Protokoll der Sitzung vom 14.10.2009

Verehrter Kollege von der FDP-Fraktion, auch das, was Ihr Antrag enthält, kostet Geld, auch wenn das Heimarztmodell der AOK 1,3 Millionen Euro gespart hat. Wenn wir das so umfänglich machen, wie wir uns das

vorstellen, kostet das Geld, und da müssen Sie uns sagen, wo Sie das hernehmen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Wir wollen das nämlich nicht nur in München schaffen, wo das vergleichsweise einfach zu regeln ist, sondern in der ganzen Fläche Bayerns. Da wäre der seriöse Weg, erst einmal zu schauen, wie man die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung - GKV - seriös auf breitere Beine stellen kann. Aber wir teilen dieses Anliegen. Wie gesagt, wir haben es schon vor einem halben Jahr in den Landesgesundheitsrat eingebracht. Ich plädiere also für Zustimmung zu diesem Antrag, und die Details werden wir im Ausschuss diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Frau Kollegin Sonnenholzner. Für die Freien Wähler bitte ich Herrn Dr. Vetter ans Pult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich Frau Sonnenholzner widersprechen. Ich finde Dringlichkeitsanträge der Regierungskoalition, die die eigene Regierung zum Handeln auffordern, eigentlich immer gut. Da würde ich schon widersprechen wollen.

(Heiterkeit bei den Freien Wählern und der SPD)

Es ist schon pikant, wenn man liest, dass die eigene Regierung aufgefordert wird, etwas zu tun. Das aber nur nebenbei.

Ich möchte es kurz machen. Kolleginnen und Kollegen, Verbesserungen auch bei der stationären Pflege sind natürlich immer gut und richtig.

Zum Spiegelstrich 1 des Antrags: Bei dem Vorschlag, dass ein Situationsbericht erstattet werden soll, können wir Freien Wähler natürlich mitgehen. Was spräche denn dagegen?

Zum Spiegelstrich 2 habe ich zwei kritische Anmerkungen bezüglich der Festanstellung von Ärzten in stationären Pflegeheimen.

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, wir Freien Wähler meinen, dass es eine primäre Aufgabe der Vertragsärzte, der niedergelassenen Ärzte ist, sich auch um unsere alten Menschen in den Pflegeheimen zu kümmern, und primär nicht die Aufgabe von fest angestellten Ärzten.

Es gibt eine Studie der BEK vom vergangenen Jahr, die besagt, dass die Versorgung in den stationären Pflegeheimen, was die Hausärzte betrifft, gar nicht so

schlecht ist. Etwas kritisiert wird die Versorgung mit Fachärzten. Diesbezüglich kann man, denke ich, noch einiges tun, wenn man die Demenzkranken betrachtet, die den Neurologen, den Psychiater und vielleicht auch den Orthopäden brauchen. Das Ziel der Festanstellung von Ärzten in Pflegeheimen kollidiert auch ein bisschen mit dem Ziel, so ambulant wie möglich und so stationär wie notwendig zu behandeln. Das nur nebenbei.

Es gibt ein Beispiel in München in einer stationären Einrichtung, in der ein fest angestellter Arzt tätig ist. Dort sind zusätzlich Verträge mit weiteren vier niedergelassenen Kollegen notwendig gewesen, weil sonst die Versorgung einfach nicht gesichert gewesen wäre.

Wir von den Freien Wählern sehen diesen zweiten Spiegelstrich also sehr kritisch. Im Übrigen tun die niedergelassenen Ärzte, die Vertragsärzte das auch, wenn man sie einigermaßen vernünftig bezahlt. Wenn sie für 3,33 Euro in der Nacht und am Wochenende irgendwo hinfahren müssen, werden sie sich vielleicht ein bisschen dagegen wehren.

Also noch einmal: Es geht um die freie Arztwahl. Die alten Menschen sollen den Arzt des Vertrauens weiterhin in den Pflegeheimen haben. Das ist aus meiner Sicht gerade im Alter erforderlich.

Gegen Pflegenetze ist nichts einzuwenden. Es gibt auch hierzu eine Studie, die besagt, dass in Pflegenetzen, in denen stationäre Pflegeeinrichtungen, niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser miteinander vernetzt sind, insgesamt ein Drittel weniger Krankenhauseinweisungen für die älteren Menschen notwendig waren. Das sehe ich sehr positiv.

