Protokoll der Sitzung vom 16.07.2009

(Zuruf von der CSU - Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Fahn.

(Vom Redner nicht au- torisiert) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin der letzte Redner zu diesem Dringlichkeitsantrag. Wir haben alle die verschiedenen Statements gehört. Aufgrund der verschiedenen Statements lässt sich feststellen, dass der Fall noch nicht abgeschlossen ist und sehr großer Klärungsbedarf besteht. Ich habe aufmerksam die Äußerungen des Innenministers, aber auch die Äußerungen der GRÜNEN, der SPD und der FDP verfolgt. Die vier Fragen der FDP und die zwei Fragen der GRÜNEN sind heute noch nicht ausreichend beantwortet worden. Die Beantwortung sollte auf jeden Fall in schriftlicher Form erfolgen, damit der Sache gründlich nachgegangen werden kann. Darauf bestehen auch die Freien Wähler. Wir unterstützen deshalb die Stellungnahme des Herrn Dr. Fischer und den Vorschlag der GRÜNEN. Da der Antrag der GRÜNEN dafür plädiert, die chinesischen Flüchtlinge nicht abzuschieben, werden wir dem Antrag in dieser Form zustimmen. Derzeit ist es noch nicht gerechtfertigt, diese Abschiebung vorzunehmen. Wenn die Anhörung abgeschlossen ist und die Antworten vorliegen, kann über dieses Thema erneut diskutiert werden.

Der Deutsche und der Bayerische Flüchtlingsrat sowie Pro Asyl berichten, dass ein chinesischer Flüchtling vor Ort auf chinesische Beamte des Innenministeriums getroffen sei. Da diese Nachricht aus drei unterschiedlichen seriösen Quellen stammt, wird sie stimmen. Das ist ein Verstoß gegen deutsche Verfahrensgrundsätze. Das deutsche Recht wird außer Kraft gesetzt. Das kritisieren wir ganz klar.

(Beifall bei den GRÜNEN )

Die Konfrontation mit offiziellen Vertretern des Staates ist in dieser Form nicht akzeptabel. Der Rechtsbeistand wird dabei nicht gewährleistet.

In der chinesischen Verfassung steht zwar, dass der Staat die Menschenrechte gewährleiste und akzeptiere, aber das Verständnis von Menschenrechten unterscheidet sich fundamental von dem Verständnis, das wir in Deutschland in Bezug auf Menschenrechte haben. Die Artikel 1 bis 20 des Grundgesetzes gelten für alle weiteren Grundrechte. Der Unterschied zu China liegt darin, dass in China die Menschenrechte der Stabilität und der Einheit des Landes untergeordnet sind. Wenn die chinesische Regierung die Einheit und die Stabilität gefährdet sieht, kann sie die Menschenrechte, die formal in der Verfassung festgesetzt sind, außer Kraft setzen. Deswegen sind die Menschenrech

te in China in keiner Weise vergleichbar mit den Menschenrechten in Deutschland. Die Menschenrechte in China waren nicht nur im letzten Jahr anlässlich der Olympischen Spiele in Peking aktuell. In China werden permanent Menschenrechte verletzt. Die Menschen werden drangsaliert und unter Hausarrest gestellt. Hunderttausende befinden sich in Untersuchungshaft. In den Medien wird ständig davon berichtet. Im Jahre 2008 gab es mindestens 7.000 Todesurteile, von denen 1.700 vollstreckt worden sind. Journalisten sind von diesen Verfahren nicht ausgeschlossen. Erst Anfang Juli ist es erneut zu Unruhen gekommen.

In diesem konkreten Fall, der im Antrag der GRÜNEN aufgeführt ist, drohen den Betroffenen bei Rückführung Folter und brutale Verhörmethoden. Vor diesem Hintergrund ist der Antrag der GRÜNEN, der dafür plädiert, keine Abschiebung nach China durchzuführen, derzeit berechtigt. Zunächst müssen alle Fragen, die von der FDP und den GRÜNEN gestellt worden sind, beantwortet werden. Dann sehen wir weiter.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Bevor ich dem Herrn Innenminister das Wort erteile, habe ich die Ehre, auf unserer Ehrenloge den Präsidenten des Parlaments von Krasnojarsk zu begrüßen, Herrn Alexander Uss. Herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Minister, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich den Vorwurf von Herrn Kollegen Fahn, deutsches Recht werde außer Kraft gesetzt, mit aller Entschiedenheit und Schärfe zurückweisen. Es ist eine unglaubliche Unterstellung, dass irgendeine Behörde deutsches Recht außer Kraft setzt.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Entschuldigung, Herr Kollege, ich habe großen Respekt vor jedem Parlamentarier. Aber ich denke, dass Sie über ein Thema geredet haben, von dem Sie jedenfalls juristisch null Ahnung haben.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Kollege, Tatsache ist, dass nach geltendem deutschem Recht jeder in unserem Land verpflichtet ist, sich ordnungsgemäße Ausweispapiere zu beschaffen. Das ist ausdrücklich im Gesetz geregelt. Das gilt ebenfalls nachdrücklich für jemanden, der als Asylbewerber rechtskräftig von einem Bundesamt nach einem rechtsstaatlichen Verfahren, das in Bundesgesetzen geregelt

