Protokoll der Sitzung vom 22.10.2009

Wir alle wollen keine aktive Sterbehilfe. Deswegen müssen wir den Menschen die Angst vor dem Sterben nehmen, wenn sie zum Beispiel Krebs haben, aber

auch die Angst vor den Schmerzen beim Sterben. Das ist eigentlich der Hintergrund, warum wir uns so sehr dafür einsetzen, dass es hier rasch die Finanzierung, also Vertragsabschlüsse für die Palliativ-Care-Teams durch die Kassen gibt. Mittlerweile ist eigentlich das Wichtigste auf den Weg gebracht worden. Die 60 Anträge, die den Krankenkassen vorliegen, können jetzt mit mehr Schwung von den Krankenkassen behandelt und auf den Weg gebracht werden. Ich glaube, darin ist sich das Hohe Haus insgesamt einig. Es ist wichtig, dass auch in Bayern die Verträge zwischen den Krankenkassen und den Palliativ-Care-Teams, die mittlerweile schon sehr gut aufgestellt sind, flächendeckend abgeschlossen werden.

Einen weiteren wichtigen Punkt, nämlich das Thema Fortbildung, möchte ich heute mit ansprechen, weil es uns allen am Herzen liegt. Es ist wichtig, dass die Palliativmedizin und Palliativ-Care in die Approbationsordnung aufgenommen worden sind. Es ist wichtig, dass wir die gesamte Palliativ-Care in die Medizinausbildung und in die Studieninhalte stärker aufnehmen. Denn ich habe immer wieder erlebt, dass - ich sage das durchaus kritisch - unsere ehrenamtlichen Hospizschwestern über die Palliativmedizin besser als die niedergelassenen Ärzte Bescheid wussten. Obwohl wir in Bayern vier Akademien haben, ist es ganz wichtig, dass die Palliativmedizin und Palliativ-Care in den Studieninhalten einen stärkeren Niederschlag finden.

Frau Kollegin, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Sonnenholzner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme mit meinem Vorredner und meiner Vorrednerin selbstverständlich darin überein, dass das Thema Palliativversorgung ein wichtiges und ernstes Thema ist. Die Tabuisierung des Sterbens ist in unserem Land immer noch viel zu hoch. Es ist das Verdienst der Großen Koalition und insbesondere des SPD-geführten Ministeriums in Berlin, das Thema auf den Weg gebracht und die spezialisierte, ambulante Palliativversorgung in den Leistungskatalog der Krankenkasse aufgenommen zu haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass die Umsetzung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, also durch die Selbstverwaltung, einmal mehr sehr schleppend verläuft, ist ärgerlich. Das sehe ich auch so.

Herr Kollege Bertermann, aber ich frage mich schon, ob Sie mit Ihrer FDP in diesem Haus schon wirklich angekommen sind,

(Beifall bei der SPD)

denn es gibt keinen ernsthaften Grund, einen Berichtsantrag, der im Ausschuss einstimmig beschlossen worden ist, hier im Plenum noch einmal zu diskutieren. Wenn Sie zu Recht beklagen, dass "zeitnah" etwas anderes bedeutet als das, was gerade passiert, dann kann ich Ihnen nur folgenden Hinweis geben. Das zuständige Ministerium hat die Telefonnummer 92140 und der zuständige Minister die Durchwahl 2100. Da hätten Sie doch zum Telefonhörer greifen und dem Minister sagen können, was Sie umtreibt.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Stewens hat zu Recht auf die Bedeutung der Aus- und Weiterbildung hingewiesen. Das kann allerdings nicht nur für den ärztlichen Bereich gelten, sondern muss selbstverständlich auch für den pflegerischen Bereich gelten. Denn das ist eine wichtige und unabdingbare Voraussetzung, wenn ich die Angebote in der Fläche erweitern will.

Worüber Sie, Herr Kollege Bertermann, aber sehr wohl hier im Hohen Hause hätten sprechen müssen, ist die Frage, wie das alles finanziert werden soll, was wir hier zu Recht fordern.

(Beifall bei der SPD)

Das kostet Geld, zusätzliches Geld und gerade jetzt in diesen Krisenzeiten müssten Sie uns eigentlich erklären, wie Sie dieses Geld in die gesetzliche Krankenversicherung einbringen wollen.

Was wir aus Berlin von Ihrer Fraktion hören ist, dass Sie die Gesundheitskosten von den Lohnnebenkosten weitestgehend abkoppeln wollen. Damit belasten Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder haben Sie vielleicht vor, einen Schattenhaushalt für Gesundheit aufzulegen, damit Sie das Geld in die Kassen bekommen? Das, was wir bisher von Ihnen hören, bedeutet eine totale Entsolidarisierung im Hinblick auf die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Sie bemängeln hier, dass die Krankenkassen nicht zahlen wollen. Im Übrigen haben sie bereits einen kassenarztübergreifenden Vertrag vorgelegt. Schon deshalb hat es eigentlich keinen Sinn, das Thema hier im Hohen Hause heute noch einmal zu diskutieren. Die Krankenkassen können doch nur das ausgeben, was man ihnen an finanziellen Mitteln zur Verfügung stellt. Nach den Modellen, die Sie auflegen, werden die Krankenkassen weniger Geld haben. Wenn Sie das Ganze dann trotzdem aus weniger Mitteln finanzieren wollen, müssen Sie mir schon erklären, was Sie dafür aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung herausstreichen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Selbstverständlich stimmen wir hier im Hohen Hause jetzt dem Antrag zu, wie wir es schon im federführenden Ausschuss getan haben, und werden uns an der Diskussion über den Bericht selbstverständlich weiter beteiligen. Dieser Bericht wird zu geben sein, auch wenn Frau Stewens schon einige Zahlen genannt hat.

