinger Moos tummeln. Es geht auch darum, die dortige Bevölkerung nicht weiterhin in Unsicherheit und Ängsten zu wiegen. Sie würden wirklich ein Zeichen setzen, wenn Sie erstens dem Antrag heute zustimmen und zweitens dafür sorgen würden, dass diese unsägliche Formulierung aus dem Entwurf des Landesentwicklungsprogramms verschwindet.

Danke, Herr Dr. Runge. Bitte, Herr Kollege Dr. Bertermann.

Lieber Herr Dr. Runge, eigentlich wollte ich an Sie adressieren, hatte aber Herrn Kollegen Dr. Magerl genannt. Ich würde Sie als detailverliebten Detailakrobaten bezeichnen. Aber Sie haben auch hier im Gegensatz zu uns, wie Sie bereits in der vorangegangenen Debatte gezeigt haben, diesen berühmten Tunnelblick. Sie schauen nicht über den Tellerrand hinaus. Sie müssen sehen, dass Millionen Gäste nach München kommen bzw. dort umsteigen. Aber diese Gäste steigen dort nicht nur um, sondern wir machen mit ihnen Geschäfte. Dadurch wird vor allem der Mittelstand gefördert. Sie haben Bayern als Engram im Kopf, um Marketing für Bayern zu betreiben, das früher von den Fluglinien her überhaupt nicht auf der Weltkarte war. Das ist der Fortschritt unseres Ministers. Dafür kämpfen wir. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.