ist, abgelehnt wurde. Jeder, über den wir reden und der in der letzten Woche in der Boschetsrieder Straße unterwegs war, ist nach geltendem deutschen Recht verpflichtet, sich einen ordnungsgemäßen Pass zu besorgen. Diese Personen waren alle seit Monaten verpflichtet, in der chinesischen Botschaft in Berlin vorzusprechen und sich einen Pass zu beschaffen. Die Betroffenen haben alle gegen diese Verpflichtung verstoßen. Das ist geltendes deutsches Recht, Herr Kollege!

(Beifall bei der CSU und der FDP - Ulrike Gote (GRÜNE): Was ist denn das für ein Maßstab? - Unruhe bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Ackermann, Sie können die Leute gerne alle fragen, warum sie bisher noch nicht bei der chinesischen Botschaft waren. Die Leute sind alle seit Monaten verpflichtet gewesen, in der chinesischen Botschaft vorzusprechen und sich einen Pass zu besorgen. Keiner der Betroffenen ist der Verpflichtung nachgekommen. Das ist die Vorgeschichte der Fälle, meine Damen und Herren. Erst nachdem die Betroffenen dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sind, wurden sie von der Zentralen Rückführungsstelle vorgeladen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Wären die Leute dieser Verpflichtung nachgekommen, sich in ihrer Botschaft einen Pass zu besorgen, wäre das ganze Verfahren nicht notwendig. Das ist, wohl gemerkt, geltendes deutsches Recht. Das wurde mit den Stimmen der SPD im Deutschen Bundestag beschlossen. - Herr Kollege Rinderspacher, bitte schön.

Herr Staatsminister, es ist überhaupt keine Frage, dass deutsches Recht durchgesetzt werden muss, das möchte ich an dieser Stelle betonen. Da standen wir, glaube ich, aber auch nicht im Verdacht.

Herr Staatsminister, ich frage Sie: Ist es für Sie in Ordnung, deutsches Recht durchzusetzen durch die Kooperation mit dem chinesischen Geheimdienst?

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und den Freien Wählern - Dr. Günther Beckstein (CSU): Selbstverständlich!)

Herr Kollege Rinderspacher, ich habe vorhin Herrn Kollegen Fahn angesprochen. Ich habe mit dem, was Sie zur Menschenrechtssituation in China gesagt haben, überhaupt keine Probleme. Ich kann in großen Teilen, wenn auch nicht in allen Nuancen, volle Übereinstimmung feststellen.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Das ist doch alles nur ein Kasperltheater!)

Was die grundsätzliche Kooperation betrifft, so wurde ein weiter Bogen geschlagen bis hin zur deutschen Geschichte und dem früher geteilten Deutschland. Wir könnten lange darüber diskutieren. Zunächst ist es immer - auch für die Musterdemokratie Deutschland - eine Herausforderung, mit den faktischen Machthabern allüberall auf der Welt in irgendeiner Weise in Kontakt zu treten. Vor dieser Situation stand bekanntermaßen auch die sozialliberale Koalition in den Siebzigerjahren in Bezug auf die DDR.

(Markus Rinderspacher (SPD): Zu meiner Frage, bitte!)

Falls es ein Regime gibt, das gegen Menschenrechte verstößt, dann kann man nicht sagen, zu diesem Regime dürfe es keinen Kontakt geben. So haben Sie das auch nicht gesagt, Herr Rinderspacher, ich sage das in eine andere Richtung. Diese Auffassung jedenfalls ist sicherlich weltfremd.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Ich kooperiere nicht mit dem chinesischen Geheimdienst, und das tut die Zentrale Rückführungsstelle auch nicht. Wenn mir aber die Frage gestellt wird, ob ich ausschließen kann, dass ich mit dem chinesischen Geheimdienst zu tun habe, dann beantworte ich diese Frage wahrheitsgemäß. Wenn Sie morgen die französische Botschaft in Lissabon aufsuchen, dann kann Ihnen auch niemand garantieren, dass Sie nicht zufällig an einen Mitarbeiter geraten, der auch Mitarbeiter des französischen Geheimdienstes ist. Das kann keiner ausschließen.