Noch ganz kurz zum § 119 b SGB V: Die Pflegeeinrichtungen haben immerhin ein halbes Jahr Zeit, sich mit niedergelassenen Kollegen zusammenzuschließen. Das müsste normalerweise reichen.

Wir Freien Wähler unterstützen also diesen Antrag der CSU und der FDP. Auch wir sind der Meinung, dass die Staatsregierung, nachdem sie monatelang anderweitig beschäftigt war, endlich wieder handeln sollte.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Jetzt hat Frau Schopper das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Antrag der FDP und der CSU hat mich sehr gefreut. Angesichts all der Reaktionen, die es im Zuge der Honorarstreitigkeiten gab, wobei sich Fachärzte weigerten, Hausbesuche zu machen, haben wir

damals schon gefordert, die Alternative zu prüfen, dass Ärzte in Pflegeheimen, in stationären Einrichtungen fest angestellt werden. Seinerzeit haben wir doch ein gewisses Grummeln und ein Bauchgrimmen bei der FDP festgestellt.

Ich glaube, es ist wichtig, noch einmal den Hintergrund zu beleuchten und zu zeigen, wie die Situation in den stationären Einrichtungen ist. Das Eintrittsalter liegt bei durchschnittlich 86 Jahren. Oftmals sind die stationären Pflegeeinrichtungen nicht mehr deutlich von einer internistischen Station in einem Krankenhaus zu unterscheiden. Dabei sind multimorbide Krankheitsbilder Diabetes mit Demenz oder anderen Krankheiten oftmals die Regel und nicht die Ausnahme. Dort ist oftmals eine engmaschige kontinuierliche Versorgung ärztlicherseits notwendig. Ziel muss es sein, eine gute Versorgung zu erreichen. Leider beobachten wir oftmals auch Drehtüreffekte, wobei es gern am Freitagnachmittag Krankenhauseinweisungen gibt. Bei der Prävention stellen wir große Mängel fest.

Daher glaube ich, dass man diesem Antrag zustimmen sollte. In dem angeforderten Bericht sollte näher gewürdigt werden, wie groß die Zufriedenheit in den bereits jetzt tätigen Netzen oder dort ist, wo Ärzte in den entsprechenden Einrichtungen angestellt sind, etwa in Berlin oder in der Gravelottestraße. Zum anderen glaube ich, man sollte auch den Punkt, dass man dabei Kosten sparen kann, neben der Tatsache, dass es besser wird, nicht ganz von der Hand weisen.

Dem Kollegen Vetter, der besonderen Wert auf die freie Arztwahl legt und die Vertragsärzte nicht aus dem Spiel haben möchte, sei gesagt: Wenn es möglich ist, mag es schon recht sein. Aber wenn man sich die Studie anschaut, die zwei ehemalige Bundesseniorenministerinnen von der CDU mitverfasst haben, so steht dort drin: "Die Arztbesuche werden in aller Regel durch das Pflegepersonal der Heime veranlasst. Die freie Arztwahl wird vom Bewohner oft nicht mehr wahrgenommen." Man muss sehen, dass die freie Arztwahl doch sehr theoretisch ist, wenn Leute zuziehen, wo dann zum Beispiel Patient 1 bis 10 zum Arzt A kommt und Patient 11 bis 20 zum Arzt B.

Ich glaube, wir sollten - dieser Punkt ist aufgeführt § 119 b noch einmal daraufhin abklopfen, inwieweit die Sechsmonatsfrist ein Hindernis dafür ist. Rechtlich ist es möglich,

(Dr. Otto Bertermann (FDP): Richtig!)

es wird aber wenig genutzt, weil es vielfach auch nicht bekannt ist. Somit stimmen wir diesem Bericht zu, und ich hoffe auch sehr, dass wir daraus die Konsequenzen ziehen. Ein Bericht ist schön und geredet ist gleich, aber es ist etwas anderes, die Konsequenzen daraus zu zie

hen. Die Situation muss verbessert werden. Es werden immer wieder eklatante Mängel beklagt. Die alten Menschen, aber vor allen Dingen die Angehörigen haben oftmals Angst. Wenn wir einen Schritt dahin tun, diese Ängste abzubauen und eine gute Versorgung zu gewährleisten, wollen wir gerne dazu beitragen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

Für die FDP hat nun Herr Dr. Bertermann das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Erstes auf die Äußerung von Frau Sonnenholzner, die die Dringlichkeit des Antrags bezweifelt, antworten. Wenn Sie heute in ein Pflegeheim gehen, dann stellt sich diese Diskussion als dringlicher denn je heraus;

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Warum haben Sie das im Ausschuss nicht gesagt?)

