In gleichem Maße halte ich es für wichtig, dass unseren Schülern, unseren Kindern und Jugendlichen das Unrecht in der DDR von denen erzählt wird, die es am eigenen Leib erfahren mussten. Die DDR war ein Unrechtsstaat. In der DDR gab es Morde und Folter, aber keine Meinungsfreiheit. In der DDR wurden Menschen gleichgeschaltet. Die DDR hat viele Opfer gefordert. Wenn das den Menschen heute und morgen nicht bewusst wird, werden sie für irgendwelche Heilsbringer und Rattenfänger von der anderen Seite anfällig.
Meine Damen und Herren, es sollte die wichtigste Aufgabe eines Parlamentariers sein, die Demokratie gegen links und gegen rechts zu verteidigen. Deswegen werden wir den Antrag, auch wenn er nachbesserungsbedürftig ist, unterstützen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Pohl, mit Äußerungen zur linken Diktatur und zu Weimarer Verhältnissen sollten wir hier im Haus etwas vorsichtiger sein. Ich glaube, so groß ist die Gefahr auch wieder nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und der CSU, wir haben uns schon darüber gewundert, dass Sie diesen Dringlichkeitsantrag stellen. Ermöglicht die Staatsregierung nicht den Besuch von Zeitzeugen an Schulen? Blockiert die Kultusbürokratie möglicherweise den Besuch von Zeitzeugen an den Schulen? Sind die Lehrpläne so überfrachtet, dass die Lehrerinnen
und Lehrer nicht mehr die nötige Zeit für dieses Thema haben? Wenn dem so wäre, müssten Sie Kritik am Kultusminister und am Staatssekretär äußern, und dieser Kritik würde ich mich gerne anschließen. Wenn dem aber nicht so ist, hätte ich kein innerliches Bedürfnis, den Kultusminister oder den Staatssekretär in diesem Punkt zu kritisieren. Warum also dieser Antrag?
Sie hätten einen guten Antrag machen können, wenn Sie den Stellenwert von politischer Bildung in unserem Bildungssystem, das Ausmaß der Unterrichtsstunden in Sozialkunde und die Möglichkeit, politische Projekte an den Schulen durchzuführen, angesprochen hätten. Hier haben wir wirklich Nachbesserungsbedarf, und das ist ein Armutszeugnis für die Demokratie.
Frau Sandt, Sie haben es angedeutet. Vielleicht lag der Grund für diesen Antrag in den Wahlerfolgen der Linken. Ich habe das Gefühl, dass Sie dagegen etwas tun wollen und deshalb dieses Thema hochziehen, obwohl die Linken gar nicht hier in diesem Parlament sind.
Vielleicht wollen Sie diese Geschichte instrumentalisieren, weil andere Parteien irgendwo mit den Linken koalieren. Lassen Sie das sein! Wir stellen fest, dass es nicht genützt hat, die Linke allein damit politisch zu bekämpfen, dass man sie als SED-Nachfolgepartei bezeichnet, was sie tatsächlich ist. Sie ist es, dennoch haben die Linken Wahlerfolge. Deswegen ist es notwendig, sich mit ihnen und mit ihren Forderungen politisch auseinanderzusetzen, und ihnen keine Angriffsfläche für ihren billigen Populismus zu geben. Sie müssen draußen die politische Auseinandersetzung mit den Linken führen, und dann werden Sie diese Partei sehr bald demaskiert und entzaubert haben.
Wir werden diesem Antrag zustimmen, weil er eine Selbstverständlichkeit ausdrückt. Wir hoffen und gehen davon aus, dass das Kultusministerium die Schulen ermutigt und es ihnen ermöglicht, Zeitzeugen zu holen. Es ist wichtig, Zeitzeugen aus der DDR zu erleben. Jede Schulklasse, die nach Berlin fährt, hat die Möglichkeit, dort die Stasi-Zentrale zu besuchen. Auch alle Besucher des Bundestags, die vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingeladen werden, gehen nach Hohenschönhausen oder in die Stasi-Zentrale. Dort erleben sie sehr augenfällig, welcher Staat die DDR war, welches Unrecht dort geschehen ist, welche Verdorbenheit in staatlichen Einrichtungen geherrscht hat und wie miefig dieses politische System war. Deswegen sind wir dafür, Zeitzeugen in die Schulen zu holen. Das ist Teil einer guten politischen Bildung. Instrumentieren Sie
aber bitte die Zeitzeugen nicht für aktuelle politische Debatten. Tun Sie das den Zeitzeugen nicht an.