Im Übrigen habe ich noch eine Frage an Sie, Herr Kollege, nachdem Sie sich eben noch einmal zu Wort gemeldet haben. Über welche Version des Antrages sollen wir hier heute abstimmen? Über die ursprüngliche Version oder über die im federführenden Ausschuss beschlossene Version, die die von der SPDFraktion eingebrachten Ergänzungen enthält, nämlich nicht nur über die ambulante, sondern auch über die stationäre Versorgung zu berichten sowie über qualitative und quantitative Aspekte. Bitte sagen Sie mir doch, über was jetzt abgestimmt werden soll.

(Beifall bei der SPD)

Bleiben Sie gleich stehen, Frau Kollegin. Herr Kollege Bertermann hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich nicht über die Grundlagen und die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen sprechen, sondern lediglich klarmachen, wie Bürokratie bei den Krankenkassen letzten Endes funktioniert und wozu das Wettbewerbsstärkungsgesetz geführt hat. Ich denke, dass ein zentralistisches Krankenkassensystem dazu beiträgt, dass Anträge in Bayern vor Ort nicht mehr so erfolgreich behandelt werden können, wie es noch vor dem Wettbewerbsstärkungsgesetz der Fall war. Ich wollte nicht über die Finanzierung reden.

Zur Abstimmung über den Antrag; es geht um den letzten Antrag, den wir im federführenden Ausschuss beschlossen haben.

Im Übrigen möchte ich feststellen: Es ist immer gut, wenn auch das gesamte Hohe Haus etwas über diese Problematik erfährt und sensibilisiert wird für ein Thema, das für die demographische Entwicklung sicherlich von Bedeutung ist und das uns alle selbst einmal betreffen kann.

Frau Kollegin Sonnenholzner, wollen Sie dazu noch etwas sagen? - Bitte sehr.

Da bin ich fast sprachlos. Hier zu erklären, dass Sie über die Finanzierung dessen, was Sie tun wollen, nicht reden wollen, ist die

genaue Fortsetzung dessen, was Sie derzeit in Berlin machen.

(Beifall bei der SPD)

Sie machen Versprechungen und wissen nicht bzw. bemühen sich noch nicht einmal zu erklären, wie Sie diese in der Realität umsetzen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Vetter.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzten drei Beiträge, die ich alle von der Aussage her nachvollziehen kann, haben gezeigt, wie wichtig es ist, Sterbende auch ambulant zu begleiten. Ich möchte mich deshalb heute jeglicher parteipolitischer Diskussion enthalten. Wir von den Freien Wählern unterstützen den Berichterstattungsantrag der SPD selbstverständlich. Allerdings sind inzwischen zweieinhalb Jahre vergangen, seit § 37 b eingeführt wurde. Wir sind deshalb wie auch die FDP der Meinung, dass die Staatsregierung noch mehr Druck machen müsste, um diesen Paragrafen zeitnah umzusetzen.

Zwar sind erste Vertragsabschlüsse da, so zum Beispiel seit einigen Tagen in Regensburg mit der PALLIAMO. Aber es dauert einfach zu lange, es geht zu langsam.

Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Situation Schwerstkranker und Sterbender bis zuletzt erträglich gestalten. Darum geht es uns heute. Es ist dies selbstverständlich - wie ich bereits betont habe - auch ein Anliegen der Freien Wähler und deshalb unterstützen wir diesen Antrag.

(Beifall bei den Freien Wählern und der FDP)

Vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Schopper.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zugegebenermaßen auch gewundert, dass der Antrag nach oben gezogen wurde, nachdem wir einvernehmlich im Ausschuss darüber abgestimmt haben. Ich habe dem Kollegen Bertermann zugehört. Die Kollegin Huml als Angesprochene hat leider diese Rufe nicht vernommen und muss sich zunächst einmal schlau machen, was Kollege Bertermann gesagt hat. Ich habe so das Gefühl, dass Sie deshalb auf den Oppositionsbänken Platz

genommen haben, weil Sie anscheinend überhaupt keine Informationen darüber bekommen haben, warum ein Antrag, der einvernehmlich im Ausschuss beschlossen wurde, jetzt noch einmal behandelt wird. Grund ist, dass die Forderungen daraus immer noch nicht vollzogen wurden. Sie wissen ja, dass wir da nur im Schneckentempo vorankommen, und sicherlich auch, dass wir von den 60 angepeilten Abschlüssen bis jetzt nur drei vollziehen konnten. Von den übrigen sind wir noch ein ziemliches Stück entfernt. In Ihrem Mauseloch haben Sie, mit Verlaub, nicht so richtig ausgemacht, dass der alte FDP-Gassenhauer, der hier taugen müsste, von der Bürokratie schlecht gesungen wurde. Damit wären Sie in irgendeinem Casting zum Bürokratieabbau sicherlich nicht allzu weit gekommen.