(Anhaltende Unruhe bei den GRÜNEN und der SPD - Glocke des Präsidenten)

Es wäre deshalb völlig weltfremd, wenn ich hier sagen würde: Ich kann ausschließen, dass das ein Mitarbeiter des chinesischen Geheimdienstes ist.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Was ich ausschließen kann, das ist, dass eine bayerische oder eine deutsche Behörde in der Zentralen Rückführungsstelle oder beim Bundesamt ausdrücklich mit dem chinesischen Geheimdienst kooperiert. Ich kann aber nicht ausschließen, was diese Mitarbeiter sonst machen. Was ich Ihnen sagen kann, das ist Folgendes: Die Delegation, die aus China kam, setzt sich wie folgt zusammen: ein Mitarbeiter vom Amt für Ein- und Ausreise der Provinz Kanton, ein Mitarbeiter vom Stadtbüro Ning bo der Verwaltung der Provinz Zhejiang für Ein- und Ausreise, ein Mitarbeiter vom Stadtbüro Fu

Zhou, Amt für Ein- und Ausreise in der Provinz Fu Jian, und noch einmal ein Mitarbeiter aus der Verwaltung der Provinz Fu Jian. Mit diesen Vertretern werden vor allem die verschiedenen Dialekte der Volksrepublik China abgedeckt. Darum geht es bei diesen Gesprächen.

Meine Damen und Herren, die Gespräche fanden vom 6. bis 10. Juli 2009 für Personen statt, die in Bayern Unterkunft haben. Für die Personen, die in Bayern ansässig sind, sind diese Verfahren jetzt erst einmal abgeschlossen.

(Zuruf der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE))

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, es ist nicht die Auffassung des Bundesaußenministers, dass zurzeit keine Abschiebungen nach China stattfinden könnten. Eine solche generelle Haltung, das sage ich Ihnen hier noch einmal, ist völlig weltfremd.

Eines erlaube ich mir abschließend noch einmal festzustellen: Ich habe vorhin ausdrücklich auf die problematische Menschenrechtssituation in China und auf die Tatsache hingewiesen, dass es dort politische Verfolgung gibt. Aber auf die Tatsache, dass bundesdeutsche Behörden - bitte schön nicht in erster Linie bayerische - schon seit längerer Zeit feststellen, dass gezielte Schleusungen von Personen allein aus wirtschaftlichen Gründen in deutsche Wirtschaftsbetriebe stattfinden - und in dieser Frage sind sich alle deutschen Behörden einig -, ist kein Einziger von Ihnen eingegangen.

(Claudia Stamm (GRÜNE): Weil das nichts miteinander zu tun hat!)

Das können Sie doch nicht einfach ignorieren. Ich sage deshalb: Menschen, denen in China tatsächlich Verfolgung droht, dürfen nicht abgeschoben werden. Diese Menschen werden wir auch nicht abschieben. Wenn das Bundesamt aber festgestellt hat, es gibt keine Verfolgungsgefahr und keinen Asylgrund bei uns, dann wird in jedem einzelnen Verfahren geprüft, ob es ein Abschiebehindernis gibt. Das findet in einem rechtsstaatlichen Verfahren statt. Wenn im Einzelfall dann festgestellt wird - wohlgemerkt im Einzelfall, liebe Kolleginnen und Kollegen - , dass kein Abschiebehindernis besteht, dann können wir uns nicht auf den Standpunkt stellen - und das sage ich hier klipp und klar -, wir könnten überhaupt niemanden mehr nach China abschieben. Angesichts eines Volkes mit über einer Milliarde Einwohnern und der Tatsache, dass aus diesem Land gezielte Schleusungen von Wirtschaftsflüchtlingen in verschiedenste Länder dieser Erde stattfinden, wäre es weltfremd, zu sagen: Wir schieben überhaupt niemanden nach China ab. Ich sage deshalb, eine solche Haltung kann ich auf keinen Fall teilen. Im Übrigen wird

diese Auffassung auch von keinem der anderen Bundesländer geteilt.

Die weiteren Detailfragen werden wir gern in einer der nächsten Ausschusssitzungen in allen Einzelheiten beantworten. Wir stellen uns dieser Diskussion gern, da gibt es überhaupt nichts zu verbergen. An der Linie der Zentralen Rückführungsstelle gibt es im Moment aber nicht das Geringste auszusetzen.

Herr Minister, bleiben Sie hier, ich habe zwei Zwischenbemerkungen. Erste Zwischenbemerkung: Frau Kollegin Bause.

Herr Innenminister, Sie haben gerade ausgeführt, dass einige Anhörungen schon stattgefunden haben. Durften bei diesen Anhörungen Anwälte dabei sein? - Das würde ich gerne wissen. Außerdem: Was passiert mit diesen Menschen, wenn sie ausreisepflichtig sind? Können Sie garantieren, dass den Flüchtlingen, wenn sie nach China zurückkommen, keine menschenrechtswidrige Behandlung droht? Und: Habe ich Sie vorhin richtig verstanden: Sie haben die Situation in Frankreich mit der Situation in China gleichgesetzt?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nein, Frau Kollegin. Ich kann Ihnen gerne bestätigen: Das haben Sie, wie so vieles in diesem Hause, wieder einmal missverstanden. Das habe ich auch überhaupt nicht gesagt.

(Zurufe von den GRÜNEN)