Herr Präsident, Hohes Haus! Vor exakt 20 Jahren haben wir in dieser Republik gezittert, weil wir nicht wussten, wie es drüben in der DDR weitergeht. Vor fünf Tagen hat der Bundespräsident eine exzellente Rede gehalten und den Mut der siebzigtausend Menschen in Leipzig gewürdigt. Er hat den Einsatz dieser Menschen für Freiheit und Demokratie gewürdigt. Wir sind verpflichtet, die Erinnerung an diese Zeit wach zu halten, an eine Zeit, in der unseren deutschen Landsleuten im anderen Teil des Landes immens viel Unrecht geschehen ist. Viele sitzen hier im Raum, die noch die alte DDR kannten. Sie wissen, mit wie viel Angst wir uns selbst als Bundesbürger dort aufgehalten haben und wie froh wir waren, wenn wir in Hof wieder auf bundesdeutschen Boden zurückgekehrt sind.
Wir waren froh darüber, dass wir nicht dort drüben leben mussten, wo es die Todesstrafe gab, die auch vollstreckt wurde, wo es einen Schießbefehl gab, der über 1.100 Menschen das Leben gekostet hat, wo Kinder ihren Eltern genommen wurden - ich erinnere an einen aktuellen Film - und wo vieles andere mehr geschehen ist. Dort wurde zutiefst gegen Menschenrechte verstoßen. Ich war vor einigen Jahren in Hohenschönhausen und kann Sie nur ermutigen, dorthin zu gehen. Wer sich Zeitzeugen anhört, die dort inhaftiert waren, wird gar nicht anders können als die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die DDR ist ein Teil unserer deutschen Geschichte, und die Erinnerung daran wach zu halten, ist Aufgabe des Geschichts- und des Sozialkundeunterrichts. Nichts anderes fordern wir mit diesem Antrag. Ich möchte Frau Sandt ein Kompliment dafür machen. Es ist ein guter Antrag. Wir hatten hier schon im Mai eine Debatte über dieses Thema geführt, bei der es auch sehr viel Übereinstimmung gab. Es gab in der Koalition sehr viel Übereinstimmung, aber auch mit den Freien Wählern, die ich hier ausdrücklich mit einbinden will. Wir müssen die Notwendigkeit erkennen, dass dieser Teil deutscher Geschichte nicht einer möglicherweise bewussten Vergesslichkeit preisgegeben wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Forderung, Zeitzeugen den Besuch in Schulen zu ermöglichen, bedeutet nicht, dass es bisher verboten wäre, dass sie in den Schulen sprechen. Vielmehr möchte das bayerische Parlament, das auch für die Schulen in
diesem Land verantwortlich ist, ein Zeichen dafür setzen, dass Besuche von Zeitzeugen an den Schulen zu begrüßen sind und dass sich die Schulen noch intensiver als bisher mit diesem Thema befassen müssen. Wir wollen, dass sie die Möglichkeit nutzen, Zeitzeugen anzusprechen und einzuladen. Der Antrag enthält nicht die geringste Kritik an den Schulen. Er stellt vielmehr die Aufforderung und den Wunsch eines Parlaments dar, sich dieses Themas in Zukunft noch mehr anzunehmen, damit nicht die im Moment noch bestehende Chance verlorengeht, die Menschen zu hören, die diese Zustände noch erlebt haben. Sie müssen ihnen einmal zuhören.
- Entschuldigung, Frau Pranghofer hat beckmesserisch so gesprochen, als wenn das Kultusministerium solche Besuche verbieten würde.