- Denn hier und jetzt passieren diese Nachteile für die Patienten, die heute dort liegen.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Seit gestern!)

Da ist es also umso dringlicher, am liebsten noch in der Zeit, wo wir noch nicht in der Regierungskoalition waren. Das zu Ihrem Thema Dringlichkeit.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Das Zweite: Ich glaube, wir sind uns parteiübergreifend einig, dass die Qualität der ärztlichen Versorgung in den Pflegeheimen verbessert werden muss.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Dazu haben Sie aber lang gebraucht!)

Die ärztliche Versorgung in den Pflegeheimen ist unzureichend, in Einzelfällen auch menschenunwürdig. Das will ich extra noch einmal deutlich darstellen.

Die Frage ist: Wie sieht so etwas aus? Wie stellen Sie sich das vor? Das sind Menschen, die Durst haben. Das sind Menschen, die unterernährt sind. Es sind Menschen, die Flüssigkeitsdefizite haben. Es sind Menschen, die wund liegen, und es ist eine große Anzahl, liebe Frau Sonnenholzner, von Dementen. Alle diese Menschen müssen qualitativ gut versorgt werden, und zwar nicht nur von einem Hausarzt, sondern auch von einem Facharzt und von einem Zahnarzt. Ich möchte noch einmal anmerken, dass die Weigerung vieler Fachärzte, in Altenheime zu gehen, mit einem liberalen Grundverständnis nicht im Einklang steht. Wir sind uns alle einig, dass sich dort etwas tun muss.

Es gibt zwei Wege, wie wir dieses Problem lösen können. Wir haben auf der einen Seite fest angestellte Ärzte, die von 8 bis 20 Uhr arbeiten. Das birgt den Nachteil, dass in der Nacht wieder jemand anderer oder der Notdienst den Patienten sieht. Auf der anderen Seite haben wir die Möglichkeit von Netzwerken, von Ärzten, Fachärzten, Apothekern mit einer Klinik im Hintergrund, umfassend ein Seniorenheim zu betreuen. Ich glaube, die Ergebnisse der Berliner Studie und auch aus der Gravelottestraße zeigen, dass hier die Qualität der Behandlung der Patienten verbessert wurde. Denn in den Bereichen, wo kein Arzt da war, wurde ein Patient einmal im Jahr ins Krankenhaus verlegt. Bei denen, wo ein Arzt da war, wurde nur jeder dritte ins Krankenhaus verlegt. Das ist für mich keine Frage der Kosten, sondern ein Stück individueller Lebensqualität dieser Patienten. Deswegen muss auch die grundlegende Frage sein: Was ist uns die Würde, die pflegerische Versorgung der Menschen in Deutschland wert? Ich denke, es ist dringender Handlungsbedarf gegeben, und unser Antrag zeigt in die richtige Richtung. Deswegen bitte ich um Zustimmung aller Fraktionen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CSU)

Für die Staatsregierung hat Frau Staatssekretärin Huml ums Wort gebeten.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Diskussion hat gezeigt, dass wir uns alle einig sind, dass wir eine bestmögliche Versorgung der älteren Menschen in den Pflegeeinrichtungen wünschen und wollen, und zwar eine bestmögliche Versorgung mit Haus- und Fachärzten. Wir haben auch alle mitbekommen, dass es gerade zu Beginn des Jahres durch die Umstellung der Honorare einige Probleme gerade im Hausbesuchsbereich gegeben hat, die aber inzwischen weitgehend geklärt werden konnten.

Wir haben auch gehört - ich selbst habe am Freitag ein Seniorenheim besucht und dort auch nach der ärztlichen Versorgung gefragt -, dass es im hausärztlichen Bereich recht gut funktioniert, dass es aber im fachärztlichen Bereich durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Dass also insgesamt Verbesserungen anzustreben sind, darin sind wir uns alle einig.

Wir sind bereits vom Wünschen zum Handeln übergegangen. Es gibt nämlich, von Frau Ministerin Haderthauer initiiert, einen runden Tisch zur ärztlichen Versorgung in Pflegeeinrichtungen, der am 2. September 2009 zum ersten Mal getagt hat. Dieser runde Tisch wird in Arbeitsgruppen die Arbeit aufnehmen, um dafür zu sorgen, dass diese bestmögliche Versorgung unse

rer älteren Menschen weiterhin auf einem guten Weg ist.