Tatsächlich liegt uns das Thema doch allen am Herzen. Wir wollen, dass die spezialisierte ambulante Palliativversorgung nach § 37 b auch wirklich umgesetzt wird, damit die Menschen, die unter nicht mehr heilbaren fortschreitenden Erkrankungen leiden, zu Hause palliativ versorgt werden können. Damit können wir den Menschen die Ängste nehmen, die bei der Diskussion um die Sterbehilfe immer wieder anklingen. Diese Angebote sind schnell zu schaffen, da es seit dem 01.04.2007 einen rechtlichen Anspruch darauf gibt.

Im April 2009 wurde im Kabinett noch einmal darüber beraten und festgestellt, wie forsch Bayern bei dieser Thematik doch voranschreitet. Da liest man im Kabinettsbericht, dass die Verhandlungen weit fortgeschritten seien. Das bedeutet aber, dass sie in Bayern noch nicht voll umgesetzt sind. Es werden also immer nur Duftmarken gesetzt, ohne die eigentliche Essenz dafür zu haben. Diesen Punkt beklagen wir sehr. Die Menschen, die mit Inkrafttreten dieses Paragrafen darauf gehofft haben, palliativ ambulant versorgt werden zu können, sind heute in den meisten Fällen leider schon verstorben. Sie konnten diese palliative ambulante Versorgung nicht mehr in Anspruch nehmen, obwohl ihnen das gesetzlich eigentlich zugesichert war.

Ich hoffe, dass wir diesen Bericht bald entgegennehmen können, bereichert um den Zusatzantrag zum stationären Bereich, wie es die Kollegin Sonnenholzner vorgetragen hat. Nichtsdestoweniger werden wir Sie trotz des Einvernehmens in diesem Antrag im Rahmen der Gesundheitspolitik weiterhin beim Wort nehmen im Hinblick darauf, wo es in der Bürokratie hakt und wie die Finanzierung gestaltet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Frau Staatssekretärin Huml.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Schopper, selbstverständlich habe ich den Appell des Kollegen Bertermann gegen die aktive Sterbehilfe gehört. Das ist doch das, was uns heute hier gemeinsam beschäftigt, wenn wir jetzt über die Palliativmedizin sprechen. Was heißt denn Palliativmedizin? Da geht es um einen ganzheitlichen Ansatz zur Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen. Dass wir dabei um die beste Lösung gemeinsam ringen müssen, ist sicherlich eine Selbstverständlichkeit und gehört für uns alle hier im Hohen Hause dazu.

In der Palliativmedizin geht es nicht um den kurativen, also um den Heilungsansatz, sondern vor allem um die Behandlung von Schmerzen und Steigerung der Lebensqualität. Notwendig ist eine interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegepersonal, Sozialpädagogen, Psychologen und auch Seelsorgern und vor allem von ehrenamtlichen Hospizhelfern, die bayernweit in sehr starkem Maße vertreten sind.

Was wollen wir?- Heute ist ganz deutlich geworden, dass wir einen flächendeckenden Ausbau von palliativmedizinischen Angeboten wollen. Das ist ein zentrales Anliegen der Gesundheitspolitik. Dabei sind wir schon auf einem guten Weg. Wir wollen eine einfühlsame, qualitätsorientierte Sterbebegleitung durch Palliativmedizin und Hospizarbeit. Ich sage bewusst, dass beides zusammenkommen muss.

Wie stehen wir jetzt in Bayern schon da?- Ich möchte den Bericht zwar nicht vorwegnehmen, aber doch einige Zahlen vortragen.

(Zuruf der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner (SPD))

Bayern ist, wie wir alle wissen, das einzige Land, das ein eigenes Fachprogramm zur Palliativversorgung in Krankenhäusern verabschiedet hat. Im stationären Bereich sind wir bisher wirklich gut aufgestellt. Es gibt 39 Palliativstationen mit 367 Betten, 92 weitere sind im Entstehen. Damit sind wir unserem Ausbauziel schon sehr nahegekommen. Es gibt allerdings noch ein Aber: s gab Krankenhäuser, die bisher nicht die Möglichkeit hatten, eine eigene Station aufzumachen, aber gerne palliativmedizinisch für die Patienten gearbeitet hätten. Seit Kurzem gibt es die Möglichkeit, sogenannte palliativmedizinische Dienste gerade für kleinere Krankenhäuser einzurichten, wo sich keine eigene Station rentieren würde. Es ist in meinen Augen wirklich ein guter Fortschritt, dass auch in kleineren Häusern die Möglichkeit besteht, palliativmedizinische Dienste mit einem angemessenen qualitativen Standard einzurich

ten. Für uns ist es wichtig, dass Palliativmedizin mit guter Qualität verbunden ist.