- Hören Sie doch auf. Das Wort "ermöglichen" kann man so oder so interpretieren. Wenn man sich aber vor dem Thema drücken will, kann man sich bewusst in Wortklauberei verzetteln. Nichts anderes wollen Sie.
- Ich kenne den Brief schon. Lassen Sie mich bitte ausreden. Die deutsche Sozialdemokratie hat im Umgang mit Diktaturen eine große und hervorragende Vergangenheit, die auch bei mir alle Achtung hervorruft. Ich habe höchsten Respekt vor den SPD-Abgeordneten, die im Berliner Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt haben, mit all den Konsequenzen, die für sie persönlich damit verbunden waren. Ich werde, wo immer ich das kann, diese bewundernswerte historische Rolle der Sozialdemokratie erwähnen und nie außen vor lassen. Das Tragische ist: Im Kampf gegen
Diese Gegenwart ist so blamabel, dass Sie nicht einmal einem so selbstverständlichen Antrag zustimmen können. Ich verstehe nicht, warum Sie diesen Antrag mit so seichten Begründungen ablehnen. Sie haben gesagt, das sei Quatsch. Haben Sie sich bewusst gemacht, was Sie sagen? Es sei Quatsch, dafür zu plädieren, Zeitzeugen aus der ehemaligen DDR in unsere Schulen zu holen.
(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Nein, das hat sie nicht gesagt! Sie hat gesagt, der Antrag sei nicht notwendig!)
- Ich habe es doch mitgeschrieben. Frau Pranghofer hat das Ganze als Quatsch bezeichnet. Ich habe es wörtlich mitgeschrieben. Frau Kollegin Sandt hat vernünftigerweise gefordert, dass die Staatsregierung ermöglichen sollte, Zeitzeugen an die Schulen zu holen, weil diese aktiv ihre Erfahrungen schildern könnten.
Diese vernünftige Forderung bezeichnen Sie als Quatsch. Dafür habe ich kein Verständnis. Frau Kollegin Pranghofer, das ist geschichtspolitisch so daneben, dass mir die SPD leid tut.
Wenn Sie glauben, Sie könnten von der miserablen Rolle, die die SED gespielt hat und die in der Folge die Linken spielen, ablenken, haben Sie sich getäuscht. Sie haben genau das Gegenteil dessen bewirkt, was Sie eigentlich wollten. Der Antrag ist gut.
Herr Kollege Freller, nachdem Sie mit Ihrem Redebeitrag zu Ende sind, erteile ich Herrn Kollegen Wörner zu einer Zwischenintervention das Wort.
Herr Kollege Freller, unabhängig von Ihrer Missinterpretation von Frau Kollegin Pranghofer, die sie selbst richtigstellen kann, möchte ich Ihnen zum Antrag eine Frage stellen: Wie lange waren Sie denn Staatssekretär im Kultusministerium?
Diese Frage dürfen Sie gern stellen. In meiner Zeit als Staatssekretär gab es eine große bundesweite Untersuchung darüber, wo die Jugend am besten über das informiert ist, was in der DDR geschehen ist. Das Ergebnis war sehr erfreulich: Bayern wurde
als das Bundesland identifiziert, in dem die Jugend am besten über das DDR-Unrecht Bescheid wusste. Ich kann mit Stolz auf eine Zeit zurückblicken, in der wir dies thematisiert haben. Trotzdem sage ich: Wer aufhört, besser sein zu wollen, hat aufgehört, gut zu sein. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir hier weitermachen müssen. Wir müssen auch die Möglichkeit nutzen, Zeitzeugen hereinzuholen, was zunehmend schwieriger wird. Diese Zeitzeugen können von dem berichten, was sie selbst erlebt haben. Diese Möglichkeit ist jedoch durch das Lebensalter dieser Menschen begrenzt. Deshalb sollten wir die Nutzung dieser Möglichkeit anregen. Damit setzen wir einen bewährten Weg in der Zukunft fort.